Witiko

H159, S. 212a


sich nun zur Ruhe begaben. Die Männer lösten sich in der Art, wie sie zusammen gesezt worden waren, wieder auf, und jeder ging zu den Seinigen. Diepold ging noch mit Wenigen, die zu seinem Gefolge gehörten, zu den vornehmsten Stellen der Vertheidigung, und sah, ob dort alles in Ordnung sei. Dann begab er sich in sein Haus, befahl noch der Wache, daß er gewekt werde, wenn sich irgend etwas begebe, und suchte hierauf die Ruhe.

Am andern Tage, als die Leute im ersten Grauen des Morgens von ihren Häusern Giebeln oder Luken gegen die Feinde schauten, erblikten sie, wie gegen die Sumpfwiese hin, über welche Diepold in der Nacht seinen Ausfall gemacht hatte, Rauch aufstieg. Der Rauch wurde immer mehr, endlich schlug die Flamme durch denselben heraus, und sie sahen, daß es in den Häusern, welche gegen die Wiese hin zerstreut waren, brenne. Eines nach dem andern wurde ergriffen, und man konnte deutlich erkennen, daß dort Leute nicht damit beschäftigt waren, das Feuer zu löschen, sondern es zu erregen. Bald ging auch links von diesen Häusern Rauch auf, und man sah, daß dort Wohnungen brennen. Kurz darauf brannte es im Mittage, und dann weiter gegen Abend hin, und ehe eine Stunde verging, stand die große Anzahl von Häusern, welche sich um die Stadt befanden, in Flammen. Der Feind hatte sich dieser That der Zerstörung unterfangen, und förderte sie nach seinen Kräften. Feuer wurde nach Feuer erregt, und wo es sich nicht schnell genug verbreitete, wurde dazu geholfen. Der Rauch ging über die Stadt hin, und wo eine breite Lohe sich hob, stand ein Wind auf, und führte die Funken über die Mauern. Man stand in Bereitschaft, wenn sich irgend etwas in der Stadt entzünden sollte, daran zu eilen, es zu löschen. Diepold war auf den Mauern, um alles bei der Hand zu haben, wenn der Feind einen Sturm unternehmen sollte. Immer stärker hörte man den Lärm der prasselnden Sparren, des Wehens der Lohe und de[r]s Schreiens der Menschen draußen, und es war nicht [un]schwer zu entnehmen, daß mit der Zerstörung auch der Raub des Beweglichen verbunden war. Leute, welche Freunde Verwandte Brüder Schwestern Eltern draußen hatten, rannten mit Jammergeschrei in der Stadt herum, Schwärme drängten gegen die Mauern, und verlangten, daß man hinaus gehe, und ermorde und zerreiße, was man ergreifen könne, Männer rannten zu Diepold, und verlangten, unter die Krieger eingeordnet zu werden, und die Herzogin, welche in der Stadt herum geritten war, um zu beschwichtigen, kam zu Diepold, und sagte, sie wolle wie ein Krieger sein, sie wolle die Dienste eines Kriegers thun, sie wolle ihm an der Vertheidigung der Stadt beistehen, und werde nicht ermüden, und sie werde sich in der Nähe seines Hauses Gelasse miethen, um bei der Hand zu sein, und nicht stets von der Burg herbei eilen zu müssen. Ihr goldenes Haar war in einen Helm gehüllt, sie war ganz gewaffnet, und saß auf einem Pferde, das eine geflochtene Waffendeke trug. Diepold gab die Befehle, daß die Besezungen der Thore verdoppelt würden, und daß man die Eingänge noch mehr mit Steinen und Bäumen verrammle, er sagte, daß den Feinden diese That vergolten werden würde, er wies die Männer, die dienen wollten, in die Häuser, in welchen die Krieger eingereiht wurden, und sagte der Herzogin, daß er sorgen werde, daß Zimmer in der Nähe seine[r]s Hauses für sie und ihr Gefolge für die Zeit der Belagerung in Bereitschaft seien.

Ein Sturm wurde an diesem Tage auf die Stadt nicht unternommen, auch zündeten die Flammen, die draußen wütheten, nicht in der Stadt, und ehe der Mittag gekommen war, brannten die Häuser schon rusig in ihre Mauern hinein nieder. Jezt sah man auch weit draußen an entfernten Stellen Rauchsäulen, zum Zeichen, daß auch Häuser und Dörfer brennen, die nicht zu dem Raume der Belagerung gehörten, sondern weit von ihm abseits lagen. Der Feind begann die Zerstörung, die er erregt hatte, zu seiner Befestigung zu benüzen. Er suchte aus Mauertrümmern Balken und Schutt Brustwehren und Wälle gegen die Stadt zu errichten, er fing auch an Gruben zu graben, und vor ihnen aus Erde Steinen gefüllten Baumstämmen und dergleichen Dekungen zu erhöhen, durch die er und die Schußwerkzeuge, die er heran führte, gesicherter wären. Diepold warf in

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