Witiko

H122


zieht ihn überall hervor. Er ist auch mit seiner jungen Gemalin im Frühlinge zu dem deutschen Könige Konrad nach Würzburg gegangen."

"Der deutsche König Konrad ist ja der Halbbruder Gertruds der Gemalin Wladislaws," sagte Witiko.

"Es kann dies der Grund sein, weßhalb sie zu ihm gegangen sind, es können auch Bündnisse geschlossen worden sein," entgegnete Lubomir. "Die dem Wahltage auf dem Wysehrad beigewohnt haben, sind zum Theile um Wladislaw, zum Theile sind sie zerstreut, können aber immer wieder gesammelt werden. Sei es nun, wie es ist, wir müssen harren, was kommen wird."

"Wisset ihr etwas von der erlauchten Herzogin Adelheid?" fragte Witiko.

"Ich weiß etwas von ihr," sagte Lubomir, "sie ist noch immer mit ihren Kindern Sobeslaw Ulrich und Wenzel in Hostas Burg."

"Im Winter hat mir ein Bote gesagt, daß sie damals dort war," entgegnete Witiko.

"Sie ist noch dort," sagte Lubomir, "und will dort bleiben, und trauern. Sie hat die unbeschränkte Herrschaft über die Burg, und der Herzog hat Bores zu ihrem Castellan eingesezt."

"Das ist gut für sie," sagte Witiko.

"Es ist gut," antwortete Lubomir.

"In dem Lande ist aber überall Ruhe," sagte Witiko.

"Jezt ist Ruhe," antwortete Lubomir, "insonderheit bei uns, die wir abgelegen sind. Hier lebt das Volk in der Unwissenheit der Dinge, die da kommen werden, es bebaut die Felder, und liebt die Sakpfeife und den Tanz. Wir, die wir in dem Lande zu Wächtern der Pflege des Volkes gesezt sind, können nichts thun, als ihre Anliegen schlichten, ihnen Rath und Hilfe geben, und den Glauben fördern, durch den sie gesitteter und beglükter werden."

"Ich habe vor vier Tagen gehört, wie sie im Mondscheine im Walde einen heidnischen Gesang gesungen haben," sagte Witiko.

"Sie haben eine Tryzne gefeiert," entgegnete Lubomir, "das geschieht noch immer, und wird vielleicht noch lange dauern. Das Volk liebt die alten Bräuche, und das ist gut; es würde Land und Leute umkehren, wenn es sich in jedem Augenblike änderte. Wenn auch der Glaube hier im Mittage viel älter ist als gegen Mitternacht, wo sie näher an den heidnischen Gebiethen [xxx] liegen, so sind doch auch hier viele Sitten geblieben, die an die alte Zeit erinnern, und werden viele Jahre bleiben. Wenn die Bräuche nicht Glaubenslehren sind, so schaden sie nicht viel. Und einmal wird eine Zeit kommen, wo sich alles vermischt, und die Leute nicht mehr wissen, ob ein Brauch ein heidnischer oder christlicher ist. Wenn du zur Zeit der Sonnenwende einmal hier wärest, so würdest du auf allen Hügeln die alten Feuer erbliken, die sie einst der Wende der Sonne angezündet haben. Wenn sie die heilige Jungfrau Maria anrufen, so gehen noch manche zu heiligen Bäumen, oder zu heiligen Felsen, und singen zu ihr, da sie sich die Stirne berühren. Sie üben auch Zeichendeuterei, feien das Vieh, wenn es zum ersten Male auf die Weide geht, und halten den Sperber für einen heiligen Vogel."

"Ich habe überall die Sonnenwendfeuer anzünden gesehen, wo ich bisher gewesen bin," sagte Witiko, "die Baiern an der Donau an dem Inn an der Traun und an der Ens thun es auch."

"So ist der Gebrauch ein weit verbreiteter," entgegnete Lubomir, "und wird um so weniger schnell verschwinden. Sonst ist unser Volk hier gut und sanft, und verdient wohl, daß man es schüzt, und wahrt, und nicht in Leiden stürzt, die es nicht verschuldet hat. Ich werde dir jezt das Gemach zeigen lassen, das wir dir in diesem Hause zur Wohnung geben, damit du ausruhen, oder sonst die Zeit nach deinem Willen verwenden kannst, bis ich dich zu meiner Gemalin führe, und du das Abendessen mit uns theilest. Dein Pferd wird gut versorgt werden."

"Wenn ihr erlaubt, so besorge ich es selber," antwortete Witiko.

"Das ist gut von dir, daß du es thust," sagte Lubomir, "die Pferde lohnen oft die Pflege dem Pfleger besser als jedem anderen Reiter. Thue es auf deine Art, ich werde dir jemand geben, der dir dienen muß. Jezt trinke aber noch aus deinem Becher, ehe wir die Stube verlassen."