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Ein Pole in Tirol. 60 Jahre Józef Niewiadomski

Autor:Scheuer Manfred, Bischof der Diözese Innsbruck
Veröffentlichung:
Kategoriefak
Abstrakt:
Publiziert in:
Datum:2011-02-20

Inhalt

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Er feiert Weihnachten mit einem Lametta überladenen Christbaum, mit Heu auf dem Wohnzimmertisch und Oblaten die gebrochen und gemeinsam gegessen werden wollen. Jozef Niewiadomski ist ein Mensch, dem Tirol zur Heimat geworden ist, der aber seine polnische Herkunft und Identität bewahrt hat. Das zeigt sich auch von seiner Biografie her. Sein Heimatdorf heißt Rozkoszowka (rosskoschufka). Mir wurde erzählt, es sei ein totales Kaff. Übersetzt heißt Rozkoszowka aber „der Ort der Freude“. Ein Prälat hat mir den Namen Niewiadomski übersetzt: „er hat keine Nachrichten“. Wer aber Jozef einmal zugehört hat, bei Predigten, Vorlesungen oder Diskussionen wird wohl eher das Gegenteil behaupten. Jozef ist ein Brückenbauer zwischen Ländern und Kulturen, zwischen Gegensätzen und Extremen.

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Vielleicht ist Jozef gerade wegen der ihm einst fremden Sprache so nachdrücklich zum Sprachrohr des Glaubens und der Kirche in Tirol geworden. Nicht nur sprachlich nämlich gehen die Wurzeln seines Lebens nach Polen. Er erzählt gerne und oft von seiner Heimat, samt ihrer bewegten politischen Vergangenheit, die ihn tief geprägt hat. Zuhause ist er aber auch in Tirol. Heimat sind ihm das Miteinander und die Gemeinschaft der Theologischen Fakultät geworden, um die er sich sorgt – in den Kämpfen um das knappe Unibudget genauso, wie beim Zettelfalten für die adventliche Unterbrechung des hektischen Alltags. Heimat ist für ihn auch die Kirche und von diesem Gefühl der Beheimatung in der ganz konkreten Orts- wie auch Weltkirche weiß er den Studenten zu erzählen. In all seinem Tun ist er getragen von einer großen Sorge um diese Kirche. Vom zweiten Vatikanum her versteht er sie auch als Sakrament. All sein Ringen kann letztlich verstanden werden als ein Mittun-Dürfen am Werk der Erlösung (vgl. 1 Kor 3,9; 2 Kor 6,1).

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Glaube und Lebenslust

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Dass die Freude am Glauben und die Lebenslust zusammengehören, lässt sich bei Jozef schon von seinem Lebenszeugnis her erschließen. Und er warnt vor den linken und rechten Rändern, die beides auseinanderdividieren. „Der Frömmler wird diese Freude von vornherein verwerfen, der Linke aufgrund der programmatischen Solidarität mit allem Leid und allem Elend. Beide haben die Lust und die ungebremste Lebensfreude in die Hölle geschickt und dadurch kriminalisiert. ‚Ihre‘ himmlische Gemeinschaft bleibt sauber. Dort ist niemand mehr, der von den erlesenen Weinen zuviel erwischt hat und dem es ‚speiübel‘ geworden ist.“ (TT)

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Jozef Niewiadomski kann als Freund und Liebhaber des Lebens und der Menschen bezeichnet werden. Die Bilder des Lebens erschließen sich für ihn auch durch Oper, Theater, Musik und Literatur, im miteinander Feiern, im Essen, Trinken und Beten. Das Leben verstanden als Hochzeitsfeier, auf der weder die Feier noch das Wissen um die Härte des Alltags fehlen. Nicht selten entführt er seine Zuhörer ins „Kino“, bittet sie sich zurück zu lehnen und zu lauschen. Aber der von ihm vorgetragene „Film“ endet nicht in oberflächlicher Sorglosigkeit, sondern findet seinen Höhepunkt in der gelebten Überzeugung, dass der menschgewordene Sohn Gottes „... auch auf der Hochzeit unseres Lebens, hier und heute, ...“1 tanzt.

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"Wer dem lieben Gott ins Fenster geschaut hat, langweilt sich nicht; er ist glücklich."2 Diesen Satz stellte Jozef Niewiadomski quasi als Programm an den Anfang seiner Antrittsvorlesung und so an den Beginn seiner Arbeit als Dogmatikprofessor hier in Innsbruck. Wie gelingt es, den Traum vom offenen Himmel konkret werden zu lassen? Eine der wichtigsten Kurzformeln des Glaubens und der Hoffnung drückt Jozef mit dem Propheten Jesaia aus: "Der Herr wird auf diesem Berg für alle Völker ein Festmahl geben mit den feinsten Speisen, ein Gelage mit erlesenen Weinen, mit den besten und feinsten Speisen, mit besten, erlesenen Weinen" ( Jes 25,6 ). Es ist eine Hoffnung auf menschliches Leben in einer Gemeinschaft, die der Menschen würdig ist.

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Die Herzen der Menschen öffnen

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„Fehlplanung! Das Event droht zur größten Panne aller Zeiten zu verkommen. Kein Alk mehr! Die Stimmung kippt um. Alles im Eimer. Superpeinlich das Ganze. Doch da kommt der Wunderwutzi. „Hey Man! Can you help?“ ... Kannst helfen? „Yes, I can!“ - prompt stehen 600 Liter besten Weins zur Verfügung. Die Provinzhochzeit mutiert zur größten Party aller Zeiten. Der Superstar des Abends trinkt das ganze Dorf unter den Tisch.“3

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Jozef Niewiadomski beginnt seine Ausführungen gerne mit derartigen „Knalleffekten“ und sie wirken wie Türöffner zu der Aufmerksamkeit und den Herzen der Zuhörer – seien es Studenten in den Vorlesungen, Mitfeiernde im Gottesdienst, Prominenz bei Feierlichkeiten oder Angehörige von AbsolventInnen bei akademischen Feiern. Und die nun geöffneten Türen sollen dazu einladen dem lieben Gott ein wenig ins Fenster zu schauen. In seinen Ansprachen folgt Jozef den Suchbewegungen des Lebens, er versucht Auskunft zu geben in den Fragen, die die Menschen bewegen. Diese Fragen sind ganz unterschiedlich gelagert: Rivalität und Begehren, Gewalt und der Markt, Sündenböcke und Martyrium, Medien und Religion, Fundamentalismus und Generalverdacht, Anderl von Rinn und Antisemitismus, Tirol als religionsgeladenes Land und Aufklärung …

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Die Sprache als Tür zu den Menschen, auch als Tür zum eigenen (Glaubens-)Leben ist gewissermaßen das Markenzeichen des Dekans der Theologischen Fakultät. Er ist kein neutraler Beobachter, nicht jemand der übersieht oder wegschaut. Er zeigt, was er liebt, und ist so ein Zeuge für erlöstes Leben. Er lebt aus dem festen Glauben und dem tiefen Vertrauen, dass das/sein Leben getragen wird von einem Anderen, von Gott, dem Liebhaber des Lebens. Seine griffige Sprache drückt seine eigene Ergriffenheit von der Leidenschaft aus, Menschen zu helfen, das Leben durch die „österliche Brille“ betrachten zu können. Jozef „brennt“ für den Glauben und das bündelt sich in der Feier der Eucharistie.

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„Es gibt keinen Glauben, wo kein Gebrauch der Vernunft existiert.“ So hat am Weißen Sonntag des Jahres 1454 Nikolaus Cusanus in Innsbruck gepredigt. Jozef Niewiadomski vermittelt keine knöcherne Dogmatik ohne Fleisch. Er ist die Leib und Sprache gewordene Dramatik und Spannung zwischen Theologie und Spiritualität, zwischen Reflexion und Liturgie, zwischen Leidenschaft für die Theologie und Universitätspolitik, zwischen Personalität und Öffentlichkeit, zwischen dem Lebensraum Kirche und den ganz unterschiedlichen Milieus der gegenwärtigen Gesellschaft. Theologie ist für ihn denkerisch bewältigtes Leben im Angesicht Gottes. Ich schätze ihn als theologische Persönlichkeit, für den die Frage nach Gott im Mittelpunkt des Nachdenkens steht. Und zugleich ist er ein Existenzdenker, der in der Theologie die einmalige Lebensgeschichte verantwortet und keine wichtigen Lebensbereiche tabuisiert und ausklammert. Als theologische Persönlichkeit lebt er vor, dass er von der Gnade und vom Trost Gottes lebt. Ich bin froh und sehr dankbar, dass Jozef Niewiadomski Wurzeln in Innsbruck geschlagen hat.

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Manfred Scheuer, Bischof von Innsbruck

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Die mündliche Fassung endete mit dem Satz: „Wir mögen Dich!“

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Anmerkungen

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1J. Niewiadomski, Das Wunder der Verwandlung: Unser Kana hier und heute. Predigt zu Joh 2,1-12, gehalten in der Jesuitenkirche am 18. Januar 2010 um 11 Uhr, im Innsbrucker Theologischen Leseraum: http://www.uibk.ac.at/theol/leseraum/texte/845.html

 

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2J. Niewiadomski, Der offene Himmel. Konturen eschatologischer Vorstellungskraft, im Innsbrucker Theologischen Leseraum: http://www.uibk.ac.at/theol/leseraum/texte/414.html

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3J. Niewiadomski, Das Wunder der Verwandlung, s. Anm. 1.

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