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Das Wunder der Verwandlung: Unser Kana hier und heute
(Predigt zu Joh 2,1-12, gehalten in der Jesuitenkirche am 18. Januar 2010 um 11 Uhr)

Autor:Niewiadomski Jozef
Veröffentlichung:
Kategoriepredigt
Abstrakt:
Publiziert in:
Datum:2010-01-18

Inhaltsverzeichnis

Inhalt

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Fehlplanung! Das Event droht zur größten Panne aller Zeiten zu verkommen. Kein Alk mehr! Die Stimmung kippt um. Alles im Eimer. Superpeinlich das Ganze. Doch da kommt der Wunderwutzi. "Hey Man! Can you help?" ... Kannst helfen? "Yes, I can!" - prompt stehen 600 Liter besten Weins zur Verfügung. Die Provinzhochzeit mutiert zur größten Party aller Zeiten. Der Superstar des Abends trinkt das ganze Dorf unter den Tisch.

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Liebe Schwestern und Brüder, man könnte das heutige Evangelium in der Erzähltechnik Hollywoods vergegenwärtigen und Jesus als den größten Magier aller Zeiten präsentieren. Man könnte aber auch die Geschichte zum Anlass nehmen, um den Mehrwert feministischer Zugänge zum Glauben zu illustrieren. Die Frau ..., die da neben Jesus auftritt ..., sie fackelt nicht lange; die Frau macht Jesus aufmerksam auf die Notlage, auf die konkrete Notlage. Mehr noch: Sie, die Frau, kennt "die Stunde Jesu" besser als er selbst. Man könnte gar den Text als ein Stück antikatholischer Polemik auslegen. Der Reformator Calvin etwa hat es getan, als er aus der bockigen Bemerkung Jesu zu seiner Mutter: "Was willst du von mir Frau?" den Ratschlag Jesu herausgelesen hat, es solle für alle Zeiten in der Kirche keine Marienverehrung geben. Man könnte mit der Geschichte, die in ihrem Wortlaut schon immer ein Dorn im Auge war: für die allzu Frommen, für Asketen, für Leibes- und Lebenshasser, alles Mögliche anstellen, bildet sie doch in ihrer Einzigartigkeit einen regelrechten Stolperstein. Einen Stolperstein, der - wie alle Stolpersteine der Heilsbotschaft - zu einem Eckstein werden kann, einem Eckstein, der das Haus unseres Glaubenslebens zusammenhält.

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Das Evangelium von der Hochzeit zu Kana stellt schon deswegen einen Stolperstein dar, weil es ausgerechnet von dem Evangelisten überliefert wird, der das höchste intellektuelle Niveau aufweist. Johannes, der nachdenkliche Botschafter, der spekulative Theologe (fast schon ein vorweggenommener Jesuit), Johannes lässt auf die tiefschürfenden theologischen Gedanken seines Prologs - sie erinnern sich noch - "Im Anfang war das Wort, und das Wort war Gott, ... und das Wort ist Fleisch geworden" - Johannes lässt auf solche theologischen Spitzenaussagen eine banale Hochzeitsgeschichte folgen: eine Geschichte ohne jegliche moralische Pointe (etwa zum Thema: der Wert der ehelichen Treue). Nein. Johannes erzählt uns eine Geschichte, mit der er - der kluge Mann - auf eine überraschende Weise die große und letztlich auch unbegreifliche dogmatische Wahrheit von Weihnachten auf dem Boden der Realität verankert: Gott wurde Mensch und wohnt unter uns, ist mir zum Nachbarn geworden, zum Gast, der immer und immer wieder in meinem Leben auftauchen kann. Wer kann das begreifen? Wer kann das verstehen? Und zwar im Kontext einer Realität, in der Menschen tagtäglich bloß geboren werden und tagtäglich auch sterben. Im Kontext einer Realität, in der sie sich bemühen, plagen und abplagen, in der sie ihr Leben planen und gestalten und auch öfters zu Opfern von Fehlplanungen werden, aber auch zu Opfern von Katastrophen. In einer Realität also, in der alles, aber auch alles scheinbar nach den Gesetzen alltäglicher Banalität abläuft. Wer kann das begreifen, dass Gott mitten unter diesen Menschen da ist und wirkt und für das Wunder der Verwandlung dieses Lebens verantwortlich zeichnet, für das Wunder der Verwandlung der Banalität: der angenehmen Banalität aber auch der schrecklichen? Der große Intellektuelle unter den Evangelisten behilft sich also mit einer Geschichte, um uns das Geheimnis der Menschwerdung Gotts stückweise verständlich zu machen.

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Was können wir aus dieser Geschichte über das Wunder der Verwandlung für unser Leben lernen? Das Leben sei eine überdimensionale Hochzeitsfeier. Kana ist überall, und wir alle schlüpfen auf diese oder jene Weise in die Rollen der Hochzeitsgäste. Da gibt es zuerst Maria, jemanden also, der rechtzeitig den Mangel bemerkt, den Mangel an Lebensqualität. Sie nimmt den Mangel wahr, schlüpft aber nicht in die Rolle einer Panikmacherin: "Um Gottes willen, jetzt ist die Katastrophe perfekt!" Nein, sie bläst nicht in das Skandalhorn, deckt nicht schonungslos auf, widmet sich auch nicht der Ursachenforschung und schon gar nicht dem Geschäft der Schuldzuweisung: "Der Verantwortliche soll zurücktreten!" Nein. Auf solchen Wegen finden keine Wunder statt. Das Wunder der Verwandlung nimmt seinen Lauf, weil sie einen anderen, weil sie Jesus auf die konkrete Notlage aufmerksam macht: "Sie haben keinen Wein mehr!" Das Wunder der Verwandlung nimmt seinen Lauf, weil sie ... die etwas ratlos da stehenden Diener ermutigt, sie sollen das tun, was ihnen aufgetragen wird; im Grunde sollen sie bloß ihrer Pflicht nachkommen. Und sie tun es! Schöpfen das Wasser vom Brunnen in die Krüge und schöpfen es aus den Krügen und tragen es aus ..., schenken ein! Die Gäste, denen nachgeschenkt wird, nehmen nicht einmal wahr, dass die Qualität des Weins sich verbessert hat. Mit einer Selbstverständlichkeit sondergleichen zechen sie weiter, weil sie weder den Mangel noch das Wunder mitbekommen haben. In ihrer Wahrnehmung läuft ja alles so ab, wie es gewöhnlich abläuft. Sie essen und trinken mit einer Selbstverständlichkeit sondergleichen. Sie leben und sterben also aus der Kraft des Wunders, ohne des Wunders als Wunder gewahr zu sein.

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Und die Diener - jene, die selbst am Wunder beteiligt waren? Auch sie nahmen zuerst das Wunder nicht wahr, taten sie doch bloß das, was sie tun mussten. Der Akt der Verwandlung blieb auch für sie unsichtbar. Freilich ... sie wurden damit konfrontiert durch Maria und Jesus. Doch weder sie noch er, weder Maria noch Jesus gebärdeten sich als Wunderwutzis. Beide erscheinen alltäglich. Beide sind so schrecklich normal. Ohne Zaubersprüche und ohne den Heiligenschein. "Bringt Wasser, füllt die Krüge, schöpft es, schenkt ein!" - all das sind doch Bitten, die nur die alltäglichen Tätigkeiten bezeichnen. All das sind Tätigkeiten, die unseren alltäglichen Geschäften ähnlich sind. Es sind Tätigkeiten, die wir tagtäglich verrichten: einkaufen, kochen, putzen, wickeln, hilflose Menschen sauber machen. Was soll das bedeuten? Hier und heute tun wir das, was die Diener in Kana getan haben! Wir bringen das Wasser und schöpfen es auch, wir tragen das Wasser und schenken den anderen ein. Und wir bemerken selber nur selten, dass wir den anderen einen Qualitätswein eingeschenkt haben. Wir bemerken es selten, weil diejenigen, die das trinken, das trinken, was wir da eingeschenkt haben, weil sie es mit einer Selbstverständlichkeit sondergleichen trinken. Sie trinken es, ohne zu merken, dass sie am Wunder Anteil haben!

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Nicht einmal der Manager des Ganzen, nicht einmal derjenige, der für das Fest verantwortlich zeichnete, bemerkte das Wunder. Immerhin nahm er den Qualitätssprung wahr und war auch demütig genug, diesen Qualitätssprung nicht seiner Management-Kunst zuzuschreiben, sondern der des Bräutigams. "Du hast den besten Wein bis zum Schluss zurückgehalten", sagte er dem verdutzten Bräutigam, der nur "Bahnhof verstand". Nicht einmal der Manager also nahm das Wunder wahr, das der menschgewordene Sohn Gottes unaufdringlich und anonym bewirkte. Er, der bloß einer unter den vielen Gästen war.

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Nur seine Freunde, jene, die ihm bewusst nachfolgten, seine Jünger also haben die Nichtselbstverständlichkeit dieser alltäglichen Hochzeitsfeier erkannt. Sie vermochten nämlich das Ganze - vor allem die Notlage - mit der Kraft des Herzens zu sehen: "Man sieht ja nur mit dem Herzen gut". Sie vermochten in der Banalität des Alltags das Wunderbare zu entdecken. Deswegen glaubten sie!

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Liebe Schwestern und Brüder, die Logik dieser Hochzeitsfeier beherrscht unser aller Leben. Sie strukturiert auch das Leben unserer vermeintlich so gottlosen Welt. Der menschgewordene Sohn Gottes tanzt auch auf der Hochzeit des global village. Er tanzt auch auf der Hochzeit unseres Lebens: hier und heute, unaufdringlich und anonym freilich. Als einer der unzähligen Gäste mischt er sich ein und verwandelt Wasser in Wein, ohne dass die Menschen es merken. Er inspiriert und ermutigt die unzähligen Diener, dass sie das tun, was zu ihren Pflichten gehört. Dass sie sich in den Dienst der anderen stellen, dass sie also zu Akteuren der Wandlung, zu Akteuren des Wunderbaren werden. Und dies gerade so, dass sie selber es kaum merken ("Wir tun ja bloß das, was wir tun müssen"). Und er freut sich über die Gemeinschaft jener Menschen, die wie Maria und seine Freunde den Mangel merken und die Nichtselbstverständlichkeit des Wunders schätzen, die Nichtselbstverständlichkeit des ganz normalen Alltags. Wie gesagt ... unser Leben sei eine Hochzeitsfeier und wir spielen unterschiedliche Rollen. Meistens sind wir bloß die trinkenden Gäste, oft die arbeitenden Diener. Hin und wieder aber die Jünger - oder gar Maria. Und zwar dann, wenn wir all das, was scheinbar so selbstverständlich in unserem Alltag abläuft, mit der Kraft des menschgewordenen Gottes in Verbindung bringen, ihn ausdrücklich bekennen, ihm danken und ihn loben. Auch oder gerade in der Eucharistiefeier.

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