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Vom einen guten Hirten
(Gedanken zum 4. Sonntag der Osterzeit (LJ C))

Autor:Wandinger Nikolaus
Veröffentlichung:
Kategoriepredigt
Abstrakt:Jesus spricht von sich im Johannesevangelium als vom guten Hirten, der die seinen kennt und den die seinen kennen. Haben wir in der letzten Zeit nicht oft das Gefühl gehabt, die Kirchenleitung und das Kirchenvolk kennen und verstehen einander überhaupt nicht mehr? Vielleicht liegt das aber auch an einer falschen Idee vom Amt der Hirten in der Kirche. Es beaucht sie, aber sie sind nicht wie der - einzige - Gute Hirt.
Publiziert in:
Datum:2010-04-26

Inhaltsverzeichnis

Inhalt

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Lesungen: (Apg 13,14.43b–52); Offb 7,9.14b–17; Joh 10,27–30

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Liebe Gläubige,

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heute ist der Sonntag „Vom guten Hirten“, auch der Sonntag, an dem die Kirche um geistliche Berufe betet. Das Motiv vom guten Hirten, der seine Schafe weidet, klingt im heutigen Evangelium nur noch nach. Es ist die Fortsetzung einer längeren Rede Jesu und der markanteste Satz daraus ist wohl: „14 Ich bin der gute Hirt; ich kenne die Meinen, und die Meinen kennen mich, 15 wie mich der Vater kennt und ich den Vater kenne; und ich gebe mein Leben hin für die Schafe.“ (Joh 10,14f.)

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Wenn wir so auf die letzten Wochen und Monate zurückblicken, dann merken wir, wie sehr wir solche Hirten in der Kirche vermissen. Haben wir da nicht oft das Gefühl gehabt, die Kirchenleitung und das Kirchenvolk kennen und verstehen einander überhaupt nicht mehr? Wenn nun in Deutschland ein Bischof sogar seinen Rücktritt anbietet, weil der Verdacht der Kindesmisshandlung und der anschließenden Lüge darüber so massiv geworden sind, dass er zumindest einsehen muss: das Amt des Bischofs, das doch auf das Vertrauen der Gläubigen angewiesen ist, kann er so nicht mehr richtig ausüben, dann merken wir wie groß die Entfremdung zwischen den Hirten und der Herde mancherorts geworden ist. Wir dürfen erleichtert darüber sein, dass es bei uns, in der Diözese Innsbruck, anders ist. Aber wir leben ja nicht auf einem anderen Stern, und so geht das, was in der Nachbardiözese Augsburg geschieht, nicht spurlos an uns vorüber.

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Mich hat das zu einer weiteren Überlegung geführt: Ist es überhaupt richtig, dass wir unsere Bischöfe und Priester als Hirten im Sinne des Guten Hirten des Johannesevangeliums verstehen, und uns dann als ihre Herde? Natürlich nennen die Apostelgeschichte und die Briefe des NT die Leiter von Gemeinden auch Hirten – und sie sollen dem Beispiel des Guten Hirten folgen. Aber zwischen dem einen guten Hirten, Jesus, und den Hirten in seiner Nachfolge besteht doch ein großer Unterschied. Denn nur er hat sein Leben hingegeben für die Schafe. Es gibt heiligmäßige Bischöfe und Priester – denken wir nur an Oscar Romero in El Salvador oder Jerzy Popiełuszko in Polen –, die Jesus darin nachgefolgt sind. Aber das sind Ausnahmeerscheinungen – so wie ja auch unter den anderen Gläubigen Märtyrer und Märtyrerinnen nicht der Normalfall sind.

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Die Frage ist also: Muten wir den Bischöfen, Priestern und Diakonen nicht zu viel zu – und muten diese sich selber nicht zu viel zu –, wenn wir sie mit dem Guten Hirten vergleichen und ähnliche Ansprüche an sie stellen; ebenso, wenn wir einen davon einen Heiligen Vater nennen, wo doch Jesus ausdrücklich gewarnt hat: „8 Ihr aber sollt euch nicht Rabbi nennen lassen; denn nur einer ist euer Meister, ihr alle aber seid Brüder. 9 Auch sollt ihr niemand auf Erden euren Vater nennen; denn nur einer ist euer Vater, der im Himmel.“ (Mt 23,8f.)

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Heißt das aber, dass wir auf Bischöfe, Priester und Diakone, gar auf den Papst, verzichten können? Ganz sicher nicht! Es braucht Menschen in der Seelsorge und geistlichen Begleitung; Menschen, die in den Sakramenten die Liebe und Zuwendung Gottes leibhaft erfahrbar machen; Menschen, die uns autoritativ das Wort Gottes auslegen und die von Amts wegen dazu verpflichtet sind, nicht Einzelinteressen – schon gar nicht Eigeninteressen – in den Mittelpunkt zu stellen, sondern die Einheit des Volkes Gottes, das der gesellschaftlich verfasste Leib Christi in der Welt ist. Dieses Auslegen und Einheitsstiften geht nicht ohne Konflikte und ohne Mut zum Widerspruch. Kirchliche Amtsträger müssen nicht bequem sein, das ist nicht ihre Aufgabe, aber sie müssen Diener einer echten Einheit sein – weder des Streits, noch einer oberflächlichen Einheit auf Kosten von Opfern oder auf Kosten der Wahrheit.

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Was aber bedeutet es, wenn sie zwar auf ihre Weise Hirten, aber nicht wie der gute Hirt oder der Vater im Himmel sind? Es bedeutet eigentlich für sie eine große Entlastung und für uns eine Herausforderung zu mehr Selbständigkeit. Wir alle mit ihnen zusammen sind zunächst einmal die eine Herde Christi und die Kinder des Vaters. Der Vater im Himmel könnte von uns kindlichen Gehorsam verlangen, tut es aber interessanterweise nicht, sondern will uns durch Jesus überzeugen und bekehren. Diese Botschaft der Freiheit, bedeutet allerdings auch Last der Verantwortung: sich selber eine dem Evangelium gemäße Meinung zu bilden – nicht einfach mit der Mehrheit mitlaufen, ob es nun eine zufällige innerkirchliche oder gesellschaftliche oder mediale Mehrheit ist. Und es bedeutet, dass Bischöfe, Priester und Diakone nicht von vornherein schon bessere Menschen sind als andere. Sie sind nicht prinzipiell über jeden Verdacht erhaben – sie stehen aber auch nicht prinzipiell unter Verdacht. Das eine ist ja nur die Kehrseite des anderen. Beide Vorurteile sehen sie nicht als Menschen, die wie andere mit sich kämpfen, um Christus nachzufolgen, sondern als Übermenschen oder verschlagene Verschwörer. Keiner fällt so tief wie der, der vorher unrealistisch überhöht wurde und auch noch selber zu dieser Überhöhung beigetragen hat. Das bedeutet dann aber auch, dass unsere Aufmerksamkeit sich nicht zu sehr auf die irdischen Hirten richten sollte, sondern vielmehr auf den einen guten Hirten. Konzentrieren wir uns also mehr auf ihn, dem wir unsere Erlösung verdanken, und der uns in der Lesung auch vorgestellt wird als das geschlachtete Lamm, das vor dem Thorn Gottes steht und die Menschen zu diesem Gott führt.

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Derselbe Christus – Hirt und Lamm. Er wurde nämlich gerade der Gute Hirt, indem er sich als Lamm schlachten ließ. Nicht Gott hat ihn geschlachtet, sondern Menschen. Und er hat diesen Gewaltakt gegen sich verwandelt in einen Liebesakt, so dass man sich nun – so paradox das klingt – in seinem Blut weiß waschen kann. Er hat die ganze Gewalt auf sich genommen und sich solidarisiert mit allen, die Gewalt erleiden, um alle – die Gewaltopfer, aber letztlich auch die Gewalttäter – zurück zu führen zu den Quellen des Lebens, zurück zu führen zu dem Gott, der alle Tränen abwischen wird. Das macht ein guter Vater so. Aber – so möchten wir sagen: Wenn man ein kleines Kind ist und sich das Knie aufschlägt, dann wird es schon besser, wenn Vater oder Mutter die Tränen abwischen. Aber die großen Verletzungen, die einem das Leben in der Welt, manchmal auch das Leben in der Kirche, zufügt, die kann man doch nicht einfach so wegwischen. – Das stimmt und stimmt auch wieder nicht.

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Es stimmt, denn auch Jesus ist mit seinen Wundmalen auferstanden. Seine Verletzungen und sein Leid waren nicht einfach weggewischt und vergessen. Es stimmt nicht, denn wenn Gott Tränen abwischt, dann tut er das in seiner Kraft als Schöpfer, der neues Leben schenken kann, wo vorher nur mehr Tod und Vernichtung waren. Jesu Wunden sind verklärte Wunden, sie sind nicht mehr Anlass zur Trauer, sie schmerzen nicht mehr. Sie sind zu Zeichen der lebenserweckenden und versöhnenden Kraft Gottes geworden. Und sie wurden damit für uns zu Zeichen der Hoffnung.

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Eine solche Verwandlung kann nur Gott bewirken, und zu ihm führt uns nur der Gute Hirt, der uns kennt, weil er ganz und gar einer von uns ist; und der den Vater kennt, weil er ganz eins mit ihm ist. Die sichtbare Verbindung zu diesem Hirten in unserer Welt aber ist die Kirche, die wir selber sind. Und als diese Kirche brauchen wir Menschen, die als Bischöfe, Priester und Diakone dienen. Wir brauchen keine vollkommenen Diener der Kirche – das zu erwarten wäre nicht nur naiv, sondern unchristlich; aber wir brauchen wahrhaft menschliche Diener – solche, die sich ihrer Schwächen bewusst sind und gelernt haben, in der Gnade Gottes und mit unserer geschwisterlicher Hilfe mit ihnen zu leben. Für solche Diener und um solche Diener wollen wir heute besonders beten.

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