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Streik - Europa - Kirche

Autor:Schwager Raymund
Veröffentlichung:
Kategoriekommentar
Abstrakt:
Publiziert in:# Originalbeitrag für den Leseraum
Datum:2003-05-12

Inhaltsverzeichnis

Inhalt

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Die Zahlen sind klar. Die Pensionsjahre steigen (1970:8,8 Jahre; 2001: 20,3 Jahre) und Österreich hat praktisch europaweit den höchsten Anteil an öffentlichen Ausgabe für die Pensionen. So muss der Bund 2003 nur für die Beamtenpensionen 6,4 Milliarden Euro aufwenden. Schon vor vielen Jahren wäre ein mutiges Handeln der Regierung notwendig gewesen. Aber die Vertreter kurzfristiger Interessen waren immer stärker, obwohl diese, wie ich bereits am 20. Nov. 1997 in einem Gastkommentar in 'Die Presse' vertreten habe, die wahren Totengräber des Sozialstaates sind. So müssen 2003 nur für die Zinsen der Staatsschulden 8,7 Milliarden bezahlt werden. In vielen Ländern Europas ist die Situation ähnlich, auch wenn sich jetzt, wie etwa in Deutschland langsam die Erkenntnis durchsetzt und selbst ein Ministerpräsident Steinbrück (SPD) eingestehen kann, man hätte vor vielen Jahren handeln müssen und ein Finanzminister Eichel seine eigene Regierung wegen ihrer langen Untätigkeit zu kritisieren beginnt. Dennoch bleibt auch dort der Widerstand. Und Österreich? Hier scheint der Wille, die Augen zu verschließen und dafür andern die Schuld zuzuschieben, noch besonders stark zu sein.

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Im politischen Bereich wird auf europäischer Ebene ähnlich gehandelt. Die USA zeigen sich immer deutlicher als weltweite Hegemonialmacht. Die Europäer kritisieren diesen Anspruch, sind aber gleichzeitig unfähig, selber zu einer einheitlichen und kohärenten Politik zu kommen, obwohl dies gegenwärtig der einzige Weg wäre, der Hegemonie der USA eine Grenze zu setzen. Kurzfristige Interessen führen auch hier zur Blindheit und zum Mechanismus, die Schuld anderen zuzuschieben.

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Selbst in der Kirche liefen die Dinge in den letzten Jahrzehnten ähnlich. Rom und die Bischöfe mussten herhalten und wurden für eine unerfreuliche kirchliche Situation verantwortlich gemacht, obwohl bereits ein oberflächlicher Vergleich mit den protestantischen Kirchen hätte zeigen können, dass ohne Rom und Bischöfe die Dinge nicht besser, sondern eher noch schlechter gingen. Lange glaubte man, dann fortschrittlich zu sein, wenn man 'die oben' kritisierte, und merkte nicht, dass man so nur dem archaischen Mechanismus des 'Schuld-Abschiebens' verfiel.

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Etwas ganz anderes ergibt sich aus dem Geschick Jesu, das zeigte, wie er kollektive Verblendungen aufgedeckt hat, dafür aber selber dem Mechanismus des 'Schuld-Abschiebens' zum Opfer fiel. Kollektiven Verblendung zu folgen ist eben viel leichter als der Weg der Wahrheit, und Demokratien neigen dazu, dass die Mehrheit täuschenden kurzfristigen Interessen nachläuft. Christen, die dem Weg Jesu folgen, sollten diesen Mechanismus durchschauen und schrittweise fähig werden, anders zu handeln. Ist es verwegen zu hoffen, diese Einsicht möge sich heute wenigstens in der Kirche langsam durchzusetzen? Wäre dies der Fall, gewänne sie rasch eine größere Einheit und Überzeugungskraft. Sie könnte in einer Welt, wo alles kurzfristigen Vorteilen oder oft eingeredeten Interessen nachrennt, zu einem wegweisenden Licht werden.

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