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Theologinnen – notwendig, bereichernd, bedroht

Autor:Ladner Gertraud, Quast-Neulinger Michaela
Veröffentlichung:
Kategoriefak
Abstrakt:
Publiziert in:
Datum:2021-08-20

Inhaltsverzeichnis

Inhalt

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  • Frauen- und Geschlechterforschung ist an der Theologischen Fakultät Innsbruck fest verankert. Gertraud Ladner vom Institut für Systematische Theologie ist Präsidentin der ESWTR, einem der größten internationalen Netzwerke von feministisch orientierten Theologinnen verschiedener Religionen, dessen Generalversammlung 2021 in Innsbruck (digital) stattfinden wird. Im Interview mit Michaela Quast-Neulinger gibt sie Einblick in die schwierige Situation von Theologinnen, die besonders in Osteuropa immer bedrängender wird, und die Notwendigkeit feministischer Theologie.
     
  • 1.       Warum braucht es ein eigenes wissenschaftliches Netzwerk von Theologinnen wie die ESWTR?
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Kurz gesagt: Weil das, was gesellschaftlich und persönlich Frau-Sein bedeutet, weiterhin sehr bestimmend ist für die professionell-wissenschaftlichen Chancen und Perspektiven. Diese Situation macht es nach wie vor lohnend, sich als Frauen aus unterschiedlichen religiösen und regionalen Kontexten zu vernetzen. 

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  • 2.       Der Philosoph Ibn Rushd meinte im 12. Jh., Länder, die Frauen von Funktionen und Ämtern ausschließen, weil sie Frauen sind, würden sich selbst in die Armut treiben. Sind Kirche und Theologie ebenfalls „ärmer“, wenn sie Frauen aus vielen Bereichen ausschließen, weil sie Frauen sind?
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Ja. - Warum? Weil so viel an Leben verloren geht, an Gemeinschaft, an Perspektiven. 

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  • 3.       Die ESWTR ist heute ein interreligiöses Netzwerk. Mit welchen Herausforderungen sind Theologinnen quer durch die Religionen konfrontiert?
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Die beruflichen Rahmenbedingungen sind von den gesellschaftlichen und religiösen Vorstellungen geprägt, was Angehörige bestimmter Geschlechter tun können oder sollen und welcher Platz ihnen in Kirchen, in Religionsgemeinschaften oder in einer wissenschaftlichen Disziplin gebührt. In vielen Konfessionen und Religionen beschränkt das den Beitrag, den Frauen machen können. Manchmal werden ihre Positionen gänzlich ausgegrenzt. Das braucht Austausch, Bestärkung, kritische Reflexion und wenn möglich gemeinsame Strategien. 

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  • 4.       Die Entwicklungen in Osteuropa der vergangenen 10 Jahre sind für die Frauen- und Geschlechterforschung sehr schwierig. Die universitäts- und gesellschaftspolitischen Maßnahmen in Ungarn sind nur ein Beispiel dafür. Wie ist die Situation der Theologinnen unter diesen Umständen?
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Die Situation ist prekär. Vor allem wenn sich Kolleginnen zu aktuellen Themen äußern, drohen Repressionen. So wurden in Ungarn die Computer einer Initiative konfisziert, weil sie sich für Menschenrechte einsetzte. Ein weiters Beispiel: Nachdem eine Kollegin das erste kroatische wissenschaftliche Buch zum Thema Gender publiziert hatte, bekam sie Lehrverbot an katholischen Fakultäten und wurde öffentlich diffamiert. Auch in Polen kommen Frauen und ihre Rechte wieder stärker unter Druck. Es gibt kaum Stellen für Theologinnen; die Kolleginnen wandern aus, wenn möglich nach Westeuropa oder die USA.

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Die Situation in Südeuropa ist anders, aber auch dort haben Theologinnen kaum Arbeitsmöglichkeiten im wissenschaftlichen Bereich. Dabei gibt es eine Reihe von Initiativen und wissenschaftlichen Vereinigungen von Frauen. Viele Kolleginnen arbeiten in einem Brotberuf und forschen theologisch, philosophisch oder religionswissenschaftlich in ihrer Freizeit. 

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  • 5.       Feministische Theologie, die ein Kernanliegen der ESWTR ist, hat in den 1970ern ihren Ursprung. Was sind ihre wesentlichen Erkenntnisse?
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Dass es die Perspektive und Reflexion von Frauen in den Theologien braucht, um für alle eine lebenswertere Welt zu gestalten, sonst bleibt so vieles unbenannt und kann nicht bearbeitet werden, individuell und gemeinschaftlich. Dabei gehe ich davon aus, dass Frau-Sein äußerst Verschiedenes meint, je nach Kontext, Alter, Kultur.

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Eine Erkenntnis ist auch: Die fächer- und religionsübergreifende feministische Forschung an ähnlich gelagerten Themen trägt wesentlich zum Verständnis, zur Vertiefung und Erweiterung der jeweiligen Perspektiven bei. Zudem macht das gemeinsame Forschen Lust auf mehr und ist ab und zu unglaublich befreiend. 

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  • 6.       Wo haben diese Erkenntnisse Eingang gefunden in Theologie und Kirche?
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Katholischerseits ist ganz konkret die Anerkennung von Maria Magdalena als Apostelin durch Papst Franziskus zu nennen. Die feministische Theologie hat diese Erkenntnis bereits vor Jahrzehnten herausgearbeitet. Wir haben aber noch eine Vielzahl an Publikationen von Theologinnen und von einigen Theologen, die auf eine breite kirchliche Aufarbeitung warten.

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Feministische Theologie wirkt hinein in die diözesanen Frauenkommissionen, in regionalen und internationalen Frauennetzwerken. Besonders aktiv sind derzeit die „Voices of Faith“ (https://voicesoffaith.org/de-home), ein weltweites Netzwerk von katholischen Frauen, die sich für eine Kirche von Frauen und Männern auf Augenhöhe einsetzen. 

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  • 7.       Feministische Theologinnen werden von nicht-religiöser wie von religiöser Seite oft kritisch beäugt. Feministin und Theologin, das sei ein Selbstwiderspruch. Warum gehört beides dennoch zusammen?
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Weil Theologin sein bedeutet, für die Würde jedes Menschen einzutreten, auch für die eigene. Das braucht Engagement in allen Bereichen, in den Wissenschaften, in den Kirchen, in der Gesellschaft und in der Welt allgemein. 

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  • 8.       „Wenn am Tisch kein Platz für Sie vorgesehen ist, bringen Sie einen Klappstuhl mit“, so ein berühmtes Zitat der US-Politikern Shirley Chisholm. Brauchen Frauen in Kirche und Theologie auch heute noch einen Klappstuhl?
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Mancherorts eindeutig. Mancherorts stehen sie auch am Rednerinnenpult, wie Kolleginnen in der Moraltheologie in Augsburg, Wien und Salzburg. Beides ist wahrzunehmen. 

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Kurzbiographie:

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Dr. Gertraud Ladner ist Vertragsassistentin am Institut für Systematische Theologie in Innsbruck. Sie ist Expertin für feministische Theologie und befasst sich insbesondere mit ethischen Fragestellungen rund um Pflege, Gewalt im sozialen Nahraum, Beziehung und Sexualität. 2019 – 2021 ist sie Präsidentin der Europäischen Gesellschaft für theologische Forschung von Frauen (ESWTR). Sie ist Mitglied des Österreichischen Frauenforums Feministische Theologie und der Forschungsplattform Center Interdisziplinäre Geschlechterforschung Innsbruck (CGI: https://www.uibk.ac.at/geschlechterforschung/). Sie ist Mitherausgeberinnen des FrauenKirchenKalenders und der ESWTR Studies in Religion.

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Zur ESWTR

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Die ESWTR wurde 1986 in der Schweiz als wissenschaftliches Netzwerk von Theologinnen gegründet, um den theologisch forschenden Frauen in Europa Information, Austausch und Kooperation zu ermöglichen. Ihr gehören aktuell ca. 600 Frauen aus über 30 Ländern an, die im Bereich der christlichen, jüdischen, muslimischen Theologien, der Judaistik, Islamwissenschaft, Indologie und anderen Religionsstudien sowie der allgemeinen Religionswissenschaft forschend tätig sind. Die diesjährige Generalversammlung findet von 25.-28. August 2021 von Innsbruck aus online statt. Mehr unter www.eswtr.org

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