Literaturhaus am Inn

Programm Mai - Juni 2014

Lesung

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Dienstag, 6. Mai, 20 Uhr 
Literaturhaus am Inn
Brita Steinwendtner

The times they are a-changin’
Moderation: Christine Riccabona

Ein Dorf, ein Bauernhaus, ein Bach: An diesem einen Punkt der Welt lebt Tom, ein Träumer und Vordenker, hier entwirft er seine mitreißenden Projekte für eine gerechtere Gemeinschaft, von hier aus geht er auf die Suche nach der Weite – den Himmeln Saskatchewans, den Songs von Bob Dylan und der Sehnsucht nach Liebe.

Brita Steinwendtner erzählt Toms Leben als eine große und gebrochene Liebesgeschichte: zu zwei Frauen, zu Landschaft, Dorf und dem Leben am Ufer des Baches, zu Tausenden von Büchern und zu Bob Dylan. Zugleich ist ihr neuer Roman aber auch ein berührender Blick auf die Abgründe ebenso wie auf den Reichtum eines Lebens in der Provinz, in der die große Geschichte der Welt ein konzen-
triertes Abbild findet.

Brita Steinwendtner, geboren 1942 in Wels, Studium der Geschichte, Germanistik und Philosophie in Wien und Paris, war bis 2012 Leiterin der Rauriser Literaturtage. Lebt als Autorin, Regisseurin und Feuilletonistin in Salzburg. Zuletzt erschienen: Du Engel Du Teufel. Emmy Haesele und Alfred Kubin – eine Liebesgeschichte. (2009), Mittagsvorsatz. Noon Resolution. Gedichte. Poems (2011, alle bei Haymon).

Brita Steinwendtner: An diesem einen Punkt der Welt. Roman. Haymon 2014

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[Nahaufnahme]*

Donnerstag, 8. Mai, 20 Uhr
Literaturhaus am Inn 

Versteckte Lesarten: Oskar Pastior

Vortrag mit Lucia Gorgoi, Verena Stross, Ursula Wittstock
Moderation: Ursula Schneider

Der rumäniendeutsche Lyriker und Übersetzer Oskar Pastior (1927, Hermannstadt / Sibiu – 2006 Frankfurt a. M.) stand im Zentrum des Buches Atemschaukel von Herta Müller (2009). Das Buch hat die aus ethnischen Gründen erfolgte Deportation des jungen rumäniendeutschen Protagoni-nisten in ein russisches Lager zum Inhalt, ebenso die Homosexualität des Protagonisten und seine Angst vor gesellschaftlichen Repressalien.

Pastiors erst spät bekannt gewordene Homosexualität hatte für ihn weitreichende Konsequenzen: Wie bei vielen Homosexuellen übte der Geheimdienst psychischen Terror aus und erpresste ihn schließlich zur Mitarbeit. Seit dem Bekanntwerden seiner Tätigkeit als IM (Informeller Mitarbeiter) der rumänischen Geheimdienste werden in der Literaturkritik Stimmen für eine Neubewertung des Autors und seines Werkes laut. Dabei stellt sich die Frage, ob diese Forderungen unter Berücksichtigung der biographischen Aspekte berechtigt sind.

Der aus Rumänien stammende deutsche Dichter und Drehbuchautor Frieder Schuller hat in seinem Theaterstück Ossis Stein oder Der werfe das erste Buch. Ein rumänischer Volkstanz mit wechselnden Paaren (2012) dieses Problem zum Thema gemacht: Er stellt die wichtigsten biographischen Stationen Pastiors dar, zeigt den Menschen in Grenzsituationen und fragt, ob diese ein Fehlverhalten entschuldigen können.
Im Vortrag werden Szenen aus dem Theaterstück gezeigt und Originalaufnahmen von Lyriklesungen Oskar Pastiors präsentiert.

Lucia Gorgoi, Dozentin für Germanistik an der Babes¸-Bolyai Universität Cluj / Klausenburg, sowie ihre Kolleginnen Verena Stross und Ursula Wittstock arbeiten gemeinsam mit Wissenschaftlerinnen der Forschungsplattform Geschlechterforschung der Universität Innsbruck an einem Forschungsprojekt Alternative Formen der Sexualität in der rumänischen Literatur nach 1945. Eine literaturhistorische Spurensuche. Im Fokus des bilateralen Forschungsprojekts stehen die literarischen Werke der rumänischen LGBT (Lesbians, Gays, Bisexuals, Transgenders) oder Texte, die queere Stoffe, Motive oder Themen aufweisen, von 1945 bis heute.

*  In dieser Reihe wird an Autorinnen und Autoren erinnert, literarische Fundstücke werden präsentiert und zu Unrecht aus dem Kanon gefallene Schriftstellerinnen und Schriftsteller wiedergelesen. 

In Kooperation mit der Forschungsplattform  Geschlechterforschung der Universität Innsbruck

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[Montagsfrühstück - Forum für strategische Langsamkeit]

Eine Kooperation zwischen Literaturhaus am Inn, Denkpanzer und der Abteilung für Vergleichende Literaturwissenschaft der Universität Innsbruck

Montag, 12. Mai, 9 - 11 Uhr
Literaturhaus am Inn 
Handwerk, Form oder Konzept? Die Position der Kunst im 21. Jahrhundert
Maria Peters und Petra Gerschner im Gespräch
Moderation: Andrei Siclodi

Über Jahrhunderte verband man den Begriff der Kunst mit der Gestaltung von, im weitesten Sinne, schönen Dingen und mit der ästhetisch ausgewogenen Formung von Material, für die handwerkliches Geschick und Können nötig waren bzw. sind. Seit den „Ready Mades“ von Marcel Duchamp, spätestens aber seit Erfindung der Konzeptkunst nach dem Zweiten Weltkrieg ist dieser Konnex und die Ansicht, dass die Sprache der Kunst die Form sei, nicht mehr selbstverständlich. Auch die über lange Zeit vorherrschende Auffassung der idealistischen Ästhetik, dass der Zweck der Kunst in ihrer Zwecklosigkeit liege, wird im Laufe des 20. Jahrhunderts immer wieder ins Wanken gebracht. Conceptual art, art & language, aesthetic journalism, land art und viele andere Formen zeitgenössischer künstlerischer Arbeit stellen die Kunst nicht nur vor banale methodische Fragen der Ausstellbarkeit oder der Konservierung, sondern auch vor das Problem der gesellschaftlichen Positionierung künstlerischen Schaffens: Hat Kunst einen Nutzen? Wenn ja, welchen? Was ist der gesellschaftliche Auftrag der Kunst? Ist jeder Mensch ein Künstler, wie es Joseph Beuys formulierte? Kann eine Idee schon Kunst sein?

Maria Peters, 1966 in Tirol geboren, lebt und arbeitet nach ihrem Studium an der Universität für Angewandte Kunst und der Akademie der Bildenden Künste in Wien als freischaffende Künstlerin in Innsbruck und Wien. Zahlreiche Auslands- und Arbeitsaufenthalte, u.a. in Grönland, Nepal, Tibet, Zypern. Ausstellungen und Publikationen: www.maria-peters.at

Petra Gerschner ist Künstlerin, Filmemacherin und Kuratorin und lebt in München. Nach einem Studium der Fotografie und der politischen Wissenschaften studierte sie ab 1993 an der Akademie der Bildenden Künste München. Ausstellungen (Auswahl): Foreman Art Gallery, Sherbrooke, Biennale Cuveé, Linz und Frankfurter Kunstverein, FFM, Gemeinsam in die Zukunft (2009) Canada, A World Where Many Worlds Fit (2010), Internationales Dokumentarfilmfest, München, es kann legitim sein, was nicht legal ist (2012).

Andrei Siclodi, Kurator, Autor, Herausgeber und Kulturarbeiter. Als Leiter des Künstlerhauses Büchsenhausen in Innsbruck gründete er das dort stattfindende Internationale Fellowship-Programm für Kunst und Theorie. Herausgeber der Publikationsreihe Büchs’n’ Books – Art and Knowledge Production in Context.

www.buchsenhausen.at

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Lesung

Mittwoch, 14. Mai, 20 Uhr
Literaturhaus am Inn 
Orte, Wege, Räume
Präsentation der Zeitschrift filadrëssa mit Stefano Zangrando
Lesung von Waltraud Mittich
Moderation: Barbara Siller

In Abschied von der Serenissima verknüpft Waltraud Mittich das Schicksal von Straßen mit dem von handelnden Personen. Das Leben einer alleinerziehenden Mutter in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, die Jugend zweier Mädchen, die in der Jahrhundertmitte an der Strada d’Alemagna, der alten Handelsstraße von Augsburg nach Venedig, groß wurden und sich zeitlebens nach der Serenissima sehnten, sowie Alexander Langers fiktives Leben im Südtirol der 1960er bis 1980er Jahre. Alle haben sie das Warten als einen Zustand entdeckt, der alle anderen überlagert, der sie aber auch unsichtbar macht und Träume entstehen lässt. Ein Roman über Wege, Umwege und Traumwege, der zeigt, wie Straßen und Flüsse, Verkehrsverbindungen eben, schicksalhaft für Menschen und Städte wirken.

Die neunte Ausgabe der Zeitschrift filadrëssa. Kontexte der Südtiroler Literatur (Edition Raetia) wurde von Stefano Zangrando herausgegeben und birgt in sich das Vorhaben, eine „poetische Euregio“ zu erkunden. Und so finden sich neben den Texten von Autorinnen und Autoren, die „nach Süden“ schauen, solche, die ihren Blick gegen Norden richten, in einem Wechselspiel der Sprachen. Deutsche, italienische und ladinische literarische Wanderungen über die eigenen Grenzen hinaus, um die „verwurzelte Grenzenlosigkeit der Literatur“ (Zangrando) zum Ertönen zu bringen.

Waltraud Mittich, 1946 in Bad Ischl geboren, 1952 Übersiedlung nach Südtirol. Studium der „Lingue e letterature straniere e moderne“ an der Universität Padua, anschließend Unterrichtstätigkeit. Zuletzt erschienen: Topografien (2009) und Du bist immer auch das Gerede über dich (2012, beide: Edition Raetia).

Stefano Zangrando, 1973 in Bozen geboren, Studium der modernen Literatur an der Universität Trient. Prosaautor, Literaturkritiker, Übersetzer aus dem Deutschen ins Italienische (Ingo Schulze sowie Texte von Michael Krüger, Peter Sloterdijk, Durs Grünbein u.a.). 2010 Deutsch-Italienischer Nachwuchsübersetzerpreis. Lebt in Rovereto.

 
Waltraud Mittich:
Abschied von der Serenissima. Roman. edition laurin 2014 

filadrëssa. Kontexte der Südtiroler Literatur. 09:13 herausgegeben von Stefano Zangrando. Edition Raetia 2013

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[Kunst & Kultur in Konflikt]

Mittwoch, 21. Mai, 18 Uhr
Literaturhaus am Inn
Fremdenhass – Rassismus – Antisemitismus
Podiumsgespräch mit
Stefan Horvath, Anna Mitgutsch und Vladimir Vertlib
Impulsreferate: Beate Eder-Jordan (Universität Innsbruck), Karl Müller (Universität Salzburg)
Moderation: Andreas Maislinger

Österreichische Autorinnen und Autoren gehörten nach dem Krieg, in der Zeit des „Wirtschaftswunders“ und im Kontext der 1968er Bewegung zu den ersten, die die dringend notwendige (ehrliche) Aufarbeitung des Holocaust einforderten. Mit ihren Texten, in Essays oder in öffentlichen Wortmeldungen legten sie den Finger auf die Wunden, entlarvten den österreichischen „Opfer-Mythos“ als Lüge und zeigten, dass und wie der Faschismus in der Gesellschaft weiter lebt. Doch die Themen Fremdenhass und Rassismus stoßen oftmals auch heute noch auf Widerspruch – zumal bei jenen, die „das alles nicht mehr hören können“, die „das alles“ lieber verharmlost sehen.

Beate Eder-Jordan, Assistentin an der Abteilung für Vergleichende Literaturwissenschaft an der Universität Innsbruck und Expertin für die Kultur der Roma, und Karl Müller, Salzburger Germanist mit Schwerpunkt Judentum, geben die Impulse zur anschließenden Diskussion mit den drei geladenen AutorInnen: Wo verlaufen die Bruchlinien zwischen den kritischen Intellektuellen und den beharrenden Kreisen des Landes? Inwieweit ist Versöhnung möglich?

Anna Mitgutsch, geb. 1948 in Linz, war in den 1970er Jahren Assistentin an der Amerikanistik der Universität Innsbruck, unterrichtete Germanistik und amerikanische Literatur an Universitäten in England, Südkorea und den USA. Lebte viele Jahre in den USA, übersetzte Lyrik (u.a. Philip Larkin), zahlreiche Publikationen zur Gegenwartsliteratur, Essays und Romane. Publikationen zuletzt: Haus der Kindheit (2000), Familienfest (2003), Zwei Leben und ein Tag (2007), Wenn du wiederkommst (2010). 2013 erschien der Essayband Die Welt, die Rätsel bleibt (alle: Luchterhand) Sie erhielt renommierte Auszeichnungen, u.a. den Solothurner Literaturpreis 2001.

Stefan Horvath, geboren 1949 in Oberwart. Er war der erste unter den Oberwarter Roma, der eine Hauptschule besuchte. Später arbeitete er bei Baufirmen in Wien und schaffte es zum Betriebsrat und Polier. Im Februar 1995 kam einer seiner Söhne beim Rohrbombenattentat von Oberwart ums Leben. In der Folge begann Horvath zu schreiben und publizierte über die Leidensgeschichte seiner Eltern und über das Leben der Roma: Erzählband Ich war nicht in Auschwitz (2003), Katzenstreu (2007), in dem er dem Terror des 4. Februar 1995 aus verschiedenen Perspektiven begegnet. 2013 erschien das Buch Atsinganos (edition lex liszt 12), das den Oberwarter Roma gewidmet ist. Roma-Literaturpreis des Österreichischen PEN 2013.


Vladimir Vertlib, geboren
1966 in Leningrad, emigrierte 1971 mit seiner Familie nach Israel. Nach einer längeren Odyssee mit Zwischenstationen in den USA, Italien und den Niederlanden lebt er seit 1981 in Österreich. Er ist Autor von Romanen, Erzählungen und Essays. Bei Deuticke erschienen die Romane Zwischenstationen (1999), Das besondere Gedächtnis der Rosa Masur (2001), Schimons Schweigen (2012) und der Essayband Ich und die Eingeborenen (Thelem 2012). Er erhielt u.a. den Anton-Wildganzs-Preis 2002.

Eine Kooperationsveranstaltung von Literaturhaus am Inn und dem Cluster Kunst & Kultur in Konflikt  

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[ Poetik-Vorlesung ]

Donnerstag, 22. Mai, 14 - 19.30 Uhr
Freitag, 23. Mai, 14 - 17 Uhr
Institut für Gemanistik, GEIWI-Turm,
9. Stock, Raum 40904

Von der Irritation durch Sprache zum Spiel mit ihr
Elisabeth Reichart

Elisabeth Reichart: „Sprache hat mich von Anfang an irritiert - wie ihr Gegenteil, die Sprachlosigkeit und alle Bereiche dazwischen und dahinter. Dieses Abenteuer, wie aus Erfahrungen ein Spiel mit der Sprache, ihrer möglichen Melodie, entsteht, wird eines der Themen sein. Ebenso, warum die uralten Menschheitsfragen - woher kommen wir, wer sind wir, wohin gehen wir – immer noch nach Antworten in der Literatur suchen. Eine offene Poetik, ein für die Kreativität der Teilnehmenden offenes Seminar.“

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  Lesung

  

  

Eine Kooperationsveranstaltung von In-
stitut für Germanistik und Literaturhaus am Inn

Freitag, 23. Mai, 19 Uhr
liber wiederin, Erlerstr.6
Lesung und Autorinnengespräch mit Elisabeth Reichart
Moderation: Renate Giacomuzzi 

In ihrem Roman Das vergessene Lächeln der Amaterasu, der 1998 erstmals erschien und 2013 im Otto Müller Verlag neu aufgelegt wurde, setzt sich Elisabeth Reichart mit einer fremden Welt voller Abgründe auseinander. Die Heldin Alwina, Malerin aus Wien, folgt ihrem Geliebten Ichiro, einem Sänger, in sein Heimatland Japan, das auch ihr „Sehnsuchtsland“ ist. So sehr sie versucht, die Gesellschaft Japans zu verstehen, so sehr wird ihr bewusst, dass sie immer ausgeschlossen bleiben wird und gleichzeitig nach ihrer Heirat dem japanischen Familienclan ausgeliefert ist. Ein intensiver Roman über die Liebe und über die Konfrontation zweier Kulturkreise, geschrieben aus der genauen Kenntnis der japanischen Kultur.

Renate Giacomuzzi, die von 1990 bis 2005 in Japan an diversen Universitäten in Tokyo lehrte, wird ein Gespräch mit Elisabeth Reichart führen.

Elisabeth Reichart, 1953 in Steyregg geboren, studierte Geschichte und Germanistik in Salzburg und Wien. Seit 1982 lebt sie, unterbrochen von längeren Auslandsaufenthalten in Japan und den USA, als freie Schriftstellerin in Wien. Für ihre Bücher erhielt sie zahlreiche Auszeichnungen, darunter den Österreichischen Würdigungspreis für Literatur, den Anton-Wildgans-Preis sowie den Landeskulturpreis Oberösterreich. Ihre Romane Februarschatten (1984) und Fotze (1993) zählen zu den Grundbüchern der österreichischen Literatur. Zahlreiche Publikationen, zuletzt Das Haus der sterbenden Männer (2005), Die unsichtbare Fotografin (2008) und Die Voest-Kinder (2011, alle: Otto Müller).

Elisabeth Reichart: Das vergessene Lächeln der Amaterasu. Roman. Otto Müller 2013 

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Lesung und Autorinnengespräch

Dienstag, 27. Juni, 20 Uhr
Literaturhaus am Inn 

Seelische Landschaften: Vom Verlust der Heimat
Lesung und Autorinnengespräch mit Ulrike Draesner
Moderation: Gabriele Wild

Sieben Sprünge vom Rand der Welt erzählt vom Schicksal der schlesischen Grolmanns, einer aus Ostpolen nach Wrocław vertriebenen Familie. Simone Grolmann ist 52, etabliert und angesehen, Professorin für Verhaltensforschung, Mutter einer Tochter, ein analytischer Mensch. Und doch hat sie Angst. Angst vor Schnee. Die Angst ist tief in ihr, versunken wie der Breslauer Wald, durch den ihr Vater, sein behinderter Bruder Emil und Lilly, die Mutter der beiden, in der Nacht vom 19. auf den 20. Januar 1945 stapften, bei minus 21 Grad: drei Menschen mit drei durchweichten Pappkoffern. 17 Jahre vor Simones Geburt war das, und doch ist es ihre eigene Angst.

In ihrem neuen Roman kreuzt Ulrike Draesner die Lebenswege von vier Generationen. Virtuos entwirft sie ein Kaleidoskop der Erinnerungen, die sich zu immer neuen Bildern fügen. Sie zeigen, wie die durch Flucht und Vertreibung ausgelösten Traumata weiterwirken und wie sich seelische Landschaften von einer Generation in die nächste weitervererben. Die Geschichten der Grolmanns und der Nienaltowskis werden zum Spiegel von hundert Jahren mitteleuropäischer Geschichte. Sie erzählen von den Mühen und Seligkeiten zwischen Eltern und Kindern, von Luftwurzeln, Freiheit und Migration. Die Entstehung dieses persönlichsten Romans von Ulrike Draesner ist auf der Homepage www.der-siebte-sprung.de dokumentiert.

Ulrike Draesner, geboren 1962 in München, lebt in Berlin, Studium der Anglistik, Germanistik und Philosophie, erschien ihr erstes Buch, der Gedichtband gedächtnisschleifen (Suhrkamp, 1995), Publikationen (Auswahl): Spiele. Roman (2005), berührte orte. Gedichte (2008), Vorliebe. Roman (2010), Richtig liegen. Geschichten in Paaren. (2011, alle Luchterhand) www.draesner.de

Ulrike Draesner: Sieben Sprünge vom Rand der Welt. Roman.
Luchterhand 2014

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[Im Fokus: Brasilien] *

 

In Kooperation mit Südwind Tirol

Dienstag, 3. Juni, 20 Uhr
Literaturhaus am Inn 

Luiz Ruffato im Gespräch mit seinem Übersetzer Michael Kegler
Moderation: Heidi Unterhofer (Obfrau Südwind Tirol)

Luiz Ruffato, geboren 1961 in Cataguases im Südosten Brasiliens,  arbeitete als Kind einer Migrantenfamilie zunächst als Verkäufer und Schlosser und studierte gleichzeitig Journalismus. Anschließend wurde er durch seine ersten schriftstellerischen Veröffentlichungen schlagartig bekannt. Er erhielt u. a. den Premio Machado de Assis der brasilianischen Nationalbibliothek. Damit verbunden war der soziale Aufstieg des Autors aus ärmlichen Verhältnissen in die intellektuelle Elite seines Landes. Ein Aufstieg, der in Brasilien ungewöhnlich und selten ist. Luiz Ruffato gibt in seinen Romanen der armen Bevölkerung Brasiliens eine Stimme, den kleinen Leuten von der Straße, die nach wie vor die Mehrheit der brasilianischen Bevölkerung darstellen. Sein zwischen 2005 und 2011 entstandener fünfbändiger Romanzyklus Inferno provisório (Dt.: Vorläufige Hölle, Verlag Assoziation A) erzählt die Geschichte der brasilianischen Arbeiter, Einwanderer und Binnenmigranten. 2013 war Luiz Ruffato Eröffnungsredner der Frankfurter Buchmesse und sorgte dabei mit seinen kritischen Worten zur Situation Brasiliens für Aufsehen.

Bisher ins Deutsche übersetzte Publikationen: Mama, es geht mir gut, Es waren viele Pferde. Roman (2012), Der schwarze Sohn Gottes. Roman (2013, Teil 1 des Romanzyklus Vorläufige Hölle), Der Band Der schwarze Sohn Gottes. 16 Fußballgeschichten aus Brasilien (2013) versammelt Erzählungen brasilianischer Autoren und Autorinnen zum Thema Fußball. Zuletzt: Feindliche Welt, Teil 2: Vorläufige Hölle (2014, alle: Verlag Assoziation A, übersetzt von Michael Kegler).

Michael Kegler, geboren 1967 in Gießen. Aufgewachsen in Liberia, Brasilien und Oberhessen. Übersetzer portugiesisch-sprachiger Literatur aus Angola, Brasilien Mosambik und Portugal. Herausgeber der Website www.novacultura.de zu Literatur und Musik des portugiesischen Sprachraums.

* In dieser Veranstaltungsreihe legen wir den Fokus auf die Literatur und literarische Systeme in anderen Ländern und Kulturkreisen.

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 Lesung

Donnerstag, 5. Juni, 20 Uhr
Literaturhaus am Inn 

Fukushima: Das Leben danach
Lesung und Autorinnengespräch mit Nina Jäckle
Moderation: Doris Eibl

Der lange Atem spielt eineinhalb Jahre nach der verheerenden Fuku-
shima-Tsunami-Katastrophe in einer der betroffenen japanischen Provinzen. Ein Inspektor, früher zuständig für Zeichnen von Phantombildern gesuchter Krimineller, ist nach dem Tsunami mit seiner Frau in deren zerstörtes Heimatstädtchen zurückgekehrt.

Er verfertigt anhand von Fotos der entstellten Gesichter der Tsunami-
opfer möglichst präzise Zeichnungen, damit den Hinterbliebenen die Identifizierung ihrer Angehörigen zumutbar wird. Der Zeichner stellt sich dieser Herausforderung von ganzem Herzen, mit all seinem Talent – getragen von der Hoffnung, dabei mitzuhelfen, die Welt der Hinterbliebenen wieder zurechtzurücken, wieder hinreichend „in Ordnung“ zu bringen.

Nina Jäckle macht mit ihrem Roman erfahrbar und erahnbar, was die Überlebenden auch heute noch zu bewältigen haben – und wie es ist, mit der atomaren Bedrohung, der radioaktiven Verseuchung, mit Angst und Einsamkeit „fertig“ zu werden.

Nina Jäckle, geboren 1966 im Schwarzwald. Zahlreiche Preise und Auszeichnungen. Ihre ersten Bücher erschienen im Berlin Verlag: Es gibt solche, Noll, Gleich nebenan und Sevilla. Zuletzt erschienen Nai oder was wie so ist. Erzählung (2010), Zielinski. Roman (2011, alle bei Klöpfer & Meyer).

Nina Jäckle: Der lange Atem. Roman. Klöpfer & Meyer 2014

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  [Montagsfrühstück - Forum für strategische Langsamkeit]

Eine Kooperation zwischen Literaturhaus am Inn, Denkpanzer und der Abteilung für Vergleichende Literaturwissenschaft der Universität Innsbruck

Montag, 16. Juni, 9 - 11 Uhr
Literaturhaus am Inn 

Barbara Hundegger und Jochen Bonz im Gespräch
Moderation: Martin Fritz

„Vergnügtsein heißt Einverstandensein“? Diese Aussage von TheodorW.Adorno aus der Dialektik der Aufklärung (1947) hat bis heute Brisanz in den intellektuellen Debatten rund um die Haltung zu Massenmedien und Massenkultur – und dies trotz, oder gerade wegen, der Modifikationen im kulturellen Kanon der letzten Jahre und Jahrzehnte: Heute scheint es auch in den bürgerlichen und akademischen Eliten kein Problem mehr zu sein, Populärkultur und Megaevents des internationalen Sports massenmedial zu konsumieren. Man handelt sich dabei vielleicht den Vorwurf des Mitläufertums in der „Kulturindustrie“ des 21. Jahrhunderts ein, in der die Gehälter für Spitzensportler ähnlich absurde Ausmaße angenommen haben wie die Boni der Investmentbanker. Inwieweit werden in der Leidenschaft für Sport Ausbeutungsverhältnisse ausgeblendet und die Strukturen einer Sportindustrie in Kauf genommen, die in anderen Sparten schon längst an den gesellschaftlichen Pranger gestellt werden? Und werden durch Events wie der Fußball-WM nicht auch obsolete Konzepte von „Nationen“, eindeutigen Identitäten und klaren Zugehörigkeiten verstärkt und damit Identifikationsschemata weitertradiert?

Darüber diskutieren Jochen Bonz vom Innsbrucker Institut für Europäische Ethnologie, der sich mit Fankultur und Theorien der Kultur auseinandersetzt, und die Autorin Barbara Hundegger.

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 Lesung

Donnerstag, 16. Juni, 20 Uhr
Literaturhaus am Inn 

Sportsfreunde
Barbara Hundegger

Vom seltsamen Sein zwischen Fabelzeiten, Horrorstürzen, Auswärtspleiten, Knock-out-Quoten, Herzschlagpunkten, Wassergräben, Abfahrtsschneisen … Anhand des Sports entfaltet Barbara Hundegger ein zwischen autobiographischen Schlüsselmomenten und der Analyse gesellschaftlicher Verhältnisse changierendes Vexierbild. Der Text entstand im Rahmen von mitSprache, einem Projekt der Literaturhäuser Österreichs, in dem 10 österreichische Schriftstellerinnen und Schriftsteller eingeladen wurden, Reden zur Situation zu halten. www.zintzen.org/mitsprache-2012

Barbara Hundegger, geboren 1963 in Hall / Tirol, lebt als Schriftstellerin in Innsbruck. Studium der Germanistik, Philosophie und Theaterwissenschaft in Innsbruck und Wien; seit Anfang der 1980er Jahre Mitarbeit in zahlreichen feministischen Arbeitsgruppen und Projekten. Bis 2002 berufliche Tätigkeit als Korrektorin, Lektorin und Redakteurin; lebt und arbeitet als freie Schriftstellerin in Inns-
bruck. Publikationen (Auswahl): rom sehen und. gedicht-bericht (2006), schreibennichtschreiben (2009, beide: Skarabaeus)

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Mittwoch, 25. Juni, 20 Uhr
Literaturhaus am Inn 

Dunkle Lieben: Georg und Margarethe Trakl
Lesung und Gespräch mit Hilde Schmölzer
Moderation: Erika Wimmer

Die Geschwisterbeziehung von Georg und Margarethe Trakl gibt nach wie vor Rätsel auf: Gab es einen realen Geschwisterinzest oder handelt es sich dabei lediglich um inzestuöse Phantasien des berühmten Dichters? Tatsache bleibt, dass die Schwester für ihn der wichtigste Mensch gewesen ist, dass er sie in seinen Gedichten an die 60 Mal anruft, beschwört, verklärt, dämonisiert, die „Jünglingin“, „Fremdlingin“, „Mönchin“. Die reale Gestalt Margarethes hingegen versinkt im Dunkel der Geschichte, sie wurde von ZeitgenossInnen ebenso wie von der Nachwelt verzerrt und verfälscht. Nicht einmal ihr Grab ist bekannt.

Hilde Schmölzer lässt bei der Beschreibung dieser verbotenen Liebe nicht nur das dramatische Schicksal Georg Trakls lebendig werden, sie begibt sich auch auf Spurensuche nach dem Leben einer Frau, die als alter ego Georg Trakls in die Literaturgeschichte eingegangen ist, als sein „Abbild“, „Abglanz“, deren Individualität, deren Eigenständigkeit als Mensch und Frau aber verschüttet, deren eigentliche Persönlichkeit weitgehend unsichtbar geblieben ist.

Hilde Schmölzer, geboren 1937 in Linz / Oberösterreich, aufgewachsen in Steyr, absolvierte die Bayerische Staatslehranstalt für Fotografie in München. Es folgte ein Studium der Publizistik und Kunstgeschichte in Wien. Sie arbeitete 25 Jahre lang als freiberufliche Journalistin und Fotografin in Wien und München für österreichische und deutsche Zeitungen und Zeitschriften, unter anderem für den ORF. Seit 1990 ist sie als freie Autorin mit dem Schwerpunkt Frauengeschichte tätig.

Hilde Schmölzer: Dunkle Liebe eines wilden Geschlechts. Georg und Margarethe Trakl. Francke Verlag 2013

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 [Im Fokus: Brenner-Archiv]* 

Samstag, 5. Juli, 15.30 Uhr
Mösern, Kirchplatz
Verortungen: Mösern – Arbeits- und Aufenthaltsort von Hermann Broch
Ein Rundgang mit Iris Kathan und Thomas Lackner

Für sein „von Sorgen, Nikotin und Überarbeitung genährtes Herz“, aber auch für sein neues Romanprojekt benötigt Hermann Broch einen „Aufenthalt in mittlerer Gebirgshöhe“. Broch arbeitet zu dieser Zeit am ersten Teil einer geplanten Romantrilogie. Schauplatz des Romans ist ein fiktives Dorf im Gebirge. Um das Lokalkolorit zu studieren, zieht Broch im September 1935 nach Mösern in Tirol und versucht, sich in der Abgeschiedenheit des Dorfes ein künstliches Vakuum zu schaffen, das es ihm erlaubt, jene radikale Konzentration und Naturerfahrung zu finden, die er für sein Schreiben zu brauchen glaubt. Während seines zehnmonatigen Aufenthalts in Mösern entstehen wesentliche Teile des unvollendet gebliebenen und in mehreren Fassungen vorliegenden „Bergromans“ (posthum Die Verzauberung).

Hermann Broch (1886–1951), als Sohn eines jüdischen Textilfabrikanten in Teesdorf bei Wien geboren, lebte ab dem Verkauf der väterlichen Spinnfabrik (1927) als freier Schriftsteller in Wien, Tirol und der Steiermark. 1938 wurde er unmittelbar nach dem Anschluss in Alt-Aussee inhaftiert, nach der Freilassung Emigration in die USA. Broch gilt mit seinen Werken (u. a. Die Schlafwandler, Der Tod des Vergil ) als wichtiger Vertreter der europäischen Moderne.

Iris Kathan, geboren 1977, Literaturwissenschaftlerin, Auseinandersetzungen mit literarischen Topographien im Zuge der Projekte Literatur-Land-Karte Tirol, Tirol / Südtirol: Eine literarische Topographie (Brenner-Archiv). Innsbruck – Ein literarischer Stadtführer (2009, Haymon Verlag)

www.uibk.ac.at/brenner-archiv/projekte/lit_karte_tirol

Thomas Lackner, Schauspieler, Stimm-, Sprech- und Präsentationstrainer, spielt auf verschiedenen Bühnen des deutschsprachigen Raumes, mehrere Jahre Ensemblemitglied des Tiroler Landestheaters, zahlreiche Lesungen und Moderationen.

Informationen

Die Veranstaltung findet bei jedem Wetter, außer bei Starkregen, statt.
Dauer: ca. 2 Stunden
Nach der Veranstaltung: gemeinsamer Ausklang im Restaurant Strandperle Seefeld

Gemeinsame Anreise:
Es besteht die Möglichkeit gemeinsam mit dem Zug anzureisen und gegen einen geringen Unkostenbeitrag mit einem Shuttledienst von Seefeld nach Mösern zu gelangen.
Treffpunkt: Hauptbahnhof Innsbruck, Steig 21, 14:30 Uhr

Begrenzte Teilnehmerzahl – Anmeldung bis 30. Juni 2014:
Bitte um Angabe der Kontaktdaten und Art der Anreise
per Mail: literaturhaus@uibk.ac.at
oder telefonisch (Mo–Fr, 9–12): T. 0512 / 507-4514

* In dieser Reihe stellen sich Mitarbeiterinnen und  Mitarbeiter des Brenner-Archivs im Rahmen des 50-jährigen Bestehens des Forschungsinstituts mit ihren  Arbeitsschwerpunkten vor. 

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