Literaturhaus am Inn

Programm Jänner–Februar 2005

EditorialLandschaften verändern sich unaufhörlich, alle Zeiten prägen sie und hinterlassen ihre Spuren. Die hügeligen Gebilde der Siloballen geben seit einigen Jahren den Wiesen ihr typisches Aussehen unserer Zeit. In Verena Gollners Installation Carl Dallago. quer denken wurden sie zu einem Träger von Kerngedanken des kritischen Kulturphilosophen, der nichts lieber tat als sich in freier Natur aufzuhalten. Unser Titelbild greift nicht von ungefähr dieses Motiv wieder auf, weil wir das neue Jahr mit Veranstaltungen beginnen, die unmittelbar auf die "Kultur-Landschaft" Tirol Bezug nehmen.
Der Band Brüche und Brücken geht auf eine Ring-Vorlesung zurück, die sich mit dem Kulturtransfer im Alpenraum beschäftigte. Um das Gebirge als existentiellen Erfahrungsraum wird es vor allem in Helga Peskollers Vortrag anlässlich der Präsentation dieses Bandes gehen.
Die bewohnten Gegenden, die Täler, Weiler, Städte, Dörfer, sind Thema der zahlreichen Auftragsarbeiten für den Band stadtstiche dorfskizzen. Mit dem literarisch-musikalischen Abend, an dem wir dieses Buch vorstellen, verbinden wir auch den Wunsch und das Anliegen, viele der in Tirol literarisch Tätigen hier bei uns im Literaturhaus begrüßen zu können.
Seit mehr als fünfzig Jahren sind die Kulturberichte aus Tirol ein kontinuierlicher Spiegel des künstlerischen, literarischen und geistigen Geschehens. Die Hefte bilden bis heute eine Fundgrube für die Kulturgeschichte Tirols. Der Sonderband Literatur und Film ist dies besonders durch die große Umsichtigkeit in der Auswahl der Beiträge sowie durch die Ausgestaltung mit Grafiken der Illustratorin Linda Wolfsgruber - eine davon findet sich in diesem Programmheft als Kleines Inn Lese Bild: Die Schöne im roten Kleid reitet zwar keinen Pegasus und auch kein Wappentier, doch sie scheint auf sicherem Kurs und mit guter Sicht zu fliegen ... einem neuen Jahr entgegen. In diesem Sinne wünschen wir Ihnen viele gute Stunden bei uns im Literaturhaus 2005.

R&R

Kulturtransfer im Alpenraum

Platzhalter

Montag, 17. Jan., 20 Uhr
Literaturhaus am Inn

Buchpräsentation: Brüche und Brücken (Folio 2004)
Mit einer Einführung durch die Herausgeber Johann Holzner und Elisabeth Walde und den Verleger Ludwig Paulmichl.
Vortrag mit Videoprojektion mit Helga Peskoller

Der Band versammelt Aufsätze zum Kulturtransfer im Alpenraum von der Steinzeit bis zur Gegenwart. Sind die Alpen in der europäischen Kunst- und Kulturgeschichte mehr Barriere oder Verbindung? Wie beeinflussen die Mittelmeerländer und der Norden einander? Wissenschaftler unterschiedlichster Disziplinen von der Universität Innsbruck haben sich im Rahmen der Ringvorlesung mit dem Verbindenden und dem Trennenden in Kultur und Lebensweise zu beiden Seiten der Alpen auseinandergesetzt.
Der Bogen spannt sich von der Urgeschichte bis zur Neuzeit, die Beiträge beleuchten die Fragen des Kulturtransfers aus unterschiedlichen Perspektiven – als Thema der Archäologie, der Ur- und Frühgeschichte, der Kunst- und Kulturgeschichte - und bieten Einblicke auch in die Musik und Literatur.
Helga Peskoller, Professorin am Institut für Erziehungswissenschaften, beschäftigt sich u. a. mit Studien zu extremen Phänomenen im Spannungsfeld zwischen Wissenschaft, Kunst, Bildung und Sport, Publikationen: BergDenken. Eine Kulturgeschichte der Höhe (W. Eichbauer 1997); extrem (Böhlau 2001).


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Kulturberichte

Donnerstag, 27. Jan., 20 Uhr
Literaturhaus am Inn


Präsentation der Sondernummer Literatur und Film der Kulturberichte aus Tirol. Grußworte durch LRin Elisabeth Zanon und LRin Sabina Kasslatter-Mur. Lesungen mit Alessandro Banda, Birgit Unterholzner und weiteren
"Überraschungsgästen"

Die aktuelle Sondernummer der Kulturberichte aus Tirol, herausgegeben von den Ländern Tirol und Südtirol und redigiert von Hermann Heinrich, ist den Bereichen Literatur und Film gewidmet. Zahlreiche Autoren und Autorinnen verfassten Beiträge über ihre Sicht auf das Schreiben in Tirol, auf den Literaturbetrieb, auf die politische und geistige Situation und den Umgang mit Literatur und Literaturförderung in den jeweiligen Ländern. Weitere Schwerpunkte bilden: Literatur und Mehrsprachigkeit, Rückblick auf die Literaturgeschichte in Nord-, Ost- und Südtirol, Film und Kinos in Tirol.
Am Abend der Präsentation werden Alessandro Banda, Birgit Unterholzner und einige weitere "Überraschungsgäste" ihre jeweiligen Beiträge zu den Kulturberichten vortragen.


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Bildspur


Dienstag, 1. Feb., 20 Uhr
Literaturhaus am Inn


Lesung mit Anna Kim - Die Bilderspur. Erzählung
(Droschl 2004). Einführung und Gespräch: Stefan Neuhaus

Anna Kim, geboren 1977 in Südkorea, studierte Philosophie und Theaterwissenschaft in Wien und veröffentlicht seit 1999 in Literaturzeitschriften; 2004 erhielt sie das Wiener Autorenstipendium.
Die Bilderspur ist vieles zugleich: eine Künstlernovelle, in der das ostasiatische Motiv des in seinem Bild verschwindenden Künstlers auftaucht. die Erzählung ist aber auch ein politischer Text um die Begriffe Exil und Fremde, eine Reflexion über Sprache und Bild und ein spannender Schritt auf sprachlichem Neuland. Vor allem aber ist Die Bilderspur ein bewegendes Dokument über Entfremdung als paradigmatische Befindlichkeit der Gegenwart.
Stefan Neuhaus ist seit 2004 Professor am Institut für deutsche Sprache, Literatur und Literaturkritik. Seine Arbeitsschwerpunkte sind u.a. Angewandte Literaturwissenschaft und Literaturkritik.


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Rudolf Stibill
[Schätze aus dem Brennerarchiv]



Freitag, 4. Feb., 20 Uhr
Literaturhaus am Inn

Rudolf Stibill: Aus dem Nachlass
Lesung: Margit Jautz. Einführung: Annette Steinsiek, Ursula Schneider. La Ville imaginaire: Szenische Umsetzung von Texten Rudolf Stibills durch Hans-Christian Hoth. Am Akkordeon: Beate Schmidt

Rudolf Stibill, geboren 1924 in Graz, gestorben 1995 in Rendsburg, Schleswig-Holstein, erlangte mit seinem ersten Gedichtband Vox humana nach dem Zweiten Weltkrieg bereits im Alter von 23 Jahren in Österreich als "Dichter der ersten Stunde" Bedeutung. Es folgten zahlreiche Veröffentlichungen weiterer Lyrikbände, Erzählungen sowie ein autobiographischer Roman. Als ständiger freier Mitarbeiter der Sendergruppe Alpenland bzw. später des ORF verfasste er rund 150 Hörfunksendungen. Der Gedichtzyklus La Ville imaginaire umfasst 61 Gedichte. Mit der Phantasie des Dichters wird der Zuschauer an einen Ort ohne Raum und Zeit geführt. Der Protagonist, der surrealistische Romantiker Roman Sürtiker, wandert durch eine unsichtbare Stadt, und bekommt dabei eine solche Identitätskrise, dass er am Ende nicht mehr weiß, ob er er ist oder die Drehtür im Einwohnermeldeamt. Der Nachlass Stibills befindet sich seit 2004 im Brenner-Archiv.
Margit Jautz, Schauspielerin und Lehrbeauftragte an der Kunstuniversität Graz, 40 Jahre Sprecherin im ORF Landesstudio Steiermark.
Hans-Christian Hoth, geboren 1960, Schauspielschule Stuttgart, 1984 Debüt in Wien, 1985 Debüt als Solist. Seither zahlreiche Solo-Programme.


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Am Anfang war ...

Freitag, 11. Feb., 20 Uhr
Literaturhaus am Inn


Werkstattgespräche mit zeitgenössischen Autorinnen
I: Barbara Hundegger im Gespräch mit Maria Brunner

Erste Bücher - jüngste Bücher: biobibliografische Werkstattgespräche mit zeitgenössischen Autorinnen vor dem Hintergrund gesellschaftspolitischer, künstlerischer, persönlicher und ökonomischer Bedingungen, eingebettet in die Lesung aus ersten und zuletzt geschriebenen Texten der jeweils eingeladenen Schriftstellerin. Geplant sind über das Jahr verteilt fünf Werkstattgespräche mit deutschsprachigen Autorinnen.
Barbara Hundegger betreut dieses Projekt, das die Bereitschaft der Eingeladenen zu offenen Gesprächen voraussetzt. In ihnen soll es um folgendes gehen: um das Vermitteln von Denk- und Gefühlssystemen, die hinter einem Werk stehen, um das Vermitteln von Arbeitsweisen, um einen Kontrapunkt zum schnellen Verfallsdatum von Büchern, um das Nachzeichnen künstlerischer und persönlicher Entwicklungen und Entscheidungen und schließlich um das Ermöglichen eines Kennenlernens von Autorinnen und deren Arbeit, das über das übliche Ausmaß hinausgeht.
Maria E. Brunner, geboren in Pflersch/Südtirol, ist Literaturwissenschaftlerin und seit den Achtziger Jahren literarisch tätig. Zuletzt erschien von ihr der Roman Berge Meere Menschen(Folio 2004).



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Literaturgespräch Mittwoch, 23. Feb., 20 Uhr
Literaturhaus am Inn

Lesung mit Barbara Frischmuth
Christa Gürtler führt ein Literaturgespräch mit der Autorin

Als sich Anna, die Protagonistin in Barbara Frischmuths neuestem Roman, während ihres Studiums in Ali, einen Türken, verliebt, bricht sie das Studium ab, heiratet ihn, bekommt zwei Kinder und kehrt in ihre Heimatstadt zurück. Doch eines Tages ist Anna verschwunden. Ali und die Kinder sind plötzlich allein, und jeder versucht, auf seine Weise damit fertig zu werden, die vierzehnjährige Tochter besinnt sich auf ihre türkischen Wurzeln.

Barbara Frischmuth, geboren in Altaussee, wo sie heute als Schriftstellerin lebt, studierte Türkisch und Ungarisch in Graz, Erzurum und Debrecen und später Orientalistik in Wien. Romane u. a: Die Klosterschule (1968); Die Mystifikationen der Sophie Silber (1976); Kopftänzer (1984); Die Entschlüsselung (2001); das Gartentagebuch Löwenmaul und Irisschwert (2003) und zuletzt: Der Sommer, in dem Anna verschwunden war (2004). Sie hat außerdem Kinderbücher und Hörspiele geschrieben.

Christa Gürtler, geboren 1956, Literaturwissenschaftlerin, freie Verlagslektorin und Geschäftsführerin des Literaturforums Leselampe in Salzburg. Zahlreiche Publikationen zu zeitgenössischen Autorinnen in Symposiumsbänden und Zeitschriften.


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Stadtstiche und Dorfskizzen
[ Neuerscheinungen aus Tirol ]

Montag, 28. Feb., 20 Uhr
Literaturhaus am Inn

Buchpräsentation: stadtstiche dorfskizzen (Skarabaeus 2004)
Mit der Herausgeberin Brigitte Messner. Lesung mit
Georg Aichinger, Julia Rhomberg, Selma Mahlknecht, Josef Oberhollenzer, Klaus Händl
Musik von zwieharmonika Frajo Köhle & Siggi Haider

Die Anthologie stadtstiche dorfskizzen in der Reihe der Brenner-Texte ist Fortsetzung und Ausweitung eines Projektes des Literaturhauses aus dem Jahr 2003: AutorInnen aus Nord-, Ost- und Südtirol führen uns an "ihre Orte" innerhalb der Regionen. Wem wir dort begegnen, was (nicht) geschieht, was wir sehen - hören - riechen - empfinden - erleben, ist ebenso unterschiedlich wie die verwendeten literarischen Verfahren und Formen. Verortung ist also relativ, auch in literarischen Texten, die reale Örtlichkeiten zum Anlass ihres Entstehens und zum Thema haben. Sie hängt von Bezügen ab, von Einordnungen, Blickwinkeln, Sichtweisen, Zeitpunkten, Standpunkten. So sehr die Texte ortsbezogen scheinen, widersetzen sie sich doch auch, widerstehen doch viele einer Ortsgebundenheit.
Herausgeberin: Brigitte Messner, geboren 1962 in Kufstein, ist Übersetzerin und Lektorin.


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