Literaturhaus am Inn

Programm Mai–Juni 2003

Editorialvon stillen und lauten plätzen

Unser Inspirationsort Literaturhaus im 10. Stock hat Aussicht auf die Stadt: in unmittelbarer Augenhöhe auf den Blitzableiter mit Wiesel und Fisch vom Dachturm gegenüber, in nächster und weiterer Ferne auf Handymasten, Kirchtürme, Baukräne, auf den neuen Rathausturm, die neue Sprungschanze, das neue Karmel, auf die alten Berge und den alten Fluss. Urbanes und Alpines auf engem Raum - auf einem Blick. Orte lassen uns Weite und Enge spüren, sind uns Herkunft und Zukunft.

ortswechsel. In unserem Juni-Schwerpunkt LITERATURaußerHAUS spielen wir mit Orten, an denen wir Lesungen stattfinden lassen: am 13. Juni am Bahnhof und am 27. Juni im Hofgarten - zwei Plätze, die polare Bewegungen des Lebens symbolisieren: Kommen und Gehen, Bleiben, Verweilen und Verreisen. Der Bahnhof als Durchgangs- und Schleusenort, der fortträgt und hinbringt. Der Hofgarten in der Stadt als Ort der Ruhe und des Sammelns, des Flanierens. ortsbezug. Die thematische Klammer der Lesungen des Sommer-Schwerpunktes: Umgebung als Inspiration und Auseinandersetzung. Dabei geht’s um Zugfahrten, um Bahnhofs-Atmosphären - H. D. Heisl und Peter Weber lassen in der Bahnhofshalle aufhorchen - und um Ansichten von Nord- und Südtiroler Städten, Märkten und Dörfern in Texten, die zum Teil eigens für den Abend im Hofgarten verfasst wurden. n.c. kasers stadtstiche, in den 70er Jahren geschrieben, brachten uns auf die Idee, AutorInnen nach literarischen Städtebildern jenseits gängiger Optik zu befragen – ihre Texte und Musik mit tirolerisch unvertrauten Klängen sind im Freien des Hofgartenspavillons zu hören - zudem eine Auswahl der stadtstiche kasers, gelesen von Eleonore Bürcher. Den Großteil aber bestimmt die Gegenwart. Am Bahnhof und im Park: da wie dort findet Begegnung statt, an den zwei LITERATURaußerHAUS-Abenden ganz besonders mit AutorInnen, Texten, Orten, Menschen, Musik. Kommen Sie hin und genießen Sie - auch den Sommer!

R&R

Ein Dank an die Stadt Innsbruck und die RLB für die Sponsorgelder zu LITERATURaußerHAUS.

Jedes Wort ein Spürhund

Platzhalter

Donnerstag, 8. Mai, 20 Uhr, Literaturhaus am Inn

Herta Müller liest aus Im Haarknoten wohnt eine Dame (Rowohlt 2000) und Unveröffentlichtes.

In den Text-Bild-Collagen variiert Herta Müller ihre Themen auf spielerisch-virtuose Weise: Gewalt und Flucht, Entwurzelung und Sehnsucht nach Heimat. Die Collagen - Gesichts- und Körperfragmente, Details aus dem Alltagsleben neben schwarzen Scherenschnittfigurinen - geben die Stimmung vor. Die Texte sind aus einzelnen, aus Zeitungen und Illustrierten herausgeschnittenen Wörtern zusammengeklebt, Bruchstücke mit optischen Akzenten und sichtbaren Fugen. Herta Müller schlägt aber auch einen leichteren Ton an: Sie spielt mit Reim und Assonanz, die die Texte bisweilen in die Nähe von Volkslied, Moritat und Bänkelsang stellen, humorvoll, aber auch makaber.

Herta Müller, geboren 1953 in Nitzkydorf (Rumänien). Studium der Germanistik und Rumänistik in Temeswar. Sie arbeitete zunächst als Übersetzerin und Deutschlehrerin, wurde jedoch aufgrund ihrer Verweigerung der Zusammenarbeit mit der Geheimpolizei ( Securitate) aus dem Schuldienst entlassen. Seit 1984 arbeitet sie als freie Schriftstellerin und hatte bis zu ihrer Ausreise in die Bundesrepublik Deutschland 1987 Arbeits- und Publikationsverbot. Herta Müller lebt und arbeitet in Berlin. Sie gilt als eine der bedeutendsten Schriftstellerinnen der Gegenwart.

Zuletzt erschienen: Herztier. Roman (Rowohlt 1994), Heute wär ich mir lieber nicht begegnet (Rowohlt 1997), Im Haarknoten wohnt ein Dame(Rowohlt 2000). Zahlreiche Literaturpreise, zuletzt The International IMPAC Dublin Literary Award 1998, Franz-Kafka-Literaturpreis 1999, Carl-Zuckmayer-Medaille 2002.

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Wirtschaft und Mensch

Donnerstag 15. Mai, 20 Uhr
Literaturhaus am Inn

Burkhard Spinnen liest aus Der schwarze Grat. Die Geschichte des Unternehmers Walter Lindenmaier aus Laupheim (Schöffling & Co. 2003)

Die Geschichte eines mittelständischen Unternehmers in Deutschland zu erzählen – kann dies für einen Autor spannend sein, eine Herausforderung darstellen? Burkhard Spinnen hat sich, nach anfänglicher Skepsis, darauf eingelassen. Es entstand das Portrait eines ebenso außergewöhnlichen wie typischen Vertreters einer in der Literatur unbekannten "Spezies", die hochgradig spannende Geschichte eines Familienunternehmens, durch die die Wirtschaftsgeschichte der Bundesrepublik von ihren Anfängen zwischen Kriegstrümmern bis zu ihrer Gegenwart unter dem Damoklesschwert der Globalisierung durchscheint; ein Lehrstück über Erfolg und Misserfolg, über den menschlichen Faktor in der Wirtschaft, und: ein Lehrstück über das Verhältnis des Erzählens zur Realität.

Burkhard Spinnen, geboren 1956 in Mönchengladbach, Studium der Germanistik, Publizistik und Soziologie. Seit 1996 freier Autor, lebt in Münster. Zahlreiche literarische, wissenschaftliche und essayistische Veröffentlichungen in Zeitungen und Zeitschriften.

Zuletzt erschienen: Kalte Ente (1994), Langer Samstag (1995), Trost und Reserve (1996), Dicker Mann im Meer (1997), Belgische Riesen (2000), Bewegliche Feiertage (2000), alle bei Schöffling & Co.
Auszeichnungen: Aspekte-Literaturpreis 1991, Preis der Kärnter Industrie (Ingeborg-Bachmann-Wettbewerb 1992), Kranichsteiner Literaturpreis 1996, Stipendium des Deutschen Literaturfonds 1997. Literaturpreis der Konrad-Adenauer-Stiftung 1999 .

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Apropos Muttertag


Montag, 19. Mai, 20 Uhr
Literaturhaus am Inn

Buchpräsentation und Lesung aus Maria T. Eine Mutter (Stroemfeld 2003) mit der Autorin Gertrud Spat. Musik: Max Engel (Violoncello). Einführung durch Johann Holzner.

Dem Leben und Werk des Dichters Georg Trakl sind Bibliotheken gewidmet. Seine Mutter kommt in den Biographien nur am Rande vor. Niemand hat sich bisher mit ihrem Schicksal ernsthaft beschäftigt. Nach intensiven Recherchen legt jetzt Gertrud Spat die Lebensgeschichte der Maria T. vor. Es ist eine Mischung aus Dichtung und Wahrheit, schlicht und protokollartig formuliert.

Gertrud Spat ist in den Niederlanden geboren, Ausbildung als Pianistin, Studium der Musikwissenschaften in Amsterdam und Innsbruck. Sie ist Mutter von vier Kindern und lebt in Innsbruck. Sie übersetzte die Autobiographie der Tochter Ezra Pounds Mary de Rachewiltz ins Deutsche ( Diskretionen, 1993) und verfasste das Tirol Lexikon (1983). Sie hat 10 Jahre lang die Innsbrucker Wochendgespräche organisiert.

Max Engel, Mitglied der Engel-Familie, ist Lehrbeauftragter am Mozarteum Innsbruck, unterrichtet Barockcello bei der Internationalen Sommerakademie für Alte Musik in Innsbruck und spielt seit zehn Jahren im Contentus Musicus unter Nikolaus Harnoncourt.



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LITERATURaußerHAUS - Bahnhofsprosa

Freitag, 13. Juni, 20 Uhr, neue Bahnhofshalle des Innsbrucker Bahnhofs

Lesung mit Heinz D. Heisl und Peter Weber

Texte vom Zugfahren und Wegfahren, vom Reisen, vom Ankommen und Warten. Der Bahnhof als Ausgangspunkt für phantastische Geschichten und Sprachkaskaden.

Heinz D. Heisl (Innsbruck-Basel) liest aus seinen Zug-Geschichten Wohin ich schon immer einmal wollte, Peter Weber (Zürich - seit 1992 mit einem Generalabonnement der Schweizerischen Bundesbahn viel unterwegs) liest aus Bahnhofsprosa (Suhrkamp 2002).


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Wissenschaft, Gesellschaft und Literatur: Eine philosophische Reihe im Rahmen des Frankreichschwerpunkts der Universität Innsbruck

Ziel der interdisziplinär konzipierten Reihe ist es, die laufenden philosophischen Debatten und deren Bedeutung im intellektuellen Leben Frankreichs zu beleuchten. Die Vorträge finden in französischer Sprache statt, deutsche Kurzfassung liegt auf. Diskussion auf französisch, englisch, deutsch.

Diskussionsleitung und Moderation: Jean Louis Poitevin (Leiter des französischen Kulturinstituts, Innsbruck)

Montag, 16. Juni , 20 Uhr, Literaturhaus am Inn

Antonia Soulez: Wittgenstein en France: de l'ignorance à la mode / Wittgenstein in Frankreich: Von der Ignoranz zur Mode.Vortrag.

Antonia Soulez, Professorin für Philosophie in der Universität Paris 8 und Direktor des Collège International de Philosophie, hat zahlreiche Aufsätze und Bücher einschließlich Übersetzungen zum Thema Wittgenstein, Wiener Kreis und zur österreichischen Philosophie verfasst.

Montag, 23. Juni, 20 Uhr, Literaturhaus am Inn

Pascal Nouvel: Soigner les Passions: un débat philosophique entre science et littérature / Die Gefühle pflegen: Eine philosophische Auseinandersetzung zwischen der Naturwissenschaft und der Literatur. Vortrag.

Pascal Nouvel, Professor für Biologie und für Philosophie an der Universität Paris 7 (Denis Diderot - Jussieu), Verfasser zahlreicher Studien zur Wissenschaftstheorie, Wissenschaftsgeschichte und zum Thema Wissenschaft und Gesellschaft.

Eine Vorschau:

Montag, 10. November 2003, 20 Uhr: Hocine Benkheira (Hautes Etudes, science religueuses) zum Thema Islam und die Philosophie: prinzipielle Probleme und die Lage heute.

Montag, 22.März 2004, 20 Uhr: Hélène Cixous (Paris 8, philosophie) zum Thema Thomas Bernhard und écriture féminine



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Sprachkritik und Literatur. Eisendle und Wittgenstein

Mittwoch, 25.Juni, 20 Uhr
Literaturhaus am Inn

Sprachkritik und Literatur. Vortrag von Helmut Eisendle. Im Rahmen des Fakultätsschwerpunkts Kommunikation - Medien - Bildung - Wissen der Geisteswissenschaftlichen Fakultät an der Universität Innsbruck, unterstützt von der Hypo Tirol-Bank

Was hat es mit dem charakteristischen "wittgensteinisierenden" Ton in der
modernistischen Literatur auf sich, der Mitte der 60er Jahre aufkam und der sich besonders bei österreichischen Autoren wie Handke, Rosei, Czernin und eben auch Eisendle findet? Inwiefern versteht sich Literatur hier als analytisches
Sprachspiel, aus dem sich Erkenntnisse über die Verfertigung von "Welt" und "Subjektivität" beim Reden und Schreiben gewinnen lassen? Und was hat es umgekehrt mit dem merkwürdigen Eindruck von Poesie auf sich, der durch dieses Spiel mit elementaren Sätzen bei diesen Literaten, aber auch bei Wittgenstein selbst entsteht?

Helmut Eisendle, geboren 1939 in Graz, Lehre zum Telefontechniker, Studium der Philosophie und Psychologie in Graz, Berufstätigkeiten als Techniker, Lehrer, Pharmareferent, Psychologe. Seit 1972 freier Schriftsteller. Aufenthalte in Barcelona, Westberlin, München, Friaul, Triest, Amsterdam, Südsteiermark, Berlin, Wien. Zahlreiche Publikationen, zuletzt: Lauf, Alter, die Welt ist hinter dir her (Deuticke 2000), Jenseits der Vernunft oder Gespräche über den menschlichen Verstand (Gemini 2001), Gut und Böse sind Vorurteile der Götter. Ein Gespräch (Residenz 2002), Ein Stück des blauen Himmels. Roman (Residenz 2003).

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LITERATURaußerHAUS - stadtstiche - Sprachbilder von Tiroler Orten

Freitag, 27. Juni, 18-22 Uhr, Pavillon des Innsbrucker Hofgartens

Ein lauer Sommerabend der Literatur - Reisen durch Tiroler Orte und Gegenden in der Sprache. Autorinnen und Autoren aus Nord- und Südtirol lesen Texte über die Stadt, aus der sie kommen oder in der sie leben. Geografische Nähe und emotionale Distanz oder geografische Distanz und emotionale Nähe: dazwischen spielt sich die literarische Auseinandersetzung ab.

...Bruneck Mayerhofen Meran Kitzbühel Bozen Hall Klausen Innsbruck Brixen…

Walter Klier - Christoph W. Bauer - Erika Wimmer - Sepp Mall - Florian Grünmandl - Josef Oberhollenzer - Bruna Maria dal Lago Veneri - Andreas Maier - Konstantin Kaiser - Helene Flöss - Hans Aschenwald

Eleonore Bürcher liest stadtstiche von norbert c. kaser (1947 - 1978).

Musik: Tirolisches ganz anders. Romed Hopfgartner, Clemens Salesny, Wolfgang Schiftner spielen Saxophone und Klarinetten.

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