Literaturhaus am Inn

Programm März–April 2001

Editorialwie die Zeit schnell vergeht

Wie die Zeit schnell vergeht - ein häufig gehörter Satz. Alle Zeit ist vergänglich, schnelllebig, flüchtig und dies ist mehr als ein Gemeinplatz, es ist eine Erfahrung, die jede und jeder einzelne täglich macht. In unseren Gedanken sind wir ständig in der Zeit unterwegs, streunen im Gestern umher, brechen mit unseren Hoffnungen und Visionen ins Morgen auf. Zwischen Augenblick und Dauer sind alle Formen des Zeiterlebens eingefangen - Veränderung, Bewegung, aber auch Langsamkeit und manchmal sind mit Zeit Versäumnisse verbunden. Aber was ist Zeit wirklich? Das Literaturhaus ist vor einiger Zeit an Autorinnen und Autoren mit diesem Thema in Form von Auftragsarbeiten herangetreten. Für die Lesung dieser Texte haben wir ein Ambiente, in dem historische Uhren und allerlei Messgeräte Zeitpunkt und Zeitstrom sinnlich wahrnehmbar machen, gesucht und auch gefunden - Näheres dazu im Programm. Jede Zeit hat ihre Klänge und Farben, aber auch ihre Anliegen. Den Illusionen von Zeit steht das tatsächliche Diktat von Tages- und Jahreszeiten mit ihren gewohnten Abläufen und unvorhergesehen Ereignissen gegenüber. Das Leben im Zeitstrom und Rhythmus. Wir vom Literaturhaus sind es gewohnt, der Zeit vorauszueilen, Pläne für zukünftige Programme zu machen und Ideen auf freien Fuß zu setzen. Und wir wollendas Hier und Heute nicht aus den Augen verlieren. Aber auch: Wertvolles aus der Vergangenheit in die Gegenwart holen. Wir lassen uns vom Jetzt inspirieren: das gegenwärtige Geschehen in der Tiroler Literatur ist immer wieder Thema und Anliegen des Literaturhauses. Dabei möchten wir in diesem Programm in der Reihe [ Literatur als Ware ] jene zu Wort kommen lassen, die den Weg eines Textes vom Manuskript bis zu den LeserInnen begleiten. Eine Expedition durch die Kinderliteratur - nicht nur für die Jüngsten, ein Abend mit Ossip Mandelstam, die Präsentation des Lexikon der österreichischen Exilliteratur und der Auftakt unserer neuen Hörspiel-Reihe [ wiedergehört ] - damit möchten wir Ihnen ein reichhaltiges Frühjahrsprogramm anbieten. Literatur ist wache, kritische Auseinandersetzung mit der Zeit und ihren Anliegen. Sie ist aber auch eine Oase im Rad der Zeit, die dem Moment und dem Augenblick mit all seinen spontanen Erfahrungen der Phantasie und dem lustvollen Denken Raum gibt. In diesem Sinne wünschen wir Ihnen viel Zeit zum Lesen, Zuhören, Denken und für Begegnungen und Gespräche hier im Literaturhaus.


P.S. Informieren Sie sich gezielt über kulturpolitisches Geschehen in Österreich, z.B. mit der Homepage des Literaturhauses Wien:

Literaturhaus Wien
Die beste Literaturseite Österreichs

"mein Moskau - mein Rom - mein kleiner David"

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Mittwoch, 7. März,
Russische und deutsche Lesung mit Ralph Dutli aus der im Ammann-Verlag erschienen Werkausgabe Ossip Mandelstam (1891-1938).

Eintritt frei

"Poesie ist ein Energie-Transfer, und das möchte ich bei meinen Lesungen mitteilen", so der Herausgeber Ralph Dutli, der sich seit über zwanzig Jahre mit Mandelstam beschäftigt. Er liest mit einer Überzeugung und Intensität, die faszinierend ist. Teil seine Lese-Programms sind auch die beeindruckenden Briefe Mandelstams. Diese lassen die Hintergründe seines dichterischen Schaffens, die chaotischen Lebensumstände, wie auch die politischen Verhältnisse, Verfolgung und Widerstand erahnen. "Ossip ist ein Schrank voller Überraschungen!" (Anna Achmatowa). Mit den Kinder und Scherzgedichten soll Raum sein für den "anderen" Mandelstam. Ausgelassener Humor, durchtriebene Ironie, ein poetischer Spieltrieb - all dies kennzeichnet Mandelstam nicht weniger als die tragischen Umstände seines Lebens in der Stalin-Epoche. Ralph Dutli, geboren 1954 in Schaffhausen/Schweiz, studierte Romanistik und Russistik in Zürich und Paris, lebt als freier Autor in Heidelberg. Essayist, Lyriker, Übersetzer und Herausgeber der zehnbändigen Ossip-Mandelstam-Werkausgabe. Weitere Bücher u. a. : Ein Fest mit Mandelstam. Zum 100. Geburtstag. (Ammann, 1991); Europas zarte Hände. Essays über Ossip Mandelstam. (Ammann, 1995).


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Lexikon der österreichischen Exilliteratur

Montag, 12. März, 20 Uhr:
Buchpräsentation: Lexikon der österreichischen Exilliteratur (Deuticke 2000) mit einer Einführung von Konstantin Kaiser sowie einer Lesung mit Michael Guttenbrunner.

Eintritt frei.

"Im vorliegenden Lexikon von Siglinde Bolbecher und Konstantin Kaiser sind all jene Autorinnen und Autoren erfasst, die in Österreich aus politischen oder rassistischen Gründen verfolgt wurden, wobei auch jene einbezogen wurden, denen die Emigration nicht gelang, die sich am Widerstand beteiligten oder sich durch ‚innere Emigration' widersetzten. DAS Nachschlagewerk zur österreichischen Literatur im Exil." (Der STANDARD)
Michael Guttenbrunner, geb. 1919 in Althofen/Kärnten, lebt in Wien. "Nach dem ,Anschluß' 1938 drei Monate in ,Schutzhaft' genommen. Zur Wehrmacht eingezogen; Kriegseinsatz in Jugoslawien, in der Sowjetunion, in Frankreich und Griechenland. Verwundet. Nach dem 20. Juli 1944 ,wegen Aufwiegelung vor versammelter Mannschaft' von einem Kriegsgericht zum Tode verurteilt; zur ,Frontbewährung' bei der SS-Brigade Dirlewanger begnadigt." (aus dem Lexikon der österreichischen Exilliteratur) Veröffentlichungen u. a.: Im Machtgehege (1999); Vom Tal bis an die Gletscherwand! Reden und Aufsätze (1999).
Konstantin Kaiser, geb. 1947 in Innsbruck, freier Schriftsteller und Literaturwissenschaftler. Mitbegründer der "Theodor Kramer Gesellschaft"; Mitherausgeber der Zeitschrift "Zwischenwelt" und der Buchreihe "Antifaschistische Literatur und Exilliteratur".


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zeit - zone

Donnerstag, 15. März
17 Uhr !
in der Uhrenwerkstätte Schmollgruber, Pfarrgasse 4/Altstadt
Lesung der Auftrags-Texte zum Thema Zeit - mit Peter Giacomuzzi, Helmut Schiestl, Walter Groschup.

Eintritt frei.

Autoren lesen Texte zum Thema Zeit. Assoziationen und Annäherungen an einen Denk-Begriff - im weitesten Sinne aufgefaßt und gleichzeitig konzentriert auf den Gegenwartsmoment: in den Texten erscheint das Erleben von Zeit und deren Sprache so vielgestaltig und verschieden wie deren Orte. Peter Giacomuzzi, geboren 1955 in Bozen; seit 1990 Lektor für Deutsch in Japan an der Universität in Tokyo. Helmut Schiestl, geboren 1954 in Hall /Tirol; lebt in Innsbruck; Veröffentlichungen: Hirnkrebs (1990); Der Lotosblütenesser (1992). Walter Groschup, geboren 1958 in Feldkirch; lebt in Innsbruck; Veröffentlichungen: Der Schritt oder Protokoll einer Wehrlosigkeit (1992).


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Mit Siebenmeilenstiefeln durch die Kinderliteratur

Montag, 2. April, 16.30 Uhr !
in der Landes-Jugendbücherei, Maximilienstraße 3/Stöckl:

Ein vergnüglicher Ausflug durch die Kinderliteratur mit Hubert Flattinger, musikalisch begleitet von Bernhard Costa und Edith Morandell. Für Menschen ab 6 J.

Eintritt frei.



"Die meisten Menschen legen ihre Kindheit ab, wie einen alten Hut. Sie vergessen sie wie eine Telefonnummer, die nicht mehr gilt. Früher waren sie Kinder, dann wurden sie erwachsen, aber was sind sie nun? Nur wer erwachsen wird und ein Kind bleibt, ist ein Mensch." (Erich Kästner).
Schon mal Hundertmorgenwald gewesen, bei Christopher Robin, Pu und seinen Freunden? Oder Margarinien? Dort kämpft man noch mit Bären, fliegt zu den Wolken oder steckt sich nach alten Brauch Muscheln in die Ohren. Auf Takatuka lebt ein wildes Piratengesindel, ähnlich wie im Nimmerland, der Heimat von Peter Pan ... Die Kinderliteratur kennt viele abenteuerliche Plätze.
Hubert Flattinger präsentiert eine Auswahl der schönsten Texte von A. A. Milne, Erich Kästner, Janosch, Astrid Lindgren, Christine Nöstlinger u.v.a., entführt - quasi in Siebenmeilenstiefeln - seine Zuhörer in die literarische Welt der bedeutendsten Kinderbuchautoren des 20. Jahrhunderts.
Begleitet wird der Journalist und Buchautor von Bernhard Costa und Edith Morandell, die mit ihren poetischen Kinderliedern, bekannt durch die Gruppe Tatzelbein, das Programm musikalisch umrahmt.


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Einblicke

Donnerstag, 19. April, 20 Uhr:
Eine Veranstaltung aus der Reihe
[ Literatur als Ware ].
Lesung der Auftragstexte Einblicke mit Margareth Obexer und Stefan David Kaufer.
Mit anschließender Gesprächs- und Diskussionsrunde zum Thema: Der Weg vom Manuskript zu den LeserInnen.

Eintritt frei.

Die Ausstellung des Landesmuseums Ferdinandeum und es Anatomischen Museums der Universität Innsbruck Einblicke. Zur Architektur des menschlichen Körpers war der unmittelbare Anlaß für die Texte von Stefan David Kaufer und Margareth Obexer: sprachliche Expeditionen durch die Bilder und Exponate vom Innen und Außen des menschlichen Körpers.

Wie Literatur jenseits der Großverlage entsteht, von neuen Namen und Büchern der Tiroler Literatur, woher sie kommen und wie sie vermittelt werden: Einblicke in dieses Thema geben Josef Rabl (Skarabäus), Denise Weiler (Tiroler AutorinnenKooperative) und Thomas Wiederin (bücher wiederin).
Im Erfahrungsaustausch und im Gespräch stellen sie ihre Arbeit als LiteraturmacherInnen vor. Büchertisch mit Büchern zum Thema als Anregungen zum Weiter-Lesen.
Stefan David Kaufer, geb. 1971 in Saarbrücken; lebt in Berlin. Veröffentlichungen: Geschichte einer Dressur (1998); Meine schönen Grenzen (1999); Auf Peamount (2000).
Margareth Obexer, geb. 1970 in Brixen, Italien. Autorin von Theaterstücken, Hörspielen und Prosatexten. Sie war Stipendiatin des Literarischen Colloquiums und der Akademie der Künste in Berlin sowie Marktschreiberin von St. Johann in Tirol.


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Eich-Maß

Montag, 23. April, 20 Uhr:
Eine Veranstaltung aus der Reihe
[ wiedergehört].
ORF Publikumsstudio, Rennweg 14:.
Das Hörspiel "Träume" von Günther Eich zum Wiederhören mit einer Einführung von Michael Klein.

Eintritt frei.

Vor 77 Jahren wurde in London das erste Hörspiel ausgestrahlt: "Danger", von Richard Hughes. Als eigenständige literarische Kunstform erlebte das Hörspiel seine größte Beliebtheit in den 50ger Jahren, als beinahe alle bekannteren Autorinnen und Autoren für den Rundfunk arbeiteten, nicht zuletzt, weil sie davon lebten. Mit dem Schwerpunkt wiedergehört möchten wir - zunächst an drei Abenden im April, Mai, Juni und später, im Herbst, an drei weiteren Abenden - zusammen mit dem Landesstudio Tirol an einige der Höhepunkte der Produktionen dieser Jahre erinnern. Den ersten Abend wird Michael Klein vom Innsbrucker Zeitungsarchiv mit einer kurzen, überblicksartigen Einführung in das Hörspielschaffen dieser Jahre beginnen. Im Mittelpunkt des Abends wird die Vorführung des Hörspiels: "Träume" von Günter Eich stehen, das für Vieles, was später geschrieben bzw. produziert wurde, maßgebend war und das daher auch zuweilen als das "Eich-Maß" bezeichnet wurde.


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