Literaturhaus am Inn

Programm September–Oktober 1999

Editorial Cyber-book

Nun hat das Cyber-book-Zeitalter auch im Literaturhaus am Inn seinen Einzug gehalten; nicht, daß wir uns dagegen gewehrt hätten - es waren bisher einfach immer "nur" Bücher, die uns in ihren Bann gezogen hatten. Vielleicht war es die Abneigung von viel am Computer Arbeitenden, sich zum "Lesen" auch an das flimmernde Kastl am Schreibtisch setzen zu müssen.
Tatsache ist jedoch, daß das Produzieren von EDV-Medien auch der Literatur Vorteile bietet. CD-Roms können auch "gewöhnlichen" LeserInnen unschätzbare Dienste erweisen: Im Falle der im Literaturhaus vorgestellten Wittgenstein-Ausgabe ermöglicht die EDV etwa einfache Suchvorgänge nach allen möglichen Kriterien - die auch das spielerische Element der EDV-Nutzung an sich haben - oder Parallel-Lesen von Text und Faksimile.

Internet-Publikationen haben den Vorteil, für KonsumentInnen (fast) gratis und für ProduzentInnen sehr günstig zu sein - das betrifft vor allem die Herstellungskosten des Mediums (eine CD pressen kann heute fast jede/jeder; Bücher und Zeitschriften sind in der Herstellung wesentlich teurer). Gerade für junge/unbekannte AutorInnen und Literaturzeitschriften ist das Internet eine wunderbare Sache; auch wir nützen einige der Dienste, die angeboten werden, mit Begeisterung.
Was AutorInnen- und Urheberrechte betreffen, sind jedoch noch längst nicht alle Fragen, die durch Internet-Veröffentlichungen entstanden sind, geklärt. Trotzdem boomen - auch literarische - Veröffentlichungen in EDV-Form.
Untersuchungen bezeugen (denn: wir sind ja alle nichtsdestotrotz Datengläubige) jedoch, daß das neue Medium dem Buch nicht schadet oder schaden wird, genauso, sagen die Studien, wie vor einigen Jahrzehnten das Fernsehen dem Kino nichts getan hat, ja geradezu zu dessen neuem Boom geführt hat.
Diejenigen von uns, die dem neuen Medium sowieso nicht abhold waren, atmen dabei erleichtert auf: Denn am Niedergang des Mediums "Buch" will sich niemand persönlich schuldig fühlen! Und sich abends mit einem Buch irgendwohin zu kuscheln - ob auf den Balkon oder an den Ofen (in unseren Breiten und in dieser Jahreszeit ist es für eine Schreiberin relativ schwer, das einen Monat vorauszusehen) - ist einfach nicht ersetzbar.

Stellen Sie sich "triviale" Lese-Situationen vor: Seit vier Stunden gebannt auf den Bildschirm starren, es ist halb zwei, und es fehlen noch knapp hundert Seiten bis zum Ende des Krimis? Oder: Lyrik lesend und Worte in sich nachwirken spürend stundenlang sinnend in das Geflimmer blickend? Oder: Müde und zufrieden auf dem Drehstuhl, mit der Wange auf der Tastatur, einschlafend und ebenso erwachend?
Wir glauben den Studien. Auch, wenn es Drucker gibt.
Trotzdem: Schau'n Sie sich das an und beamen Sie sich in den 10. Stock! Es ist echt spacig.

Präsentation
Wittgenstein-CD-ROM

Platzhalter

Montag, 13. September 1999, 20 Uhr: Ludwig Wittgensteins Nachlaß, Präsentation der CD-ROM Edition.
Eintritt frei.

Seit 1990 arbeiten im Wittgensteinarchiv der Universität Bergen (Norwegen) neun WissenschaftlerInnen an der elektronischen Edition aller philosophischen Schriften von Ludwig Wittgenstein: Seit 1998 sind nun 20.000 Seiten Faksimiles und Transkriptionen via Computer zugänglich. Da Ludwig Wittgenstein seine Schriften immer wieder überarbeitete, stellte die Edition eine besondere Herausforderung dar – so wurde ein eigenes Modell der Präsentation in Druckbuchstaben entwickelt. Diese Ausgabe ist ein Wendepunkt nicht nur in der Wittgenstein-Forschung, sondern in der Editionswissenschaft: Sie ermöglicht neue Fragestellungen. Das Bergener Wittgensteinarchiv und das Innsbrucker Forschungsinstitut Brenner-Archiv kooperieren in dem Projekt der EDV-Edition der Werke Wittgensteins – in Innsbruck werden die Briefe und die Tagebücher elektronisch herausgegeben.
Claus Huitfeld, Leiter des Wittgenstein-Archivs und Cameron McEwen (Intelex) stellen die Reihe von 4 CD-Roms im Literaturhaus am Inn weltweit erstmals nach Abschluß der Arbeiten vor. (Wittgenstein’s Nachlaß. The Bergen Electronic Edition. Oxford University Press/Intelex 1998/1999)



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Lesung und Präsentation

Donnerstag, 16. September 1999, 20 Uhr: Lesung und Präsentation: Veza Canetti – Anna Mitgutsch Veza Canetti: Die Schildkröten. München: Hanser 1999.
Eintritt frei.

Die Schriftstellerin und Literaturwissenschaftlerin Anna Mitgutsch stellt Veza Canettis literarisches Hauptwerk vor: Im „angeschlossenen“ Österreich werden ehemals friedliche Nachbarn zu Handlangern des NS-Regimes. Wie geduldige, im Verborgenen lebende Schildkröten versuchen die Hauptfiguren, ihre Würde zu wahren gegenüber der Gemeinheit, Willkür und Grausamkeit der neuen Ordnung.
Anna Mitgutsch liest aus Die Schildkröten und stellt die Autorin vor: „Es wäre an der Zeit, die Autorin eines Werkes, von dem wir wohl nur einen Bruchteil kennen, ohne das Bild, das Elias Canetti uns von ihr gemacht hat, zu entdecken.“ (Anna Mitgutsch, in: Literatur und Kritik, Juli 1999, S.100.)
Veza Canetti, 1897 in Wien geboren, war v.a. in den dreißiger Jahren als Schriftstellerin erfolgreich. 1934 heiratete sie Elias Canetti, 1938 emigrierte sie nach London, wo sie 1963 starb. Posthum erschienen die Erzählsammlung Die gelbe Straße (1990), das Stück Der Oger (1991) und die Erzählsammlung Geduld bringt Rosen (1992; alle im Carl Hanser Verlag, München).
Anna Mitgutsch, geboren 1948 in Linz, arbeitete als Literaturwissenschaftlerin an Universitäten (u.a. in Innsbruck) und lebt seit 1985 als freischaffende Autorin in Linz. Sie schrieb zahleiche Essays zur englisch- und deutschsprachigen Gegenwartsliteratur. Von ihr erschienen die Romane Die Züchtigung, Ausgrenzung, Abschied von Jerusalem, Das andere Gesicht, In fremden Städten (alle bei dtv und rororo) Sie erhielt zahlreiche Preise.



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Wahlkampf

Dienstag, 21. September 1999, 20 Uhr: Lesung und Buchpräsentation: Eva Roßmann: Wahlkampf. Kriminalroman. Wien, Bozen: Folio 1999.
Eintritt frei.

Sehr passend in diesem Herbst, liest Eva Roßmann aus ihrem ersten Krimi: Wahlkampf. Sie erzählt von der Journalistin Mira Valensky, die sich weit mehr für italienische Kochrezepte und Weine als für Politik interessiert. Trotzdem wird Valensky gegen ihren Willen vom Lifestyle- ins Politikressort versetzt – sie soll über das „Menschliche“ im Wahlkampf berichten. Zum „Menschlichen“, so erfährt sie, gehört auch Mord …
Eva Roßmann wurde 1962 in Graz geboren. Sie arbeitete als Juristin, politische Journalistin, war Mitinitiatorin des österreichischen Frauenvolksbegehrens und Wahlkampfkoordinatorin einer Kandidatin zur Bundespräsidentenwahl 1998. Sie veröffentlichte zahlreiche Sachbücher, v.a.: Unter Männern – Frauen im österreichischen Parlament (Wien, Bozen: Folio 1995), Die Angst der Kirche vor den Frauen (Wien, Bozen: Folio 1996) und Ganz normale Frauen – 14 Frauen erzählen aus ihrem Leben (Wien: Zsolnay 1998).



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Welches Buch haben Sie nicht gelesen?

Freitag, 24. September 1999, 20 Uhr: Präsentation von Julius Deutschbauers: „Bibliothek der ungelesenen Bücher“ Lesung Helga Glantschnig: Mirnock (Graz: Droschl 1997).
Eintritt frei.

In Julius Deutschbauers Projekt „Bibliothek der ungelesenen Bücher“ geht es um Bücher, die man nicht gelesen hat und um Meinungen, Erwartungen, Mutmaßungen über Ungelesenes. In seiner Bibliothek finden sich geliebte und ungeliebte ungelesene Bücher, übel beleumdete ungelesene Bücher, in den Himmel gelobte ungelesene Bücher. Julius Deutschbauer spricht mit einem special guest über von diesem noch nicht Gelesenes. Durch die Präsentationen der Bibliothek wird diese immer größer – sie lädt zum Verweilen ein ...
Helga Glantschnig liest aus dem Roman Mirnock (Graz: Droschl 1997), den Julius Deutschbauer (immer) noch nicht gelesen hat.
„Mirnock“ beschreibt in unspektakulärer und intensiver Weise die Kindheit und Jugend einer Frau: „Rituale des Heranwachsens in der österreichischen Provinz“. „Mirnock“ ist [ … ] ein Buch über weibliches Aufwachsen, das in seiner verhaltenen Intensität beeindruckt“ (Petra Nachbaur).
Julius Deutschbauer, 1961 in Klagenfurt geboren, lebt und arbeitet seit 1983 in Wien. Zahlreiche Einzel- und Gruppenausstellungen im In- und Ausland.
Helga Glantschnig, 1958 in Klagenfurt geboren, arbeitet seit 1994 als freie Schriftstellerin. Helga Glantschnig schreibt vor allem Prosa. Sie erhielt mehrere Preise und Auszeichnungen (u.a. Literaturförderungspreis des Forum Stadtpark Graz 1991, Förderpreis des Landes Kärnten für Literatur 1994). Zuletzt erschien ihr Buch Meine Dreier. Schlittschuhbuch (Graz: Droschl 1998).



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Vier Farben: Gelb, Weiß, Schwarz, Rot

Freitag, 8. Oktober 1999, 20 Uhr: Vier Farben : Gelb, Weiß, Schwarz, Rot; Eine (Keller-)Theater-Diskussion.
Eintritt frei.

Am Podium diskutieren die RegisseurInnen Johannes Hoflehner und Heidelinde Leutgöb, die Regisseurin und Intendantin Evelyn Fröhlich, die SchauspielerInnen Walter Anyanwu und Daniela Kong und ein Diskussionsleiter.
Das Innsbrucker Kellertheater widmet sich in der kommenden Saison dem Thema der Verschmelzung der Rassen und Kulturen in unserer Zeit – und den dadurch entstehenden Spannungen. Zeitgenössische AutorInnen werden als VertreterInnen der Hautfarben gelb, weiß, schwarz und rot vorgestellt. In ihren Stücken reflektieren sie über die Problematik der immer kleiner werdenden Welt und der auf wirtschaftlich- sozialen Zwängen beruhenden Suche nach einem Platz zum Überleben außerhalb des eigenen Kulturkreises.
Die Diskussion dreht sich um das Konzept, die Auswahl der produzierten Stücke, den inhaltlichen Zusammenhang, die theatralische Verwirklichung, und, nicht zuletzt, um Kunst und Politik.
Eine Veranstaltung des Innsbrucker Kellertheaters und des Literaturhauses am Inn.



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Karl Lubomirski

Montag, 11. Oktober 1999, 20 Uhr: Lesung Karl Lubomirski. Mit einer Einführung von Ursula Strohal
Eintritt frei.

Liebe und Einsamkeit, der Mensch in Konfrontation mit einer göttlich durchwehten Natur, das Leben als Weg zum Tod, Auseinandersetzung mit modernen Wissenschaften – das sind die Themen des Lyrikers Karl Lubomirksi. Seine Gedichte sind knapp und der Versuch der sprachlichen Konzentration entspricht dem Wunsch nach gedanklicher Zuspitzung. „Wie ein einzelner Gongschlag einen großen Nachhall hat, erzeugen diese sparsamen Gedichte einen Raum von Assoziationen um sich.“ (Sylvia M. Patsch)

Zur Lyrik Karl Lubomirskis vgl. das Kleine Inn-Lesebuch!

Karl Lubomirski, geboren 1939 in Hall in Tirol, lebt seit vielen Jahren in Italien, seit 1996 als freier Schriftsteller bei Mailand. Übersetzer von Lyrik aus dem Italienischen. Zahlreiche Bücher, zuletzt Gegenstunde. Gedichte. Waiblingen, Florenz: Stendel 1998; Menschen-Opfer. Prosa. Bad Kissingen: Majo 1996. Von Karl Lubomirskis Werken gibt es zahleiche Übersetzungen.



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Turrini liest Turrini

Freitag, 15. Oktober 1999, 19 Uhr im Leo-Kino: Lesung Peter Turrini.
Eintritt frei.

Peter Turrini ist seit den 70er Jahren vor allem als provokativer Autor von Theaterstücken (z.B. Rozznjogd, 1973; Die Minderleister, 1988; Alpenglühen, 1992; Die Liebe in Madagaskar, 1997) oder Fernsehserien (Die Alpensaga, gemeinsam mit Wilhelm Pevny, orf 1994) bekannt. Er ist jedoch auch Lyriker (z.B. Im Namen der Liebe, 1993), und, seit 1998, ebenso anerkannter Prosaautor. In seiner Novelle Die Verhaftung des Johann Nepomuk Nestroy (München: Luchterhand) beschäftigt er sich mit Theater, Possen und Politik und einer Tradition der österreichischen Literatur, in der er selbst zu sehen ist. Peter Turrini liest aus seinen Werken einen Querschnitt.
Peter Turrini, geboren 1944 in St. Margarethen im Lavanttal, wuchs in Maria Saal auf. Er lebt heute als freier Schriftsteller in Wien und Retz und erhielt zahlreiche Preise.



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Ich an Dich

Mittwoch, 20. Oktober 1999, 20 Uhr: Ich an Dich – eine Lesung aus Briefen. Mit Eleonore Bürcher und Günther Lieder.
Eintritt frei.

Liebesbriefe, offene Briefe, Geschäftsbriefe, ... Briefe werden an sich als etwas Privates betrachtet, als Mittel, einander über Distanz Nachrichten zukommen zu lassen. Aber Briefe können ihr Medium zu einem öffentlichen machen; sie können reine Zweckmitteilungen enthalten oder auch literarische Texte sein. Berühmte SchriftstellerInnen schrieben manchmal ihre Briefe bereits im Hinblick auf eine Veröffentlichung des Briefwechsels nach dem Tode. Briefe von DichterInnen geben Einblick in deren Lebens- und Arbeitswelt, man denke nur an die Korrespondenz mit Verlagen und VerlegerInnen.
Anläßlich des Symposiums Ich an Dich. Edition, Rezeption und Kommentierung von Briefen. Tagung im Rahmen der Mitarbeiter-Konferenz der Historisch-Kritischen Stifter- Ausgabe in Innsbruck. 20.-22. 10. 1999, Universität Innsbruck lesen Eleonore Bürcher und Günther Lieder zum Teil noch unveröffentlichte Briefe aus den Beständen des Brenner-Archivs.
Informationen zum Symposium erhalten Sie im Sekretariat des Instituts für Germanistik, Tel. 0512/507-4122.
In Zusammenarbeit mit dem Institut für Germanistik.



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Droits de l'homme - Menschenrechte.

Donnerstag, 21. Oktober 1999, 18.30 Uhr: Ausstellungseröffnung 1948 - 1998, Droits de l’homme – Menschenrechte.
Eintritt frei.

1948, vor mehr als fünfzig Jahren, wurden die Menschenrechte deklariert. Die Ausstellung – anläßlich des Jubiläums von der „Association pour la Diffusion de la Pensée Française“ zusammengestellt – beschreibt die Bedingungen der Ausarbeitung in ihrem historischen Zusammenhang; die deklarierten Rechte werden, nach Themen geordnet, vorgestellt; aktuelle Probleme der internationalen Gesetzgebung und Rechtsentwicklung und der Verteidigung der Menschenrechte werden diskutiert.
Dauer der Ausstellung: Bis 5. November.
Öffnungszeiten: Montag bis Freitag 9-12, 14-17 Uhr.
Eine Veranstaltung des Institut Français und des Instituts für Geschichte der Universität Innsbruck gemeinsam mit dem Literaturhaus am Inn.

Die Ausstellung findet im Rahmen des Symposiums „Die Französische Revolution und das Projekt der Moderne“ statt. Informationen dazu erhalten Sie beim Institut Francais, Tel. 0512 / 581392 oder am Institut für Geschichte, Tel. 0512 / 507-4388.



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Lesung Marlene Streeruwitz

Sonntag, 31. Oktober, 20 Uhr
Eintritt frei.

Lesung


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