Literaturhaus am Inn

Programm November – Dezember 1998

Editorial

Literaturkalender 1999:
norbert c. kaser
Haymon Verlag / Literaturhaus am Inn

Zum Beispiel: Eine Krähe von Paul Flora, ein Kinderfoto, eine Gemeinschaftszeichnung der Schüler Kasers, die Laaser Kirche im Straßenspiegel: Fotos, Kar- ten, Erinnerungsbilder, Schnappschüsse und natürlich vor allem Kaser-Texte wurden von Christine Riccabona und Benedikt Sauer ausgewählt / kommentiert und von Benno Peter (Haymon Verlag) gestaltet / komponiert / verfremdet. 12 Monate, 12 Bilder, 12 Text-Zitate, die Kasers Leben, seine Art wahrzunehmen und den Niederschlag in Gedichten, Briefen und Prosatexten nachzeichnen:Konzentrierte Einzelbeispiele, die doch in der Summe eine nachvollziehbare Geschichte ergeben.
"Viele Texte von Norbert C. Kaser (1947-1978), die Gedichte zumal, sind ,bestimmt von der konkreten Wahrnehmung, dem Sinnes- zumeist dem visuellen Eindruck, der einmaligen Erfahrung, dem ganz persönlichen ErlebenŒ (Sigurd Paul Scheichl). Viele sind anlaßgebunden, aber auf Privates zu reduzieren deshalb nicht. Penibel hat Kaser die meisten Texte mit Datum versehen, viele vor dem Abtippen fein säuberlich zum Zeitpunkt ihres Entstehens in Taschenkalender und Jahrbücher eingetragen. Kaum überraschend erscheinen sie geeignet für ein dem Wechsel der Jahreszeiten folgenden Medium wie dem Kalender" - so heißt es im Kommentarteil. Wie in den beiden hier gezeigten Fällen sind die Originale im Anhang abgebildet und in ihrem Zusammenhang kurz kommentiert.
Erhältlich in allen Buchhandlungen (42 X 30 cm, 15 Farbblätter, Wire-Bindung mit Aufhänger, öS 280,-).













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Ursula Schneider
Erika Wimmer
Literaturhaus am Inn, Herz und Mund und Tat und Leben
Josef-Hirn-Straße 5, 10. Stock
6020 Innsbruck.
Tel.: 0512 / 507-4503 und 4505  Fax: 0512 / 507-2960
e-mail: Literaturhaus@uibk.ac.at
Internet: http:// info.uibk.ac.at/c/c1/ c111/lithaus.html

"Herbst des Einsamen"
und "Eisendle unterm
Sternenzelt..."Platzhalter

Dienstag, 3. November, 20 Uhr: Buchpräsentation Georg Trakl , Lesung von Helmut Eisendle. Die Trakl-Ausstellung des Brenner-Archivs ist von 4.11. bis 14.12. (Mo-Fr, 9-12 und 14-17 Uhr) zu besichtigen.
Eintritt frei.

Georg Trakl gilt als Klassiker der Moderne und zählt zu den bedeutendsten Lyrikern des 20. Jahrhunderts. Das Moderne an seiner Art zu dichten wird durch die Innsbrucker Trakl-Ausgabe erkennbar. Zum editorischen Konzept gehört es, Trakls Gedichte als Prozeß zu verstehen, deshalb wird nicht die letzte Fassung, sondern die Entstehung der Texte dargestellt.
Anläßlich der Präsentation von Band III der historisch-kritischen Trakl-Ausgabe, die am Brenner-Archiv in Innsbruck von Eberhard Sauermann und Hermann Zwerschina herausgegeben und von der Stadt Innsbruck wesentlich mitfinanziert wird, liest der bekannte Wiener Schriftsteller Helmut Eisendle Texte von Trakl. Eisendle, der von einem Einfluß Trakls auf sein Schreiben spricht, hat eine Parodie auf die "Romanze zur Nacht" veröffentlicht (manuskripte 1977).


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Prigov / Rubinstejn
- Zwei Moskauer Konzeptualisten
Dienstag, 10. November, 20 Uhr: Dmitrij Prigov und Lev Rubinstejn: Lesung in russischer und deutscher Sprache. Mit einer Einführung von Univ.Prof.Dr. Christine Engel.
Eintritt frei.

In der "intimen" Öffentlichkeit eines beinahe familiären Kreises befreundeter Künstler, Dichter und Kritiker entstand im Moskau der beginnenden siebziger Jahre ein von der monumentalen Umgebung der Metropole abgegrenzter ästhetischer Lebensraum. Wohnungen und Ateliers waren die Orte, an denen Dichterlesungen, Aktionen und Ausstellungen stattfanden - weniger als Präsentation für ein anonymes Publikum von Konsumenten, sondern vielmehr als Anlässe für Begegnungen und Gespräche. Der Leseabend ("wetscher") oder die gemeinsame Teilnahme der persönlich geladenen Gruppe von "Zuschauern" an Aktionen wurden zu idealen - und zunehmend auch selbst ästhetisierten - Anlässen der Zusammenkunft.
Prigovs Interesse gilt vor allem den massenkulturellen Erscheinungen, den Sprach-und Bilderwelten des sowjetischen und heutigen russischen Alltags. Seine Lesungen und Auftritte werden zu aktionshaften Selbstinszenierungen der eigenen Person als Kunstfigur. Rubinstejns Texte sind schon auf den ersten Blick zu erkennen: Textfragmente auf einzelnen Karten oder Blättern, mit einer Nummer versehen, werden zu Serien zusammengesetzt. Diese Arbeitsweise ist im Laufe der Jahre nicht nur zu einer Art Markenzeichen geworden, sondern hat darüber hinaus eine eigene ästhetische und semantische Dynamik entwickelt.
Dmitrij Prigov, 1940 in Moskau geboren. Am Stroganov-Institut Ausbildung als Bildhauer. Seit 1971 zahlreiche Gedichtveröffentlichungen. Außerdem verschiedene Arbeiten im Bereich der visuellen Poesie, poetische Objekte, Poeme, Dramen, Minidramen, Alphabete und Beschwörungen. Mitbegründer des Moskauer Konzeptualismus.
Lev Rubinstejn, 1947 in Moskau geboren. Studium der Philologie. Arbeitete als Bibliothekar. Derzeit Kolumnist der Wochenzeitung Itogi. Erste Veröffentlichungen in A-Ja, Paris 1971. Seit 1974 serielle Textkompositionen, "Kartotheken". Teilnehmer an zahlreichen Lyrikfestivals, ab 1989 Performances. Mitbegründer des Moskauer Konzeptualismus.


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Trojer / Mitterer

Donnerstag, 12. November, 20 Uhr: Buchpräsentation - Literarische Texte aus dem Nachlaß von Johannes E. Trojer mit einem akustischen Bühnenbild von Wolfgang Mitterer. Eintritt nach eigenem Maß.

Den Osttiroler Schriftsteller Johannes E. Trojer (1935-91) kannte man zu Lebzeiten als Herausgeber der Kulturzeitschrift "Thurntaler" sowie als einen, der im abseitig gelegenen Villgratental Lehrer war, dort die örtlichen Zustände und Befindlichkeiten präzise beobachtete und mit griffiger Sprache aus seinem Lebensumfeld extrahierte. In seinem Nachlaß fanden sich bislang unveröffentlichte literarische Arbeiten, die in Summe eine außergewöhnliche Archäologie des dörflichen Lebens ergeben. Hier fließen Beobachtungen aus dem Schulalltag, Aufzeichnungen des Dorfchronisten und volkskundliches oder historisch/zeitgeschichtliches Forschen ineinander, hier verbindet er alles, was ihm unterkommt, zu assoziativer "Wirkware": Was er beobachtet und erfragt, an was er sich erinnert und was im Osttiroler Boten oder bei Kafka steht, was in seinem Kopf und in seinem Wohnzimmer vorgeht. Eine hochkarätige literarische Entdeckung! (Haymon Verlag, hrsg. von Ingrid Fürhapter und Andreas Schett)
Der Osttiroler Komponist und Organist Wolfgang Mitterer, dem Trojer ein früher Freund und Förderer war, errichtet vor Ort ein akustisches Bühnenbild.


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Prag in Schwarz und Gold - Kulturgeschichte einer multikulturellen Stadt

Samstag, 14. November, 19 Uhr: Lesung und Autorengespräch mit Peter Demetz. Gesprächsleitung: Marta Marková.

Das Bild vom mystischen und geheimnisvollen Prag ist seit den 60er Jahren in Mode: Der Glanz Karl IV., die Alchemie und die Kunst am Hof Rudolf II., Mozart, Kafka, der Golem, vielleicht noch Mucha und Schwejk. Doch Prag bedeutete im Lauf seiner Geschichte immer wieder auch Rebellion, kulturellen Niedergang und blutigen Terror. Peter Demetz wendet sich gegen die Bilder, die von der Fremdenverkehrsindustrie verbreitet werden und zeigt das, was die traditionellen Versionen der Geschichte Prags verbergen und verwischen, z.B. die Möglichkeiten und Gefahren einer multikulturellen Gesellschaft.
Peter Demetz erzählt die Geschichte Prags, von Libussa bis Jan Hus, von Milan Kundera bis Václav Havel. Sein neues Buch Prag in Schwarz und Gold. Sieben Momente im Leben einer europäischen Stadt wurde als "Glanzstück lebendiger Geschichtsschreibung" (Die Welt) bezeichnet.
Peter Demetz, geb. 1922 in Prag, lebt in Connecticut, USA. Er ist emeritierter Professor für Germanistik an der Yale University, war langjähriger Juryvorsitzender beim Ingeborg-Bachmann-Wettbewerb und gilt als einer der besten Kenner der Kulturgeschichte Prags. 1994 erhielt er von der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung den Merck-Preis für literarische Kritik und Essay.


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Kaus Merz:"Wo es hingehe mit ihm"

Mittwoch, 2. Dezember, 20 Uhr: Buchpräsentation mit Lesung von Klaus Merz aus dem neuen Roman "Kommen Sie mit mir ans Meer, Fräulein?" (Haymon Verlag).
Eintritt frei.

Klaus Merz, der bereits drei Bücher im Haymon Verlag - zuletzt den vielbeachteten und mehrfach ausgezeichneten Roman "Jakob schläft" - und mehrere Texte und Gedichtsammlungen in der Schweiz veröffentlicht hat, legt nun eine weitere Geschichte vor. Der Roman ist bereits in den 80er Jahren entstanden und stellt eine vorweggenommene Fortsetzung von "Jakob schläft" dar. In seinem typisch lakonischen Ton erzählt Merz über einen Mann, der als Folge eines Autounfalls im Spital liegt und seine eigene Stimme auf Tonband anhört: Notizen eines Lebens, Protokolle wichtiger und belangloser Erinnerungen und Wahrnehmungen. Merz - ein Meister des höchst reduzierten, aber umso eindringlicheren Erzählens - gehört heute zu den wichtigsten Autoren der Schweizer Literatur und wird im gesamten deutschen Sprachraum mehr und mehr gelesen.


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Auf zur Heimat!
Lebenssee.
Eine skurreale Biographie in
Text / Bild / Ton

Freitag, 11. Dezember, 20 Uhr: Lesung mit Musik und Projektion zu Walter Pilars Romanesque "Lebenssee", dazu Georg Nußbaumers Komposition "3 Männer (ohne Viola und Schneckenflügel)", interpretiert von Katrin Emler. Einführung von Univ.Prof.Dr.Sigurd Paul Scheichl.
Eintritt frei.

Wir sind gespannt: Walter Pilar stellt sein beim Ritter Verlag erschienenes Großwerk, die bunt schillernde literarische Lebens- und Ortsgeschichte "Lebenssee" in unsere Innsbrucker Räume hinein. Zur Seite hat er die Oberösterreicherin Katrin Emler, die auf ihrer Bratsche Pilars Lesungen, Rezitationen und Bild-Projektionen begleitet. Der "Gesamtkunstwerker" (Kleine Zeitung) Walter Pilar wurde 1948 in Ebensee geboren und lebt als Schriftsteller, Grafiker, "KunstWandwerker" und "Rauminstallatör" in Linz. Pilar ist jener Mann der österreichischen Literartur, der Lesern und Hörern auf einzigartige Weise begreiflich macht, was "Skurrealität" bedeutet. "Lebenssee" beschreibt im Unterschied zu den üblichen Autobiographien einen Lebensweg ohne Helden, es beschreibt die beengenden Verhältnisse der österreichischen Nachkriegsprovinz, facettenreich dargestellt, vielfach gebrochen, stimmungsintensiv und doch durchreflektiert. Die Literaturhaus am Inn-Redaktion läßt Pilar wissen: "Klar wie ein Birnana, Zwetschgana od. Apfelschnaps möchte ich schreiben. Oder is' sowas eh gloa? Bis zum 11.12."


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Zur Ader lassen, schröpfen, castrieren...

Dienstag, 15. Dezember, 20 Uhr: Erste im Literaturhaus am Inn erarbeitete Ausstellung "Der Scherer. Ein Innsbrucker Blatt der Jahrhundertwende" - Vernissage.
Eintritt frei.
Ausstellung von 16.12.1998 bis 22.1.1999, Mo-Fr (9-12 und 14-17 Uhr). Führung für Schulklassen nach Voranmeldung.

Die Zeitschrift "Der Scherer" war das Publikationsorgan der "Jungtiroler", einer Kulturbewegung um Dichter wie Adolf Pichler, Arthur von Wallpach und Anton Renk. Wie schon der Name sagt - ein "Scherer" war in Tirol ein Ratten- und Mäusefänger - sollte das 1899 gegründete Blatt den im Verborgenen agierenden (Volks)schädlingen den Garaus machen. "Schädlinge" waren für den "Scherer" alle politisch Konservativen und Rom-Treuen.
Die in erster Linie politischen Zielen folgende Redaktion unter dem Herausgeber Franz Habermann veröffentlichte im Laufe der Jahre unzählige literarische Texte, Glossen, Gedichte, Pamphlete, Grafiken und Karikaturen, die im Sinne einer deutschnationalen, also aus damaliger Sicht "fortschrittlichen" Gesinnung erzieherisch wirken sollten. "Hier wird zur Ader gelassen, geschröpft und castrirt" - so lautet etwa der Kommentar zu einer 1906 erschienenen, den Vatikan darstellenden Grafik. Die "Scherer"-Leute führten dementsprechend einen jahrelangen heftigen Kampf mit der Zensurbehörde in Innsbruck.
Die Historikerin Mag. Sabine Falch hat aus den Originalbeständen eine Dokumentation zusammengestellt und präsentiert diese als kommentierte Schau in rund 20 Tafeln - eine Ausstellung, die nicht nur historisch interessant ist, sondern mitunter auch vergnüglich Skurriles zum Vorschein bringt. Ein Ziel dieses Projektes ist es zu zeigen, wie Ideologie (welche auch immer!) vermittelt wurde und wird.


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Brecht / Weill / Eisler / Dessau - Unfromme Psalmen und kämpferische Appelle

Donnerstag, 17. Dezember, 20 Uhr: Der österreichische Gitarrist und Komponist Dietmar Ungerank und die Berliner Sängerin Gina Pietsch interpretieren Lieder von Bert Brecht. Eintritt: öS100,- (beschränkte Platzanzahl, telef. Reservierung 507/4505).

So hat Bertolt Brecht angefangen: 20jährig in der Kneipe mit einer Klampfe, wie Wedekind und Baal, seine zartesten und gröbsten Lieder singend. So beenden wir das "Brecht-Jahr": mit einem Programm, das eben diese Seite des weltbewegenden Autors noch einmal hochleben läßt, mit Liedern übers Lieben und Saufen, über Glücksgötter und Holzbeine, mit Geschichten für Kinder und Alte. Aber nicht nur von Brecht getextete Lieder, auch kleine Anekdoten aus seinem Leben, die den großen Meister der Bühne und der Poesie von einer persönlichen Seite zeigen, werden zu hören sein. Die Berliner Brecht-Interpretin Gina Pietsch und der Gitarrist Dietmar Ungerank bieten einen ausdrucksstarken und impulsiven Abend, eine fulminante Hommage an den frühen Brecht.
Gina Pietsch ist Dozentin der Ernst-Busch-Theaterhochschule Ost-Berlin und seit dreißig Jahren bestens mit Brecht vertraut.
Dietmar Ungerank ist in Steinach a. Brenner geboren. Heute lebt der Konzertgitarrist in Deutschland, er komponiert und arrangiert seit vielen Jahren in Zusammenarbeit mit Lyrikern, Malern und Tänzern.
Das Duo besteht seit 1996 und hat seither zahlreiche kleine Bühnen und Kneipen Deutschlands mit seinen Brecht-Liedern erobert.


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