Witiko

H82, S. 83d

Er schlug den Weg nach Mitternacht ein, und ritt in einem großen Bogen gegen Hostas Burg. Er gestattete sich an den verschiedenen Stellen nur so viel Aufenthalt, als unumgänglich zur Stärkung und zum Ausruhen des Pferdes nothwendig war. Die Nachtherbergen machte er so kurz, als es nach seiner Kenntniß der manigfachen Wegstreken und nach dem Lichte, das der Himmel auf dieselben herab sendete, möglich war.

Am neunten Tage des Monates Hornung traf er in Hostas Burg ein.

Der Herzog ließ ihn sogleich vor sich bescheiden.

Witiko trat vor das Bett, grüßte ehrfurchtvoll, grif mit seiner rechten Hand in sein Lederwamms, zog das rothsammetne Beutelchen hervor, und reichte es dem Herzoge. Der Herzog nahm es, [öffnete es,] zog das Kreuzlein heraus, [sah es einen Augenblik an,] küßte es, stekte es dann wieder in das Beutelchen, und legte es mit demselben in den Holzschrein hinter dem Bette.

"Bringst du mir die genaue Nachricht?" fragte er hierauf den Jüngling.

"Die ganz genaue," antwortete Witiko.

"So rede," sagte der Herzog.

"Am vierten Tage des Monates Hornung," entgegnete Witiko, "ist in einer großen Versammlung auf dem Wysehrad, zu welcher viele hohe und niedere Herren der beiden Länder gekommen waren, auf einen Antrag des Znata des Sohnes des Tas dann auf eine lobpreisende Anrede Zdiks des Bischofes von Olmüz und auf eine Anrede Nacerats des andern Sohnes des Tas Wladislaw der Sohn deines erlauchten verstorbenen Bruders des Herzoges [Wladislaw] für den Fall, daß dir diese Krankheit tödtlich werden sollte, zum künftigen Herzoge von Böhmen und Mähren gewählt worden."

"Und von welchem Gewährsmanne hast du die Kunde?" fragte der Herzog.

"Von mir," entgegnete Witiko, "ich bin in der Versammlung gewesen."

"Du bist in der Versammlung gewesen," fragte der Herzog, "wie hat das geschehen können?"

"Der hochehrwürdige Bischof Silvester hat mir erwirkt, daß sie mich anhören," sagte Witiko, "ich habe ihnen meine Bitte, daß sie mich in der Versammlung als Hörer sein lassen, vorgetragen, und sie haben dieselbe erfüllt."

"Es ist mir um dich leid, mein Sohn, daß ich nicht länger lebe," entgegnete der Herzog, "und was hat der Bischof Silvester gesagt?"

"Er hat die Wahl verdammt," entgegnete Witiko, "und als sie nicht vernichtet wurde, hat er sein Amt nieder gelegt. Er läßt dir melden, daß er bald zu dir kommen werde."

"Er ist willkommen," antwortete der Herzog, "und was haben die andern gethan?"

"Der alte Leche Bolemil hat eine lange Rede für dich gehalten," antwortete Witiko, "und der alte Diwis hat für dich gesprochen, das Volk ist zusammen gelaufen, und Wladislaw ist mitten im Hofe zu Pferde gewesen."

"Und du bist gleich nach der Wahl fortgeritten?" fragte der Herzog.

"Ich habe nur mein Pferd besorgt," entgegnete Witiko, "und habe dann den Weg nach dieser Burg gesucht."

"Es ist gut," sagte der Herzog, "tretet ein wenig näher, ihr andern."

Ersetzender Text für H82/S.84c:

Es war in dem Gemache noch seine Gemalin Adelheid, es war eine andere junge dunkelgekleidete Frau da, seine Tochter Maria, die seit zwei Jahren an den Markgrafen Leopold von Österreich vermählt war, und die gekommen war, ihren kranken
Fortsetzung in H 82/S.84c

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