Witiko

H231, S. 351

["Nun, i] "Ich bitte, erlaubet mir, daß ich auf dem steinernen Thorbogen dieses Hauses, in dem ihr wohnt, eine Rose mit den fünf Blättern einmeißeln lassen darf," sagte Huldrik<.>
"Liegt dir sehr viel daran, daß dieses geschehe?" fragte Witiko.
"Es ist ein Zeichen der Dinge, die werden, und die Dinge wachsen, und die Zeichen sind in den Zeiten," sagte Huldrik.
"Weil du mit deinen Gedanken so in diesen Angelegenheiten bist, und weil ich andere Gedanken von dir nicht erfüllen kann, so lasse die Rose meißeln," sagte Witiko.
"Und die fünf Blätter darf ich ein wenig mit der rothen Farbe zeichnen lassen," sprach Huldrik; "denn die Rose ist die rothe Rose."
"Die rothen Waldrosen sind mir einmal ein Zeichen geworden," sagte Witiko.
"Seht ihr," antwortete Huldrik, "und die Rose wird ein bedeutungsvolles Zeichen sein."
"So mache sie auch roth, aber nur wenig," sprach Witiko.
"Nur daß sie die rothe Rose ist," sagte Huldrik.
"Wer wird sie meißeln?" fragte Witiko.
"Elias, der Steinhauer von Plan," antwortete Huldrik, "und er wird auch die rothe Farbe bringen."
"Nun so schreite an das Werk, wenn du es an der Zeit achten wirst," sagte Witiko.
"Es ist schon an der Zeit," antwortete Huldrik.
Und noch an dem nehmlichen Tage ging Huldrik in den oberen Plan. Am andern Tage kam er mit dem Steinhauer Elias nach Friedberg. Sie ließen ein kleines Gerüst vor dem Thorbogen machen. Elias stieg auf das Gerüste, und begann zu meißeln. Huldrik stieg zu ihm hin auf. Elias meißelte fünf Tage, und Huldrik stand immer bei ihm. Am sechsten Tage wurde das Gerüst weg genommen, und man sah auf dem Scheitel des steinernen Thorbogens eine fünfblättrige Rose mit schwacher rother Farbe.
"Erlaubet, hoher Herr," sagte Huldrik zu Witiko, "daß ich den Werklohn für Elias aus dem Eigen des Hauses im Wangetschlage zahle, weil Alles vom Wangetschlage ausgegangen ist, und weil dort in der milden Zeit das hohe Schloß gestanden ist."
"So thue es," sagte Witiko.
"Und habet Dank, daß ihr das Werk erlaubet habt," sprach Huldrik.
Dann zahlte er Elias den Arbeitslohn, und führte hier auf mehrere Menschen aus Friedberg vor die Rose, zeigte ihnen dieselbe, und sprach von ihrer Bedeutung.
Da dieses geschehen war, ging er wieder in den Wangetschlag zurük.
In der Zeit, da Witiko in dem steinernen Hause in Friedberg wohnte, und da einige Männer seines Geleites in dem Hause, die andern in einem kleinen Lager an dem Ufer der Moldau waren, kamen öfter Menschen aus verschiedenen Theilen des Waldes, und brachten Geschenke, die zur Nahrung oder Pflege Witikos und der Seinigen dienen konnten: Feldfrüchte, Geflügel, Fische, Felle von Thieren, oder ein Ziklein, ein Lamm und Ähnliches. Witiko nahm die Dinge an, dankte und beschenkte die Geber.
An einem Tage kam einer der Männer, die an dem Brunnen im Thomaswalde arbeiteten, und meldete, daß sie auf Wasser gekommen sind.
"So ruhet zwei Tage an dem Brunnen, und vergnüget euch," sagte Witiko, "daß wir sehen, ob das Wasser sich kläre. Am dritten Tage werde ich mit Männern zu euch hinauf kommen, daß wir das Wasser untersuchen, und begrüßen."
Witiko ließ nun sogleich den Pfarrer und den Richter und die Ältesten und die Kirchenvorsteher von Friedberg, dann den Richter und die Vorsteher von Friedau, den Richter und die Vorsteher von der Stift und den Waldhäusern des Heuraffel, vom Kirchenschlage, von der unteren Moldau, und von anderen Stellen bitten, daß sie von heute an am dritten Tage zu ihm kommen, und mit ihm zum Brunnen des heiligen Thomas gehen möchten. Es werde ihm eine Freude sein, wenn auch andere Menschen mitgehen wollen.
Am dritten Tage kamen die Männer, und Witiko ging mit ihnen und mit Leuten seines Gefolges durch den großen Wald zu dem Brunnen empor. Es gingen manche andere Menschen aus Neugierde mit.
Als sie zu dem Brunnen gekommen waren, sagte Witiko zu dem Brunnenmeister von Daudleb: "Nun zeige uns das Wasser."
Der Brunnenmeister nahm einen Eimer aus Ahornholze, und stieg mit demselben auf der Leiter in den Brunnen hinab. Er brachte den Eimer mit Wasser gefüllt herauf, stellte ihn auf einen Stein, und sagte: "Siehe das Wasser, Herr."
Witiko blikte in den Eimer und sprach: "Ich sehe den Boden des Gefäßes und die Zeichen des Holzes so klar wie durch die klare Luft."
Und auch andere schauten in den Eimer.
Dann sagte Witiko: "Urban, reiche den Becher."
Urban nahm aus einem Lederfache, das er trug, einen silbernen Becher, und reichte denselben Witiko.
Der Brunnenmeister schenkte aus dem Eimer Wasser in den Becher.
Witiko sagte: "Das Silber blikt ungetrübt aus dem Wasser."
Dann sezte er den Becher an den Mund, [und] trank, und sagte: "Das Wasser ist lieblich wie die lieblichen Steinquellen unserer Wälder."
Er reichte den Becher dem Pfarrer von Friedberg, und der Pfarrer trank. Und die anderen Männer, die Witiko geladen hatte, tranken aus dem silbernen Becher, der immer wieder gefüllt wurde.
Jeder sagte, das Wasser sei wie das beste der Wässer, die aus dem Waldfelsen quellen.
Der Becher wurde wieder in das Fach gethan.
Hierauf sprach Witiko: "Männer, ihr sagt, daß das Wasser gut sei für menschliches Leben."
"Sehr gut," riefen die Männer.
"Und wird es in Fülle sein, und wird es dauern?" fragte Witiko den Brunnenmeister.