Witiko

H231, S. 352

"Wir haben die Quellen auf dem Berge gesucht," antwortete der Brunnenmeister, "es sind drei, aus denen die, welche Pech suchen, Kräuter sammeln, Thiere jagen, oder die des Saumweges kommen, seit Menschengedenken auch in den dürrsten Jahren getrunken haben. Die obere ist versiegt, als wir auf das Wasser in dem Brunnen kamen. Wir haben sie in dem Brunnen gefangen. Das Wasser wird also hinlänglich sein und dauern."
Als der Brunnenmeister diese Worte gesprochen hatte, nahm Witiko die Haube von dem Haupte, und sagte: "So danke ich Gott, daß mein Gedanke in Erfüllung geht, und daß ich auf dieser Stelle mein Haus bauen kann. Ich baue es auf der Schneide des Waldes in der Mitte derer, die jezt zu mir gehören. Ich habe euch gebeten, daß ihr mit mir herauf geht, und Zeugen werdet, was hier entstehen soll. Sagt es den Eurigen. Du aber Brunnenmeister fertige den Brunnen aus, daß er ein Burgbrunnen wird. Ich werde das, was ich zu dem Baue des Hauses vorbereitet habe, der Vollziehung entgegen leiten, und werde euch bald bitten können, daß ihr mit mir der frommen Handlung beiwohnet, wenn die erste Erde mit der Schaufel ausgegraben wird. Jetzt erquiket euch mit einem Trunke Wein, und dann gehen wir wieder nach Friedberg."
Nach diesen Worten sezte Witiko seine Haube wieder auf, und ging mit den Männern in die hölzerne Brunnenbaustätte, und ließ dort Wein und Brod reichen.
Dann gingen sie wieder nach Friedberg hin unter.
Die Menschen aber, welche mit herauf gegangen waren, tranken alle von dem Wasser des Brunnens, das ihnen aus dem Eimer in Krüge der Arbeiter gegossen wurde.
Witiko sandte dann sogleich eine Botschaft nach Prag.
Die Männer und die anderen Leute, welche bei dem Thomasbrunnen gewesen waren, breiteten das, was sie dort gehört hatten, aus, und es kamen Menschen von vielen Stellen des Waldes zu Witiko, insonderheit Männer aus Plan, und sagten, sie wollen ihm bei dem Baue der Burg helfen. Witiko nahm die Anerbiethung an, und sprach davon, daß die Eintheilung gerecht werden würde, wenn das Werk beginne.
Von Prag kam in kurzer Zeit ein junger Mann, und Witiko sagte den Seinigen, den Mann habe er in Prag schon zum Baue der Burg gedungen, und ein jeder von ihnen, der im Baue zu handeln habe, müsse den Weisungen des Mannes folgen.
Es begannen nun die Vorbereitungen.
Als sie vollendet waren, lud Witiko die Gäste zu der Feier des Beginnes des Baues. Es kam der alte Zupan Lubomir von Daudleb, es kam der alte Pfarrer von Plan, es kam Rowno, Diet von Wettern, Osel, Wyhon von Prachatic, Wolf von Tusch, Wernhard von Ottau und alle anderen Herren in der Gegend des Waldes. Es kamen die Richter und viele andere Menschen von den Waldstellen.
Als der Morgen des anberaumten Tages [gekommen] angebrochen war, ging der Zug von Friedberg den hohen Wald hinan. Die Herren ritten, die anderen gingen. Da sie alle zu der Stelle des heiligen Apostels Thomas gekommen waren, sahen sie die Stelle weit herum gelichtet, zwischen den grauen Gesteinen standen Bauhütten, es lagen Baudinge herum, Stäbe wurden gestekt, wo die Mauern sein sollten, und auf dem grünen Rasen war ein Altar errichtet. Aus Brettern war eine Reihe von Bänken und Tischen gemacht.
Die Männer des Zuges sezten sich auf die Bänke, und der Pfarrer von Plan feierte mit der Beihilfe des Pfarrers von Friedberg und der Kirchendiener vor dem Altare den Gottesdienst. Als dieser beendet war, segnete der Pfarrer von Plan die Stelle, auf welcher die Burg stehen sollte. Dann nahm er die Schaufel, welche ihm gereicht wurde, und hob mit ihr ein Stükchen Rasen heraus, wo der Grund für die Mauern gegraben werden sollte. Dann nahm Lubomir die Schaufel, und hob ein Stükchen Erde heraus. Dann nahm sie Rowno, dann Wyhon von Prachatic, dann Diet von Wettern, und alle die Herren und Gäste, und jeder hob ein Stükchen Erde heraus. Der lezte, der es that, war Witiko.
Dann stellten sich die Männer von Plan und von Friedberg und von anderen Orten in ihrem Festtagsgewande mit Schaufeln auf.
Der Pfarrer von Plan aber sprach: "So ist ein neues Haus begonnen, der Himmel ist über ihm, der Himmel sei in ihm, der Himmel weiche nicht von ihm."
"Und er sei über dem ganzen Walde," sagte der Pfarrer von Friedberg.
Dar auf sprach Lubomir: "Witiko, du treuer freundlicher Sohn unseres Landes, wie du uns hier auf dem grünen Rasen versammelt hast, so versammle uns einmal in dem Hause, lebe in dem Hause, und mögen noch viele in dem Hause leben, und ein Geschlecht hervor gehen, das groß und mächtig ist, wie ein mal Geschlechter in unserem Lande gewesen sind, und wie sie noch sind. Und möge die Macht nie zur Frevelmacht werden, und die Zerstörung auf sich selber rufen, wie in unseren Tagen Mächte und Reichthümer dahin geschwunden sind, die noch im Jahre zuvor selbst dem Herzoge Troz geboten haben. Das Geschlecht halte den Schild über das Vaterland, und präge in unzähligen Jahren Spuren des Guten in den Wald, [wenn] die noch dauern, wenn in entfernten Zeiten der lezte von den Witikern in das Grab gestiegen ist. Und dann sollen die Völker noch erzählen von den Männern und den Frauen des Stammes, und in den Schriften soll aufgeschrieben werden, was sie gethan haben."
"So sei es," rief der Wladyk Rowno, "wie ich gesagt habe, da du zum ersten Male bei mir in dem Thurme zu Rowno gewesen bist: Es ist nur immer einer gewesen, der der Stifter eines großen Geschlechtes gewesen ist. Und aus einem kleinen Anfange kann ein großer Fortgang erwachsen. Wer hätte es damals gedacht, daß du nach so kurzer Zeit die Burg deiner Herrschaft bauen wirst. Ich habe gesagt, die Wladyken müssen größer werden, ich, der Wladyk, bin größer geworden, Diet ist größer geworden, Osel ist größer geworden, Hermann ist größer geworden, und alle im Walde sind größer geworden. Ich habe gesagt, wir dehnen unsere Besizungen gegen den Wald und wir haben sie gegen den Wald gedehnt, und du bist ein neuer Besizer in dem Walde. Aus dem Walde kann Großes hervor gehen; denn er hat die Kraft, und treibt sie hervor, und von jedem von uns kann das Große kommen."
"Mein Ahnherr ist ein Pechsammler in dem Walde gewesen," sagte Lubomir.
"Und ihr seid ein mächtiger Zupan und Kriegsanführer," antwortete Rowno. "Was kann aus jedem werden. Wir wollen zusammenhalten, und in freundschaftlicher Nachbarschaft leben. Du bist jezt einer wie wir, Witiko, und wir sind wie du."
["In freundschaftlicher und guter Nachbarschaft," rief Osel.]