Witiko

H198, S. 251


Gestalten empor, wahrscheinlich, um die Wirkung der Bolzen genauer sehen zu können. Es war ein jüngerer und ein älterer Mann. Aus den Bärten zu schließen war der eine rothhaarig der andere grauhaarig. Sie waren in grobe graue Stoffe gekleidet, und hatten graue Hauben auf ihren Köpfen. Der rothhaarige nahm sogleich die Flucht. Witiko aber hatte indessen die Lanze aus Raimunds Hand genommen, war in zwei Säzen seines Pferdes näher gegen den Grauen gesprengt, hielt, und rief: "Wenn du dich nur im Mindesten regst, oder Zeichen der Flucht gibst, so werfe ich dir diesen Speer zwischen die Schultern, wenn du ruhig bist, schone ich deines Lebens."

"Und ich werfe dir dieses Beil in deinen Leib, wenn du dich rührst," schrie Raimund, der auch herzu gekommen war, sein Beil aus dem Sattel genommen hatte, und es empor hielt.

Der Mann stand wie eine Bildsäule.

"Raimund, nimm ihn gefangen," sagte Witiko.

Raimund stieg von seinem Pferde, gab den Zügel desselben in die Hand des braunen Mannes, der indessen auch herzu geritten war, und näherte sich das Beil in der Hand haltend dem Grauen. Dieser blieb ruhig, ließ sich an dem Gewande fassen, und zu Witiko führen. Man sah jezt, daß sein Gewand nicht von grauem Tuchstoffe, sondern ein sehr beschmuztes Lederkoller war. Seine Haube war von demselben Leder. Raimund nestelte einen Strik von seinem Sattel, und band dem Gefangenen die Hände. Dann hieb er mit seinem Beile einen Ast aus dem Gesträuche, hieb aus dem Aste einen Knebel zurecht, und machte mittelst dieses Knebels die Handfesseln des Gefangenen unlöslicher. Dann band er noch einen langen Strik an diese Fesseln, um den Gefangenen leiten zu können.

"So, mein lieber Gaurabe, jezt bist du versorgt," sagte er zu ihm.

Er stellte ihn vor Witiko.

Dieser betrachtete ihn genauer, und sagte: "Du bist vor nahezu vier Jahren gegen den Herbst auf der Gasse der Herberge im Hauzenberge mit deinem rothbärtigen Kameraden gesessen, als ich mit diesem meinem Pferde vor der Herberge Mittagruhe hielt. Ist es nicht so?"

"Wenn ihr mich umbringen wollt, so thut es," antwortete der Graubart, "ihr seid drei, und habt mich noch dazu gebunden."

"Wir werden dich los lösen, daß du in den nächsten Graben springst, und durch Fichtengekrempe davon läufst," sagte Raimund.

"Schweige Raimund," sprach Witiko, "und du, Graubart, dir habe ich das Leben zugesichert, und ich halte mein Wort. Jezt sprich, was habe ich dir gethan, daß du mir mit deinem Genossen aufgelauert hast?"

"Ihr könnt mich martern genug lassen, wenn ihr mir auch das Leben schenkt, weil ihr die Übermacht habt," sagte der Graubart, "ich bin ein armer alter Mann."

"Darum solltest du an deinen Tod denken, und dich eines andern Lebens |befleißen|," entgegnete Witiko, "wenn ich dich gefangen habe, und dir das Leben schenke, das du verwirkt hast, weil du einen von uns hast tödten wollen, so werde ich dich nicht martern lassen, weil das meine Art nicht ist. Jezt sprich."

"Ich bin ein armer alter Mann," sagte der Gefangene, "und habe meinem Herrn Herzoge immer treu gedient; aber die Bischöflichen sind arge Gesellen."

"Du bist mein Gefangener, und bist von meiner Gnade abhängig," sagte Witiko.

"Lasset nur eine Gnade über mich ergehen, und lasset mich nur allein in eurer Gefangenschaft sein," entgegnete der alte Mann.

"Ich gebe dich in keine andere Gefangenschaft," sagte Witiko, "und meine Gnade wird sich darnach richten, wer du bist."

"Ich bin ein treuer Diener unseres erlauchten Herzoges, und ein armer Mann," sagte der Alte, "es war alles ein bekläglicher Irrthum. Der erlauchte Herzog Heinrich, dem ich mit meinem Leben dienen muß, hat verkündet, daß man die Kundschafter, die nach Österreich zu dem bösen Leopold, der uns das Herzogthum nehmen will, gehen, gefangen einbringen soll. Ihr seid ein sehr edler Herr; aber da ist mein Kamerad, der immer sagt, daß er viel vernünftiger sei als ich, der hat damals gesagt, daß ihr ein Kundschafter seid, und wir haben auf euch auf dem Wege nach Österreich gewartet, und euch in ehrenvolle Haft nehmen, und zu dem erlauchten Herzoge bringen wollen, wie es unsere vaterländische Pflicht ist; aber ihr seid nicht gekommen."

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