Witiko

H193, S. 239


sie vortrefflich eingestellt, mit Deken warm gehalten, und reines Futter in den reinen Krippen. Er trat zu seinem grauen starken Pferde, liebkoste es, und streichelte es mit der flachen Hand über den Naken. Nicht weit von dem Pferde saß auf einem niederen hölzernen Stühlchen der Wollkopf im Stalle, und sah das Pferd an. Er sagte zu Witiko: "Am ersten muß man das Nothwendige thun, und dann kann man zu dem Vergnügen gehen. Ich habe es schon gewußt, daß ihr hieher kommen werdet. Die Pferde sind gut versorgt, sie könnten es selber sagen, wenn sie zu reden wüßten."

"Es ist so," antwortete Witiko, "und alle jene sollen Dank haben, die dazu beigetragen haben. Weil du aber einmal da bist, Wolf, so kannst du mir den Weg zu deiner Herrin kürzer und richtiger zeigen, als ich ihn allein fände. Ich muß ihr den Ankunftsgruß darbringen."

"Ich weiß es," sagte Wolf, "und werde euch den Weg zeigen.<">

Er sprang auf, und ging vor Witiko zur Stallthür hinaus. Witiko folgte ihm. So gingen sie auch über den Hof. Wolf führte ihn zu der Thür, bei welcher vor beinahe vier Jahren Bertha den jungen Reitersmann zu ihren Eltern hinein geführt hatte.

"Da dürft ihr nur eintreten, und durch die Gemächer gehen, so werdet ihr Frau Irmengard finden," sagte Wolf, und trat zurük.

"Ich danke dir," antwortete Witiko, und ging an ihm vorüber in das Gemach. Es war das Zimmer, in welchem an jenem Sonntage Witiko mit Stilicho und seinen Leuten das Mittagmahl eingenommen hatte. Die Werkzeuge die Waffen die Verzierungen waren wie damals vorhanden. In einem Fensterbogen lag ein Reifchen mit Löchern, als wäre es bestimmt, um die Schleife eines Mädchens gelegt zu werden, und in die Löcher die Stängel blühender Rosen aufzunehmen. Der Tisch stand mitten in dem Gemache seiner Länge nach dahin. Es war aber kein Mensch in dem Raume auwesend. Witiko ging der Thür zu, die in ein weiteres Gemach führte. Er hörte Schritte gegen sich kommen. Stilicho war es, der ihn zu seiner Gemalin geleitete. Irmengard saß an einem Rahmen, und stikte in blaßgrüner Seide. Sie stand auf, da Witiko eintrat, und ging ihm entgegen. Witiko war es, als sei zwischen jenem Sonntage und heute keine Zeit verflossen, gerade so stand sie vor ihm, gerade so schien sie ihm gekleidet, gerade so hatte sie die Haare in einem goldenen Neze eingefaßt. Er verneigte sich tief vor ihr, sie reichte ihm die Hand, er führte dieselbe zu seinem Mund und küßte sie.

"Ihr seid uns sehr willkommen," sagte sie.

"Wir haben auf einer Wanderung in eurem gastlichen Hause eingesprochen, und um Obdach gebeten," antwortete Witiko.

"Und mein Gemal hat es freudig gewährt," entgegnete sie.

"Ich komme euch auch zu bitten," sagte Witiko.

"Wenn ich allein in dem Hause wäre, so hätte auch ich euch mit Freude aufgenommen," erwiderte Irmengard.

"Ich danke, und bringe euch den ehrerbiethigsten Gruß," sagte Witiko.

Nach diesen Worten ging Irmengard zu ihrem Size, und lud Witiko ein, in ihrer Nähe Plaz zu nehmen. Auch Stilicho sezte sich auf eines der gepolsterten Gesiedel.

Irmengard richtete ihre blauen Augen auf Witiko, und betrachtete ihn eine Weile.

Dann sagte sie: "Ihr seid vier Jahre von unserem Hause fern gewesen."

"Ich bin einmal freundlich in demselben aufgenommen worden," entgegnete Witiko, "und wenn ich auch fern von demselben war, so war es doch niemals fern von mir."

"Dann legt ihr jenen wenigen Stunden ein gutes Gedächtniß bei," erwiederte Irmengard.

"Man bewahrt oft ein Weniges in seinem Haupte, und läßt ein Vieles aus demselben ferne," sagte Witiko.

"Wir haben euch damals eingeladen, uns wieder zu besuchen, und nun seid ihr hier, und werdet uns wohl einige Zeit gönnen," antwortete Irmengard.

"Es ist nur eine Nachtherberge, um welche ich gebeten habe," entgegnete Witiko, "aber es wird einmal eine Zeit kommen, in welcher ich länger bei euch sein darf, und dann werde ich um eine gütige Aufnahme bitten."

"Wie es eure Dinge erlauben," sagte Irmengard, "ich glaube es wird nie etwas

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