Witiko

H177, S. 197b


Und als Nachmittags die Stunde des Rathes gekommen war, versammelten sich die Männer wieder in dem Saale. Es waren alle gekommen, nur der einzige Bozebor nicht. In einem der Vorgemächer war eine große Zahl der Bewohner Prags in Feierkleidern.

Der Herzog ging zu seinem Stuhle, den er am Vormittage inne gehabt hatte, und sezte sich auf denselben.

Da überall Ruhe eingetreten war, erhob er sich, und sprach: "Liebe, Getreue! Es sind neue Nachrichten eingetroffen, welche über die Stellungen der Feinde Berichte bringen. Wie ich am Vormittage sagte, wird es sein. In einigen Tagen erscheinen sie vor Prag. Es ist noth, daß mehrere Dinge geordnet werden. Bevor das Licht des morgigen Tages scheint, verlasse ich die Stadt. Ich nehme ein kleines Geleite des blauen Fähnleins. Dir, Otto Bischof von Prag und von Böhmen vertraue ich die Stadt zum überirdischen Schuze an. Flehe mit deinen Priestern zu Gott und den himmlischen Heerschaaren, daß sie erhalten werde. Denn ohne Hilfe von oben ist alle menschliche Macht zu nichte. Dir vielgeehrter und geliebter Bruder Diepold, gebe ich den Befehl über die sichtbaren Schaaren, die hier sind. Du weißt die Eintheilung der Männer und der Stadt, und wirst sie benüzen. Du wirst, wie ich es erkenne, eher das Leben als die Ehre lassen. Dich Zdik, den Bischof des andern Landes, bitte ich, daß du mich begleitest, und den Segen auf den zweiten Theil unsers Unternehmens herab flehest. Wähle die Priester und Männer aus, die mit dir sein sollen. Du, Welislaw, der du bald für mich den Tod gehabt hättest, ich vermag dich nicht zu missen, begleite mich auf meinem Wege. Odolen, der du immer voran stürmest, du wirst mir besser in meiner Schlacht dienen können, als du hier in der Stadt, die eingeschlossen werden wird, vermöchtest, gehe mit mir. Witiko, du vorsichtiger Jüngling, gehe mit mir. Du wirst viele Dinge sehen, und kannst dir Manches zu Nuzen machen. Rüstet euch, und holet euch heute noch an der Burg die näheren Weisungen. Ihr andern, die ihr hier versammelt seid, [xxx] hüthet die Stadt, [und] und wahret das Kleinod kurze
(1) Zeit, ich
(2) Zeit, [und schüzet die Herzogin, die in eurer Mitte bleibt, ich]
(3) Zeit, ich bringe
Entsaz, und hoffe, daß wir das Fest der heiligen Pfingsten in der Verehrung Gottes in der Freude des lieblichen Frühlings und in der Beruhigung, daß kein Feind mehr die Gefilde des Landes beflekt, hier feiern werden. Schüzet auch meine Herzogin, die ich in eurer Mitte zurük lasse. Ihr, Kmeten der Stadt, tragt Sorge, daß alles, was ich angeordnet habe, den Bewohnern der Stadt gehörig kund gemacht werde. Bolemil, du Schwergeprüfter, Lubomir, dessen Schmerz ich gedenken werde, Otto, Mann der Kirche und ihr Freunde, Chotimir und Diwis, Preda und Wsebor, ihr Äbte, Daniel, Gervasius, Nemoy, und du Ctibor und Bartholomäus, Predbor und du Casta, der kaum von seinen Wunden genesen ist, und du, Wecel, der du doch in diesen Saal gekommen bist, obgleich du als Widersacher meines Planes da stehst, und Diet, und Osel, und Rowno, und alle, gehabt euch wohl. Es wird mir leichter sein, mitten unter den Feinden durch ihre Schwerter mit dem Tode bedacht zu kämpfen, als mir jezt ist, daß ich thun muß, was ich thue. Otto, Bischof von Prag segne, bevor ich scheide."
Randnotiz: Versammelt euch xxx Dämmerung xxx1

Otto, der Bischof von Prag erhob sich, und gab stille der Versammlung den Segen.

Dann sprach der Herzog wieder: "Jezt hört meine Macht hier auf. Achtet auf die Befehle Diepolds, bis ich wieder auf den Wällen der Stadt stehe, und das rosenfarbene Banner, das da wehen wird, mit meiner Hand berühren. Lebet wohl."

Er grief nach diesen Worten um seine Haube. In dem Saale aber erhoben sich die Rufe: "Lebe wohl," "Heil Wladislaw dem Herzoge," "Heil Wladislaw dem Umsichtigen," "Komme bald zu uns," "Segen auf die Wege" "[Segen] Sieg dem Herzoge von Böhmen und Mähren."

Sesin, der Kmete der Altstadt Prag, gab Zeichen, daß er sprechen wolle.

Der Herzog bedeutete die Versammlung mit seiner Hand zur Beruhigung.

Als es stille geworden war, erhob sich Sesin, und sprach von seinem Plaze: "Erlauchter Herzog: Gi[e]b mir die Erlaubniß, daß ich in Ehrfurcht frage, ob du ein kleines Theil deiner

1 Vertikal gestrichen Seite vertikal mit Stift gestrichen