Witiko

H12, S. 22a

"Wohl, sehr gut," sagte der Reiter.

Er nahm noch ein Weniges von dem Brote, welches auf dem Tische lag, trank noch einen Trunk Wein aus dem Kruge, und sagte dann, er müsse Abschied nehmen, da die Sonne schon tiefer und tiefer stehe, er müsse zur Mühel nieder gehen, und, ehe es ganz dunkel werde, sein Pferd noch verpflegen.

"Ich danke euch für die Aufnahme, Jost, die ihr [mich] mir habt werden lassen," sagte er, "seid gewiß, daß ich an eure Freundlichkeit denke."

"Ich glaube es," erwiederte Jost, "kommt wieder, und ihr werdet sehen, daß sie immer die nehmliche ist, und nicht altert."

"Ich glaube auch das," entgegnete der Reiter.

Dann trat er zu der Frau, reichte ihr die Hand, und sagte: "Lasset euch die Mühe nicht gereuen, die ihr mit einem [armen] schlechten Reiter hattet, den euch eure Tochter in das Haus führte."

"Was ich euch von der Mühe schon sagte, sage ich noch," erwiederte die Frau, "sie wird euch auch ein anderes Mal zu Theil werden."

Hierauf ging er zu Bertha, und reichte ihr die Hand. Sie nahm dieselbe an, und sagte: "Seid recht glüklich, Wittiko."

"Seid auch recht glüklich, schöne Bertha," entgegnete er.

Nun ging er, und Jost geleitete ihn. Er geleitete ihn längs der Reihen der Ebereschenbäume bis zu dem rothen Hüttchen der Heiligen Mutter. Dort [gaben] thaten die Männer gegen das Bild gewendet ein kurzes stilles Gebetlein, gaben sich dann den Handschlag, und Jost sagte: "Wenn ihr wieder einmal in diese ¢Gründe¢ her kommt, seht das weiße Haus an, und geht in dasselbe. Vielleicht, daß ihr dann meinen Sohn ¢sehet¢,
Randnotiz: begrüßet
und daß sich Manches geändert hat, bei uns und bei euch."

"Gebe der Herr im Himmel zu allem Guten," sagte Wittiko.

"Sei es so, und tragen wir es dann, wie wir auch das Böse tragen müßten, wenn es käme," entgegnete der Mann.

Hierauf trennten sie sich, und Jost ging mitternachtwärts seinem Hause zu, der Reiter aber mittagwärts gegen die Mühel hinab. Er ging durch den Waldstreifen, durch welchen ihn die Mädchen geführt hatten, ¢er ging über die Wiese, an deren Saum er mit Bertha gesessen war,¢
Randnotiz: Da kann er nicht gehen weil dort kein Weg ist.

Der breite Pfad hört mit Josts Besizung auf.
er ging an dem Baume vor[bei]über, [an] bei welchem er seine Sonntagsandacht verrichtet hatte, er ging weiter hinunter an den Klaffergründen vorüber, bis er an das Wasser der ruhig nach Morgen rieselnden Mühel kam. Er ging über die Baumstämme, die als Steg über das Wasser gezimmert waren, ging eine Streke an den ¢Rüken¢ des breiten Berges hinan, und kam dann, ehe die Sonne untergegangen war, zu den Köhlerhütten. Er begrüßte zuerst seinen Wirth, sagte ihm, wo er heute sein Mittagmahl genossen, weßhalb er so spät komme, und ging dann in den Schoppen, in welchem sein Pferd stand.

Er strich zärtlich mit seiner Hand längs des Rükens und der Lenden desselben hin. Das Thier wendete den Kopf um, und sah ihn an. Er achtete nicht der Müdigkeit seiner Glider, und pflegte des Thieres, wie es die Zeit und die Dinge forderten. Als es seine Gebühr erhalten hatte, verließ er diese Stätte, und begab sich zu einem Abendessen und zur Ruhe.1

Als am andern Tage sich der Morgen lichtete, stand das graue Pferd gesattelt und gezäumt vor der Hütte, in der er übernachtet hatte, der Reiter stand daneben, [es am Zügel haltend,] und neben ihm stand der Köhler.

"Habt Dank, Mathias," sprach der Reiter, "ich habe eine gute Nacht unter eurem Dache und mein Pferd einen guten Ruhetag unter demselben gehabt. Etwa kommen wir wieder einmal zusammen, wie es schon öfter der Fall war, und dann mag alles gut sein, und wenn ich wieder hieher komme, so bleibe ich wieder in [de] eurem [Bretterh] Balkenhause, wie ich es heute that."2
Randnotiz: Mit dem Köhler etwas [xxx] Sachliches besprechen (wieder einen Führer bekommen:) Kleider reinigen3

"Kommt diesem Vorhaben nach, junger Herr," entgegnete der Köhler, "mag es bald oder spät sein, bei mir wird sich nicht irgend etwas ändern, als daß ich älter werde. Ihr könnt viel erleben, da noch viele Zeit vor euch liegt, und kommt mit großem Glüke. Mein Fichtenthor steht euch immer mit [großer] vieler Ergebung und Freude offen."

"Und so lebt wohl, Mathias," sagte der Reiter.

"Reitet wohl, junger Herr," antwortete der andere.

Der Reiter faßte den Zügel, den er bisher gehalten hatte, fester in die Hand, ergrif den Sattel, sezte den Fuß in den Bügel, und saß in dem nächsten Augenblike auf dem Rüken seines grauen Rosses. Er neigte sich noch einmal gegen den Köhler, dieser machte eine Grußbewegung mit der Hand, und der Reiter sezte sein Thier in Bewegung. Andere Arbeiter, die in der Nähe waren, dann Frauen und Kinder sahen dem Reiter nach.

1 Absatz mit Klammer markiert und mit Bemerkung versehen: blos: er pflegte das Pferd 2 Vom Ende dieses Absatzes bis zum Ende der Seite am Rand mit Strich markiert und mit Notizen versehen: Frau Frühmal bereiten

Mathias hat hinaus geschikt wegen des Führers 3 Unter dieser Randnotiz liegen noch weitere unleserliche Bemerkungen

Seite vertikal mit Stift gestrichen