Witiko

H10, S. 16


Wir haben auch eine Kirche. [Sie steht zwar nicht in dem Walde, aber sie ist [drei] fast vier Stunden Weges von hier] Wenn sie gleich nicht in dem Walde steht, so gehört sie doch zu uns. Sie ist mehr als vier Stunden Weges von hier entfernt1 in der Freiung [am] an dem bairischen Walde. Wir gehen [manches Mal] oft dahin, oder wir nehmen Saumpferde. Wir haben aber auch einen Bethplaz. Wenn man [vier] drei hundert Schritte von unserm Hause abwärts geht, und noch eine gute halbe Stunde zur Mühel zu gehen hätte, steht ein dunkelrothes hohes Hüttlein aus Holz, und in demselben ist die heilige Mutter mit dem Jesuskinde aus Holz. Das Bild ist von dem Bischofe in Passau geweiht worden, und der Vater hat es dann bringen lassen. Vor dem Hüttlein stehen kleine Bänklein, darin man knieen kann. Hinter dem Hüttlein hat der Vater vier Ebereschenbäume gepflanzt, und zwei Reihen solcher Bäume [st]gehen auch an den Seiten des Weges[, der] von dem Hüttlein bis zu unserm Hause [führt]. Vor dem Hüttlein bethen wir, wenn wir nicht zum Gottesdienste hinaus gehen können, weil es wie ein Kiche in der freien Luft steht, und nicht in dem Hause eines Menschen ist. und [W]<w>enn [oft nach Langem einmal] einmal ein ehrwürdiger Vater kömmt, zu sammeln, dann bethet er uns vor. Und nun habe ich euch vieles von mir gesagt, sagt mir jezt auch etwas von euch. Wer seid ihr, und woher seid ihr gekommen?"

"Von meinem Geschlechte kann ich dir nicht viel sagen," antwortete er, "es ist jezt in Dunkelheit. Einmal soll es mächtig gewesen sein, und im Rathe der Fürsten gegolten haben. Aber es hat sich wieder verringert, ist unbedeutend geworden, und hat sich zerstreut. Ich glaube, ich bin der einzige [[xxx] xxx] davon übrig."

"Und wo werdet ihr denn morgen hier reiten, wenn ihr von hier fort geht?" fragte das Mädchen.

"Nach Böhmen," antwortete er.

"Nach Böhmen?" sagte sie, "und warum geht ihr denn nicht zu dem neuen Könige Conrad oder zu unserem Herzoge Heinrich, wenn er im Rechte ist, und von dem Könige Conrad verfolgt wird?"

"Das ist so," erwiederte der Reiter, "man erzählt, daß im mittägigen Ende von Böhmen die Vorfahren meines [Stammes] Geschlechtes gelebt haben, daß sie dort die Wälder besessen haben, und in Ansehen gestanden sind. Ja es ist sogar eine dunkle Sage, die man aber nicht recht ergreifen kann, daß in alten Zeiten vor manchen hundert Jahren, da es noch gar kein deutsches Reich gegeben hat, da in dem Lande der Franken, das sehr groß war, die tapferen Männer der alten Könige geherrscht haben, einmal ein Mann aus dem Stamme der Fürsten Ursini in Rom, der auch wie ich Witiko geheißen [hat,] haben soll wegen Verfolgung mit seinem Weibe mit seinen Kindern mit seinen Anverwandten und mit einem kriegerischen Gefolge in das Land nach Mitternacht gegangen, und bis zur Donau gekommen ist. Von dort wollte er nach Böhmen eindringen. Aber Woyen der Herzog Böhmens der erstgeborne Sohn des Herzogs Mnata, der noch heidnisch war, und die Christen haßte, zog ihm mit einem Heer entgegen, und tödtete in einer Niederlage, die Witiko erlitt, fast alle seine Leute. Da trug Witiko dem Herzoge Woyen ein Bündnis an, er wollte sich ihm unterwerfen, und die Grenzen Böhmens gegen die Fremden vertheidigen, wenn ihm der Herzog in den waldigen Bergen, in welche er eingedrungen war, eine Wohnung geben wolle. Der Herzog gab sie ihm, und nun wohnte er an einem Berge, auf dem er zur Erinnerung an einen Berg voll Rosen, den er in Rom gehabt hatte, Rosen pflanzte. Er war der Anfang unseres Stammes gewesen. Sie breiteten auch das Christenthum aus, wie sich ja vier zehn Lechen vom Mittage Böhmens lange vor der Zeit, da Boriwoy, der erste christliche Herzog Böhmens das Christenthum annahm, zur Zeit des ersten deutschen Königs Ludwig taufen ließen[, und d]. Die ¢Rosen¢
Randnotiz: |düstern| ?
waren auch immer in dem [Stamme] Geschlecht beliebt, bis e[r]s wieder in Ohnmacht [sank,] versank, und der Wald finster wurde.
(1) [Da ich d]ieses [hörte, da] es mir ein Ohm [erzählte],
(2) [Dieses erzählte] mir ein Ohm,
(3) hat mir ein Ohm erzählt,
der nunmehr auch [schon] gestorben ist, [da es mir der Beichtiger meiner Mutter und andere erzählte<n>,] [es erzählte] dieses hat mir der Beichtiger meiner Mutter erzählt, und andere. [und xxx] Und da, wenn auch die Sage von Witiko nicht mehr ist, und niemals Macht und Ansehen statt gefunden hat, doch es deutlich ist, daß meine Vorfahren an der Moldau gelebt haben, so entschloß ich mich in das böhmische Land zu gehen. Und darum ist es, daß ich durch diese Gegenden hier nach Böhmen reite, weil ich die Wälder sehen wollte, die meine Voreltern beherbergt haben, und darum ist es, daß es mir als Zeichen galt, da ich dich am Rande der Bäume mit Waldrosen bekränzt auf meinem Wege stehen sah. Sage, warum nahmst du

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