Witiko

H10, S. 15


von hier in kalten Ländern lebt. Das Thier heißt Ellen, und seine Haut ist gegen die Kälte sehr dik und weich, und darum geht auch ein Schwerthieb nicht durch, es möchte denn mit einer sehr feinen Schneide geschnitten werden."

Bei diesen Worten hatte er den Helm aufgehoben, und ihn dem Mädchen gezeigt. Es hatte ihn nicht nur angehsehen, sondern auch sein weiches Leder mit den Fingern befühlt.

"Und ist es denn nicht sehr heiß, wenn ihr die langen Haare unter dieser Haube tragt?" fragte sie.

"Es ist heißer, als wenn die Haare kurz sind, antwortete er, aber Hize und Kälte muß dem Manne gleich sein. Bei alten Völkern haben sie immer lange Haare geliebt, und sie schüzen auch gegen einen Schwerthieb mehr als kurze."

"Sind eure andern Kleider ebenfalls von der Haut dieses Thieres?<"> fragte das Mädchen.

"Der Panzer; das Obrige ist geringer," antwortete der Reiter, "die Eisenschienen, welche jezt in Gebrauch kommen, leiden von einem Schwerte leichter, und empfinden auch einen Bolzen mehr als dieses Leder."

"Und ihr habt euer Schwert auch in den Wald mitgenommen," sagte das Mädchen.

"Ich habe es immer bei mir, außer wenn ich in der Heimath in sicherem Hause schlafe," entgegnete der Reiter, "es ist die beste Waffe, und ein blizgeschwindes [xxx] Schwert ersezt sogar den Schild."

"Ist es schön?" fragte das Mädchen.

"Siehe," sagte der Reiter.

Er wendete die Scheide gegen sich, zog das Schwert aus derselben, und reichte es ihr dar. Sie faßte es so, daß er einen Theil der entblößten Klinge hielt, den anderen sie.

"Ach welche Zeichen!" rief sie aus.

"Das ist Sankt Peter mit der Kette," sagte er, "wir haben ihn zum Schuzheiligen, weil wir aus Rom stammen sollen. Darum steht er auf der Klinge. Das Andere ist nur Zierath."

"Das ist ein schönes Bild," sagte sie.

"Es ist mit feiner Kunst gemacht," antwortete er, "wie aber das Schwert gegen Hiebe gehärtet ist, das wirst du nicht verstehen."
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"Nein," sagte das Mädchen.

Er hielt sich die Scheide, und stekte das Schwert wieder in dieselbe.

"Und nun, Mädchen, wie heiß[t]est du denn?" fragte er.

"Bertha," antwortete sie, "und wie heißt denn ihr?"

"Witiko," entgegnete er, "und wie alt bist du denn?"

"Sechzehn Jahre," sagte sie, "und wie alt seid denn ihr?"

"Zwanzig," entgegnete er, "ich bin neun Jahre nach der Zeit geboren worden, da der kriegerische Herzog Swatopluk von Böhmen erschlagen worden ist."

"Ich habe mir gedacht, daß ihr noch sehr jung seid," sagte sie.

"Wo lebst du denn, Bertha?" fragte er.

"Ich habe euch ja gesagt, daß weiter aufwärts von hier unser Haus steht," erwiederte sie. "Der Vater hat es gerade vor dem Walde der drei Sessel gebaut. Der Wald steigt hinter ihm empor. Die drei Sessel können aber wegen der Tannen der vorderen Berge nicht gesehen werden. Es war vorher lauter Wald in dieser Gegend; aber jezt sind Felder und Wiesen um unser Haus. Auch mehrere kleine Häuschen sind in der Nähe entstanden. Wenn man von unserem Hause gegen Sonnenuntergang in die Schlucht hinab steigt, über den Bach geht, und jenseits wieder empor steigt, so steht ein kleines Haus, in welcher der Vater Trudas meiner Gespannin wohnt, der ein Tagarbeiter meines Vaters ist. Im Übrigen aber ist rings um [uns herum lauter] noch der Wald. Die nächsten Leute sind die Köhler an der Mühel, zu denen wir viel länger als eine halbe Stunde zu gehen haben."

"Und wie lebst du denn in dem Walde?" fragte er weiter.

"Nun ich lebe mit der Mutter, und helfe ihr mit den Mägden," antwortete sie[, "w]. "Wir haben einen Garten, in dem schöne Blumen stehen und wohlriechende Kräuter. Ich habe eine Stube mit schönen Geräthen, und der Vater und die Mutter erzählen Manches."

"Hast du auch Geschwister?" fragte der Reiter.

"Nur einen Bruder, welcher weit von hier ist, um zu lernen," sagte sie.

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