Witiko

H13, S. 23

Dieser lenkte sein Pferd zu einer Furth in der Mühel, die sich nicht weit von dem Stege befand, ¢welcher aus Baumstämmen für die Menschen gezimmert war,¢ durchritt die Furth, und ritt auf einem Saumwege, welcher dem entsprach, der ihn über den breiten Berg hernieder gelenkt hatte, in den ferneren Wald hinein. Die Leute, die ihm nachgesehen hatten, gingen wieder an ihre Arbeit.

Der Reiter ließ sein Pferd Schritt für Schritt gehen, und lenkte seine Wanderung nach dem Wasser der Mühel immer in dem Thale gegen Morgen zu. Man merkte seinen Kleidern den Gang, den er gestern in den hohen Wäldern gethan hatte, an. Obwohl sie treulich in der Nacht gereinigt worden waren, so zeigten sie doch Spuren an den Stellen, welche von dem Schlamme oder der grünen [Feuchtigkeit] Farbest/t des Waldes getroffen worden waren. Sie bedurften zu ihrer Wiederherstellung irgend Tage einer künftigen Ruhe. Der Reiter ritt an der gegipfelten Gestalt des schwarzen Berges vorüber, er kam auf dem Saumwege bald auf Höhen, die über die Mühel erhaben waren, bald wieder in Thäler an den Saum ihres fließenden Wassers. Immer hatte er die hohen Wälder, auf deren Schneide er gestern gewesen war, zu seiner Linken, und wenn er von den finstern Gehölzen, in denen er ritt, zuweilen auf eine freie Stelle kam, sei es, daß ein Mensch eine Wiese gemacht hatte, oder daß gar eine Hütte darauf stand, so konnte er das ¢breite¢
Randnotiz: Markierungszeichen ?
Dach dieser Wälder gegen sich nieder gehen sehen. Er überritt den Berg des heiligen Udalrich, sah dort auf dem großen Walde zu seiner Linken das Hochstift ragen. Er gelangte endlich in das Thal, welches von dem zurük weichenden mitternachtigen Walde und den mittäglichen aufsteigenden Kuppen breiter gebildet war, als [jedes, das]st/t die er bisher durchritten hatte. In dem Thale standen Wohnungen, welche das Aigen hießen. In diesen Wohnungen fand er und sein Pferd Nahrung und Ruhe.1

Als Mittag vorüber war, wollte er weiter reiten. Er wollte den Saumweg der Mühel verlassen, und sich weiter gegen Mitternacht wenden, in den großen Wald wieder eindringen, und ihn an einer Stelle überschreiten. Daß er dieses könne, mußte er einen Wagenknecht dingen, welcher ihm den Saumpfad des Waldes weisen sollte, der diese Richtung verfolgte. Der Wegknecht ¢machte sich fertig¢,
Randnotiz: erschien ?
der Reiter bestieg sein Pferd, der Bote ging voran, und der Reiter folgte ihm. Sie hatten noch eine Weile die Richtung der Mühel, dann kam der Berg des heiligen Oswald, gegen welchen sie sich links wendeten, und von dem aus sie immer im Walde wanderten.

Da die Sonne sich schon gegen Untergang neigte, langten sie, die immer die Richtung zwischen Mitternacht und Morgen verfolgt hatten, an eine Stelle auf der Schneide des Waldes an. Die Stelle war ein Bühel, welcher ein klein wenig erhöht war, und sich auf einer Lichtung des Waldes so befand, daß man gegen jede Richtung der Welt sehen konnte. Der Reiter lenkte sein Pferd auf den Bühel, und hielt ein wenig an. Er sah gegen Mittag auf die blauen Berge, welche in dem Abstande zweier Tagereisen von dem Walde in einer langen Kette das alte norische Land der Römer vom Untergang gegen Morgen durchzogen, er sah gegen Untergang, wo lauter Wälder, einer hinter dem andern lagen, er sah gegen Mitternacht, in welcher Richtung er unten zwischen Wäldern die Modlau fließen sah, und er blikte gegen Aufgang, wo wieder lauter Wälder waren.
"Das wäre wohl ein Wohnplaz in freier Höhe," sagte er zu seinem Begleiter, "ein Wohnplaz, in welchem man sich fühlen könnte, welcher die Spähe nach allen Seiten hätte, und zu Schuz und Truz gedeihen könnte."

"Wohl könnte es so sein," sagte der Mann.

"Hat der Plaz einen Namen, und warum ist hier eine Waldblöße?" fragte der Reiter.

"Die Mönche haben hier den Wald gereutet,"
Randnotiz: gerodet
antwortete der Mann, "und haben dem heiligen Apostel Thomas ein Gebetständlein aufgerichtet. Aber weil der Wald zu mächtig ist, hat alles roden sein Ende gefunden."

"Ich habe gestern mit einem Mädchen gesprochen, das mit Rosen bekränzt war," sagte der Reiter, "und das gemeint hat, daß man auf der Waldschneide keine Wohnung bauen könne."

"Das mögen viele meinen," antwortete der Bote.

"Nun, so gehen wir von dem Plaze des heiligen Thomas wieder weiter," sagte der Reitersmann.2

Er lenkte sein Pferd den kleinen Bühel hinunter, er lenkte es durch die vielen großen Steine, welche auf dem Plaze lagen, und strebte dem [offenen] Waldsaume zu, der dem entgegen war, aus dem ihn der Bote heraus geführt hatte. Dieser zeigte ihm jezt auch die Stelle, wo sie wieder in den Wald eindringen konnten, und wo sie der Pfad empfing. An dieser Stelle hatte der Reiter die Schneide des Waldes überschritten, der Pfad führte abwärts gegen die Moldau. Sie verfolgten ihn, und richteten ihre Schritte gegen den kleinen Ort Friedberg.

Als sie ihn erreichten, war es Abend. Die dunkeln Wasser der Moldau lagen vor dem Orte. Sie überschritten sie auf einem Stege, der für Thiere und Menschen errichtet war. In dem Orte Friedberg hatte ein Mann ein steinernes Haus, dessen Fenster gegen Sonnenaufgang schauten, und dessen Thor einen weiten steinernen Bogen hatte. Das Haus war mit einem flachen Bretterdache gedekt, und sehr viele Steine lagen auf demselben. In dieses Haus mit den weiten Steinbogen führte der Bote den Reiter, und der Mann des Hauses nahm beide auf.

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