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Vom Marshall-Plan bis zum Scheitern der Großen Freihandelszone 1947-1958

1. Dokument
Antrag an den Ministerrat, 24.6.1947

2. Dokument
Amtsvermerk über die Besprechung beim Herrn Bundesminister für die Auswärtigen Angelegenheiten betreffend die von Gesandten Vollgruber auf der Pariser Konferenz über den Marshallplan einzunehmende Haltung, 8.7.1947

3. Dokument
Vortrag an den Ministerrat, 6.4.1948

4. Dokument
Ministerratsvortrag "Abkommen zwischen Österreich und den Vereinigten Staaten von Amerika über wirtschaftliche Zusammenarbeit", 25.6.1948

5. Dokument
Bericht "Gegenstand Europaunion" der Österreichischen Gesandtschaft, Ges. und bev. Minister Lothar Wimmer an Generalsekretär Heinrich Wildner, 2.12.1949, und Durchschlag des Antwortschreibens von Wildner, 6.12.1949

6. Dokument
Bericht der österreichischen Gesandtschaft Paris über den Schuman-Plan an Außenminister Karl Gruber, 12.9.1950

7. Dokument
Verschlußakt des BKA/AA, Weisung an die Österreichische Gesandtschaft London bezüglich Schumanplan/Zollfragen, 3.3.1951

8. Dokument
Streng vertraulicher Bericht "Die wirtschaftspolitischen Probleme Österreichs im Zeichen der europäischen Zusammenarbeit" für das BKA/Zentralbüro für ERP-Angelegenheiten [von H. Igler], April 1953

9. Dokument
Gesamtbericht "Österreich am Anfang des Jahres 1960" [mit einem Rückblick auf den Entscheidungsprozeß 1955] der Botschaft der Bundesrepublik Deutschland Wien, Mueller-Graaf an das Auswärtige Amt, 1.2.1960

10. Dokument
Schreiben Zl. 574.018-GS/58 des Generalsekretärs Josef Schöner an den Bundesminister für die Auswärtigen Angelegenheiten, Dr. h.c. Ing. Leopold Figl/New Dehli, 5.3.1958


Dokument 1

Antrag an den Ministerrat, 24.6.1947

Antrag an den Ministerrat

Staatssekretär M a r s h a l l hat in einer am 5. ds. in Cambridge Mass., gehaltenen Rede ein Programm für die Haltung entwickelt, die die Vereinigten Staaten zur Wiederherstellung des neuen Europa einnehmen sollen. In einer am selben Tage erfolgten Aussendung ist dieses Programm mit folgenden Punkten wiedergegeben worden.

Diese Erklärung besagt nicht, wie eine solche Initiative zustandekommen soll. Inzwischen hat aber bereits der britische Aussenminister B e v i n sich mit seinem französischen Kollegen in Verbindung gesetzt und beide Herren haben M o l o t o w zu einer gemeinsamen Beratung eingeladen, die am 27. ds. in Paris begonnen hat. Verschiedene europäische Staaten haben bereits zu dem Plane Stellung genommen. Unter anderem haben wir erfahren, dass Belgien, die Niederlande und Luxemburg die von ihnen so gut wie schon geschaffene Zollunion als einen der ersten Schritte für eine wirtschaftliche Wiederaufbauarbeit im Sinne der Vorschläge Marshalls erklärten.

Für Österreich können wir wohl ohne weiteres sagen, dass es an einem solchen Wiederaufbau im höchsten Grade interessiert ist und bereit sein würde, daran mitzuarbeiten, wie es auch in der Lage wäre, durch die ihm zur Verfügung stehenden Produktionsverfahren [einen] zweckdienlichen Beitrag zu leisten.

Wir sind mit unserem eigenen Wiederaufbauwerk beschäftigt, dem andere Mächte verständnisvolle Mithilfe angedeihen lassen und wir wissen, dass diese unsere Arbeit nur gefördert werden kann, wenn auch in anderen Ländern eine gleiche Tätigkeit mit Erfolg von statten gehen kann und wenn dabei schon nach dem allgemeinen wirtschaftlichen Grundsatz der internationalen Arbeitsteilung eine zusammenfassende Kooperation der in Betracht kommenden Staaten erfolgt. Hierbei wird es von höchster Bedeutung sein, dass hierfür bei uns möglichst rasch vorbereitende Studien und Vorarbeiten geleistet werden, die sich sowohl auf den finanziellen Teil (Errechnung des finanziellen Bedarfes) wie auf den rein wirtschaftspolitischen Teil erstrecken müssten. Wenngleich bei uns in beiderlei Hinsicht umfangreiche Vorarbeiten eingeleitet und hergestellt worden sind, wird es doch am Platze sein, hierfür eine noch mehr systematische und weitgehende Vorbereitung und eventuell noch weitere organisatorische Einrichtungen zu treffen. Jedenfalls sollen wir aber nicht versäumen, unser Interesse an der Teilnahme der Aktion zum Ausdruck zu bringen. 

Ich stelle daher den

Antrag, 

mich zu ermächtigen, durch unseren Pariser Gesandten dem französischen Aussenminister unser grosses Interesse an dem in Rede stehenden Plan zum Ausdruck zu bringen und gleichzeitig auch die Aussenminister in Washington, London und Moskau über diesen Schritt zu informieren.

Wien, am 24. Juni [sic!] 1947.

Gruber m.p.

Quelle: Österreichisches Staatsarchiv Wien (ÖStA), AdR, BKa/AA, Ministerratsmaterial 1947, 73. Sitzung, Zl. 167.768-pol/47.


Dokument 2

Amtsvermerk über die Besprechung beim Herrn Bundesminister für die Auswärtigen Angelegenheiten betreffend die von Gesandten Vollgruber auf der Pariser Konferenz über den Marshallplan einzunehmende Haltung, 8.7.1947

In der ersten Erklärung ausführen, daß die österr. Regierung zustimmend geantwortet hat und bereit ist, mit allen ihren Möglichkeiten mitzutun.

Gesamtverhalten: Nicht sich in den Vordergrund stellen, degagiertes Hervortreten vermeiden, im allgemeinen mittlere Linie halten, in kritischen Situationen sich der Stimme enthalten. "Auf sanften Pfoten gehen", sich bewußt sein, daß das ganze ohnedies für uns mit großem Risiko verbunden ist, aber sich bietende Chancen ergreifen.

Keine Haltung einnehmen, die auf Gegensatz zur CSR schließen ließe. Aufnahme der CSR in die große Kommission unterstützen. Falls die CSR ablehnen sollte, dann für Kandidatur der Schweiz bzw. Italiens eintreten.

Sollten wir zu einer mehr oder minder offenen Stellungnahme in die CSR betreffenden Fragen gezwungen sein, dann für die CSR stimmen. Wenn uns auch an der Unterstützung der CSR nicht viel gelegen ist, so soll das nicht manifest werden.

Bei Anträgen, die auf den Eintritt bzw. die Heranziehung der UdSSR gerichtet sind, möglichste Unterstützung gewähren, ebenso bei Anträgen, die auf Zusammenarbeit mit dem Osten gerichtet sind.

Einbeziehung Österreichs in Kommissionen:

Sobald eine derartige Anregung kommt, zustimmende Beantwortung.

Einbeziehung in mindestens eine technische Kommission ist unbedingt anzustreben.

Reihenfolge des Interesses an Kommissionen:

1) zunächst anzustreben: Fuel and Power Commission

2) wenn 1) nicht möglich, dann: Food and agriculture

3) sodann: Transportation.

Quelle: ÖStA, AdR, BKA/AA, II-pol, Amerika 2, Zl. 108.194-pol/47 (GZl. 107.652-pol/47).


Dokument 3

Vortrag an den Ministerrat, 6.4.1948

Die am Marshall-Plan beteiligten europäischen Staaten haben im Sommer 1947 ein Komitee für wirtschaftliche Zusammenarbeit in Europa gegründet. Auf Einladung der französischen und britischen Regierung fand am 15. und 16. März 1948 in Paris eine Konferenz der an diesem Komitee teilnehmenden europäischen Staaten statt, bei der die Regierungen von Österreich, Belgien, Dänemark, Frankreich, Griechenland, Irland, Italien, Luxemburg, Niederlande, Norwegen, Portugal, Schweden, Türkei und des Vereinigten Königreiches durch ihre Außenminister und die Regierungen von Island und der Schweiz durch ihre Gesandten in Paris vertreten waren. Bei dieser Tagung wurde zunächst einstimmig der Beschluß gefaßt, daß die Bi-Zone und die französische Besatzungszone Deutschlands in dieses Komitee aufgenommen werden sollen. Gleichzeitig wurde eine Arbeitsgruppe bestellt, deren Aufgabe die Ausarbeitung eines Entwurfes der Satzung einer zu schaffenden neuen Organisation für die wirtschaftliche Zusammenarbeit in Europa und eines multilateralen Vertrages war. Die Arbeitsgruppe, die sich aus Vertretern der 16 angeführten Regierungen und der 2 Besatzungszonen Deutschlands zusammensetzte, hat vom 17. bis 26. März 1948 in Paris getagt und den Entwurf eines Vertrages über eine europäische Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit fertiggestellt.

Der Entwurf des Vertrages bestimmt, daß sich die beteiligten Staaten verpflichten, ihre Produktion zu steigern, sowie den Warenaustausch untereinander zu fördern. Zu diesem Zwecke werden sie sich bemühen, ein Regime von multilateralen Zahlungen zu errichten und zusammenzuarbeiten, um die Beschränkungen in ihrem Waren- und Zahlungsverkehr abzubauen sowie die Schaffung von Zollunionen zu studieren. Ferner soll jeder Vertragspartner die notwendigen finanziellen und monetären Maßnahmen ergreifen, um eine Stabilität seiner Währung und seiner Finanzen herbeizuführen. Die an dem Abkommen beteiligten Länder werden auch den besten Gebrauch von den zur Verfügung stehenden Arbeitskräften machen.

Eine der Aufgaben der neuen Organisation soll darin bestehen, der amerikanischen Regierung Unterstützung bei der Durchführung des Programms für den europäischen Wiederaufbau zu gewähren.

Alle Beschlüsse der Organisation sollen einstimmig gefaßt werden. Der Vertragsentwurf sieht sodann die Schaffung eines Rates vor, in dem jeder Vertragspartner vertreten ist und der das Organ darstellt, von dem alle Entscheidungen ausgehen. Der Rat wird von einem Exekutiv-Komitee und einem Generalsekretariat unterstützt, die dem Rat verantwortlich sind. Der Rat kann ferner technische Ausschüsse einsetzen. Die Mitglieder des Exekutiv-Komitees werden jährlich durch den Rat gewählt. Ihre Zahl ist noch nicht festgelegt. Zur Sicherung der Interessen von Staaten, die nicht im Exekutiv-Komitee vertreten sind, ist vorgesehen, daß diese das Recht haben, an allen Beratungen und Entscheidungen des Exekutiv-Komitees teilzunehmen, die direkt ihre Interessen berühren. Alle Mitglieder der Organisation sind auch über die Beratungen des Exekutiv-Komitees zeitgerecht zu informieren.

Die Satzung sieht sodann vor, daß jedes Mitglied aus der Organisation ausscheiden kann. Der Austritt wird ein Jahr nach seiner Bekanntgabe rechtskräftig. Der Eintritt neuer Mitglieder kann mit Zustimmung des Rates erfolgen. Wenn ein Mitglied aufhört, seine aus dem Vertrage herrührenden Verpflichtungen zu erfüllen, so endet seine Mitgliedschaft mit dem Tage, an dem die anderen Mitglieder in diesem Sinne entscheiden.

Dem Vertragsentwurf sind 3 Anlagen beigefügt, die gleichzeitig mit dem Vertrag in Kraft treten sollen. Die erste dieser Anlagen befaßt sich mit den Privilegien und Immunitäten, die der Organisation, den Vertretern der Teilnehmerstaaten und den Angestellten der Organisation eingeräumt werden sollen. Die zweite Anlage befaßt sich mit dem Personal des Generalsekretariats der Organisation. Die dritte Anlage befaßt sich mit der Aufstellung eines Budgets. Der Entwurf sieht vor, daß der Generalsekretär jedes Jahr dem Rat einen Haushaltungsvorschlag zur Genehmigung unterbreitet. Die Ausgaben der Organisation sind durch die Beiträge der einzelnen Mitglieder zu decken. Für die Höhe der Beiträge der einzelnen Mitglieder wurde ein Entwurf ausgearbeitet, der die Beiträge der einzelnen Staaten bei den Vereinten Nationen und anderen internationalen Organisationen zur Grundlage hat und vom Rat genehmigt werden muß. In diesem Entwurf war ursprünglich vorgesehen, daß Österreich 21/2% der Kosten der Organisation zu tragen hat. Auf Wunsch der österreichischen Delegation wurde der Anteil Österreichs auf 1,75% herabgesetzt. Die Beiträge zur Organisation sollen entweder in der Währung des Landes geleistet werden, in dem die Organisation ihren ständigen Sitz hat oder in einer frei konvertierbaren anderen Währung. Über den ständigen Sitz der Organisation wurde bisher noch kein Beschluß gefaßt, doch ist anzunehmen, daß hiefür voraussichtlich Paris in Frage kommt.

Die österreichische Delegation hat an sämtlichen Besprechungen aktiv teilgenommen.

Die Arbeitsgruppe hat ihre Tätigkeit vom 27. März 1948 bis 5. April 1948 unterbrochen, um den Delegationen die Möglichkeit zur Berichterstattung an ihre Regierungen zu geben.

Der Text des Entwurfes, dessen endgültige Fassung noch nicht vorliegt, liegt zur Einsicht im Bundeskanzleramt, Auswärtige Angelegenheiten, auf.

Der Vertrag hat im allgemeinen weder gesetzesändernden noch politischen Inhalt. Insoweit jedoch die Bestimmungen über die Zuerkennung von Immunitäten an die Organisation gesetzesändernden Charakter haben, könnte diese Frage durch ein allgemeines Gesetz, daß [sic!] diese Materie behandelt, geregelt werden.

Die Unterzeichnung des Vertrages durch die Außenminister der angeführten Staaten ist vorläufig für den 12. April 1948 in Aussicht genommen.

Ich stelle den Antrag, der Ministerrat wolle mich ermächtigen, eine Vollmacht des Herrn Bundespräsidenten zur Unterzeichnung des Vertrages einzuholen.

6. 4. 1948

Gruber

Quelle: ÖStA, AdR, MR-Material 1948, 106. Sitzung, Zl. 145.726-Wpol/48


Dokument 4

Ministerratsvortrag "Abkommen zwischen Österreich und den Vereinigten Staaten von Amerika über wirtschaftliche Zusammenarbeit", 25.6.1948

Nach Beendigung der UNRRA-Hilfe haben die Vereinigten Staaten von Amerika Österreich in Ausführung des Relief-Abkommens und des Interim-Aid Abkommens bereits wesentliche Hilfsleistungen zur Verfügung gestellt. Der Amerikanische Kongreß hat nunmehr auf Grund eines Vorschlages der Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika am 3. April 1948 den "Economic Cooperation Act" angenommen. Dieses Gesetz sieht eine Hilfeleistung an die an der Europäischen Organisation für Wirtschaftliche Zusammenarbeit teilnehmenden Staaten vor. Diese Hilfe soll jedoch nur unter der Bedingung gewährt werden, daß jeder der einzelnen europäischen Teilnehmerstaaten mit der Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika ein bilaterales Abkommen abschließt. Der Inhalt des bilateralen Abkommens ist weitgehend in dem amerikanischen Gesetz festgelegt. Die Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika hat nun den Entwurf eines Abkommens zwischen Österreich und den der Vereinigten Staaten von Amerika über Wirtschaftliche Zusammenarbeit übermittelt. Analoge Entwürfe sind auch allen übrigen an der Europäischen Organisation für Wirtschaftliche Zusammenarbeit teilnehmenden Staaten übergeben worden.

Der ursprüngliche von der amerikanischen Gesandtschaft übergebene Entwurf konnte in Verhandlungen die mit der amerikanischen Regierung geführt wurden, verschiedentlich im Sinne der österreichischen Wünsche geändert werden.

In der Präambel dieses Abkommens sind die grundsätzlichen Erwägungen angeführt, die gleichfalls in dem amerikanischen Gesetz enthalten sind und die die beiden Regierungen zum Abschluß dieses Abkommens veranlassen.

Hiebei wird zunächst festgestellt, daß die Wiederherstellung oder die Aufrechterhaltung der Prinzipien der persönlichen Freiheit, freier Institutionen und wahrer Unabhängigkeit in den europäischen Ländern auf der Herstellung gesunder Wirtschaftsverhältnisse und stabiler internationaler wirtschaftlicher Beziehungen beruht.

Zur Herstellung dieser gesunden Wirtschaftsverhältnisse und stabiler internationaler Wirtschaftsbeziehungen ist ein europäischer Wiederaufbauplan für Selbsthilfe und gegenseitige Zusammenarbeit, der allen Nationen offensteht, die daran teilnehmen wollen, erforderlich. Dieser europäische Wiederaufbauplan gründet sich auf Steigerung der Produktion, Ausweitung des Außenhandels, Schaffung oder Aufrechterhaltung einer innerstaatlichen finanziellen Stabilität und auf Entwicklung der Wirtschaftlichen Zusammenarbeit. Die wirtschaftliche Zusammenarbeit kann auch Schritte zur Schaffung und Aufrechterhaltung gesunder Wechselkurse und einen stufenweise Abbau öffentlicher und privater Handelsschranken einschließen.

Die österreichische Regierung hat im Sinne dieser Grundsätze in Paris am 16. April 1948 mit anderen gleichgesinnten Staaten das Abkommen für Europäische Wirtschaftlichen Zusammenarbeit abgeschlossen, in dem die Unterzeichner übereingekommen sind, als unmittelbare Aufgabe ein gemeinsames Wiederaufbauprogramm auszuarbeiten und durchzuführen.

Ein derartiges gemeinsames Wiederaufbauprogramm kann am wirksamsten mit der Hilfe der Vereinigten Staaten von Amerika durchgeführt werden. Die Vereinigten Staaten von Amerika sind gemäß dem Gesetz für Wirtschaftliche Zusammenarbeit (Economic Cooperation Act), dessen Zielen und Richtlinien die österreichische Regierung bereits zugestimmt hat, bereit, diese Hilfe zu leisten.

Gemäß Artikel I

übernimmt die Regierung Vereinigten Staaten von Amerika die Verpflichtung, Österreich zu helfen, indem sie der österreichischen Regierung jede Unterstützung zur Verfügung stellt, die von dieser verlangt wird und von der Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika genehmigt worden ist. Die Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika wird diese Unterstützung gemäß den Bestimmungen und auf Grund aller Termine, Beschränkungen und Bedingungen des Gesetzes für Wirtschaftliche Zusammenarbeit, dessen Zusatz- und Ergänzungsgesetze und der bezüglichen budgetären Gesetze der Österreichischen Regierung zur Verfügung stellen.

Die Österreichische Regierung wird sich individuell und gemeinsam mit den anderen an der Europäischen Organisation für Wirtschaftliche Zusammenarbeit in Paris teilnehmenden Staaten bemühen, rasch durch ein gemeinsames Wiederaufbauprogramm die wirtschaftlichen Grundlagen in Europa zu schaffen, die für dauerhaften Frieden und Wohlstand unerläßlich sind und eine auswärtige außerordentliche Wirtschaftshilfe nicht mehr erforderlich machen. Die österreichische Regierung wird daher Maßnahmen ergreifen, um die allgemeinen Verpflichtungen des am 25. Mai 1948 vom Ministerrat genehmigten Abkommens für Europäische Wirtschaftliche Zusammenarbeit durchzuführen und wird an den Arbeiten der Europäischen Organisation für Wirtschaftliche Zusammenarbeit teilnehmen.

Was die Hilfeleistungen betrifft, welche die Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika Österreich zur Verfügung stellt und die aus Gebieten außerhalb der Vereinigten Staaten von Amerika, ihren Territorien und Besitzungen zu beschaffen sind, so wird die österreichische Regierung mit der Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika zusammenarbeiten, damit deren Beschaffung zu vernünftigen Preisen und zu Bedingungen erfolgt, die die wirtschaftlichen Interessen der Vereinigten Staaten von Amerika in diesen Gebieten nicht benachteiligen.

Artikel II

sieht vor, daß die österreichische Regierung alle tunlichen Schritte unternehmen wird, um den Wiederaufbau durch Verwendung der Unterstützung, welche sie von der Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika erhalten wird, möglichst zu fördern. So wird die Österreichische Regierung Maßnahmen ergreifen, damit die Hilfsleistungen- und Dienste, die ihr von der Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika zur Verfügung gestellt werden, für Zwecke verwendet werden, die mit diesem Abkommen vereinbar sind.

Die Übertragung und Überprüfung der Verwendung dieser Mittel wird durch ein von der Europäischen Organisation für Wirtschaftliche Zusammenarbeit gebilligten Kontrollsystem durchgeführt werden. Die österreichische Regierung wird ferner Maßnahmen ergreifen, um Guthaben, die sich in den Vereinigten Staaten von Amerika befinden und österreichischen Staatsbürgern gehören, einer zweckdienlichen Verwendung zur Förderung des gemeinsamen Europäischen Wiederaufbauprogrammes zuzuführen.

Die Österreichische Regierung soll ferner die industrielle und landwirtschaftliche Erzeugung fördern und alle möglichen Schritte unternehmen, um die Produktionsziele zu erreichen, welche durch die Europäische Organisation für Wirtschaftliche Zusammenarbeit festgesetzt werden. Die österreichische Regierung wird ferner auf Ersuchen der Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika diese Pläne übermitteln, die hauptsächlich mit der auf Grund dieses Abkommens zur Verfügung gestellten Hilfe durchgeführt werden sollen. Diese Pläne sollen soweit als möglich auch eine Erhöhung der österreichischen Erzeugung an Nahrungsmitteln einschließen.

Die Österreichische Regierung wird ferner diejenigen finanziellen und Währungsmaßnahmen treffen, die notwendig sind, die Währung zu stabilisieren, einen gesunden Wechselkurs festzusetzen, den Staatshaushalt sobald als möglich ins Gleichgewicht zu bringen, eine innerstaatliche finanzielle Stabilität zu schaffen und aufrecht zu erhalten und das Vertrauen in das Währungssystem wieder herzustellen und aufrecht zu erhalten.

Ferner wird die österreichische Regierung mit anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Organisation für Wirtschaftliche Zusammenarbeit zusammenarbeiten, um einen zunehmenden Austausch von Waren und Diensten zwischen diesen Ländern und mit anderen Staaten zu erleichtern und staatliche und private Handelsschranken abzubauen.

Außerdem soll die österreichische Regierung zusammen mit der Internationalen Flüchtlingsorganisation Übereinkommen entgegenkommend prüfen, die auf die praktische Ausnützung der zur Verfügung stehenden Arbeitskräfte in irgend einem der beteiligten Länder hinzielen.

Die österreichische Regierung wird endlich die Maßnahmen, die sie für zweckdienlich hält, ergreifen und mit den anderen vertragschließenden Ländern zusammenarbeiten, um Geschäftspraktiken oder geschäftliche Abmachungen im internationalen Handel, die die Konkurrenz einschränken, den Zugang zu den Märkten beschränken oder monopolistische Kartelle begünstigen, zu verhindern, falls derartiges Abmachungen in ihren Auswirkungen die Erfüllung des gemeinsamen europäischen Wiederaufbauprogrammes oder die Durchführung der Bestimmungen des vorliegenden Abkommens beeinträchtigen.

In Artikel III

sagen sich die beiden Regierungen zu, daß sie sich auf Wunsch einer der beiden Regierungen unverzüglich über von amerikanischen Staatsbürgern vorgeschlagene Projekte in Österreich konsultieren werden, hinsichtlich welcher die Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika geeignete Garantien für den Währungstransfer auf Grund des bereits früher erwähnten amerikanischen Gesetzes für Wirtschaftliche Zusammenarbeit von 1948 übernehmen kann.

Wenn die Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika auf Grund einer übernommenen Garantie Zahlungen an irgendeine Person leistet, so ist die österreichische Bundesregierung einverstanden, daß die Schillingbeträge oder Schillinggutschriften, die der Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika angewiesen oder überwiesen werden, als Eigentum der Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika anerkannt werden.

Artikel IV

der sich mit Fragen der inländischen Währung befaßt, bezieht sich nur auf Hilfeleistungen, die von der Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika geschenkweise erfolgen. Es wird ein auf den Namen der Österreichischen Regierung lautendes Sonderkonto bei der Österreichischen Nationalbank eröffnet werden, auf das Schillingbeträge nach folgenden Richtlinien erlegt werden:

a) der unbelastete Saldo des Sonderkontos der Österreichischen Regierung bei der Österreichischen Nationalbank, das gemäß den Abkommen vom 25. Juli 1947 (Reliefabkommen) und vom 2. Jänner 1948 (Interim Aid) eröffnet worden ist und alle weiteren Summen, welche von Zeit zu Zeit auf Grund der beiden angeführten Abkommen auf dieses Sonderkonto zu erlegen sind,

b) der unbelastete Saldo der Einlagen der Österreichischen Regierung auf Grund des Notenwechsels vom 15. April 1948, (Überbrückungshilfe für das II. Quartal 1948),

c) angemessene Beträge für die angegebenen Kosten in Dollar, die der Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika aus den auf Grund des Gesetzes für wirtschaftliche Zusammenarbeit geschenkweise erfolgten Lieferungen und Leistungen erwachsen sind, jedoch abzüglich der auf Grund des in Abschnitt b) erwähnten Notenwechsels erlegten Beträge.

Die Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika wird der österreichischen Regierung von Zeit zu Zeit die angegebenen Kosten in Dollar dieser Lieferungen und Leistungen mitteilen, worauf dann die österreichische Regierung einen entsprechenden Gegenwert in Schillingen auf dieses Sonderkonto erlegen wird.

Hierbei wird ein Wechselkurs al pari mit dem Kurs, der zu diesem Zeitpunkt mit dem Internationalen Währungsfonds vereinbart ist, angewendet werden, vorausgesetzt, daß dieser vereinbarte Kurs der einzige auf Dollarankäufe für Importe nach Österreich anwendbare Kurs ist. Falls zum Zeitpunkt dieser Mitteilung zwar bereits ein al pari Kurs für den Schilling mit dem Internationalen Währungsfonds vereinbart worden ist, aber noch mehrere Kurse für den Ankauf von Dollar für Importe nach Österreich bestehen oder überhaupt noch kein al pari Kurs für den Schilling mit dem Internationalen Währungsfonds vereinbart wurde, so sollen der Kurs bezw. die Kurse für diesen besonderen Zweck zwischen den beiden Regierungen vereinbart werden. Die österreichische Regierung kann zu jeder Zeit Vorschüsse auf dieses Sonderkonto erlegen, die ihr gutgeschrieben werden.

Auf diesem Sonderkonto sollen die Verwaltungsausgaben und Transportspesen, die im Rahmen dieser Hilfsleistungen in Österreich entstehen, bezahlt werden. Die österreichische Regierung kann jedoch von jedem restlichem Saldo für diejenigen Zwecke Abhebungen machen, die von Zeit zu Zeit mit der Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika vereinbart werden. Hiebei soll die Notwendigkeit berücksichtigt werden, die Stabilisierung der österreichischen Währung und der österreichischen Finanzen zu sichern, sowie die österreichische Produktion, den internationalen Handel und die Erforschung und Entwicklung neuer Einkommensquellen in Österreich zu fördern.

Diese abgehobenen Beträge sollen besonders für Ausgaben für Projekte, die für die Entwicklung der Produktionskapazität Österreichs und der anderen beteiligten Länder von Bedeutung sind sowie für den wirksamen Abbau der öffentlichen Schuld verwendet werden. Ein am 30. Juni 1952 auf dem Sonderkonto verbleibender Saldo soll innerhalb Österreichs zu den zwischen den beiden Regierungen vereinbarten Zwecken Verwendung finden.

Gemäß Artikel V

wird die österreichische Regierung auf Wunsch der Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika in Verhandlungen zur Erleichterung des Reiseverkehrs amerikanischer Staatsbürger nach den teilnehmenden Staaten eintreten.

In dem zweiten Absatz dieses Artikels sind Verhandlungen zur Erleichterung der Einfuhr und zollfreien Behandlung unter entsprechenden Sicherheiten von Hilfssendungen amerikanischer Hilfswerke und von Hilfspaketen aus den Vereinigten Staaten von Amerika für in Österreich wohnhafte Personen vorgesehen.

In Artikel VI

vereinbaren die beiden Regierungen, sich gegenseitig über die Anwendung des Abkommens auf Wunsch einer der beiden Regierungen zu konsultieren. Die österreichische Regierung wird ferner der Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika periodisch Informationen und Pläne hinsichtlich der Schritte übermitteln, die sie in Ausführung dieses Abkommens und des Abkommens für Europäische Wirtschaftliche Zusammenarbeit unternimmt.

Die österreichische Regierung wird ferner mindestens jedes Kalendervierteljahr einen vollständigen Bericht über die Verwendung der ihr zur Verfügung gestellten Güter und Dienstleistungen der Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika übermitteln. Endlich wird die österreichische Regierung der Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika jene Informationen zur Verfügung stellen, die nötig sind, um die der Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika von der Europäischen Organisation für Wirtschaftliche Zusammenarbeit übermittelten Informationen zu ergänzen und sie in die Lage zu versetzen, die Natur und den Umfang der nach dem Gesetz für wirtschaftliche Zusammenarbeit geleisteten oder vorgesehenen Hilfe und den Fortschritt des gemeinsamen Wiederaufbauprogramms beurteilen zu können.

Gemäß Artikel VII

anerkennen beide Regierungen, daß es in ihrem gemeinsamen Interesse liegt, der Öffentlichkeit die Ziele und die erreichten Fortschritte des gemeinsamen Programmes für den Europäischen Wiederaufbau bekanntzumachen.

Die österreichische Regierung stimmt daher zu, die Verbreitung solcher Informationen zu fördern.

Die österreichische Regierung wird außerdem andere teilnehmende Staaten und die Organisation für Europäische Wirtschaftliche Zusammenarbeit in Paris über den Fortschritt des Programmes für den wirtschaftlichen Wiederaufbau informieren.

Die österreichische Regierung wird in jedem Kalendervierteljahr vollständige Berichte über die gemäß diesem Abkommen getroffenen Maßnahmen und über die Verwendung der Mittel, Güter und Dienste, die sie erhalten hat, veröffentlichen.

In Artikel VIII

wird ausgeführt, daß die Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika beabsichtige, eine Sondermission für wirtschaftliche Zusammenarbeit nach Österreich zu entsenden, welch die von der Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika auf Grund dieses Abkommens übernommenen Verpflichtungen durchzuführen haben wird. Die österreichische Regierung wird diese Sondermission und ihr Personal, sowie den Sonderbevollmächtigten der Vereinigten Staaten von Amerika in Europa auf Grund einer Notifikation des amerikanischen Gesandten in Wien als Teil der amerikanischen Gesandtschaft in Österreich betrachten, so daß sie die gleichen Vorrechte und Immunitäten genießen, die der Gesandtschaft und ihrem Personal zukommen. Die österreichische Regierung wird ferner den Mitgliedern und dem Stabe des gemeinsamen Komitees für auswärtige wirtschaftliche Zusammenarbeit des Kongresses der Vereinigten Staaten, diejenigen Erleichterungen gewähren, die zur wirksamen Erfüllung ihrer Aufgaben notwendig sind. Endlich wird die österreichische Regierung direkt und durch ihre Vertreter in der Organisation für Europäische Wirtschaftliche Zusammenarbeit der Sondermission, dem Sonderbevollmächtigten der Vereinigten Staaten in Europa und seinem Stabe und den Mitgliedern und dem Stabe des angeführten amerikanischen Kongress-Komitees volle Unterstützung zuteil werden lassen und ihnen alle Informationen zur Verfügung stellen, die notwendig sind, damit diese eine Übersicht über die Durchführung dieses Abkommens und der geleisteten Hilfe gewinnen können.

In Artikel IX

vereinbaren die beiden Regierungen dem Internationalen Gerichtshof oder einem Schiedsgericht Forderungen zu unterbreiten, welche eine der beiden Regierungen im Namen ihrer Staatsbürger gegen die andere Regierung zum Ersatz von Schäden geltend machen sollte.

Hierbei handelt es sich um Schäden, die das Eigentum oder die Rechte ihrer Staatsbürger betreffen und sich aus Maßnahmen der anderen Regierung nach dem 3. April 1948 (dem Tag des Inkrafttretens des Gesetzes über wirtschaftliche Zusammenarbeit) ergaben.

Ferner wird vereinbart, daß eine der beiden Regierungen gegen die andere Regierung eine Forderung nur dann vorbringen wird, wenn ihre Staatsangehörigen alle Rechtsmittel bei den Gerichten des anderen Staates erschöpft haben.

Artikel X

enthält eine genaue Definition des Begriffes "teilnehmende Staaten".

Artikel XI.

bestimmt, daß das Abkommen am Tage seiner Unterzeichnung in Kraft treten und bis zum 30. Juni 1953 in Kraft bleiben soll. Falls jedoch während der Geltungsdauer dieses Abkommens eine der beiden Regierungen der Auffassung sein sollte, daß eine grundlegende Änderung in den Voraussetzungen zu diesem Abkommen eingetreten ist, so soll diese Regierung die andere Regierung davon schriftlich benachrichtigen. Die beiden Regierungen werden sich dann über Zusätze und Änderungen zu diesem Abkommen oder über dessen Beendigung konsultieren. Falls sich die beiden Regierungen innerhalb eines Zeitraumes von 3 Monaten vom Tage der Benachrichtigung an gerechnet, nicht über die zu treffenden Maßnahmen einigen konnten, so kann jede der beiden Regierungen die andere Regierung davon verständigen, daß sie das Abkommen zu beenden wünscht. Das Abkommen tritt dann entweder 9 Monate nach dieser Verständigung oder zu einem früheren Zeitpunkt außer Kraft, über den sich die beiden Regierungen einigen und der genügt, um die Erfüllung der Verpflichtungen der österreichischen Regierung sicherzustellen, hinsichtlich der Hilfe, welche die Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika auch nach dem Tage der Mitteilung leistet. Für die Geltungsdauer von Artikel III, Absatz 2 und Artikel IV sind besondere Bestimmungen vorgesehen.

Das Abkommen soll in Wien in deutscher und englischer Sprache unterzeichnet werden.

In einem Anhang werden zu den Artikeln II und VIII noch einige Einzelheiten angeführt.

Zum Ersatz einer in dem ursprünglichen Entwurf des Abkommens über wirtschaftliche Zusammenarbeit vorgesehenen gegenseitigen Meistbegünstigungsbestimmung hat die amerikanische Regierung auch noch die Durchführung eines Notenwechsels vorgeschlagen, nach dem, solange die Vereinigten Staaten von Amerika an der Besetzung Westdeutschlands, des freien Territoriums von Triest, Japans oder Südkoreas teilnehmen, zwischen Österreich und diesen Gebieten in bezug auf den Warenhandel die Meistbegünstigung Platz greifen soll, wie sie zwischen Österreich und den Vereinigten Staaten bereits in dem Vertrag von 1928 und 1931 vereinbart war. Falls jedoch wegen der mangelnden Währungsstabilisierung dieser Gebiete diese Meistbegünstigung sich als eine Exportprämie auswirken und der Entwicklung der inländischen Industrie nachteilig sein sollte, kann Österreich entsprechende Gegenzölle erheben.

Das Abkommen muß spätestens am 3. Juli 1948 unterzeichnet werden, damit die amerikanische Hilfe termingerecht wirksam werden kann.

Gegenwärtig finden in Washington Verhandlungen zwischen der Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika und den Regierungen verschiedener europäischer Teilnehmerstaaten statt. Es ist daher möglich, daß noch in letzter Stunde gewisse Änderungen des Abkommens erfolgen könnten. Wesentliche meritorische Änderungen sind jedoch nicht zu erwarten, da die wichtigsten Bestimmungen dieses Abkommens im amerikanischen Gesetz selbst bereits festgelegt sind.

Das Abkommen ist nicht gesetzändernd und hat keinen politischen Charakter.

Ich stelle daher den

Antrag,

der Ministerrat wolle

1. den Herrn Bundeskanzler und mich ermächtigen, gemeinsam dieses Abkommen zu unterzeichnen,

2. mich ermächtigen, den oberwähnten Notenwechsel mit dem Amerikanischen Gesandten in Wien durchzuführen.

Quelle: ÖStA, AdR, MR-Material, MR-Protokoll 29.6.1948, 118. MR-Sitzung, Zl. 162.755-Wpol/48.


Dokument 5

Bericht "Gegenstand Europaunion" der Österreichischen Gesandtschaft, Ges. und bev. Minister Lothar Wimmer an Generalsekretär Heinrich Wildner, 2.12.1949, und Durchschlag des Antwortschreibens von Wildner, 6.12.1949

Hochverehrter Herr Generalsekretär!1

Da ich weiß, wie sehr alle kompetenten Personen mit dem Staatsvertrag beschäftigt sind, mag ich nicht durch einen neuerlichen Bericht in einer schon wiederholt behandelten Angelegenheit den Anschein erwecken, als ob mir das Maß für die Dinge fehlt. Darum erlaube ich mir in diesem an Sie, Herr Generalsekretär, gerichteten Schreiben zu den Berichten eine Ergänzung zu geben, die ich dort nicht ganz unter den Tisch fallen lassen wollte.

Gestern als ich - leider mehrere Stunden - bei einem Bankett neben dem belgischen Wirtschaftsminister (affaires économiques) DUVIEUSART saß, stellte mir dieser zunächst die Frage, ob Österreich auch an der Erweiterung des westeuropäischen Wirtschaftsraumes, der hie und da mit dem abscheulichen Wort "Fritalux" bezeichnet wird, teilnehme? Ich erwiderte, daß mir von einer Vertretung Österreichs bei den derzeitigen Pariser Verhandlungen nichts bekannt sei, aber daß er als belgischer Minister für wirtschaftliche Angelegenheiten doch darüber authentisch informiert sein müßte, da Belgien in diesen Fragen geradezu führend sei. Die Angelegenheit war damit aber noch keineswegs abgetan, denn nach einiger Zeit kam DUVIEUSART eindringlich auf dieses Thema zurück und redete mir ins Gewissen, wie wichtig es auch für Österreich wäre, an diesem wirtschaftlichen Aufbau Europas teilzunehmen. Ich versprach ihm, daß ich diesen Gedanken, obwohl er ohnedies zuhause kaum auf theoretische Widerstände stoßen dürfte, weitergeben werde.

Ich sehe in diesen Äußerungen des belgischen Ministers für wirtschaftliche Angelegenheiten naturgemäß nicht den Anfang irgend einer besonderen Aktion, wohl aber den Ausdruck einer Ungeduld und weiters auch einer vermutlichen Unterschätzung der Schwierigkeiten, mit denen Österreich täglich zu kämpfen hat. Auf die Ungeduld mit dem nur langsamen Fortschritt der europäischen Ideen darf ich auch aus Äußerungen schließen, die Außenminister van ZEELAND in meiner Gegenwart vor kurzem machte. Er begreife nicht, meinte er, warum Österreich in Straßburg nicht offiziell Mitglied des Europarates geworden sei. Ich hielt es damals für richtig, auf dieses heikle Thema gar nicht zu reagieren, da mir die Zurückhaltung auf diesem Gebiete und deren Motive bekannt sind. Ich habe jedoch Grund zur Annahme, daß diese ja auch in Belgien bekannten Motive weder hier noch anderwärts voll gewürdigt werden.

Es erscheint mir durchaus möglich, daß diese Zurückhaltung, bezüglich deren van ZEELAND die Frage aufwarf, ob sie uns denn honoriert werde, zu dem nachdrücklichen Schweigen beiträgt, das über Österreich herrscht, wenn die wirtschaftliche Neuordnung östlich des Rheins erörtert wird. Denn daß an Österreich gedacht wird, allerdings vielleicht mit Absicht nur im Stillen, dafür bieten die Äußerungen DUVIEUSART's den Beweis.

Ich hoffe sehr, daß diese Wahrnehmung einer Ungeduld, die ich nur als Symptom verzeichne und mit der ich mich in keiner Weise identifiziere, nicht übelgenommen wird, ebenso wie der Umstand, daß ich über eine Angelegenheit schreibe, die neben dem Staatsvertrag in den Hintergrund tritt. Vielleicht kann es aber doch für später von einem gewissen Interesse sein.

Mit meinen besten Empfehlungen bin ich, Herr Generalsekretär,

Ihr aufrichtig ergebener

Lothar Wimmer

6. Dez. 1949

Sehr geehrter Herr Gesandter!

Ihren so einläßlich alles Mögliche erwähnenden Brief vom 2.1.M. habe ich dem Herrn Minister gezeigt, der hierauf resolvierte, daß zuerst das Zustandekommen des Staatsvertrages abgewartet werden müßte. Dann werde sich alles Weitere ergeben. Somit kann ich Ihnen hiezu nichts Weiteres autoritativ sagen und nur hinzufügen, daß kurz vor der gewissen Tagung am Rhein Ihr nördlicher Nachbarkollege von meinem do.alter ego in der Sache mit dem Bemerken befaßt wurde, daß man in St. auch von unserem Zutritt sprechen wolle, worauf ihm zur Regelung seiner Sprache mitgeteilt wurde, daß wir uns momentan dafür nicht interessierten.

Über diese ganze Frage konnte bei uns noch sehr wenig nachgedacht, geschweige denn Vorbereitung getroffen werden, denn das, was von außenstehender Seite darüber gesprochen und vielleicht auch geschrieben wird, kommt für eine ernste Behandlung wohl nicht in Betracht. Unser Interesse ist eben auf ein näher liegendes Objekt fixiert. Daß v.Z. Ihnen gegenüber kürzlich nicht verstehen wollte, warum wir nicht in St. offiziell Mitglied geworden sind, kommt mir etwas unheimlich vor. Denn ich möchte nicht an die sonst bewährte Richtigkeit des schwedischen quantilla sapientia denken; es müssen somit schwerer wiegende Erwägungen im Gange sein. Ihr hiesiger Kollege sieht alles grau in grau. Aber was soll die Frage bedeuten, ob denn unsere Zurückhaltung honoriert werde, von wem und in welcher Form? Wir haben doch schon genug Mut gezeigt und werden uns weiter bewähren. Aber anderswo ist das Schweigen, wie Sie selber sagen, schon nachdrücklich. Lassen Sie uns also noch etwas mehr von Ihren Eindrücken hören und nehmen Sie beste Grüße von

1 Das Schreiben trägt den Aktenvermerk Grubers: "Erst Staatsvertrag, dann alles weitere!" und eine Notiz Wildners: "erledigt mit angeheftetem Durchschlag".

Quelle: ÖStA, AdR, BKA/AA, II-pol, International 2, Zl. 89.650-pol/49 (GZl. 80.108-pol/49).


Dokument 6

Bericht der österreichischen Gesandtschaft Paris über den Schuman-Plan an Außenminister Karl Gruber, 12.9.1950

Herr Bundesminister!

Nachstehend beehre ich mich eine zusammenfassende Darstellung des derzeitigen Standes der Verhandlungen über den Schuman-Plan, soweit ich diesen aus verschiedenen Gesprächen am Quai d'Orsay und mit Kollegen der in Betracht kommenden Vertretungsbehörden feststellen konnte, vorzulegen. Die Verhandlungen sind nach Ansicht der Delegierten soweit fortgeschritten, daß mit einem Vertragsabschluß gegebenenfalls Mitte Oktober gerechnet werden kann.

Dieser Vertrag wäre dann von den beteiligten sechs Staaten (Frankreich, Italien, Deutschland, Benelux) zu ratifizieren. Gegenwärtig sind die Verhandlungen in einem Stadium der letzten Prüfung verschiedener Vorschläge. Ende September wird man mit der Redigierung des Vertragstextes beginnen.

Behördenorganisation

a) Hohe Behörde: sie soll aus sechs bis acht Mitgliedern, die durch die Regierungen der beteiligten Staaten ernannt werden, bestehen. Ein deutscher Vorschlag geht dahin, daß die Mitglieder der hohen Behörde von den einzelnen Staaten durch allgemeine Wahl bestellt werden. Die endgültige Formulierung dieses Punktes ist noch offen. Die hohe Behörde hat das Recht, an die beteiligten Volkswirtschaften Vorschläge, Empfehlungen und Weisungen zu erteilen, die bindend sind. Dies würde eine gewisse Souveränitätseinschränkung für die Beteiligten bedeuten. Die hohe Behörde soll von einem Kontrollorgan, der

b) Assemblée Commune überwacht werden. Diese Körperschaft soll mindestens einmal im Jahr den Rechenschaftsbericht der hohen Behörde entgegennehmen, hat jedoch keinerlei Einfluß auf die laufenden Verfügungen der hohen Behörde. Falls die "Assemblée Commune" ihr Mißtrauen ausdrückt, hat die hohe Behörde zu demissionieren. Die "Assemblée Commune" soll aus ungefähr 100 Mitgliedern bestehen, die von den Parlamenten der beteiligten Staaten gewählt werden. Auch hier geht ein deutscher Vorschlag dahin, daß in den einzelnen Staaten die Mitglieder dieser Körperschaft frei gewählt werden.

c) Das Schiedsgericht: Es soll von den beteiligten Regierungen ernannt werden. Es kann von den Mitgliedsstaaten angerufen werden, falls sie sich von der hohen Behörde benachteiligt fühlen, insbesondere hat es aber darüber zu wachen, daß die hohe Behörde ihre Befugnisse nicht überschreitet.

d) Der Ministerrat: Er besteht aus den Fachministern (Wirtschafts-, Finanz- und Arbeitsminister) der beteiligten Staaten. Es ist nicht geplant, diesen Ministerrat mit großen Befugnissen auszustatten, er soll keine Weisungen geben, sondern lediglich beratende Funktion haben. Seine Hauptaufgabe soll sein, die Bedürfnisse der einzelnen Volkswirtschaften mit den Erfordernissen des Stahl-Kohl-Pools zu koordinieren. Über die Frage des Ministerrates ist noch keine Entscheidung gefallen.

Eine weitere Organisierung des Pools soll durch regionale Verbände der einzelnen Industrien geschaffen werden. Man denkt hier an zusammenhängende Wirtschaftsgebiete, wie z.B. das Aachener Becken etc., wo es auf dem Territorium verschiedener Staaten ein zusammenhängendes Wirtschaftsgebiet gibt. Die regionalen Verbände hätten vor allem die Aufgabe, die Interessen der Industrie bei der hohen Behörde zu vertreten. Es soll vermieden werden, daß sich einzelne Unternehmen direkt an die Behörde wenden.

Allgemeines Programm

Der Zweck ist der Zusammenschluß der "Basis-Industrien", um eine Produktionssteigerung und eine Rationalisierung und damit Verbilligung zu erreichen. Neben der Bildung von großen Wirtschaftsräumen hat der "Pool" die Aufgabe, die wirtschaftlichen Ursachen deutsch-französischer Differenzen aus der Welt zu schaffen. Die Schwierigkeiten auf diesem Gebiete ergeben sich insbesondere aus dem verschiedenen Lebensstandard und dem verschiedenartigen Preisgefüge. Man will diese Schwierigkeiten zwar rasch aber doch in Etappen mit verschiedenen Übergangsregelungen überwinden. Man legt großen Wert auf sichtbare Erfolge, um bei den beteiligten Staaten einen gewissen Schwung und Idealismus aufrecht zu erhalten. Die ersten sichtbaren Maßnahmen werden daher die Abschaffung der Zölle für Stahl und Kohle sein. Hier bestehen fast keine nennenswerten Schwierigkeiten. Nur Italien macht dabei in Anbetracht der dort existierenden, künstlich aufgebauten und stark subventionierten Stahlindustrie eine Ausnahme. Aber auch dort sollen die Zölle aufgehoben werden und durch interne Verfügungen der italienischen Regierung die vorzugsweise Verwendung des einheimischen Stahls gewährleistet bleiben.

Stellung der USA

Die USA haben ihre Sympathie für den Plan wiederholt zum Ausdruck gebracht. Praktische Unterstützungsmaßnahmen sind bisher noch nicht erfolgt, es bestehen auch keine konkreten Abmachungen für die Zukunft. Man rechnet jedoch, nach Bestehen des Pools, mit der Erleichterung amerikanischer Investitionen.

Stellung Deutschlands

Bei der gegenwärtigen Konferenz über den Schuman-Plan nimmt die deutsche Delegation vollkommen gleichberechtigt teil. Über die bestehenden Beschränkungen der Stahlproduktion, über Quoten und das Ruhrstatut wird hierbei nicht gesprochen. Es wird aber vorausgesetzt, daß alle diese Beschränkungen bei Inkrafttreten des Pools fallen gelassen werden, da es ja ein Hauptziel des Schuman-Plans ist, eine Produktionsausweitung zu erreichen.

Es nicht geplant, für die beteiligten Staaten Produktionsquoten einzuführen, sondern man will vor allem eine gewisse Spezialisierung erreichen. Die Rationalisierung der beteiligten Industrien soll durch eine gemeinsam aufgebrachte Umlage (entweder von den beteiligten Industrien oder von den Staaten) finanziert werden. Die völkerrechtliche Stellung des Pools soll in einem Vertrag der beteiligten Staaten geregelt werden. Die Teilnahme weiterer Staaten steht jederzeit frei.

Die Statuten des "Pools" sind derzeit noch in Ausarbeitung und ich werde nicht ermangeln, sie nach Erhalt vorzulegen.

Genehmigen, Herr Bundesminister, den Ausdruck meiner vollkommenen Ergebenheit.

Waldheim

Quelle: ÖStA, AdR, BKA/AA, International 2, Zl. 35-Pol/50, Zl. 127.855-pol/50 (GZl. 124.457-pol/50).


Dokument 7

Verschlußakt des BKA/AA, Weisung an die Österreichische Gesandtschaft London bezüglich Schumanplan/Zollfragen, 3.3.1951

An die Österreichische Gesandtschaft

Wie die österreichische Delegation in Torquay berichtet, haben zu Beginn der Zollverhandlungen die am Schumanplan beteiligten Länder mitgeteilt, daß sie erst in der Endphase der Konferenz in der Lage sein werden, mit Österreich über die Eisen- und Stahlpositionen zu verhandeln. Jetzt erklären sie, daß sie vor Abschluß der Schumanplan-Verhandlungen den Eisen- und Stahlsektor überhaupt nicht mit Outsidern behandeln können.

Laut dem Stand der Schumanplan-Verhandlungen von Mitte Februar sei folgendes vorgesehen:

Innerhalb der Schumangruppe Zollfreiheit; wobei den Italienern provisorische Zwischenzölle zugestanden werden sollen. Nach außen Zollangleichung auf einem Niveau, das zwischen dem belgischen und dem französischen liegt; wobei wieder den Italienern für die Geltungsdauer der Zwischenzölle ein entsprechend höherer Zollschutz eingeräumt werden soll. Ob der Oberste Leitungsausschuß der Schumangruppe die Außenzölle autonom bestimmen oder Verhandlungen mit den Outsidern aufnehmen wird, steht noch nicht fest.

Die Angleichung der Außenzölle bedeutet bei den Benelux-Staaten und Deutschland eine Erhöhung, bei Frankreich und Italien eine Senkung des Zollniveaus. Diese Zollsenkung wird für Österreich aber praktisch wertlos sein, weil wir mit Rücksicht auf die innere Zollfreiheit bzw. Präferenz und auf die geplante Rationalisierung im Schumanplan-Gebiet preislich keinesfalls mehr konkurrenzfähig sein werden. Die Bedeutung des Problems für unsere Wirtschaft geht daraus hervor, daß unsere Ausfuhr der vom Schumanplan betroffenen Eisen- und Stahlpositionen im Jahre 1949 nach den Benelux-Staaten 19%, nach Frankreich 15,5% und nach Italien 28,5% unsere Gesamtausfuhr nach diesen Ländern war. Der perzentuelle Anteil von Eisen und Stahl an der Ausfuhr nach Deutschland kann ho. nicht festgestellt werden, da die Ausfuhr nach West- und Ostdeutschland in der Statistik gemeinsam ausgewiesen ist.

Außer Österreich werden in erster Linie England und Schweden betroffen sein. Die Engländer weisen darauf hin, daß sie, falls der Schumanplan realisiert wird, äußerstenfalls immer noch mittun können. Die Schweden halten hier gegenüber den Schumanplan-Ländern mit gewissen Konzessionen zurück.

Die Ablehnung der Schumanplan-Länder in Torquay über Zollpositionen für die Eisen- und Stahlpositionen zu verhandeln, ist ein Grund mehr, die Aufmerksamkeit der dortigen Regierungen auf die vitale Bedeutung des Eisen- und Stahlexportes für die österreichische Wirtschaft zu lenken.

Die Gesandtschaft wird eingeladen, diesen Problemen besondere Aufmerksamkeit zu schenken und über alle Wahrnehmungen betreffend Verhandlungen über den Schumanplan zu berichten.

Für den Bundesminister für die Auswärtigen Angelegenheiten

Hudeczek

Quelle: ÖStA, AdR, BKA/AA, Österreichische Botschaft London, Zl. 31-Res/51, Zl. 160.846-Wpol/51, Zl. 1343/51.


Dokument 8

Streng vertraulicher Bericht "Die wirtschaftspolitischen Probleme Österreichs im Zeichen der europäischen Zusammenarbeit" für das BKA/Zentralbüro für ERP-Angelegenheiten [von H. Igler], April 1953

[...]

Wirtschaftliche Entwicklung Österreichs im Vergleich zu den europäischen Teilnehmerstaaten der OEEC

Vor der eigentlichen Untersuchung der wirtschaftlichen Lage Österreichs ist eine kurze Standortbestimmung der österreichischen Wirtschaft im Vergleich zu den anderen Teilnehmerstaaten nützlich:

1.) Hinsichtlich der Steigerung der österreichischen Produktion sowie der Steigerung des Lebensstandards sind die Erfolge Österreichs im Vergleich zu denen der Teilnehmerstaaten beachtlich.

Steigerung der Industrieproduktion in den wichtigsten Teilnehmerstaaten

  Anteil an der gesamten Steigerung der Industrie-
  Industrieproduktion produktion bis 1951 im
  aller Teilnehmerstaaten % Vergleich mit 1948 %
Österreich 2 79
Belgien 4 17
Dänemark 2 21
Frankreich 15 25
Westdeutschland 21 118
Griechenland 1 72
Irland 1 31
Italien 9 44
Holland 3 29
Norwegen 1 23
England 35 19
11 Länder insgesamt 94 37

2.) Diese Expansion ging in Österreich Hand in Hand mit der inflationistischen Entwicklung, die stärker war als Parallelerscheinungen in vielen anderen teilnehmenden Staaten, so daß die Umstellungsschwierigkeiten bei der Stabilisierung des Lohn-Preis-Niveaus in den letzten 1 1/2 Jahren vor allem auf dem Arbeitsmarkt bedeutend waren. Die Gewinnung des Vertrauens in die Stabilität der Währung wird daher ein verhältnismäßig langwieriger Prozeß sein.

3.) Die Verringerung des Zahlungs- und Handelsbilanzdefizits Österreichs in den Jahren 1948-1952 ist ins Auge fallend. Dies insbesondere deshalb, weil es bisher gelungen ist, das Importvolumen, dessen Absinken bei Verminderung der Hilfe bedenklich wäre, durch allmähliche Steigerung der Exporte verhältnismäßig hoch zu halten. Allerdings ist zu berücksichtigen, daß Österreich an der Liberalisierung des intereuropäischen Handels durch Anwendung von Ausnahmebestimmungen nicht teilgenommen hat, während die Ausweitung der Liberalisierung der anderen Staaten für die Entwicklung des österreichischen Exportes günstig war. Die durch die Verminderung der Dollarhilfe gegebene Lage wird Österreich durch die Fortführung der Zahlung eines Teiles der Besatzungskosten in Dollars erleichtert. Andererseits hat Österreich von den statt einer direkten Dollarhilfe derzeit angewendeten "Off shore Purchases" bisher keinen Nutzen ziehen können.

Während bei konsequenter Wirtschaftspolitik der Ausgleich der österreichischen Zahlungsbilanz gegenüber den teilnehmenden Staaten auch bei Einführung einer begrenzten Liberalisierung möglich sein dürfte, setzt die Lösung des für Österreich durch seine Lage besonders schwierigen Dollarproblems zweierlei voraus:

a) Politische und wirtschaftliche Verhältnisse, die einen verstärkten Güteraustausch mit den Südoststaaten ermöglichen.

b) Bessere Ausnützung heimischer Bodenreserven zur Erzeugung von Grundnahrungsmitteln, die derzeit noch aus der Dollarzone eingeführt werden. [...]

4.) Während Österreich in der Zwischenkriegszeit seinen Zahlungsbilanzausgleich außer durch die Einnahmen des Fremdenverkehrs vorwiegend durch den Export von arbeitsintensiven Fertigwaren finden konnte, hat sich die Bedeutung Österreichs als Rohstoff- und Halbfertigwarenlieferant in den Kriegs- und Nachkriegsjahren für die europäischen Teilnehmerstaaten gesteigert. Obwohl diese Entwicklung im Interesse des Arbeitsmarktes und der Wettbewerbsfähigkeit unserer Finalindustrie Strukturprobleme zu lösen aufträgt, erleichtert sie dennoch den Ausgleich der Zahlungsbilanz durch die Entwicklung der internationalen Preis- und Austauschverhältnisse Österreichs für Güter wie Magnesit, Holz, Papier, Aluminium, Stickstoff, Edelstahl, deren relativer Wert in den letzten 20 Jahren verhältnismäßig stärker gestiegen ist als der Wert von Finalprodukten.

5.) Das Volkseinkommen und das auf der österreichischen Produktionsleistung beruhende Sozialprodukt sind bei Vergleich der Bevölkerungszahl Österreichs mit der seiner Nachbarstaaten unverhältnismäßig niedrig. [...]

6.) Die Bemühungen um eine Steigerung der Produktivität werden durch die hohe Steuerbelastung äußerst erschwert. Der Anteil des Steueraufkommens und der Sozialabgaben am Volkseinkommen ist in Österreich höher als in den meisten anderen europäischen Staaten, wobei außerdem berücksichtigt werden muß, daß infolge des niedrigen Realeinkommens selbst eine gleich hohe Steuerbelastung wie in anderen Ländern in Österreich drückender empfunden werden muß. [...]

Dabei ist eine Belastung des österreichischen Volkseinkommens durch Rüstungsaufgaben nicht zu verzeichnen - in anderen Ländern beträgt diese bis zu 30% des Budgets. Die Belastung des österreichischen Sozialprodukts durch Besatzungskosten und der Entgang von Erträgen von "exterritorialen" Unternehmungen dürfte allerdings - ohne in den Berechnungen des österreichischen Sozialproduktes enthalten zu sein - nicht viel geringer als die Rüstungsbelastungen anderer Staaten sein.

[...] Die vorstehende Untersuchung zeigt, daß die wirtschaftlichen Leistungen Österreichs seit 1945, zuerst in der Phase des Wiederaufbaues und der Großinvestitionen und dann in der Phase der Stabilisierung seiner Währung, bedeutende waren. Aus diesem Grunde muß bei Fortführung einer konsequenten Wirtschaftspolitik nicht befürchtet werden, daß Österreich ohne dauernde wirtschaftspolitische Anlehnung oder Hilfe, die über den Rahmen der allgemeinen Integrationsbestrebungen Europas hinausgeht, nicht existieren könne. Andererseits dürfen gewisse wirtschaftliche und soziologische Schwächemomente von der österreichischen Regierung nicht übersehen werden, wenn nunmehr, als weitere Phase der wirtschaftlichen Entwicklung Österreichs, ein Regierungsprogramm der Expansion bei stabiler Währung entwickelt werden soll. Die Erarbeitung einer zusammenhängenden wirtschaftlichen Konzeption der österreichischen Bundesregierung [...] ist trotz der zunehmenden Unabhängigkeit Österreich von ausländischer Hilfe notwendig, da die Mitgliedschaft Österreichs in der OEEC, in der derzeitigen Europäischen Zahlungs-Union, EPU, oder deren Nachfolgeinstitution für Österreich von eminenter Bedeutung durch die Möglichkeit der Erschließung eines größeren Marktes für österreichische Produkte ist. Die derzeitige Ausnahmestellung Österreichs in diesen Organisationen bedarf im Rahmen der politisch möglichen, großen eigenen Anstrengungen dringend einer Konsolidierung. [...] Sicherlich muß Österreich in absehbarer Zeit durch Beginn einer beschränkten Liberalisierungspolitik, die als Übergang sicherlich angenehme, aber auf die Dauer gefährliche Situationen revidieren, in der Österreich der Vorteile der weitgehenden Liberalisierung anderer Staaten teilhaftig wird, während es selbst quantitative Restriktionen für den gesamten Warenimport aus den Teilnehmerstaaten zur Anwendung bringt. [...]

Die wirtschaftspolitischen Probleme Österreichs im Zeichen der europäischen Zusammenarbeit

Kapitel IV

I. Rückblick auf die Periode 1949 bis 1952.

a) Die Zeit vor 1949:

Bis zum Einsetzen der Marshallhilfe war eine zielbewußte und planmäßige Produktions- und Investitionspolitik im eigentlichen Sinne nicht möglich. Zwar ist vom Zeitpunkt der Einstellung der Kampfhandlungen an im gemeinsamen Zusammenwirken von Verwaltung, Banken, Unternehmern und Belegschaften das Menschenmöglichste geschehen, um die Zerstörungen des Krieges und die Folgen der Nachkriegseingriffe wettzumachen, die ärgsten Schäden auszubessern und den Wiederaufbau sowie die maschinelle Neueinrichtung der landwirtschaftlichen, industriellen und gewerblichen Produktionsstätten zu beginnen. Gleichzeitig wurden von den zuständigen Regierungsstellen unter Heranziehung namhafter Fachleute Planungen für die künftige Gestaltung und Ausrichtung der Produktion auf allen Sparten ausgearbeitet. Ohne erhebliche finanzielle Mittel, die infolge des völligen Darniederliegens des inländischen Kapitalmarktes nur von auswärts kommen konnten, mußten aber alle diese Bemühungen um die Wiedererrichtung einer selbständigen, unabhängigen und lebensfähigen österreichischen Wirtschaft Stückwerk und hoffnungslose Sisyphusarbeit bleiben. Erst mit dem Einsetzen der Marshallplanhilfe wurde daher die Grundlage für eine konkrete Ausgestaltung und Neubelebung des österreichischen Produktionsapparates geschaffen.

b) Die Ziele des Investitionsprogrammes 1950/52

Die wichtigsten wirtschaftspolitischen Richtlinien für die Verwendung der aus der Marshallplanhilfe stammenden Gegenmittel zur Neu- und Ausgestaltung des österreichischen Produktionsgefüges sind im "Investitionsprogramm 1950/52" der Bundesregierung enthalten. Danach sollten diese Mittel so eingesetzt werden, daß bis zum Ende der bis Mitte 1952 befristeten Laufzeit des Marshallplanes durch Steigerung der Ausfuhrkraft und Verringerung der Einfuhrabhängigkeit ein Ausgleich der österreichischen Zahlungsbilanz so weit als möglich erzielt und gleichzeitig Österreich wieder als gleichberechtigter Partner in den internationalen Wettbewerb eingeschaltet werden konnte. Soweit die zu fördernden Investitionen Einfuhrverringerungen zum Ziele hatten, sollten sie nicht einer - unter den gegebenen Verhältnissen von vornherein aussichtslosen - "Autarkiepolitik um jeden Preis", sondern einer sinnvollen Auswertung der standortmäßig gegebenen wirtschaftlichen Möglichkeiten unter Wahrung des Endzieles einer weitgehenden Liberalisierung und Eingliederung Österreichs in eine von allen quantitativen Hemmnissen befreite europäische Gesamtwirtschaft dienen.

Daneben sollte der Einsatz der Gegenwertmittel so erfolgen, daß gleichzeitig auch die Eigenleistung der investierenden Betriebe möglichst gesteigert und damit eine optimale Investitionstätigkeit auf dem gesamten Gebiete der industriellen, handwerklichen und landwirtschaftlichen Produktion erzielt wurde. Schließlich sollte die Counterpart-Finanzierung die Erhaltung eines möglichst hohen Beschäftigungsstandes sichern.

Auf Grund dieser Erwägungen sollten von der für die Jahre 1950/52 veranschlagten gesamten Nettoinvestitionssumme (Private, öffentliche und Counterpartmittel) von rund 18 Mrd. S etwa 71% auf die Land- und Forstwirtschaft sowie die gewerbliche Wirtschaft (einschließlich des Fremdenverkehrs) entfallen, während die übrigen Investitionen im Bereich des öffentlichen Verkehrs und der Bauwirtschaft durchgeführt werden sollten.

c) Durchführung und Ergebnisse des Investitionsprogrammes 1950/52

Die Entscheidung darüber, ob und welche Investitionen in den verschiedenen Unternehmen durchgeführt werden sollten, oblag gemäß der grundsätzlichen marktwirtschaftlichen Orientierung der österreichischen Wirtschaft den Leitungen dieser Unternehmungen und konnte daher nicht im einzelnen Gegenstand der behördlichen Planung sein. Man begnügte sich daher, durch Ausarbeitung von Rahmenprogrammen für die einzelnen Sektoren und durch Schaffung von Investitionsprogrammen für die einzelnen Sektoren und durch Schaffung von Investitionsschwerpunkten, von denen dann entsprechende Wirkungen auf die übrigen Bereiche zu erwarten waren, die Investitionen, soweit sie nicht - wie die vom Staat und durch Counterpartmittel finanzierten Vorhaben unmittelbar beeinflußt wurden, mit den angestrebten Zielen in Einklang zu bringen.

Rückschauend darf heute festgestellt werden, daß diese Politik erfolgreich gewesen ist, obgleich bei ihrer Durchführung erhebliche Schwierigkeiten zu überwinden waren.

Die durch den Koreakonflikt ausgelöste internationale wirtschaftliche Entwicklung ließ auch in Österreich inflationäre Erscheinungen auftreten, die zu einer erheblichen Verteuerung führten und damit alle Berechnungen hinsichtlich der Kosten und Auswirkungen der schon im Gang befindlichen oder noch geplanten Investitionen einschneidend beeinflußten. Als sodann von der zweiten Hälfte des Jahres 1951 an die österreichische Regierung umfassende Maßnahmen zur Stabilisierung der Währung ergriff, zeitigten diese - im Zusammenhang mit der mittlerweile auf den Weltmärkten eingetretenen Konjunkturabschwächung - ebenfalls tiefgreifende Auswirkungen auf das Produktions- und Investitionsvolumen.

Dennoch ist es bis zum Ende des Jahres 1952 gelungen, einen erheblichen Teil der im "Investitionsprogramm 1950/52" vorgesehenen Großinvestitionen abzuschließen, die restlichen Investitionen dieser Art - von dem notwendigerweise langfristig geplanten Programm des Ausbaues der Wasserkräfte abgesehen - der Vollendung nahezubringen und zahlreiche mittlere und kleinere Investitionen durchzuführen. Das sichtbarste Ergebnis dieser Politik ist die bis Ende 1952 erfolgte erhebliche Verringerung des Handelsbilanzdefizites - bei einem gegenüber 1949 um fast 32% erhöhten Gesamtvolumen - und die durch die sehr erheblich gesteigerten Einkünfte aus dem Fremdenverkehr erfolgte weitere Herabdrückung dieses Defizits auf ein - durch die Dollarvergütungen eines Teiles der Besatzungskosten noch zusätzlich reduziertes - Mindestmaß.

[...]

Aus den vorstehenden Darlegungen ergibt sich die befriedigende Feststellung, daß durch die in den letzten drei Jahren erfolgte Produktions- und Investitionspolitik ein entscheidender Beitrag zur Gesundung der österreichischen Zahlungsbilanz erbracht werden konnte, wenngleich auch auf diesem Gebiete noch so manches zu tun übrig bleibt. Ein Blick auf die Zusammensetzung der wichtigsten österreichischen Ausfuhrwaren belehrt aber, daß die Gestaltung des österreichischen Exports noch weit von dem Idealziel entfernt ist. [...] Desgleichen ist die Produktivität der Erzeugung in den verschiedenen Sparten hinter der erfolgten Produktionsausweitung wesentlich zurückgeblieben. Im Zusammenhange damit und mit dem noch immer unbefriedigend hohen Stand der Produktionskosten einerseits wie der Verbraucherpreise andererseits [...] [ist] das Konsum- und damit das Lebenshaltungsniveau für westeuropäische Verhältnisse bedrückend niedrig. Dies und die Notwendigkeit der Unterbringung der infolge der bisherigen Investitionen frei gewordenen sowie der nach Abschluß der noch in Durchführung begriffenen Großprojekte weiter frei werdenden Arbeitskräfte macht - im Zusammenhange mit der Vorbereitung des Eintrittes in eine stärker liberalisierte und integrierte europäische Wirtschaftsgemeinschaft - neue große Anstrengungen auf produktions- und investitionspolitischem Gebiete erforderlich. [...]

Öffentliche und Counterpartmittel

[...] Ein Vergleich der Jahre 1951 und 1952 zeigt, daß in gewissen Investitionsgruppen nichtproduktiven Charakters, die im Jahre 1952 mit öffentlichen Mitteln dotiert wurden, eine beträchtliche Ausweitung eingetreten ist, während auf der anderen Seite die Stabilisierungspolitik zur Folge hatte, daß die produktiven Investitionen überall dort eingeschränkt wurden, wo nicht bereits begonnene Großprojekte zur Fortsetzung drängten oder die verhältnismäßig geringen Counterpartmittel den Beginn neuer Investitionen ermöglichten. Im Hinblick auf das im vorstehenden Absatz über den Mangel an Eigenmitteln Gesagte sowie in Anbetracht der Fortdauer der den Investitionswillen auf verschiedenen Gebieten einschränkenden Umstände wird es nicht einfach sein, ohne den entsprechenden Anreiz der Counterpartmittel die produktiven Investitionen auf der aus allgemein wirtschaftspolitischen sowie insbesondere beschäftigungspolitischen Gründen wünschenswerten Höhe zu halten.

Um einen solchen hohen Stand der produktiven Investitionen aufrecht zu erhalten, wird es notwendig sein, die für das Jahr 1953 verfügbaren Counterpartmittel in der vollen Höhe einzusetzen, da auf diese Weise ein Absinken des Investitions-Volumens unter den Stand des Vorjahres vermieden werden kann. Ein solcher Einsatz ist währungspolitisch dann unbedenklich, wenn keine inflatorischen Auftriebstendenzen durch internationale Preisentwicklung sowie durch innerösterreichische Währungs- und Kreditpolitik zu befürchten sind und wenn die sonstigen aus öffentlichen Mitteln zu bestreitenden Investitionen im ganzen nicht über das Ausmaß des Vorjahres hinausgehen. Innerhalb der einzelnen mit Counterpartmitteln zu dotierenden Investitionsbereiche wird eine geringere Dotierung als im Vorjahr bei den sich dem Abschluß nähernden Großprojekten der Grundstoffindustrien und bei der Energiewirtschaft möglich sein. Bei letzterer deshalb, da ja in einem gewissen Ausmaß auf einen Ersatz durch die von der Elektrizitätswirtschaft aufzulegende Inlandsanleihe gehofft werden kann. Deshalb wird bei den aus Haushaltsmitteln zu bestreitenden Investitionen eine gewisse Einschränkung bei den öffentlichen Bauten sowie bei der durch die Schweizer Anleihe entlasteten Postverwaltung möglich sein, während der Straßenbau und insbesondere der Wohnungsbau eher höhere Beträge zugeführt erhalten sollte. Insbesondere beim Wohnungsbau wird es jedoch möglich sein, den Einsatz der öffentlichen Mittel mit allfälligen sonstigen Finanzierungsmöglichkeiten, vor allem mit der Eigenfinanzierung der Interessenten und der Finanzierung auf dem Kapitalmarkt so zu kompensieren, daß das gesamte Wohnbauvolumen möglichst gesteigert werden kann.

Andererseits wird es nur durch einen stärkeren Einsatz von Counterpartmitteln möglich sein, auf den verschiedenen Sektoren der exportintensiven oder konsumorientierten Verbrauchsgüterindustrien jene strukturellen und preispolitischen Wirkungen zu erzielen, die nach den im vorhergehenden Abschnitt gemachten Darlegungen von entscheidender Bedeutung für die ganze wirtschaftliche Zukunft Österreichs sein werden.

Die mittleren und Kleinbetriebe dieser Industriegruppen sind auf die Counterpartmittel umso mehr angewiesen, als sie für ihre Investitionen kurzfristige Bankgelder nicht erhalten können und mehr und mehr gezwungen sein werden, ihre Gewinne für die Deckung des Betriebsmittelbedarfes zur Verfügung zu halten.

Im übrigen wird ein beträchtlicher Teil der Counterpartmittel auch in diesem Jahre für die der Förderung der Produktivität dienenden, im vorstehenden näher gekennzeichneten Aktionen der Land- und Forstwirtschaft sowie des Fremdenverkehrs verwendet werden müssen.

Die große Aufgabe der österreichischen Bundesregierung wird es bei der sich für 1953 abzeichnenden internationalen Konjunkturnormalisierung sein, das gesamte Investitionsvolumen zur Erhaltung eines hohen Beschäftigungsstandes gegenüber 1952 nicht absinken zu lassen. Während die Eigenfinanzierung der Wirtschaft in vielen Sparten zurückgehen dürfte, beginnen Geld- und Kapitalmarkt diese Verminderung auszugleichen. Das Counterpart-Investitionsprogramm wird mit Hilfe des Einsatzes aller Rückflüsse und Zinszahlungen auf der Höhe des Jahres 1952 gehalten werden können, wenn es nicht so wie im Vorjahr aus währungspolitischen Gründen eingeschränkt werden muß. [...]

Österreichs Stellung in der EPU - Liberalisierung des Außenhandels

Österreich genießt bisher als struktureller Schuldner in der EPU eine gewisse Ausnahmestellung. Die Defizite Österreichs gegenüber der EPU wurden in den letzten Jahren von den USA in der Form von Initial Positions bzw. von Special Resources größtenteils bezahlt. Im Jahre 1951, als die von den USA zur Verfügung gestellten Mittel nicht ausreichten, mußten zur Deckung des Defizits auch Bestände der Österreichischen Nationalbank in der Höhe von 17 Mio $ herangezogen werden. Infolge der günstigen Entwicklung der österreichischen Zahlungsbilanzsituation gegenüber der EPU seit Juli 1952 wurden diese 17 Mio $ von der EPU an die Nationalbank rückvergütet; darüber hinaus hat Österreich der EPU auch noch Kredite gewährt, deren Höhe Ende März 1953 etwas über 10 Mio $ betragen hat. Die Sonderstellung Österreichs bezieht sich auch auf die Rechte und Pflichten der Mitgliedstaaten der europäischen Zahlungsunion. Die Kreditquote, die Österreich auf Grund des Volumens seines Außenhandels in der Höhe von 70 Mio $ eingeräumt worden war, blieb gesperrt. Österreich konnte - da es von den USA Hilfe bezog - von der EPU keine Kredite in Anspruch nehmen. Demgegenüber mußte jedoch Österreich auf Grund des Artikel 3 d des Liberalisierungscodex seine Importe nicht liberalisieren, während es anderseits aus der in den meisten anderen Mitgliedstaaten der EPU gehandhabten Liberalisierung weitgehend Nutzen zog. Die Sperre der österreichischen Quote in der EPU, die bis zum 30.6.1953 läuft, bezog sich nur für Österreich in seiner Eigenschaft als struktureller Schuldner. Im August 1952, als die Sperre vom Rat der OEEC beschlossen wurde, konnte nicht vorausgesehen werden, daß Österreich namhafte Überschüsse in der EPU werde erzielen können. Die Gläubigerquote war also nicht gesperrt worden und Österreich kam, als es nach Rückzahlung der im Jahre 1951 in die EPU eingezahlten 17 Mio $ Gläubiger der EPU wurde, seiner Verpflichtung zur Kreditgewährung an die EPU bedingungslos nach.

Im Verhältnis Österreichs zur EPU kann angenommen werden, daß Österreichs Eigenschaft als struktureller Schuldner infolge der zunehmenden Stärkung seines Wirtschaftspotentials überwunden ist und daß Österreichs Zahlungsverkehr mit der EPU ungefähr ausgeglichen sein wird. Österreich müßte daher imstande sein, ab 1.7.1953 als vollwertiges Mitglied in der EPU-Mechanik teilzunehmen. Die Stellung als Vollmitglied der EPU wird es Österreich ermöglichen, erforderlichenfalls Kredite von der EPU in Anspruch zu nehmen, wird jedoch Österreich gleichzeitig auch dazu zwingen, den Verpflichtungen hinsichtlich der Liberalisierung des Außenhandels wenigstens einigermaßen nachzukommen. Eine diesbezügliche Empfehlung an Österreich ist im 4. Bericht der OEEC enthalten und es wird dringend notwendig sein, in Österreich eine vorsichtige, in Etappen vorzunehmende Einführung der Liberalisierung vorzubereiten, die in ihrer Handhabung der besonderen geographischen Lage Österreichs wird Rechnung tragen müssen. Für die in Etappen einzuführende Liberalisierung wird man in den Kreisen der OEEC zweifellos Verständnis finden, da sich Österreich auf den Artikel 3 a des Liberalisierungs-Codex beziehen kann, der eine beschränkende Liberalisierungsverpflichtung für wirtschaftlich schwächere Staaten vorsieht. Die Einführung der Liberalisierung in Österreich sollte mit einem Liberalisierungssatz von 40 bis 50% begonnen werden unter Einbeziehung von z.B. Kohle, Futtergetreide, einigen Rohstoffen wie Baumwolle und Wolle, sowie einigen Maschinen. [...]

Österreichs Verhältnis zur Montan-Union

Der gemeinsame Markt für Kohle und Stahl wird früher oder später auf die österreichische Wirtschaft bedeutende Rückwirkungen haben. Ein formeller Beitritt Österreichs ist im Hinblick auf gewisse außenpolitische Schwierigkeiten nicht möglich, doch müßte eine offizielle österreichische Vertretung bei der Hohen Behörde geschaffen und bilaterale Sondervereinigungen zwischen der Hohen Behörde und Österreich abgeschlossen werden, wodurch Österreich auch ohne formellen Beitritt in den Genuß der Rechte der Mitgliedstaaten der Montan-Union kommt, allerdings auch deren Pflichten übernehmen müßte. [...]

Probleme des Osthandels

Infolge seiner geographischen Lage kommt dem Osthandel in Österreich eine besondere Bedeutung zu. Für eine stärkere Abriegelung des Osthandels wird mit einer noch so forcierten Ausweitung des Westhandels niemals ein voller Ausgleich hergestellt werden können. Grundsätzlich muß sich daher Österreich für eine Ausweitung des Osthandels - auch mit Sowjetrußland - einsetzen, allerdings unter der Voraussetzung, daß von den Vertragsstaaten eine Garantie für die Einhaltung der übernommenen Verpflichtungen geboten werden kann. Die außerordentlich großen Schwierigkeiten im Warenaustausch Österreichs mit den Oststaaten infolge der Unsicherheit in der Lieferbereitschaft der Vertragsstaaten, sind bekannt. Österreich wird daher mit allem Nachdruck auf der Erfüllung der Handelsvertragsverpflichtungen durch die Oststaaten bestehen müssen. Gleichzeitig wird es notwendig sein, bei den Amerikanern mehr Verständnis in der Handhabung der Bestimmungen des Battle Bill zu erreichen. Dies umso mehr, als in den letzten Monaten Österreich in dieser Hinsicht als wirtschaftlich schwacher Staat im Vergleich mit der weitaus toleranteren Behandlung der Engländer, Franzosen, Italiener usw. zweifellos diskriminiert und damit geschädigt wurde. Vor allem wird auf die Lieferung von hochwertigen landwirtschaftlichen Produkten (Brot- und Futtergetreide) zu angemessenen Preisen durch den Osten zu drängen sein, welche von Österreich durch die Lieferung gleichwertiger Waren - allerdings gleichfalls zu angemessenen und im Vergleich zu den Preisen der landwirtschaftlichen Produkte nicht überhöhten Preisen - unschwer bezahlt werden könnten, dadurch würde sich die dringend erwünschte Möglichkeit ergeben, das strukturelle Defizit gegenüber der Dollarzone, das hauptsächlich durch den notwendigen Einkauf von Brot- und Futtergetreide verbleibt, entsprechend zu vermindern. Anläßlich der etwaigen Vereinheitlichung der Wechselkurse wird das Problem der Preisbildung im Osthandel besonders aktuell. Ostexporteure, die bei der jetzigen Preisbasis im Verrechnungsverkehr mit dem Osten schon günstiger abschneiden als Westexporteure, würden durch den höheren Kurs des Verrechnungs-Dollars, der auch im Osthandel Anwendung finden müßte, eine zusätzliche Prämie erhalten, während die jetzt schon zu teuren Ost-Importe weiter verteuert würden; dadurch dürfte eine weitere Schrumpfung des Volumens unvermeidlich sein. Es wird daher zur Diskussion gestellt, ob eine andere Lösung gefunden werden kann als eine zentralisierte Außenhandelsabwicklung mit den entsprechenden Oststaaten.

Schließlich müßte in Verhandlungen mit den Amerikanern auch das derzeitige System abgeschafft werden, wonach gewisse Exporte, sogar in EPU-Ländern, eine Kontrolle der Amerikaner in Wien unterliegen, mit dem Zweck, festzustellen, in welcher Weise diese Lieferungen in den betreffenden Empfangsländern verwendet werden. [...]

Quelle: Archiv des Karl von Vogelsang-Instituts Wien (AKVI), BKA/ERP-Bestand 1953.


Dokument 9

Gesamtbericht "Österreich am Anfang des Jahres 1960" [mit einem Rückblick auf den Entscheidungsprozeß 1955] der Botschaft der Bundesrepublik Deutschland Wien, Mueller-Graaf an das Auswärtige Amt, 1.2.1960

[...]

5. Die österreichische Neutralität

Es steht für jeden, der die Dinge nicht zu verfälschen gedenkt, eindeutig fest, daß die Übernahme der militärischen Neutralität durch Österreich der Kaufpreis für den Abzug der Sowjettruppen war. Raab hat mir gegenüber damals (ebenso wie gegenüber dem amerikanischen (Thompson), britischen (Wallinger) und den französischen (Chauvel) Botschafter) in seiner knappen Art wiederholt vertraulich bemerkt, daß es bei der Neutralität darauf ankomme, die Sowjets aus dem Lande zu kriegen, "nachher sei ohnehin eh alles anders" und im Ernstfall würde Österreich immer auf der Seite des Westens stehen.

Wenn Ende 1959 eine Auseinandersetzung darüber entbrennen konnte, ob die Neutralität "aufgezwungen" oder "freiwillig" sei und sogar Raab etwas orakelhaft wohl im letzteren Sinn Stellung nahm ("Die Neutralität ist mehr wert als ein Linsengericht"), so scheint dies nicht ohne Bedeutung. Sicher ist es ein Streit um Worte, ob der Kaufpreis der Neutralität von den Österreichern angeboten oder von den Sowjets gefordert worden ist. (Diese Frage wird geschichtlich schwer zu entscheiden sein, da vieles in Dunkel gehüllt ist. Wahrscheinlich ist der Gedanke, die Sowjets gegen eine Neutralität Österreichs aus dem Lande zu bekommen, zwischen den damaligen Außenminister Gruber und Nehru Anfang [sic!] 1953 in der Schweiz erörtert worden. Fest steht, daß Figl am 16. Februar 1954 als Außenminister am Ende der scheinbar erfolglos ausgehenden Berliner Konferenz eine Erklärung abgab, die eindeutig die Bereitschaft Österreichs zur Übernahme der Neutralität gegen Räumung ausdrückte. Die wichtigsten Gespräche dürften damals in der Berliner Sowjet-Botschaft begonnen haben und anschließend bis zum Frühjahr 1955 vom österreichischen Botschafter in Moskau fortgeführt worden sein. Als die österreichischen Delegation am 13. April 1955 nach Moskau abflog und den westlichen Botschaftern ebenso wie mir die Versicherung abgab, waren die Geheimverhandlungen des Botschafters Bischoff in Moskau so weit fortgeschritten, daß ein positives Ergebnis gesichert erschien.)

Raab war sich 1955 über die Möglichkeit einer Neutralität Österreichs durchaus im klaren. Er wußte, daß Neutralität das Gleichgewicht der Mächte voraussetzt, wie dieses von jeher die reale Voraussetzung der schweizerischen Neutralität war und ist. Er wußte, daß dieses Gleichgewicht in einem eminenten Maß davon abhing, daß die Bundesrepublik mit ihrer ganzen Potenz eindeutig auf der westlichen Weltseite blieb und eine militärische Verteidigung Europas im Ernstfall ermöglichte. Er zitterte einige Augenblicke 1955 davor, daß die Bundesrepublik ihrerseits sowjetischen Sirenentönen von der Neutralität erliegen könne. Er vertraute allerdings darauf, wir es mir in seinen Gesprächen damals zum Ausdruck brachte, daß die Bundeskanzler Adenauer sich nicht von seiner Linie würde abbringen lassen, und dieser Glaube gab ihm Mut, seinerseits für den Abzug der Sowjettruppen den Kaufpreis der Neutralität zu zahlen. (Ob der Kaufpreis von österreichischer Seite vielleicht mit dem lockenden Hinweis angeboten wurde, daß die Sowjets dadurch die Neutralisierung Mitteleuropas einleiten könnten, ist eine Frage zweiter Ordnung. Die österreichische Kunst, die Sowjets mit falschen Hoffnungen zu einem für Österreich günstigen Handeln zu veranlassen, hatte schon in der Wiege der Zweiten Republik die entscheidende Rolle gespielt. Sie entstand bekanntlich unter initiativer Berufung der provisorischen Regierung Renner-Figl [sic!] auf der Moskauer Deklaration in erster Linie mit Hilfe der Sowjets, denen die drei Westalliierten erstaunt und widerwillig folgen mußten. Die Hoffnung der Sowjets, im Parlament des neu entstandenen Staates eine starke kommunistische Partei vorzufinden und damit kurz und über lang wie in Prag und Budapest das Land von innen heraus dem Sowjetblock einzufügen, trog dann bekanntlich.)

Die 1955 übernommene Neutralität war für seine Erfinder ein fragwürdiges Gebilde, weil außer ihrer - allerdings wesentlichsten - Voraussetzung , dem (mit Hilfe der Bundesrepublik bestehendem) Weltgleichgewicht, die anderen Voraussetzungen für Neutralität, nämlich Gesinnung und Verteidigungsfähigkeit, zunächst fehlten.

Ließ damals Raab den westlichen Vertretern die Neutralität in hingeworfenen Bemerkungen gern als ein Trick erscheinen, um die Sowjets zu überlisten, so dürften ihm doch wohl schon damals noch einige andere Aspekte vorgeschwebt haben. Die Übernahme der Neutralität schied in einer den österreichischen Grundempfindungen nicht unsympathischen Weisen die Politik der Republik Österreich für unabsehbarere Zeit von derjenigen der Bundesrepublik. Sie eröffnete zugleich neue Aspekte für die seit 1918 in Wien niemals erloschenen Tendenzen, in neuer Form wieder zu einem intergrierenden und ausstrahlenden Faktor im Donauraum zu werden.

Wenn nun heute Raab, Kreisky und andere politische Persönlichkeiten Wert darauf legen, die österreichischen Neutralität als "freiwillig" und nicht etwa als unter dem "Druck" der Sowjets übernommen hinstellen, so zeigt sich in dieser scheinbar zweitrangigen Frage in charakteristischer Weise der Wandel der inneren und äußeren Situation, der sich zwischen 1955 und 1960 vollzogen hat. Die Neutralität von 1955 entstand in einer starken Spannung zwischen Ost und West, während die Neutralität von 1960 eine Entspannung der beiden Welthälften zum Hintergrunde hatte. Konnte Österreich im Stadium der Spannung damit rechnen, daß ein sowjetischer Übergriff, auch wenn er als innerpolitischer Vorgang getarnt worden wäre, mit Sicherheit den Krieg auslösen mußte, so ist dies im Stadium der "Koexistenz" zweifelhaft geworden. Damit fällt am Ballhausplatz das Gefühl, als Schutzmittel mehr denn je eines guten Verhältnisses zum Osten zu bedürfen.

"Aktive Neutralität", wie sie im Vorbericht dargestellt wurde, war bis zur Moskaureise Schärfs und Kreiskys im Oktober 1959 (Kreiskys erste Reise als Außenminister) der - von Raab so formuliert - Grundgedanke der österreichischen Außenpolitik. Österreich wollte aus einer "ihrer selbst sicheren, unerschütterlichen inneren Standfestigkeit" heraus, die bei Figl unbedingt vorhanden war, eine "Bereitschaft zu offenem und freundlichem Kontakt nach allen Seiten" [...] üben. Diese fand z. B. in der Zulassung des Sudetendeutschen Tages zu Pfingsten und der VII. Weltjugendfestspiele im Sommer in Wien ihren praktischen Ausdruck. Raab sprach in diesen Zusammenhängen vom "Missionieren", er faßte "aktive Neutralität" damals als ein aktives geistiges Auseinandersetzen - vom Standpunkt der freien Welt - mit dem Osten auf. "Nicht mit Gewalt, sondern mit den Waffen des Geistes wird erreicht werden können", sagte er, "daß unsere Brüder im Osten eines Tages wieder die Freiheit ihrer Gesinnung gewinnen" [...]. Dieser Missionierungswille Raabs hatte den Traum von Wien als ausstrahlendem Mittelpunkt eines freien Donauraumes zum Nährboden und war himmelweit verschieden von einem Bestreben, Moskau über die militärische Neutralität hinaus etwa geistig etwas zu Gefallen zu tun. Darum konnte im Vorbericht [...] noch zu Recht gesagt werden, es bestehe keine Gefahr, daß Österreich aus sich heraus nach dem Osten abgleite. Leider läßt sich Anfang 1960 diese Aussage nicht mehr mit gutem Gewissen wiederholen.

Quelle: Politisches Archiv des Auswärtigen Amtes Bonn (PAAA), Ministerbüro, Band 54, Bericht Nr. 20/60 VSV aus Wien vom 1.2.1960 - Pol 203.


Dokument 10

Schreiben Zl. 574.018-GS/58 des Generalsekretärs Josef Schöner an den Bundesminister für die Auswärtigen Angelegenheiten, Dr. h.c. Ing. Leopold Figl/New Dehli, 5.3.1958

Hochverehrter Herr Bundesminister!

Seit Ihrer Abreise sind hier keine besonders wichtigen Ereignisse eingetreten, doch gestatte ich mir trotzdem, Ihnen hiermit einiges zu berichten, das, wie ich hoffe, Ihr Interesse finden wird:

Die Aussichten für die Errichtung einer Freihandelszone scheinen sich nach den vorliegenden Berichten aus Paris laufend zu verschlechtern. Das Französische Memorandum über die FHZ verlangt unter anderem Sonderabmachungen für mehrere Wirtschaftsbranchen, eine Terminverschiebung um drei Jahre und die Einführung von Ausgleichstaxen und sonstige Produktionsmaßnahmen. Die Delegationen der elf nicht der EWG angehörigen Länder haben wegen der sich daraus ergebenden Diskriminierung scharf negativ reagiert. Die Franzosen versuchen, ihr Memorandum als gemeinsames Memorandum der "Sechs" dem Maudling-Komitee vorzulegen. Wenn die übrigen fünf Regierungen der EWG das Memorandum akzeptieren, so würde dies nach allgemeiner Auffassung wohl das Ende des Planes der Freihandelszone bedeuten. Im übrigen scheinen die Franzosen (Alphand, Réné Mayer, Monnet u.a.) in Washington laufend gegen das bisherige Freihandelszonenprojekt, das sie als Störung der EWG darstellen, zu intrigieren. Die Schweiz hat schon auf diplomatischem Wege dieser Propaganda im State Department entgegengewirkt und auf das große Interesse der Schweiz an der Freihandelszone hingewiesen. Wir werden voraussichtlich das Gleiche tun.

Der Herr Bundeskanzler hat die Idee eines Anschlusses Österreichs an die EWG erwogen und mit Vizekanzler Pittermann besprochen. Es hat sich jedoch ergeben, daß ein solcher Schritt für Österreich, abgesehen von wirtschaftlichen Gesichtspunkten, politisch unmöglich und mit unserer Neutralität kaum vereinbar wäre. Die Schweiz hat bekanntlich alle Anregungen eines Beitritts zur EWG dezidiert abgelehnt und die Sowjets brauchten gegen uns nur mit den Schweizer Argumenten zu polemisieren. Ich bitte Sie, das Vorstehende, von welchem nur fünf Personen wissen, als streng geheim und nur zu Ihrer persönlichen Information bestimmt, zu betrachten.

Botschafter Lapin ist am 28. Februar aus Moskau zurückgekehrt und hat den Monat Juli als Termin für den Besuch in Moskau vorgeschlagen. Wie Sie wohl bereits wissen werden, hat der Herr Bundeskanzler zugestimmt. Es wurde die Woche vom 13.-20. Juli in Aussicht genommen.

Herr Lapin hat auch auf einem baldigen Abschluß der geplanten österreichisch-sowjetischen Konsularkonvention insistiert, deren Unterzeichnung man offensichtlich im Juli aus Anlaß des Besuchs durchführen möchte.

Bischoff telegraphiert, daß Thompson einigermaßen skeptisch sei, ob es angesichts der schwierigen Vorbereitung innerhalb der amerikanischen Regierung und zwischen den westlichen Alliierten möglich sein werde, den vorgeschlagenen Apriltermin für die Außenministerkonferenz und den in dem Memorandum an Eisenhower proponierten Junitermin für die Gipfelkonferenz einzuhalten. Er habe ferner den Eindruck, daß von russischer Seite die Beziehungen neutraler Staaten zur Außenministerkonferenz wohl begrüßt würde, aber nicht unbedingt gefördert werde. Vielmehr soll dem Westen das allfällige Odium einer Ablehnung der Neutralen zugeschoben werden.

Der Herr Bundeskanzler hat verfügt, daß der Notenwechsel mit dem heiligen Stuhl in der Konkordatsfrage ehestmöglich veröffentlicht werden soll. Nach nochmaliger Rückfrage bei Botschafter Kripp, in der die Zustimmung zur Veröffentlichung des gesamten Textes durch den Vatikan neuerlich festgestellt wurde, wird der Notenwechsel morgen, den 6. März veröffentlicht werden. Die Wiener Nuntiatur, die hierüber von Rom aus noch nicht informiert schien, wurde in Kenntnis gesetzt.

Bobleter berichtet aus Luxemburg, daß Italien uns gegenüber jede Konzession in der Frage der Stahlzölle abgelehnt hat. Es beruft sich dabei darauf, daß Österreich seine vor fast zwei Jahren auf dem Zollgebiet versprochenen Konzessionen gegenüber Italien nicht eingehalten habe, was leider richtig ist, da wir dies mangels eines Zolltarifs einfach nicht tun konnten.

Unsere Verhandlungen mit den Vertretern der italienischen Botschaft gehen langsam und zähe vorwärts. Von großen Fortschritten kann man nicht reden, doch ist es immerhin nützlich, daß verschiedene Papiere auf Einzelgebieten erarbeitet und Punkte, über die man sich einigen konnte, schriftlich festgelegt werden. [...]

Ich hoffe, daß Sie, sehr verehrter Herr Bundesminister, die Anstrengungen Ihrer Reise bisher gut überstanden haben und daß Sie neben den vielen offiziellen Anlässen doch ein wenig Gelegenheit finden, von den interessanten Ländern selbst etwas zu sehen.

Ich bitte Sie, hochverehrter Herr Kanzler, meine besten Grüße und Empfehlungen entgegennehmen zu wollen und verbleibe mit dem Ausdruck meiner vorzüglichsten Hochachtung

Ihr stets ganz ergebener Josef Schöner

Quelle: Niederösterreichisches Landesarchiv, Wien, Nachlaß Leopold Figl, Karton 57, "Diverses".