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24.07.1961, Bericht über die Kampf- und Einsatzbereitschaft der Kräfte des Präsidiums der Deutschen Volkspolizei in Berlin


24.07.1961, Bericht über die Kampf- und Einsatzbereitschaft der Kräfte des Präsidiums der Deutschen Volkspolizei in Berlin

Abteilung für Sicherheitsfragen
ZK der SED
Geheime Verschlußsache
3 Exemplare

1. Übersicht über die vorhandenen Kräfte des Präsidiums der Deutschen Volkspolizei in Berlin
2. Der innere Zustand in den Dienststellen der Deutschen Volkspolizei in Berlin
3. Einige Probleme der polizeilichen Lage in Berlin
4. Welche Maßnahmen sind zur Erhöhung der Kampf- und Einsatzbereitschaft notwendig

1. Übersicht über die vorhandenen Kräfte des Präsidiums der Deutschen Volkspolizei Berlin

Auf Beschluß des Nationalen Verteidigungsrates vom 9.5.61 wurden zur Erhöhung der Sicherheit in Berlin und Sicherung der Grenze zwischen Westberlin und dem demokratischen Berlin folgende Aufgaben gestellt:

a) Bildung eines Sicherungskommandos beim Präsidium Berlin, mit einer Gesamtstärke von 1.500 Mann. Dem Sicherungskommando obliegen folgende Aufgaben
– Schutz der Grenze zwischen Westberlin und dem demokratischen Berlin;
– Polizeiliche Kontrolle des Personen- und Fahrzeugverkehrs an allen Übergängen von und nach Westberlin;
– Organisierung der Tiefensicherung entlang der gesamten Grenze durch Einsatz von Posten und Streifen.
Das Sicherungskommando ist entsprechend des bestätigten Stellen- und Ausrüstungsplanes personell und materiell aufgefüllt. Vom Gesamtbestand sind 33% Mitglieder der Partei und 90% Mitglieder der Freien Deutschen Jugend.
Durch die Bildung des Sicherungskommandos und dem damit verbundenen Einsatz von älteren, erfahrenen Genossen sowie von vier ständig im Dienst befindlichen Schnellkommandos wurde eine wirksamere Sicherung der Grenze erzielt.

b) Bildung einer Mot.-Brigade der Bereitschaftspolizei mit einer Gesamtstärke von 3.951 Mann.
Die Mot.-Brigade gehört zur Einsatzreserve der Einsatzleitung Berlin. Der Stellenplan ist bis auf 29 Offiziere, 75 Unterführer und 150 Wachtmeister aufgefüllt. Das sind 8 bis 10% Fehlstellen. Die Offizierskader sind 98% Mitglieder der SED, Unterführer 15% und Wachtmeister 8% bzw. FDJ 80%.
Die Mot.-Brigade ist auf Grund der personellen Zusammensetzung und materiellen Ausrüstung einsatzbereit. Bei der Ausrüstung ist aber zu bemerken, daß sie bei
Panzerbüchsen PG-2 66,6%
Nachrichtentechnik 61,0%
Pioniertechnik 45,0%
Spreng- und Zündmittel 19,0%
Chemische Dienste 33,0%
beträgt und in entscheidenden Positionen größeren Einsatzbedingungen nicht voll genügt.
Da die Aufstellung der Mot.-Brigade Berlin in der Hauptsache durch Zuführung mit Kräften aus dem Bestand der Bereitschaftspolizei erfolgte, sind die Einheiten der Bereitschaftspolizei in den Bezirken der Republik gegenwärtig nicht in der Lage, die ihnen gestellten Aufgaben zu erfüllen. Sie haben eine durchschnittliche Besetzung von 70%.

c) Als weitere Aufgabe wurde die maximale Beseitigung der Fehlstellen in den Volkspolizei-Inspektionen und Erhöhung der Ordnung und Sicherheit im Stadtgebiet gestellt.
Durch die Zuführung von insgesamt 822 Offizieren, Unterführern und Wachtmeistern aus dem Bestand der ehemaligen Bereitschaften des Präsidiums Berlin konnten die Fehlstellen weitgehendst aufgefüllt werden. Zur Lösung der Aufgaben der Ordnung und Sicherheit stehen gegenwärtig 7.454 Mann dem Präsidium der Deutschen Volkspolizei bzw. den Volkspolizei-Inspektionen zur Verfügung.

2. Der innere Zustand in den Dienststellen des Präsidiums der Deutschen Volkspolizei Berlin
Durch die Leitung des Präsidiums, den Volkspolizei-Inspektionen, Politorganen und Parteiorganisationen wurde bisher eine große Initiative bei der Durcharbeitung der Dokumente des 13. Plenums des Zentralkomitees und der 18. Volkskammertagung entwickelt.
In Aktivtagungen der Grundorganisationen, Seminaren und Beratungen wurden die Hauptfragen behandelt und die eigenen Aufgaben herausgearbeitet. Es gibt auch nicht wenig Anstrengungen, um bis nach unten bei jedem Wachtmeister voll Klarheit zu schaffen.
So wurden alle leitenden Offiziere des Präsidiums beauftragt, in den Volkspolizei-Inspektionen und im Bereich des Sicherungskommandos die politische Arbeit zu unterstützen.
Wenn sich die politische Arbeit und Erläuterung der Grundfragen bis vor einigen Wochen mehr oder weniger nur auf größere Foren, auf Beratungen, Versammlungen, Schulungen beschränkte, so versteht man jetzt schon besser die tägliche, individuelle Arbeit mit den Genossen zu organisieren. Zu den auftretenden Unklarheiten und Fragen der Genossen wird bereits schneller reagiert und geantwortet.
Die überwiegende Anzahl der Offiziere und Wachtmeister zeigt eine große Aufgeschlossenheit und richtige Erkenntnisse über den Abschluß eines Friedensvertrages, der Lösung der Westberlin-Frage und der Maßnahmen zur allseitigen Stärkung und Festigung unserer Republik.
Es gibt eine Vielzahl von Beispielen konkreter Verpflichtungen und hoher Einsatzbereitschaft.
Diese Feststellung kann jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, daß bei einer Reihe Genossen noch falsche, unklare Vorstellungen und Auffassungen zu diesen Fragen vorhanden sind und noch nicht überzeugend genug Klarheit geschaffen wurde. Eine Reihe Offiziere und Wachtmeister bringen ihre Meinung zu politischen Problemen nicht offen zum Ausdruck, sondern diskutieren sie im internen Kreis.
Die wesentlichen Unklarheiten drücken sich in folgendem aus:
„ …, daß der Abschluß eines Friedensvertrages die Gefahr eines Krieges erhöht … die Spaltung Deutschlands vertieft …“;
„ … die Lösung des Westberlin-Problems ist mit Krieg verbunden“;
„ … mit dem Friedensvertrag sich in Westdeutschland und Westberlin nichts ändert …“; „ … die Störtätigkeit fortgesetzt wird …“;
„ … die Westmächte ihre Rechte und Positionen in Westberlin nicht freiwillig aufgeben werden …“;
„ … wenn die Westmächte aus Westberlin abziehen, dann nur im Austausch mit Teilen von Thüringen und Sachsen …“;
„ … Nach Abschluß eines Friedensvertrages werden die Grenzen mit Volkspolen neu geregelt, da im Potsdamer Abkommen nur von einer provisorischen Grenze die Rede ist …“;
„ … Vorschläge wurden schon viele gemacht und auch Konferenzen, wo viel geredet wird“;

Es gibt auch offensichtlich negative Auffassungen, die durch Einfluß des Rias, Westfernsehen u.ä. hereingetragen werden.

„ … mit diesen Vorschlägen soll Westberlin unter Druck gesetzt werden …“;
„ … das Westberlin-Problem wird übertrieben …“;
„ … die Vorschläge gehen nicht von einer realen Einschätzung der Lage aus …“;
„ … die Versorgungslage ist schlechter als je zuvor und daß es mit unserem Aufbau nicht vorwärts geht.“
„ … ganz Berlin müßte zu einer freien Stadt werden, nur so könnte der Zankapfel beseitigt werden …“;
„ … bei uns sei jeder zweite, einschließlich Kampfgruppen, bewaffnet und das hätte nichts mit der Einhaltung des Potsdamer Abkommens zu tun.“

Durch diese Einflüsse werden in vereinzelten Fällen auch politische Witze erzählt und verbreitet, ohne daß sofort und energisch dagegen aufgetreten wird.
Auch in anderen Grundfragen treten nach wie vor Unklarheiten, bestimmte Schwankungen auf.

„ … ich bestrafe lieber einen Intelligenzler als 3 Arbeiter, denn wir haben ja einen Arbeiter- und Bauern-Staat“;
„ … gegenüber der Intelligenz hat die Partei einen weichen Kurs“;
„ … bei Gesetzesverletzungen von Intelligenzlern ist eine neue Ausrüstung notwendig. Man muß einen gekühlten Blumenstrauß und Laufteppich bereithalten“;

Einige Genossen der Kriminalpolizei im Präsidium sagten, daß die auf der letzten Berliner Parteiaktivtagung aufgedeckten Entstellungen der Politik gegenüber den Mittelschichten der bisherigen Politik der Partei entsprachen.
Die auftretenden Versorgungsschwierigkeiten werden vielfach vom Standpunkt einer „Fehlerdiskussion“ und negativen Stimmungen eingeschätzt.
Diese Unklarheiten, auftretenden Fragen, aber auch negativen Einflüsse zeigen, daß die ideologisch-politische Erziehungs- und Überzeugungsarbeit noch nicht offensiv und zielstrebig genug geführt wird.
Bei diesen auftretenden Unklarheiten wird in der Diskussion auch vielfach ausgewichen und nicht sofort offensiv und überzeugend geantwortet.
Eine Reihe Genossen unterliegen noch durch Abhören des Rias, Westfernsehen, den unmittelbaren Einflüssen des Nervenkrieges aus Westberlin und man kann nicht sagen, daß in allen Dienstschichten, Parteigruppen usw. eine echte Kampfatmosphäre dagegen vorherrscht.
Eine Reihe Parteiorganisationen sind nicht stark genug, um diesen auftretenden Einflüssen sofort entgegen zu wirken und die notwendige Klarheit zu schaffen.
Ein Zurückbleiben in der politischen und polizeilichen Arbeit zeigt sich vor allem in kleineren Dienststellen, wie z.B. Revieren, Betriebsschutzkommandos, Untersuchungshaftanstalten und Feuerwehrkommandos. In diesen Dienststellen konzentrieren sich die meisten Unklarheiten, Schwankungen, zum Teil Unglauben an den Sieg des Sozialismus.
Die Anstrengungen der Offiziere, des Politorgans und der Parteiorganisationen sind noch nicht darauf gerichtet, auf allen Ebenen eine ständige, zielstrebige Arbeit mit den Menschen zu gewährleisten. Die Aufklärungs- und Erziehungsarbeit trägt noch zu sehr sporadischen und kampagnemäßigen Charakter.
Eine Reihe Offiziere fühlen sich noch nicht voll verantwortlich für die ideologisch-politische Arbeit und betrachten das als eine Sache der Parteiorganisationen.
Vielen dieser Offiziere und Vorgesetzten sind deshalb die tatsächlichen Einstellungen ihrer Genossen, ihre persönlichen Probleme nicht bekannt. Dadurch wird auch das Verhältnis der Offiziere zu den Wachtmeistern bzw. Untergebenen beeinträchtigt.

Was den allgemeinen disziplinaren Zustand betrifft, so ist eine Senkung der Disziplinarverstöße, der Verbrechen und Vergehen im Amt zu verzeichnen.
Wenn auch die Bestrafungen und Parteiverfahren insgesamt eine rückläufige Tendenz haben, so sind doch 705 Bestrafungen und 38 Parteiverfahren im I. Halbjahr immer noch sehr hoch.

Die ernsteste Erscheinung des inneren Zustandes ist nach wie vor die hohe Anzahl der Desertionen.
In diesem Jahr desertierten bisher
39 ehemalige VP-Angehörige, davon
3 Offiziere
12 Mitglieder der SED und
26 Mitglieder der FDJ.
Bei der Untersuchung der Ursachen der Desertionen wurden eine Reihe ernster Mängel, Erscheinungen des Liberalismus, Sorglosigkeit, moralische Versumpfung, Verletzung der Wachsamkeit usw. aufgedeckt.
Im Untersuchungsbericht der Desertion des ehemaligen Leutnant Helbig, Mitarbeiter der Abteilung Kriminalpolizei des Präsidiums der Deutschen Volkspolizei Berlin, kommt zum Ausdruck, daß er mit einer großen Anzahl Frauen intime Beziehungen unterhielt und es in seinem Wohnhause wiederholt zu Streitigkeiten zwischen Frauen kam, die sich von ihm betrogen fühlten.
Diese Umstände waren in der zuständigen Abteilung im Präsidium der Deutschen Volkspolizei Berlin bekannt. Trotzdem wurde er zum 1. Juli 1961 zur Beförderung vorgeschlagen, ohne daß im Vorschlag diese Tatsachen vermerkt wurden.
Bei dem ehemaligen VP-Angehörigen Siebenhaar war bekannt, daß seine Ehefrau, Tochter, Stieftochter häufig in Westberlin verkehrten. Von den verantwortlichen Genossen der Volkspolizei-Inspektion wurde eine grobe Sorglosigkeit gezeigt.

Die Ursachen der auftretenden Disziplinarverstöße, wie z.B. schlechte Dienstdurchführung, Befehlsverweigerung, moralische Verstöße u.a. liegen in erster Linie in der ungenügenden Arbeit mit den Menschen durch die unmittelbaren Dienstvorgesetzten sowie ungenügender Überzeugungs- und Erziehungsarbeit in der gesamten ideologisch-politischen Arbeit begründet.

In der Disziplinarpraxis ist ein bestimmter Schematismus zu verzeichnen und die erzieherischen Mittel und Arbeit stehen nicht im Mittelpunkt. Teilweise ist auch ein unzulässiger Liberalismus vorhanden.

3. Einige Probleme der polizeilichen Lage in Berlin

In der Entwicklung der Gesamtkriminalität im II. Quartel 1961 zeigt sich gegenüber dem I. Quartal 1961 bei den bekannt gewordenen strafbaren Handlungen eine Steigerung von 9,4%.

Gegenüber dem gleichen Zeitraum des vergangenen Jahres zeigt sich zwar noch eine rückläufige Tendenz, aber es gibt bei einigen Delikten ein echtes Ansteigen.
Charakteristisch dafür sind einige Schwerpunkte:
bei Verbrechen gegen das sozialistische Eigentum von 499 auf 532 Delikte
Sittendelikte von 129 auf 147
Körperverletzungen von 94 auf 136
Raubüberfälle von 13 auf 19
Diebstähle und Unterschlagungen von 529 auf 638
schwere Verkehrsunfälle von 189 auf 291

Bei den unbekannten und bekannten Fällen staatsgefährdender Hetze und Propaganda (Schmieren von Hetzlosungen, anonymer Briefe, mündliche Hetze) ist ein Ansteigen von 44 auf 63 Fälle zu verzeichnen.

Konzentrationsschwerpunkt war der Bezirk Friedrichshain und auf Bahnhöfen und in S-Bahnzügen.

Provokatorischen Charakter, die zu feindlichen Handlungen ausgenutzt werden können, trugen Forderungen nach Lohn- und Gehaltserhöhungen
im Kraftwerk Klingenberg
BVG Elektrowerkstatt Rudolphstraße
VEB Funkwerk Köpenick
VEG Buch
DEWAG Berlin-Mitte
Humboldt-Universität (technisches Personal)

Forderungen nach Einführung der 5-Tagewoche treten auf
im VDB Bergmann-Borsig
VEB Stuck- und Natursteine
VEB Motorenwerk Treptow
VEB Volksbau Lichtenberg
Institut für Schienenfahrzeuge
VEB ZEK Konstruktionsbüro für Schwermaschinenbau

Normenveränderungen werden im
VEB Ofen- und Fliesenbau
VEB Autoreparaturwerkstatt Pankow
gefordert.

In zahlreichen Fällen wurde mit Arbeitsniederlegungen oder Kündigungen gedroht, meist um Druck bei der Durchsetzung finanzieller Forderungen auszuüben
VEB Gießerei, Maschinenfabrik Lichtenberg
BVG

Diese Erscheinungen müssen insgesamt gesehen als Gefahrenpunkte für die Auslösung provokatorischer Aktionen betrachtet werden und in der polizeilichen und operativen Arbeit stärkere Beachtung finden.

Im I. Halbjahr 1961 sind insgesamt 87 Diversionsakte und Störungen mit einem Schaden von fast 1 Million zu verzeichnen.
Bei 17 vorsätzlichen Handlungen in Industrie und Landwirtschaft entstand ein Schaden von 130.000 DM und bei 28 Vorkommission durch Fahrlässigkeit fast 275.000 DM.
Im VEB Elektrokohle wurden von 9 Vorkommnissen 4 vorsätzlich und 2 fahrlässig verursacht.
Von der Volkspolizei werden 1.489 Personen, davon 580 gefährliche Rechtsbrecher, 739 Rückkehrer und 159 Neuzuzüge unter ständiger Kontrolle gehalten.
Diese Zahl der zu überwachenden Personen ist ohne Zweitel für Berlin zu gering.

Von den zur Kontrolle einliegenden Personen wurde von der Volkspolizei in 19 Fällen Ermittlungsverfahren wegen staatsgefährdender Delikte durchgeführt und in 20 Fällen an das Ministerium für Staatssicherheit übergeben.
Von den unter Kontrolle stehenden Personen sind 95 als Grenzgänger festgestellt worden.

Besondere Aufmerksamkeit verdient das Bandenunwesen und Rowdytum. Insgesamt bestehen 55 jugendliche Cliquen und Banden mit ca. 1000 Jugendlichen.
Davon werden 30 durch die Kriminalpolizei ständig überwacht. Bei 8 weiteren dieser Gruppen wird in Verbindung mit den zuständigen Staatsorganen, FDJ, Nationale Front, ADMV und GST Maßnahmen zur Auflösung eingeleitet.

Ein großer Teil dieser Jugendlichen verkehrt ständig in Westberlin und ist den feindlichen Einflüssen direkt ausgesetzt, so daß ein beträchtlicher Prozentsatz von ihnen bei feindlichen Handlungen vom Gegner einbezogen werden kann.
Die am häufigsten von Jugendlichen begangenen Deliktsarten sind:
Sittlichkeitsdelikte
Körperverletzungen
Sachbeschädigungen
Unberechtigtes Benutzen von Kfz
Eigentumsdelikte (Diebstähle)
Verschiedene Erscheinungen lassen aber auch gefährliche Handlungen erkennen, die geeignet sind, die Sicherheit und Ordnung in beträchtlichem Umfang zu stören, Unruhe und Unsicherheit unter der Bevölkerung zu erzeugen. So gab es im Stadtbezirk Treptow innerhalb von 2 Tagen – am 16./17.7.1961 – drei Fälle von schweren Körperverletzungen und einen Raubüberfall. Auffallend dabei ist, daß in allen vier Fällen Gruppenhandlungen zu verzeichnen sind.

Am Bahnhof Lichtenberg konzentrieren sich negativ eingestellte Jugendliche. Sie sind schon mehrfach mit Hetze und Beleidigungen von Bürgern in Erscheinung getreten.
Im Bereich der Volkspolizei-Inspektion Treptow und Mitte traten an der Sektorengrenze Jugendliche in Gruppen wiederholt provokatorisch gegenüber dem Sektorenposten auf.

Am 8.7.1961 kam es im Gesellschaftshaus Rahnsdorf zu einer Schlägerei, in deren Verlauf ein Jugendlicher festgenommen und dem Revier zugeführt werden mußte.
Nach der Festnahme rotteten sich vor dem Volkspolizei-Revier 30 Jugendliche zusammen und forderten die Freilassung, ohne daß sofort energisch dagegen eingeschritten wurde. Die Dienststelle Ministerium für Staatssicherheit wurde erst drei Tage später über dieses Vorkommnis in Kenntnis gesetzt.

In der Zeit vom 1.1.-30.6.1961 gibt es 11.142 illegale Abwanderungen. Obwohl die Abwanderung in den einzelnen Monaten sehr unterschiedlich ist,

Januar 1.954
Februar 1.776
März 2.043
April 2.069
Mai 1.612
Juni 1.688

zeigt sich gegenüber dem Vergleichszeitraum 1960 nach wie vor eine steigende Tendenz um 20,5%.

Die verstärkte organisierte Tätigkeit des Gegners zeigt sich auch bei besonderen Vorfällen an der Sektorengrenze.
Im Vergleich des I. Halbjahres 1960 zum I. Halbjahr 1961 zeigt sich das wie folgt:

verstärkte Tätigkeit
durch Stupo 218 / auf 315 Fälle
durch Zoll 98 / auf 169 Fälle
Militärpolizei 39 / auf 120 Fälle

Grenzüberschreitungen
durch Stupo 71 / auf 73 Fälle
durch Zoll 16 / auf 31 Fälle

Provokationen durch Stupo
(Beschimpfen und bedrohen der
Sektorenposten, Versuche, sie zur
Fahnenflucht zu verleiten) 58 / auf 140 Fälle
durchfahrende Fahrzeuge 49 / auf 55 Fälle
Krawallfahrten (das sind
solche Fahrzeuge, die kurz
anhalten, den Posten
täuschen und weiterfahren) 39 / auf 71 Fälle
provokatorische Ansammlungen
auf westlicher Seite 8 / auf 20 Fälle

Weiterhin haben sich die Versuche der Verbindungsaufnahme durch die Stupo und Zoll gegenüber unseren Sektorenposten verstärkt.

Was die Gesamtaufklärung der bekannten Kriminalität betritt, so ist gegenüber dem I. Quartal 1961 im II. Quartal 1961 ein Absinken von 73% auf 68% zu verzeichnen. Besonders unbefriedigend dabei ist, daß die Aufklärung der
Verbrechen nach StEG § 19/1 um 18%
sonstige staatsgefährdende Delikte 15%
Verbrechen im Bauwesen 12%
gesunken ist.

Vorhandene liberale Auffassungen, Rechtsformalismus und Unklarheiten in Grundfragen hindern eine Reihe Genossen der Volkspolizei bei einer klaren Einschätzung und konsequenteren Arbeit.

So ist zu verzeichnen, daß es bei einigen Delikten in der statistischen Übersicht sogar einen Rückgang gibt, was vollkommen der tatsächlichen Lage widerspricht.

Demnach sind die
Verbrechen nach StEG § 19/1 um 9%
Verbrechen gegen die Volkswirtschaft 33%
Spekulationsdelikte 34%
Paßänderungsgesetz 17%
gesunken.

Obwohl die Republikfluchten in Berlin nach wie vor sehr hoch sind, sind die Ermittlungsverfahren bei Verstößen gegen das Paßgesetz um 17% zurückgegangen. In Berlin gibt es nach wie vor eine starke Spekulation, aber die Delikte sind 34% weniger geworden.
In der Volkswirtschaft treten weiterhin eine Reihe von Störungen auf, durch Schlamperei, Unachtsamkeit usw. gibt es viele begünstigende Faktoren, die strafbare Handlungen ermöglichen, aber die Delikte sind um 33% zurückgegangen.

Da die statistische Übersicht in der Regel nur die bekannte Kriminalität erfaßt, ist diese Einschätzung unreal. In der Analyse fehlt die Orientierung auch auf die latente Kriminalität und das zeigt eindeutig, daß die polizeiliche Tätigkeit noch nicht genügend auf die ökonomischen und politischen Schwerpunkte gerichtet ist. Dadurch werden die Genossen der Volkspolizei immer wieder von neuen Vorkommnissen überrascht und vor Tatsachen gestellt.

4. Welche Maßnahmen sind zur Erhöhung der Kampf- und Einsatzbereitschaft notwendig?

1. Durch die Leitung des Präsidiums der Deutschen Volkspolizei Berlin ist, gestützt auf das Politorgan und die Parteiorganisationen, bei der Auswertung des 13. Plenums des Zentralkomitees und der 18. Volkskammertagung zu sichern, daß bei allen Wachtmeistern, Unterführern und Offizieren volle und allseitige Klarheit über die Grundfragen und Perspektive der Entwicklung im Zusammenhang mit den konkreten Aufgaben zur Erhöhung der Einsatzbereitschaft und der Sicherheit in Berlin geschaffen wird.

Dabei sind folgende Fragen in den Mittelpunkt der ideologisch-politischen Arbeit zu stellen:
– daß der Kampf um den Abschluß eines Friedensvertrages und für die Lösung der Westberlinfrage die allseitige Stärkung der DDR erfordert;
– die Grundlagen der Stärke der DDR bestehen in der weiteren Festigung der politisch-moralischen Einheit der Bevölkerung in der weiteren ökonomischen, politischen Festigung unserer Republik und Beseitigung der Störanfälligkeit unserer Volkswirtschaft sowie Erhöhung der Verteidigungskraft;
– die DDR als Bastion des Friedens hat die heilige Pflicht, die Interessen des deutschen Volkes gegen den Bonner Unrechtsstaat und dessen Aggressionsgelüste zu verteidigen;
– der Friedensvertrag hilft, die Westberlinfrage zu lösen und den Kriegsbrandherd zu beseitigen;
– mit dem Friedensvertrag warten, heißt mitverantwortlich für den Ausbruch eines dritten Weltkrieges zu sein. Das Fehlen eines Friedensvertrages nutzen die Imperialisten und Militaristen zur Vorbereitung eines neuen Krieges;
– der Friedensvertrag erleichtert die Annäherung der beiden deutschen Staaten und friedliche Wiedervereinigung auf dem Wege einer Konföderation;
– der bewaffnete Schutz der DDR ist ein wirksamer Beitrag, um den Frieden zu sichern;
– die Bedrohung des Friedens durch die Bonner Ultras erfordert die allseitige Gewährleistung der Sicherheit. Der Frieden wird nicht nur am Arbeitsplatz verteidigt. Durch eine zielgerichtete politische Massenarbeit ist die patriotische Erziehung der ganzen Bevölkerung und ihre Bereitschaft und Verteidigung der Republik zu verstärken;
– die verstärkte Tätigkeit der Geheimdienste und Agentenzentralen erfordert höchste Wachsamkeit und alle Anstrengungen, um alle Angriffe rechtzeitig zu erkennen, aufzudecken und schonungslos zu zerschlagen;
– die Festigung der Waffenbrüderschaft mit der Sowjetarmee und den bewaffneten Kräften aller sozialistischen Länder ist ein wichtiges Unterpfand für die Sicherung des Friedens.

Die dabei täglich neu auftretenden Fragen, Probleme, Unklarheiten und Mängel in der ideologischen Arbeit müssen schneller aufgegriffen, überzeugend und bis zu Ende geklärt werden.
Das erfordert vor allem die weitere Verbesserung der Führungstätigkeit und damit die bessere Arbeit mit den Menschen.
Richtig führen heißt vor allem, daß die Beschlüsse der Partei und Weisungen der vorgesetzten Organe gründlich durchgearbeitet und die Durchführung konkret, rasch und konsequent organisiert und kontrolliert wird. Das erfordert weiter eine richtige, reale, kritische Analyse, Kenntnis der Lage, den Ergebnissen und Erfahrungen in der Durchführung der Aufgaben, um ständig heranreifende Probleme rechtzeitig aufgreifen und zu lösen, die Durchführung an Ort und Stelle besser zu lenken und zu unterstützen.

2. Zur Gewährleistung der Ordnung und Sicherheit in Berlin ist eine allseitige Verbesserung der polizeilichen Arbeit notwendig. Die kleinsten Erscheinungen jeglicher Störungen der Ordnung und Sicherheit sind rasch, konsequent aufzudecken und energisch einzugreifen.
Nur so wird es möglich sein, größere Störversuche, die verstärkte Tätigkeit des Feindes zu erkennen und zu zerschlagen. Die gesamte polizeiliche Arbeit ist stärker auf die Sicherung der ökonomischen, politischen, gesellschaftlichen Schwerpunkte und zur Erhöhung der Ordnung und Sicherheit in Berlin zu konzentrieren.

Bei allen Offizieren, Unterführern und Wachtmeistern ist Klarheit darüber zu schaffen, daß die vor uns stehenden komplizierten Aufgaben höchste Anforderungen, größere politische Sachkenntnis, eine höhere Qualität der Arbeit erfordern. Nur mit einer hohen Kampfmoral, unbedingter Einsatzbereitschaft eines jeden einzelnen Genossen sind die Aufgaben zu lösen.

In den Mittelpunkt der weiteren Arbeit müssen dabei folgende Forderungen gestellt werden:

– Verbesserung der politischen, militärischen Qualifizierung und weitere Erhöhung des Bildungsniveaus aller Wachtmeister und Offiziere,
– Herstellung und Einheit politischer und militärischer Führung in der Arbeit aller Offiziere;
– Verbesserung der Organisation des Zusammenwirkens aller Dienstzweige und bewaffneten Kräfte in Berlin;
– vorbildliche Teilnahme und Erfüllung des Ausbildungsprogramms;
– Sicherung einer schnellen Herstellung der Einsatzbereitschaft;
– Pflege der Waffen und Ausrüstung;
– strenge Einhaltung aller Befehle und Weisungen und Erziehung zur höchsten Wachsamkeit;
3. Die Lösung der komplizierten, höheren Aufgaben erfordert vor allem die Erhöhung der Kampfkraft der Parteiorganisationen in allen Dienststellen. Der Arbeit der Grundorganisationen ist größere Aufmerksamkeit zu widmen. Es genügt nicht mehr, daß die politische Arbeit nur von wenigen organisiert und geleistet wird. Alle Genossen sind in die Arbeit einzubeziehen und konkrete Aufgaben zu stellen. Der Kampf- und Offensivgeist wird nur erreicht, wenn alle Offiziere und Funktionäre beispielhaft vorangehen, stärker politisch arbeiten.

In der Durchführung der Beschlüsse und Weisungen darf keine Entstellung, ganz gleich welcher Art, geduldet werden. Diese Fragen sind bei der Auswertung des 13. Plenums in allen Parteiorganisationen offen zu stellen und konkrete Beschlüsse und Maßnahmen festzulegen, wie die Aufgaben gelöst werden müssen.

4. Bei allen Offizieren und Wachtmeistern ist volle Klarheit darüber zu schaffen, daß größere Anstrengungen und eine zielgerichtete politische Massenarbeit in der patriotischen Erziehung und Erziehung zur Verteidigungsbereitschaft der ganzen Bevölkerung notwendig sind. Ein festes Vertrauensverhältnis muß sich auf richtige Beziehungen zur Bevölkerung stützen. Jedes falsche, sektiererische, herzlose, bürokratische Verhalten ist ein Hemmnis.
Eine große Verantwortung für die Erhöhung der Sicherheit in Berlin tragen die örtlichen Organe der Staatsmacht. Durch das Präsidium der Volkspolizei und Volkspolizei-Inspektionen sind die Anstrengungen zu verstärken, die örtlichen Organe der Staatsmacht und ihre Organe, bei der Durchführung dieser Aufgaben zu unterstützen und sich stärker auf sie zu stützen.
Die Wahlversammlungen der Nationalen Front sind auszunutzen, um der Bevölkerung im Zusammenhang mit dem Friedensplan die Aufgaben zur Verteidigung der Republik und des Friedens zu erläutern.

5. Von der Bezirksleitung Berlin und den Kreisleitungen der Stadtbezirke ist ein stärkerer Einfluß auf die Arbeit der verantwortlichen Offiziere und Parteiorganisationen in ihrem Verantwortungsbereich zu nehmen und die Durchführung der Beschlüsse zu kontrollieren. In den Bürositzungen der Bezirksleitung und den Kreisleitungen der Stadtbezirke ist monatlich zu den Problemen der Sicherheit in Berlin und Tätigkeit der Volkspolizei Stellung zu nehmen.

6. Durch die Abteilung für Sicherheitsfragen beim Zentralkomitee ist eine ständige Kontrolle in der Durchführung der Beschlüsse des 13. Plenums des Zentralkomitees und der Aufgaben zur Erhöhung der Sicherheit in Berlin zu gewährleisten.

Unterschrift unleserlich