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21.05.1947, Der Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt, Dr. Erhard Hübener, zur gescheiterten Ministerpräsidentenkonferenz in München


21.05.1947, Der Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt, Dr. Erhard Hübener, zur gescheiterten Ministerpräsidentenkonferenz in München

Gestern mittag 14 Uhr erschien bei mir überraschend der Ministerpräsident des Landes Sachsen, Herr Dr. h. c. Friedrichs. Er kam aus Berlin vom Zentralsekretariat der SED. Von dort aus war der Ministerpräsident von Thüringen, Herr Dr. Paul, gebeten, gleichfalls nach Halle zu kommen. Bald nach 3 Uhr traf auch Herr Dr. Paul bei mir ein.
Herr Dr. Friedrichs brachte den Entwurf eines Antwortschreibens der fünf Ministerpräsidenten der sowjetisch besetzten Zone auf das Einladungsschreiben des bayerischen Ministerpräsidenten Ehard mit und bat Dr. Paul und mich um Zustimmung zu dem Entwurf. Das Schreiben sollte an die Stelle eines ersten Entwurfs treten, den die der SED angehörigen Ministerpräsidenten am 11. Mai 1947 in Schierke vereinbart hatten und zu dem am Tage darauf Herr Dr. Friedrichs in Halle meine Mitunterschrift erbeten und schließlich auch erhalten hatte. Während der erste Entwurf zwar keine freudige Annahme der Einladung enthielt, sondern ein Mißbehagen, ja eine Kritik deutlich erkennen ließ, immerhin aber doch eine Zusage darstellte, erschien mir, der zweite Entwurf in der praktischen Wirkung als eine Absage. Das kurze, in seinem ganzen Ton wenig verbindliche Schreiben ging davon aus, daß eine Besprechung der deutschen Lage nur dann Nutzen verspräche, wenn sie auf breiter Grundlage, unter Hinzuziehung der politischen Parteien, der Gewerkschaften und anderer Organisationen erfolge. Ferner wurde eine Verlegung des Tagungsortes von München nach Berlin verlangt. Wenn auch ein Schlußsatz Verhandlungen zwischen Dr. Friedrichs und Ministerpräsident Ehard über alle Fragen vorschlug, blieb doch bei mir der Eindruck bestehen, daß sich die Ministerpräsidenten der Ostzone bei Absendung dieses Schreibens praktisch der Münchener Einladung versagen würden.
Ich habe mit den Kollegen eingehend die voraussichtlichen politischen Auswirkungen eines solchen Schreibens besprochen. Besonders unter Hinweis auf unsere Besprechungen mit dem Generalsekretär des Stuttgarter Länderrats, Roßmann, vom 17. d. Mts., der auch bereits bei Dr. Paul und Dr. Friedrichs vorgesprochen hatte, habe ich die Sorge zum Ausdruck gebracht, daß der Westen unseren Schritt schlechthin als Absage ansehen und die Konferenz ohne uns abhalten werde. Als Folge hieraus sei eine Versteifung der Bizonalorganisation, der sich auch die französische Zone anschließen werde, zu befürchten. Die weitere Folge werde zwangsläufig der Ausbau der Berliner Zentralstellen zu einer Ostzonenregierung sein. Danach aber werde es außerordentlich schwer und vielleicht auf Jahrzehnte unmöglich sein, zur politischen und wirtschaftlichen Einheit Deutschlands zu gelangen.
Herr Dr. Friedrichs sprach demgegenüber die Erwartung aus, daß es ihm gelingen werde, in persönlicher Verhandlung mit Herrn Ehard zu erreichen, daß an Stelle der Ministerpräsidenten-Konferenz in München eine große Veranstaltung mit Parteien und Gewerkschaften usw. trete. Das bedeute vielleicht eine geringfügige zeitliche Verschiebung, verspreche aber eine breitere politische Wirkung. Herr Dr. Paul schien meine Sorge, daß unser Schreiben die von mir befürchtete Wirkung haben könne, nicht für ganz unbegründet zu halten. Jedenfalls hielt er eine Abwandlung des Textes des Schreibens für erforderlich, das jedenfalls keinen ultimativen Charakter tragen dürfe. Gemeinschaftliche Versuche, den Text durch kleine Änderungen wesentlich zu verbessern, führten nicht zum Ziel.
Schließlich habe ich erklärt, daß ich das Schreiben nicht mit unterzeichnen würde. Ich habe hinzugefügt, daß ich, wenn die Münchener Tagung stattfindet und die Administration es mir nicht verbietet, hinfahren würde.
Herr Dr. Friedrichs fragte danach, wie ich es halten würde, wenn es ihm gelänge, mit Herrn Ehard zu einem gemeinsamen Programm für die Tagung zu gelangen. Ich habe darauf erklärt, daß dann eine ganz andere Lage gegeben wäre. Ich könnte mir z. B. vorstellen, daß die Münchener Konferenz stattfindet und Beschlüsse faßt, die eine zweite, größere Aktion mit Parteivertretern usw., vielleicht in Berlin, vorbereitet. Aber auch wenn Herr Ehard bereit sei, seine Einladung zu Gunsten einer größeren Aktion zurückzuziehen, so würde mir schließlich auch das recht sein; ich habe allerdings keinen Zweifel gelassen, daß ich nach den Mitteilungen von Herrn Roßmann hierfür keine Chancen sähe.
Schließlich wurde, vereinbart, daß Herr Dr. Friedrichs mit Herrn Dr. Paul nach Weimar fahren werde und daß beide Herren versuchen würden, möglichst für heute eine Begegnung mit Herrn Ehard herbeizuführen.
[gez.] Hübener