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16.05.1947, Der Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt, Dr. Erhard Hübener, zur gescheiterten Ministerpräsidentenkonferenz in München


16.05.1947, Der Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt, Dr. Erhard Hübener, zur gescheiterten Ministerpräsidentenkonferenz in München

Bei meiner Vorsprache am 15. Mai 1947 habe ich Herrn Generalmajor Schljachtenko mitgeteilt, daß der ihm am Tag zuvor durch Herrn Obersten Rodjonow überreichte Entwurf eines gemeinschaftlichen Antwortschreibens der fünf Ministerpräsidenten der sowjetisch besetzten Zone auf das Einladungsschreiben des bayerischen Ministerpräsidenten noch nicht abgegangen sei, weil sich erneute Verhandlungen als notwendig erwiesen hätten. Auf Befragen habe ich meine Vermutung geäußert, daß die Verzögerung oder Behinderung auf das Betreiben der Führer der politischen Parteien, insbesondere der SED, zurückzuführen seien. Ich habe als meinen Standpunkt hinzugefügt, daß ich natürlich einem Verbot durch die Sowjetische Administration Folge leisten, wenn ein solches aber nicht erginge, unbekümmert um die Auffassungen der Parteien oder meiner Kollegen nach München fahren würde. Ich habe Herrn General um möglichste Beschleunigung der Karlshorster Entscheidung gebeten. Es fand eine längere Unterhaltung über Bedeutung und Möglichkeiten der geplanten Konferenz statt. Unter anderem habe ich auf die Frage, welche staatsrechtliche Bedeutung gemeinsame Entschließungen der Ministerpräsidenten haben würden, meine Meinung dahin ausgesprochen, daß solche Entschließungen staatsrechtlich völlig unerheblich, daß sie lediglich gutachtliche Äußerungen sein würden, daß aber gleichwohl bei günstigem Ausgang der Verhandlungen weitgehende Folgen möglich seien; ich wies darauf hin, daß die wirklich großen Entscheidungen der Politik selten auf Paragraphen und Zuständigkeiten, sondern vielmehr auf dem Zwang der Dinge beruhten. Auf die Frage nach dem Ziel der Verhandlungen habe ich erklärt, daß Deutschland aufhören müsse, lediglich Objekt der Politik der Besatzungsmächte zu sein, daß es wieder völkerrechtliches Subjekt werden müsse und daß uns dies nicht vom Himmel als Geschenk gegeben werde, sondern erkämpft werden müsse.
Auf die Frage, inwieweit dieser Kampf Aufgabe der Ministerpräsidenten und inwieweit der Parteiführungen zu sein habe, antwortete ich, daß die Aktivität der einen die der anderen in keiner Weise ausschlösse, daß sie alle, und nicht nur sie allein, bemüht sein müßten, zur Erreichung des Zieles beizutragen. Ich habe auch darauf hingewiesen, daß von den an sich bekannten Bemühungen der Parteiführer im Volke kaum Notiz genommen worden sei, wenn man von einem engen Kreis von Parteiführern absehe, daß aber über die bevorstehende Konferenz der Ministerpräsidenten im kleinsten Dorfe gesprochen werde. Wenn diese Veranstaltung durch die Eifersüchteleien der Parteien verhindert oder unfruchtbar gemacht werde, bestehe die Gefahr, daß die bestehende Verzweiflungsstimmung aller Zonen anwachse, während ich andererseits überzeugt sei, daß vernünftige Vorschläge der Ministerkonferenz [!] auf die Besatzungsmächte ihren Eindruck nicht verfehlen würden. Auf die Frage, in welcher Richtung solche Vorschläge sich bewegen könnten, habe ich darauf hingewiesen, daß zum Beispiel die Anregungen des Herrn Molotow auf der Moskauer Konferenz eine Grundlage böten, bei der m. E. übereinstimmende Beschlüsse der Ministerpräsidenten möglich sein müßten.
Der Herr General versprach, tunlichst bald eine Entscheidung herbeizuführen und mir mitteilen zu wollen.
[gez.] Hübener