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Psychoanalytische Erziehungswissenschaft


Lehrveranstaltungen


Wintersemester 2001/02

AIGNER Josef Christian

Einführung in die Psychoanalyse

Die Psychoanalyse Sigmund Freuds liefert für die Humanwissenschaften eine Fülle von Anregungen. Dies gilt insbesondere auch für den Bereich der Psychologie und der Pädagogik, wobei Freud selbst von der Pädagogik einmal als von dem vielleicht fruchtbarsten Feld der Anwendung seiner Theorie gesprochen hat. Die Psychoanalyse rückt - um den Zusammenhang von persönlicher Geschichte, individuellem Leiden und auch der gesellschaftlichen Verwobenheit des letzteren zu erforschen - das Unbewußte in den Mittelpunkt des Interesses. Dies verlieh ihr seit jeher auch einen etwas sagenumwobenen, fast mythologischen Charakter. Die LV will - ausgehend von Freuds Leben und Werk - dieses Bild ein wenig "entmythologisieren", um die Botschaft der Psychoanalyse einerseits in ihrer Potenz als helfende, verstehende Praxis (in Erziehung und Therapie), aber auch in ihrer Radikalität als Instrument zur Erhellung und Kritik von teilweise beunruhigenden kulturellen Entwicklungsprozessen verständlich zu machen.

Spezielle Aspekte psychoanalytischer Theorie und Praxis

Parallel zur Einführung in die Psychoanalyse sollen einige ganz zentrale Konzepte der psychoanalytischen Theorie und Praxis (Übertragung, Widerstand, Ödipuskomplex u.a.m.) einer genaueren Betrachtung und Diskussion unterzogen werden. Einblicke und Beispiele aus praktischen Therapiesequenzen sollen die verschiedenen theoretischen Konzepte anschaulicher, lebendiger und somit verständlicher machen.

 

DAHMER Helmut

Psychoanalyse und Kulturwissenschaften

Der Freudschen Psychoanalyse - die selbst eine "Kulturwissenschaft" ist - kommt im Kreise der "anderen" Kulturwissenschaften (Soziologie etc.) eine besondere Bedeutung zu: Sie thematisiert die Kultur(en) aus der Perspektive ihrer Träger, der an der Kultur leidenden Individuen. Ihre Stellung zur Kultur ist darum eine kritische oder negative. Im Unterschied und im Gegensatz zu den überwiegend "positivistisch" orientierten, anderen Kulturwissenschaften hat Freud eine Methodologie jener "unnatürlichen" Wissen-schaften (Nietzsche) entwickelt, die sich der Entschlüsselung von Texten und Institutionen widmen, die in "natürlicher" Einstellung als unverständlich oder schlechthin "gegeben" gelten und deshalb keiner Inter-pretation zu bedürfen scheinen. Als Zentralproblem der Kultur erweist sich in dieser Perspektive dasjenige ihrer Tradierung (des Wiederholungszwangs).

 

FALLEND Karl

Sozialpsychologie des Traumas - man made desaster

Der jährliche Bericht von amnesty international ist ein kontinuierliches und beredtes Zeugnis wider einer ,Mensch-ist-gut-Romantik'. In über 140 Ländern werden schwere Menscherechtsverletzungen angeprangertdie Folter als ein alltägliches politisches Mittel totalitärer Staaten beschrieben. Auseinandersetzungen mit allgemein psychologischen Fragen, der Bedeutung von Gehorsam, von Institution und Täterbiographien, sollen zu Antworten über das Phänomen der Persönlichkeitsstruktur von Folterern heranführen. Außerdem sollen auf Grund von Erfahrungen von Therapiezentren für Extremtraumatisierte therapeutische Möglichkeiten zur Diskussion gestellt werden. Der Begriff der ,sequentiellen Traumatisierung' (Hans Keilson) benennt die soziale Fortführung der Extremtraumatisierung und verlangt eine gesellschaftliche Verantwortlichkeit ihrer Aufarbeitung. In diesem Zusammenhang sollen auch die weltweit institutionalisierten Versuche, wie z.B. die ,Nationalen Kommissionen für Wahrheit und Versöhnung' in Chile oder Südafrika diskutiert werden.

 

GEISSLER Peter

Psychoanalyse und Körper

Der Körper in der Psychoanalyse (Freud, Schilder, Groddeck, Ferenczi, Reich, Balint, Winnicott). Der Körper in humanistischen Therapien (Klientenzentrierte Psychotherapie nach Rogers, Gestalttherapie, Integrative Gestalttherapie) Der Körper in körpertherapeutischen Verfahren: energetische Körpertherapien (Reich, Lowen, Boyesen, Pierrakos, Boadella usw.) und Bewegungstherapien (Konzentrative Bewegungstherapie, Tanztherapie, Funktionelle Entspannung usw.) Neue Entwicklungen in der Psychotherapie: analytische Körperpsychotherapie, gegründet auf die moderne Säuglings- und Kleinkindforschung.

 

HIERDEIS Helmwart

Theorien des Unbewußten

Die Veranstaltung geht den Fragen nach, wann und auf welche Weise das sog. Unbewußte Gegenstand der Reflexion geworden ist, wie "das Unbewußte" von Sigmund Freud theoretisch gefaßt wurde und wie sich die aktuelle Diskussion unter dem Einfluß von Kognitionsforschung bzw. Neurophysiologie darstellt.

Das Konzept der "toten Mutter" (A. Green)

André Green's Konzept der "toten Mutter", d.h. der psychisch leblosen, der unansprechbaren, reaktionsarmen etc. Mutter bildet einerseits den Versuch, einen theoretischen Zugang zu den exogenen Depressionen zu gewinnen, andererseits stellt es die radikale Abstinenz des Analytikers in Frage, weil sie für die Patienten die Erfahrung der "toten Mutter" wiederholt. Ausgehend von Green's Konzept und im ständigen Vergleich mit ihm will die Veranstaltung mit weiteren Depressionstheorien und Möglichkeiten der psychoanalytischen Therapie bekannt machen.

 

KENNEDY Paul

Geschichte und Gegenwart der Psychoanalyse

"Ich befinde mich einen Moment lang in der interessanten Lage nicht zu wissen, ob das, was ich mitteilen will als längst bekannt und selbstverständlich oder als völlig neu und befremdend gewertet werden soll." - so Sigmund Freud (GW XII, S.59) über -seine? - Psychoanalyse. Wenn die Psychoanalyse ihr eigener Patient wäre, würde sie sich durch ihre Geschichte verstehen wollen - und das will auch dieses Proseminar: es wird versucht, die Struktur und Absicht der psychoanalytischen Theorie von ihrer Herkunft in der Literatur und Wissenschaft, in der Mystik und Politik... neu zu bedenken.

 

MAAS Michael

Psychoanalytische Soziale Arbeit

Die Lehrveranstaltung möchte einen Beitrag dahingehend leisten, dass die Psychoanalyse etwas ist, was SozialpädagogInnen brauchen können, auch wenn dieser Gebrauch seinen Preis hat. Mit Brauchen ist nicht nur gemeint, dass einzelne Bestandteile psychoanalytischer Theorie hier und da in (sozial-) pädagogischen Ausbildungsgängen gelehrt werden und zumindest in einigen Köpfen Spuren hinterlassen. Gemeint ist vielmehr so etwas wie psychoanalytische Erfahrung, die (Sozial-)Pädagoginnen hilft, ihren "unmöglichen Beruf" (Freud) besser zu bewältigen. Im Blick habe ich dabei nicht die Erfahrung, die PädagogInnen im Rahmen einer psychoanalytischen Ausbildung machen können; solche Ausbildungen mit eigener Lehranalyse sind im sozialpädagogischen Feld zu selten, als dass sie hier den Maßstab abgeben könnten. Gemeint sind vielmehr Erfahrungen, wie sie PädagogInnen vielerorts machen können, wenn sie sich engagieren und ein bisschen Glück haben: psychoanalytische Ausbildungselemente, die über bloßes Basiswissen hinausgehen, Selbsterfahrungsgruppen in Ausbildung oder Zusatzausbildungen, Balint-Gruppen oder andere Formen der Supervision im Berufsalltag. Darüber möchte die Lehrveranstaltung in einem Theorie-Praxis-Diskurs einiges vermitteln. Am Beispiel des Umgangs mit suizidgefährdeten Jugendlichen soll eine fundierte psychoanalytisch orientierte Soziale Arbeit darstellen und diskutieren.

 

MÄTZLER Karl

Die Bedeutung der Sexualität in der Psychoanalyse

Die Sexualität spielte in der frühen psychoanalytischen Theorie und Praxis eine ganz zentrale Rolle. Seit der Zäsur des Nationalsozialismus sind wir jedoch mit einer "Verflüchtigung des Sexuellen" aus der Psychoanalyse (Paul Parin) konfrontiert. Das Sprechen über Sexualität und die Behandlung sexueller Symptome scheint nicht mehr zum psychoanalytischen Repertoire zu gehören. Hat Sexualität überhaupt noch etwas mit Psychoanalyse zu tun (André Green)? Auch für die Pädagogik ist der Stellenwert der Sexualität in vielen Bereichen von zentraler Bedeutung. Wie können die Sexualitätskonzepte der frühen Analytiker mit modernen Ansätzen verbunden und wieder nutzbar gemacht werden? Welche Bedeutung hat der sexuelle Körper in Theorie und Praxis der Psychoanalyse? Welches theoretische Verständnis von Sexualität, Geschlechtsidentität und sexueller Orientierung läßt sich daraus ableiten? Welche Konsequenzen können wir daraus für die Beantwortung aktueller Fragestellungen ziehen, wie z.B. der Frage ob homosexuelle Paare Kinder adoptieren dürfen?

 

REICHMAYR Johannes

Ethnopsychoanalyse

Dieses Seminar bietet einen Zugang zum Gebiet der Ethnopsychoanalyse über die Beschäftigung mit Leben und Werk einzelner Vertreter, dem zugehörigen wissenschaftlichen Apparat (Zeitschriften, Institutionen) und spezifischer Konzepte. Die Einarbeitung erfolgt über mein Buch "Einführung in die Ethnopsychoanalyse" (Frankfurt/Main 1995, Fischer Taschenbuch 10650), über die Benutzung des "Lexikons der psychoanalytischen Ethnologie, Ethnopsychoanalyse und interkulturellen Psychotherapie" (http://www.uniklu. ac.at/lex_epsa) und über die Materialien im Semesterordner. Die Seminararbeit besteht in der Ausarbeitung von Einträgen für das zuletzt genannte Lexikon. Die Erstellung und Bearbeitung des Eintrages wird durch die regelmässigen Besprechungen des Arbeitsfortganges im Plenum bzw. in der Kleingruppe begleitet.

 

SEIFERT Edith

Psychoanalyse und Neurowissenschaft

Seit den 90-iger Jahren beherrschen die Neurowissenschaften die öffentliche Diskussion. Ihr Einfluß macht sich auch in der Diskussion um die Psychoanalyse bemerkbar, denn die Behauptung steht im Raum, die Grundlagen des Geistes und der Seele und die Hypothesen der Psychoanalyse seien nun bereitgestellt und bewiesen. Wohl vergessend dass der Begriff des Psychischen schon immer dehnbar gewesen ist, fühlen sich die Psychoanalytiker zum Teil doch verunsichert. Fragen wir deshalb, ob die kognitive Neuropsychologie und Psychoanalyse tatsächlich dasselbe meinen, denselben Gegenstand vor Augen haben und hegen wir getrost die Vermutung, dass in Psychoanalyse und Neurowissenschaft zwei verschiedene Perspektiven auf einen Gegenstand eingeschlagen sind. Das Seminar will: 1. per Referat verschiedene Autoren der kognitiven Neurowissenschaft vorstellen. A.R. Damasio "Descartes Irrtum" (Tb); Detlef Linke "Das Gehirn und sein Ich (Becks Verlag); Gerhard Roth "Das Gehirn und seine Wirklichkeit" (stw); Der Klassiker: Popper/Eccles "Das Gehirn und sein Ich". 2. Die psychoanalytische Perspektive auf das Psychische (Diskrepanz und Übereinstimmung) per Vortrag und Lektüre herausarbeiten.

 

WALTER Hans Jörg

Psychoanalyse: Erkenntnistheoretische Vertiefungen

Die leitende Frage soll sein: Wie kommt die Psychoanalyse zu ihrem Wissen? Eine erster Klärungsversuch wird dem Wissenschaftsverständnis in der Psychoanalyse gelten, von Freud ausgehend bis in die Gegenwart - ein einheitliches Bild wird sich dabei nicht ergeben. Der zweite Versuch wird bei psychoanalytischen Methode ansetzen: Was ist psychoanalytische Erfahrung und wie verhält sie sich zu psychoanalytischer Theorie? Drittens wird das Vokabular der Psychoanalyse auf seine Herkünfte und Verwandtschaften hin untersucht.

Das Selbst und die Anderen - Psychoanalyse und Narzissmustheorie

Intensive Theoriearbeit, in der das Spektrum der Narzissmustheorie in der Psychoanalyse erfasst werden soll: Ausgegangen wird von Sigmund Freuds ‚Zur Einführung des Narzissmus' (1914); eine wichtige Stelle auf diesem Weg wird Heinz Kohuts Fassung der Narzissmustheorie und ihre Erweiterung zur Selbstpsychologie sein; der Vergleich mit der Auffassung von Otto F. Kernberg wird hier gezogen werden. ‚Vom Narzissmus zum Objekt' (Béla Grunberger) gibt die weitere Perspektive an, nämlich das Narzissmuskonzept beziehungstheoretisch zu fassen. Die Reichweite des Narzissmuskonzepts hinsichtlich kollektiver Phänomene soll geprüft werden.


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15.03.01
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