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Warum der Messias leiden musste
(Gedanken zum 3. Sonntag der Osterzeit 2011)

Autor:Wandinger Nikolaus
Veröffentlichung:
Kategoriepredigt
Abstrakt:„Musste nicht der Messias all das erleiden, um so in seine Herrlichkeit zu gelangen?“ (Lk 24,25f.) Musste er das? Und wenn ja: Warum musste er das? Können wir eine Antwort finden, die im Einklang steht mit Jesu eigener Botschaft von Gott als barmherzigem Vater? Wenn nicht, wäre es schlecht bestellt um das Christentum.
Publiziert in:
Datum:2011-05-12

Inhaltsverzeichnis

Inhalt

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Lesungen: Apg 2,14.22–33; (1 Petr 1,17–21); Lk 24,13–35

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Liebe Gläubige,

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in diesem so schönen Evangelium vom Gang nach Emmaus, das man eigentlich gar nicht oft genug hören kann, weil so viel drinsteckt, steckt auch ein Problem. Jesus fragt die traurigen Jünger: „Musste nicht der Messias all das erleiden, um so in seine Herrlichkeit zu gelangen?“ (Lk 24,25f.) Ja, liebe Gläubige: Musste er das? Und wenn ja: Warum musste er das? Hat Gott das verfügt, weil er anders die Sünden der Welt nicht vergeben wollte? Aber, würde so ein Verständnis des Leidens Jesu nicht alle Rede von einem barmherzigen Gott ad absurdum führen? Und wäre sie noch im Einklang mit dem, was Jesus selber über seinen Vater gesagt hat? Wenn wir nicht eine bessere Antwort finden, dann ist es eigentlich um das Christentum schlecht bestellt, denn dann hat sich Jesus entweder geirrt, als er das eindrückliche Gleichnis vom Barmherzigen Vater erzählte, – oder im heutigen Evangelium, wenn er sagt, dass er leiden musste.

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Gehen wir also der Frage nach: Warum musste Jesus leiden? Warum musste er leiden – und: Warum musste er leiden?

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Fragen wir uns: Was wollte Jesus eigentlich? Was war der Plan, mit dem er durch die Lande zog, predigte, heilte, Sünden vergab, mit als Sünderinnen und Sündern bekannten Menschen aß und trank, sie dann in seine Nachfolge rief und sie zu einer neuen Gemeinschaft machte? Es scheint, sein Plan war vor allem, den Menschen nahezubringen, dass Gott ein unendlich vergebungsbereiter Vater sei und dass sie sich auf keinen Fall vor Gott fürchten sollten. Daher das Gleichnis vom barmherzigen Vater, der auf seine beiden Söhne zugeht; daher die Vergebung so vieler Sünden; und daher die Warnung vor einer Religionsausübung, die das Gesetz über den Menschen stellt, und die damit Gott zu einem strafenden Rächer verzeichnet und die Menschen dazu animiert, selber hartherzig und vergeltungssüchtig zu werden. Jesu Plan war, die Menschen vom Gegenteil zu überzeugen.

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Aber – so werden Sie vielleicht sagen – das ist doch eine einseitige Darstellung. Jesus hat doch auch von der Hölle gesprochen, davon dass Gott manche Menschen dorthin schickt, wo Heulen und Zähneknirschen ist. Jesus hat doch auch von einem göttlichen Gericht gesprochen. Kann man das denn einfach weglassen? Nein, ganz sicher nicht. Denn diese Gleichnisse und Aussagen sind ja gerade gegen jene gerichtet, die sich Jesu ursprünglicher Botschaft verweigern, die eben selber hartherzig sind und andere hartherzig machen. Nicht die Ehebrecherin, zu der Jesus sagt, sie solle fortan nicht mehr sündigen – und die vielleicht doch rückfällig wird –, wird beim Endgericht in das ewige Feuer geschickt, sondern diejenigen, die den Nächsten neben sich nicht bekleidet, nicht vor Hunger und Einsamkeit gerettet oder beheimatet haben. Auch in den Gerichtsworten ist Jesu Standard nicht die übliche Moral des Rechthabens, sondern die des Großherzigseins. Und noch etwas kommt dazu: In den Streitgesprächen mit seinen Gegnern wirft Jesus ihnen vor, dass sie Gott verzerren und damit die Menschen von Gott wegführen, weil sie selber ein falsches Gottesverhältnis haben: „Weh euch, ihr Schriftgelehrten und Pharisäer, ihr Heuchler! Ihr verschließt den Menschen das Himmelreich. Ihr selbst geht nicht hinein; aber ihr lasst auch die nicht hinein, die hineingehen wollen“ (Mt 23,13) – und damit spricht er ihnen ihre Legitimation ab. Er geht einen dreifachen Konflikt mit ihnen ein: Darüber, wie Gott ist – barmherzig oder strafend? Darüber, wie in der Folge Menschen sich verhalten sollen – gesetzestreu und rechthaberisch oder vergebend und großzügig? Und schließlich darüber, wer der wahre Stellvertreter Gottes auf Erden ist – das amtlich bestellte religiöse Establishment, das seinen eigenen Lehren nicht folgt, oder der dahergelaufene Prediger aus Nazareth, der lebt, was er verkündet?

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Alle drei Punkte zusammen bringen das Fass zum Überlaufen und die Gegner beschließen, dass man Jesus töten müsse, weil er Gott lästere, das Volk verführe und die rechte Autorität nicht anerkenne. Jesus hat dies klar auf sich zukommen sehen und ihm stellte sich die Frage: Wie soll ich mich nun verhalten? Wie soll ich reagieren, wenn ich dafür sorgen will, dass der ursprüngliche Plan – die Menschen zum barmherzigen Gott zu bekehren – doch noch verwirklicht wird? Wie soll man einen gewaltfreien, liebenden Gott des Lebens zu Menschen bringen, die sich dagegen mit der hasserfüllten Gewalt des Todes sträuben?

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Spielen wir die Möglichkeiten durch: Eine Möglichkeit wäre gewesen, den Aktionismus des Petrus, der Jesus mit dem Schwert verteidigen wollte, in einen wohlüberlegten Plan zu gießen: eine Verteidigungstruppe aufzubauen; die Anhän­ger vorzubereiten auf den Moment der gewaltsamen Auseinandersetzung und dazu – wie es Jesus ja als realistische Möglichkeit ansah – zwölf Legionen von Engeln zu Hilfe zu rufen (vgl. Mt 26,53). Auf diese Weise wären sogar die römischen Truppen besiegt worden. Aber – so Jesus – „Wie würde dann […] die Schrift erfüllt, nach der es so geschehen muss?“ (Mt 26,54) Warum muss es denn aber nun so geschehen? Nun ja: Das Resultat des Kampfes der Engel und der Anhänger Jesu mit seinen Gegnern, wäre doch ganz sicher nicht gewesen, dass diese Gegner an den barmherzigen, gewaltfreien Gott geglaubt hätten. Sie hätten sich vielleicht vor Jesus niedergeworfen, aber doch nur, weil er ihnen als Sohn eines gewalttätigen, übermächtigen und unterwerfenden Gottes erschienen wäre. Jesu Plan wäre gescheitert gewesen, auch wenn er sein Leben gerettet und seine Verehrung erreicht hätte.

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Eine zweite Möglichkeit: Jesus hätte sich entscheiden können, dass ihm seine Botschaft nicht die Folter des Kreuzes und das eigene Leben wert sei – und er hätte sich irgendwo zur Ruhe setzen können, vielleicht als Zimmermann arbeiten und das Predigen anderen überlassen. Und es wäre sicher bald Gras über die Sache gewachsen und man hätte ihn in Ruhe gelassen und nicht getötet. Dann würde allerdings auch heute niemand mehr über ihn sprechen und er würde ganz sicher nicht als Sohn eines barmherzigen Gott-Vaters verehrt. Er hätte gekniffen – aus Feigheit vor dem Feind desertiert. Auch so wäre sein Plan gescheitert.

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Wollte er aber unter allen Umständen an seinem Plan festhalten, dann musste er Leiden und Tod auf sich nehmen. Er musste es, weil er seinem Plan treu bleiben wollte und die Menschen sich bis aufs Blut – auf Jesu Blut – dagegen sträubten. Jesus musste leiden, weil er dem Plan Gottes, der schon vor ewigen Zeiten beschlossen war – den Menschen Gottes wahres Gesicht zu zeigen und sie dadurch zu erlösen –, weil er diesem Plan unter allen Umständen treu bleiben wollte. Und er musste leiden, weil die Menschen sich diesem Plan widersetzten und damit widrigste Umstände herbeiführten.

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Liebe Gläubige,

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die christliche Botschaft denkt von Gott so groß und gütig, dass wir es kaum fassen können – und sie denkt vom Menschen so kritisch und realistisch, dass auch wir es eigentlich nicht wahrhaben wollen. Denn die Gegner Jesu sind ja keine historische Ausnahmeerscheinung, sie führen uns vor Augen, was auch in uns, in der Kirche, in allen Menschen arbeitet und sich wehrt gegen die Erlösung. Darum singen wir am Karfreitag „Was du, Herr, hast erduldet, ist alles meine Last“ (GL 179, 4. Strophe); darum auch schreibt schon der Prophet Jesaja vom leidenden Knecht Gottes, der die Sünden des Volkes auf sich nimmt (Jes 52,13-53,12), und sagt damit, wenn man so will, vorher, dass der Messias leiden muss – einen Text, den wir im Übrigen auch in der Karfreitagsliturgie hören. Gott kennt von Ewigkeit her schon die Umstände, die die Menschen herbeiführen und berücksichtigt sie in seinem Plan. Sind nicht auch wir oft hartherzig, rechthaberisch und so gar nicht barmherzig? Sind wir nicht oft wie die Pharisäer und Schriftgelehrten?

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Weil aber Jesus alles getan hat, was er tun musste, um seinen Plan zu erfüllen, hat er sogar seinen Gegnern, denen, die sich selbst sonst ins ewige Feuer verbannt hätten, einen neuen Ausweg geschenkt. In seinem Tod und seiner Auferstehung, die er auf sich nehmen musste, weil er trotz des menschlichen Widerstands seinen Plan verwirklichen wollte, hat er gezeigt, dass Gott sogar im Angesicht größten Hasses und größter Hartherzigkeit gewaltfrei bleibt – und dass er dann das von Menschen zerstörte Leben neu schenkt und die menschliche Ablehnung dadurch unterwandert und verwandelt. Auf diese Weise eröffnet er auch noch eine Umkehrmöglichkeit für jene, die aus der Perspektive von vor der Passion verloren gewesen wären.

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Darin besteht die Herrlichkeit, in die der Messias eingegangen ist, und das ist der Grund für die Freude und den Jubel von Ostern. Halleluja!

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