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Mensch geworden für die Ewigkeit
(Gedanken zu Epiphanie 2011)

Autor:Wandinger Nikolaus
Veröffentlichung:
Kategoriepredigt
Abstrakt:
Publiziert in:
Datum:2011-01-31

Inhaltsverzeichnis

Inhalt

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Lesungen: Jes 60,1-6; (Eph 3,2-3a.5-6) Mt 2,1-12

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Liebe Gläubige,

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lassen Sie mich dieses Fest der Drei Könige, der Epiphanie, zum Anlass nehmen, um noch einmal nachzusinnen darüber, was dieses Fest der Menschwerdung Gottes bedeutet. Ich möchte das tun anhand einer Formulierung des großen Jesuitentheologen Karl Rahner, dessen Grab hier unten in der Krypta ist.

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Rahner sagt: Weil Gott selbst Mensch wurde und es in Ewigkeit bleibt, ist es dem Menschen verwehrt, gering von sich zu denken, da er dann von Gott gering dächte. Und weil Gott das unaufhebbare Geheimnis bleibt, ist der Mensch in Ewigkeit das ausgesagte Geheimnis Gottes, das in Ewigkeit am Geheimnis Gottes teilhat.1

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Ich habe Rahner hier etwas vereinfacht, und doch klingt er vielleicht noch ziemlich kompliziert. Was will er genau sagen? Er beginnt mit einer ziemlich großen Voraussetzung: „Weil Gott selbst Mensch ist und es in Ewigkeit bleibt …“ Er ist nicht mal kurz Mensch geworden, für 33 Jahre, um mal vorbeizuschauen, um mal auszuprobieren, wie das so ist: ein Kind sein, ein Jugendlicher, ein Wanderprediger, ein Mordopfer – aber dann Menschsein Ade, Himmelfahrt, wieder nur Gott sein, war ja alles nur ein Bruchteil der Ewigkeit. So ist es nicht, sagt Rahner. Was begann in einer Kammer in Nazareth durch die Verkündigung, was Fleisch und Blut annahm in Bethlehem in einem Stall, was sich wie ein Menschenkind entwickelte und wie ein Mensch starb, das war kein kurzes Experiment, keine göttliche Spritztour (wie Józef Niewiadomski sagen würde), sondern eine Entscheidung für die Ewigkeit. Aufgefahren in den Himmel, zur Rechten Gottes des Vaters sitzt dieser Jesus, der Mensch, der in der Krippe lag, den die Hirten anstaunten und dem die Sterndeuter huldigten, den das Establishment ans Kreuz schlug, derselbe sitzt dort; und er ist jetzt nicht weniger Mensch als im Stall von Bethlehem – so wenig er in jenem Stall weniger Gott war als auf dem himmlischen Königsthron. Gottes Menschwerdung – eine Entscheidung für die Ewigkeit, mit Konsequenzen für die Welt, für uns Menschen und unser Bild von uns selbst.

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Rahner weiter: „Darum ist es dem Menschen verwehrt, gering von sich zu denken, da er dann von Gott gering dächte.EN.REFLIST“ Es ist dem Menschen verwehrt – muss man ihm das denn verwehren? Wollen wir denn gering denken vom Menschen? Wollen wir nicht eher den Menschen als Maßstab aller Dinge und selbstherrlichen Master of the Universe sehen. Besteht denn die Gefahr, dass wir gering denken vom Menschen? Es mag manchmal nicht so aussehen, aber ich meine, Rahner hat Recht: wir schätzen Menschen hoch für ihre Leistungen, für ihre Schönheit, für ihre Kraft, für ihre Klugheit. Aber wenn das alles nicht oder nicht mehr gegeben ist? Dann lässt sich vielleicht noch nachhelfen: eine Schönheitsoperation hier, ein Krafttraining da, ein Klugheitsgen dort. Das ist aber nun schon verräterisch: wenn man so viel Energie aufwenden muss, um einen anders zu machen als man ist – verrät dies nicht schon, dass man von dem einfachen Ist-Zustand des Menschseins gering denkt? Nicht unbedingt, denn man kann ja etwas Gutes noch besser machen – könnten wir sagen. Aber was ist, wenn alle Verbesserungsversuche nichts mehr helfen? Und vor allem, wenn andere Menschen andere Vorstellungen vom Bessersein haben als wir? Denken wir dann nicht oft gering von ihnen? Menschen sehen anders aus und beugen sich nicht meinen Schönheitsidealen, sie feiern nicht meine Feste – nicht einmal Weihnachten – und essen nicht wie ich; sie sind fremd und halten ihr Fremdsein auch noch für normal; sie kommen aus dem Morgenland, aber sie sind nicht weise und auch keine Könige oder Sterndeuter. Können wir es als christlich ausgeben, gering von ihnen zu denken? – Nein, denn Gott ist ja nicht Christ geworden oder Tiroler oder Bayer – er ist Mensch geworden, er hat sich mit jedem Menschen vereinigt, sagt das II. Vaticanum (vgl. GS 22), und das in alle Ewigkeit. Und weil wir Christen das glauben, darum ist es uns verwehrt, gering von den Menschen zu denken, denn sonst dächten wir ja gering über den Gott, der sich mit ihnen vereinigt hat.

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Aber halt! Was ist denn mit uns? Dürfen wir keinen Stolz, kein Selbstbewusstsein haben? Oh ja! Denn auch wenn wir über uns selbst gering denken, denken wir gering über Gott. Er hat sich ja auch mit uns vereinigt. Wir sind jemand, wir sind wertvoll, wir sind wichtig: einfach weil wir Menschen sind – und weil Gott einer von uns wurde: ein Mensch. Das soll uns selbstbewusst machen, ob man hier von „stolz“ reden sollte, bezweifle ich. Es gibt ja eine Art von Selbstablehnung, von Geringschätzung seiner selbst, die sich selbst nicht erkennt, die sich selbst nach außen selbstbewusst, lautstark und militant gibt; aber dahinter versteckt sich ein kleiner Junge, der sich ungeliebt fühlt, dem sein Weihnachtsgeschenk nicht gefällt, und der darum so tut, als sei es das tollste überhaupt und das der anderen schlecht redet.

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Das haben wir nicht nötig: Gott wurde Mensch, nackt und in einem Stall; ohne Statussymbole. Unser Wert ist es, dass er das wurde, was wir sind, Mensch, alles, was darüber hinaus geht, ist Zugabe; vieles eine überflüssige Zugabe.

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Doch: Was ist schon der Mensch? Was ist so besonders an ihm? Er ist doch nur ein nackter Affe. Er ist ein Produkt der Zufälle der Natur und bald wird er nur noch ein Produkt menschlicher Ingenieurskunst sein: angefangen mit genetic engineering, über die Konditionierung durch Werbung und Konsumideologie und schließlich über die Ingenieure der Chirurgie und Pharmazie. Der Mensch ist ein Produkt – und zwar immer mehr sein eigenes.

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Daran ist viel Wahres. Daran ist auch gar nicht alles schlecht. Aber es wird spätestens dann schlecht, wenn man den Menschen darauf reduzieren will. „Weil Gott das unaufhebbare Geheimnis bleibt, ist der Mensch in Ewigkeit das ausgesagte Geheimnis Gottes, das in Ewigkeit am Geheimnis Gottes teilhat.“ Am Menschen ist vieles berechenbar und konstruierbar, dem verdanken wir technischen, wissenschaftlichen und medizinischen Fortschritt. Aber der Mensch selber, wir selber, wir sind mehr als das, was man von uns berechnen und engineeren kann. Wir sind das ausgesagte Geheimnis Gottes.

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Ist Ihnen schon einmal aufgefallen, dass sie gerade Menschen, die Sie gut kennen, deren Reaktionen auf viele Dinge sie genau berechnen und vorhersagen können, dass gerade diese Menschen Sie immer wieder überraschen? Überraschen durch die Kraft ihrer Liebe, durch die unvorhergesehene Gutheit und Selbstlosigkeit ihrer Reaktionen, kurz gesagt durch eine unergründliche Tiefe, die hinter all dem Bekannten und Berechenbaren liegt? Das meint Rahner wohl mit dem Geheimnis Gottes, das in uns Menschen ausgesagt ist. Es ist nicht ein Geheimnis des Verschweigens und der Geheimniskrämerei, es ist ein Geheimnis der unauslotbaren Tiefe, der überraschenden Dichte und Intensität, der unausgesprochenen, aber doch realen Gegenwart von etwas, von jemandem, der größer ist als wir, der doch uns ganz gleich wurde, und uns dadurch nicht geringer macht, sondern größer, stärker, schöner, selbstbewusster als wir es von uns aus je sein könnten.

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Liebe Gläubige, denken wir nicht gering von Gott. Denken wir also nicht gering von uns selber, und nicht von anderen Menschen. Lauschen wir in unsere und in ihre Tiefe hinein, ob uns daraus das Geheimnis des menschgewordenen Gottes anspricht.

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Anmerkungen

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1 Für die Reflexion wurde Rahners Text etwas vereinfacht. Genau heißt er: „Und wenn Gott selbst Mensch ist und es in Ewigkeit bleibt, wenn alle Theologie darum in Ewigkeit theologische Anthropologie bleibt, wenn es dem Menschen verwehrt ist, gering von sich zu denken, da er dann von Gott gering dächte, und wenn dieser Gott das unaufhebbare Geheimnis bleibt, dann ist der Mensch in Ewigkeit das ausgesagte Geheimnis Gottes, das in Ewigkeit am Geheimnis seines Grundes teilhat […].“ (Rahner, Karl: Zur Theologie des Symbols. In: Ders.: Sämtliche Werke 18: Leiblichkeit der Gnade. Schriften zur Sakramentenlehre. Bearb. v. W. Knoch u. T. Trappe. Freiburg 2003, 423-457, hier 443).

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