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Zugänge zur Dreifaltigkeit aus dem Gebet
(Gedanken zum Dreifaltigkeitssonntag (LJ C))

Autor:Wandinger Nikolaus
Veröffentlichung:
Kategoriepredigt
Abstrakt:Wenn wir ehrlich sind, müssten viele von uns vielleicht zugeben, dass wir mit der Dreifaltigkeit oder Dreipersonalität Gottes relativ wenig anfangen können. Ist sie nicht einfach nur ein großes Rätsel und Problem? Ein Rätsel, weil sie doch den Gesetzen der Logik zu widersprechen scheint, und ein Problem, weil sie das christliche Bekenntnis zum einen Gott für Juden und Muslime verundeutlicht. Vielleicht aber tun wir uns so schwer mit der Dreifaltigkeit Gottes, weil wir uns diesem Glaubensgeheimnis von der falschen Seite nähern: von der Seite der Logik und des rationalen Verstehens. Vielleicht liegt der Zugang doch ganz woanders. Fragen wir uns doch lieber, wie wir in unserem Gebetsleben Gott erfahren.
Publiziert in:
Datum:2010-06-01

Inhaltsverzeichnis

Inhalt

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Lesungen: Spr 8,22–31; (Röm 5,1–5); Joh 16,12–15

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Liebe Gläubige,

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wir feiern heute den Dreifaltigkeitssonntag, der zugleich das Weihesfest der Jesuitenkriche in Innsbruck ist. Aber, wenn wir ehrlich sind, müssten viele von uns vielleicht zugeben, dass wir mit der Dreifaltigkeit oder Dreipersonalität Gottes relativ wenig anfangen können. Ist sie nicht einfach nur ein großes Rätsel und Problem? Ein Rätsel, weil sie doch den Gesetzen der Logik zu widersprechen scheint, und ein Problem, weil sie das christliche Bekenntnis zum einen Gott für Juden und Muslime verundeutlicht. So lässt sich durchaus fragen, was wir da eigentlich feiern.

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Vielleicht aber tun wir uns so schwer mit der Dreifaltigkeit Gottes, weil wir uns diesem Glaubensgeheimnis von der falschen Seite nähern: von der Seite der Logik und des rationalen Verstehens. Vielleicht liegt der Zugang doch ganz woanders. Fragen wir uns doch lieber, wie wir in unserem Gebetsleben Gott erfahren, wie wir Zugang zu ihm finden. Wie beten wir? Zu wem beten wir? Natürlich ist das nicht bei jeder und jedem gleich, das ist ja nicht einmal bei ein und demselben Menschen immer gleich, das ändert sich im Laufe des Lebens und auch je nach Situation. Und es ist zutiefst persönlich. Kann, ja soll man darüber überhaupt reden? Wenn, dann kann man es nur in aller Vorsicht ein wenig versuchen – das, und nicht mehr, möchte ich jetzt tun.

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Wir beten vielleicht zum göttlichen Vater. Vielleicht scheuen wir uns, ihn außerhalb des Vater-Unsers so zu nennen und wir sagen dann „Gott“ „Großer Gott“ oder „Herr“. Wir beten zu dem Gott, auf den wir alles zurückführen, die ganze Welt, den Kosmos, unser eigenes Leben und das unserer Lieben, und von dem wir glauben, dass er letztlich alles in der Hand hat und alles zum Guten führen wird. Dieser Gott ist so groß, dass wir ihn auch den Unendlichen nennen, und manchmal könnten wir uns überwältigt fühlen von seiner Größe und vor ihm erschauern – Ehr-Furcht ist ein Wort, das nicht mehr so oft gebraucht wird, das aber dieses Gefühl gut ausdrückt. Und doch sagt uns unser Glaube, dass dieser unendlich große Gott kein unpersönliches Es ist, sondern ein liebevoller Vater. Er ist unser Vater, mit dem wir auf Du und Du sein dürfen. Unser Glaube macht uns etwas deutlich, das wir mit menschlicher Vernunft allein nicht verstanden hätten, obwohl es doch ganz logisch ist: wenn einer unendlich groß ist, dann ist ihm nichts zu klein. Wessen Größe nur endlich ist, der kann überfordert werden; wessen Größe nur endlich ist, der muss mit seiner Zeit und seinen Kräften haushalten und kann sich nicht um alles kümmern; muss Prioritäten setzen und manches als unwichtig ausscheiden. Wer unendlich groß ist, dem ist nichts zu klein, nichts zu unwichtig, nichts zu banal: und so können Kinder den himmlischen Vater genauso um eine gute Schulnote anrufen wie mächtige Politiker um den Weltfrieden. Der allmächtige Gott ist ein liebevollerer Vater, als wir ihn uns in unseren kühnsten Fantasien denken könnten – daher reicht nicht einmal das Bild des Vaters aus: Gott ist auch eine liebevollere Mutter als wir uns vorstellen können.

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Ich behauptete, das sage uns unser Glaube. Das ist richtig, aber ungenau. Jesus hat es uns gesagt. Wir wissen es von dem Menschen, der ganz in Einheit mit diesem Vater gelebt hat, der für ihn gehandelt hat, der ihn auf der Welt verkörpert hat. Jesus, ein Mensch wie du und ich, ein Mann aus Galiläa aus dem 1. Jahrhundert unserer Zeitrechnung. Einer, der sich für Ausgestoßene, für Sünderinnen und Sünder einsetzte. Er hat ihnen gesagt, dass der unendliche Gott ein solcher liebevoller Vater ist, der sich um alles kümmert, sogar um die Spatzen auf dem Dach. Einer, der selbst ausgestoßen wurde, weil es nicht akzeptabel war, so von Gott zu reden, der getötet wurde, weil er nicht aufhörte Gott als liebevollen Vater zu sehen, der ihn mit Abba – Papa ansprach, und zwar noch, als er die Henker schon kommen sah in Gethsemane. Durch ihn wurde unsere Vorstellung von Gott so groß, dass wir nun vertrauen können, dass Gott sich auch um das Kleinste kümmert. Ein Mensch, der andere Menschen zu diesem Vater geführt und sie auf dem Weg begleitet hat, und der sich eher töten ließ, als sie in die Irre zu führen. So ein Mensch machte Gott leibhaftig erfahrbar. Und sein Tod beendete das nicht. Sondern nach seinem Tod kam er wieder, derselbe und doch ganz verwandelt, sagte seinen Freunden und Freundinnen zu, dass er immer bei ihnen sein werde; dass er alle begleiten würde auf dem Weg zum Vater, solange die Welt stehen würde. Und spätestens nun wurde deutlich: Dieser Mensch Jesus, er war nicht nur ein Mensch, er war so sehr in Einheit mit dem himmlischen Vater, dass er diesen unmittelbar erfahrbar machte. In Jesu Gegenwart war man in der Gegenwart Gottes selbst. Durch Jesus haben wir nicht nur etwas über Gott erfahren, in Jesus haben wir Gott selbst erfahren. Der Vater hat nicht nur irgendeinen Boten geschickt. Er hat seinen Sohn gesandt. Und so können wir auch zu diesem Jesus beten, als einem, der den Weg, den wir noch vor uns haben, schon gegangen ist; der in allem, wie wir in Versuchung geführt wurde, aber – anders als wir – nicht gesündigt hat; der dadurch nicht selbstgerecht und aburteilend, sondern mitfühlend und vergebend wurde (vgl. Hebr 4,15). Zu wem außer ihm sollten wir beten, wenn wir auf dem Weg stolpern und straucheln? Wer außer ihm kann uns zum Vater führen?

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Und von diesem Jesus heißt es: er war vom Heiligen Geist geführt, solange er auf Erden wandelte. Warum das? Was bedeutet dies? Führung, wie wir sie kennen, geschieht von außen. Jemand sagt uns, dies oder jenes würde ich tun, wenn ich du wäre. Oft denken wir uns: „Ja, aber du bist nicht ich, du kannst nicht wissen, wie es in mir aussieht, was für mich heilsam und wichtig ist.“ Menschliche Führung, auch gute Begleitung, begegnet uns von außen. Selbst Jesus sprach zu seinen Jüngerinnen und Jüngern von außen und zu uns durch das Neue Testament. Göttliche Führung ist aber mehr als das. Gott ist uns innerlicher, als wir uns selbst – sagte schon der heilige Augustinus. Gott ist persönlicher und intimer in uns, als wir selbst es sind. Er kennt unser Herz und kann es uns zeigen, kann uns aufmerksam machen auf unsere tiefsten Bedürfnisse und Sehnsüchte. Und er tut das ohne Manipulation oder Gewalt; er erforscht unser Innerstes und zeigt es uns – und überlässt es uns, daraus die richtigen Konsequenzen zu ziehen. So ungefähr, lässt sich vielleicht denken, dass der Heilige Geist Jesus geführt hat. Und weil dieser der Sohn war, hat er immer die richtigen Konsequenzen gezogen. So ähnlich führt der Geist aber auch uns.

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Wir können auch beten auf eine Weise, die selbst geheimnisvoll ist. Dazu brauchen wir keine Worte, ja nicht einmal unbedingt Vorstellungen und Bilder. Wir können in Stille da-sein und merken, dass in uns auch jemand da ist, der größer ist als alles und doch zu uns gehört, uns durchdringt mit wärmender Liebe und uns doch nie überwältigt und verbrennt. Es gibt das Gebet der reinen Stille und Gegenwart, ohne Worte und doch in größerer persönlicher und intimer Nähe als alles andere. Ein solches Gebet wird auch Meditation genannt. Wir beten dann nicht zum Heiligen Geist. Der Heilige Geist betet in uns, er bringt uns in die Gegenwart des Vaters und des Sohnes, er verbindet uns mit ihnen und miteinander – so wie er schon seit Ewigkeit den Vater und den Sohn in ewiger Liebe verbindet. Denn auch beim Geist ist es wie beim Sohn: durch ihn zeigt sich nicht etwas über Gott, sondern etwas von Gott selbst.

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Gott selbst ist so, dass er in sich Beziehung lebt, die Beziehung der Liebe – und er stellt diese Beziehung auch zu uns her, indem er seinen Sohn und seinen Geist in die Welt sendet. Sie zeigen uns, wie Gott selbst, in sich, ist: dreifaltig, dreipersonal.

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Es fällt uns schwer, das in rationalen Begriffen auszusagen; und wenn wir es tun, wirkt es wie eine verbale Krücke, um ein Geheimnis in eine Sprache zu übersetzen, über die es weit hinaus geht. Es sind eher die Welt des Gebets oder die Welt der Liebe, die uns eine Ahnung geben können vom Geheimnis der Dreifaltigkeit. Und eine geeignetere Sprache dafür ist die Poesie oder auch das Bild. In der Lesung sahen wir so ein Bild: die Weisheit Gottes als Kind, das vor Gott spielte und deren Freude es war, bei den Menschen zu sein. Der heilige Ignatius sah in einer Vision die Dreifaltigkeit als drei Orgeltasten und war überwältigt von der Erfahrung göttlicher Zuwendung, die ihm widerfuhr.

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Auch unsere Poesie und unsere Bilder können dieses Geheimnis nicht fassen, denn es ist zutiefst persönlich. Und so kommen wir wieder zurück an den Anfang. Unser Gebet ist zutiefst persönlich, weil es sich an einen zutiefst persönlichen Gott richtet: einen jede Kleinigkeit und das große Ganze überschauenden Vater; einen Sohn, der in allem uns gleich wurde außer der Sünde; und einen Geist, der uns besser kennt als wir selbst, in uns betet und uns führt. Und diese drei sind der einzige Gott, durch den und auf den hin alles existiert. 

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