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Zwei (un)gleiche Brüder
(Gedanken zum 4. Fastensonntag Laetare (LJ C))

Autor:Wandinger Nikolaus
Veröffentlichung:
Kategoriepredigt
Abstrakt:Haben die zwei ungleichen Brüder des Evangeliums mehr gemeinsam, als man annehmen könnte? Ich denke, ja. Sie haben beide dasselbe Bild von ihrem Vater - und das Gleichnis zeigt, dass sie beide falsch liegen. Es zeigt damit uns ein neues Bild Gottes und was dieses für unser Selbstverständnis bedeuten kann
Publiziert in:
Datum:2010-03-22

Inhaltsverzeichnis

Inhalt

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Lesungen: (Jos 5,9a.10-12); 2 Kor 5,17-21; Lk 15,1-3.11-32

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Liebe Gläubige,

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das heutige Gleichnis vom Vater mit den zwei Söhnen zeigt uns zwei Söhne, wie sie unterschiedlicher nicht sein könnten: Einer ein Draufgänger und Revolutionär, der sich auf Teufel komm raus seine Freiheit erkämpft – auch um den Preis, dass er seinen Vater dafür zu Tode beleidigt – und der dann mit dieser Freiheit Schiffbruch erleidet. Vor lauter Lebensgier und Nimmersattseinkönnen verliert er jedes Maß und Ziel und erst als er ganz unten angekommen ist, erinnert er sich an seinen Vater und realisiert, dass es selbst dessen Knechte besser haben als er jetzt. Und er möchte zurückkehren, um so ein Knecht zu werden.

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Der andere Sohn bleibt zu Hause, kümmert sich um den Besitz seines Vaters, treu bis zur Selbstverleugnung. Nie würde es ihm einfallen, etwas vom Vater zu fordern – nicht einmal einen Ziegenbock für eine Grillparty. Er stellt alle eigenen Ansprüche zurück und gibt sich ganz in den Dienst seines Vaters – ein selbstloser Sohn, der schon von vornherein wie ein Knecht bei seinem Vater schuftet. Nur – glücklich ist er dabei nicht, das zeigt seine Reaktion auf den Empfang des Bruders, des Taugenichts.

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So unterschiedlich diese Brüder auf den ersten Blick scheinen – ich glaube doch, dass sie sehr viel gemeinsam haben. Ihre Beziehung zu ihrem Vater und das Bild, das sie von ihm haben, sind nämlich eigentlich gleich. Beide sehen in ihm einen strengen Despoten, der nichts umsonst schenkt, und sogar das, was einem zusteht, nur widerwillig herausrückt. Für sie ist er ein Patriarch, der seine Söhne wie Knechte behandelt, der nichts gibt, wenn er nicht muss, und der selbstherrlich schaltet und waltet. Beide Brüder sehen ihn so – nur ihre Reaktion darauf ist eine andere: der eine rebelliert und sucht das Weite, der andere unterwirft sich, fügt sich in die Situation und wird zum unglücklichen Duckmäuser. Eine Vater-Sohn-Geschichte wie viele: ein tyrannischer Alter und zwei Junge, die je auf ihre Weise damit – mehr schlecht als recht – fertig werden.

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Die alles entscheidende Frage ist aber, ob die Söhne ihren Vater wirklich kennen, ob ihr Bild auch zutrifft. Und die Sinnspitze des Gleichnisses zielt darauf ab, den Vater in einem ganz anderen Licht zu zeigen. Wie er dem Rumtreiber entgegenläuft, ihn umarmt und küsst und wie er ihm das Wort abschneidet, just in dem Moment, als der Sohn sagen will, dass er von nun an nur mehr ein Knecht sein will – all das zeigt, dass der Vater jetzt jedenfalls ganz anders handelt, als sein Sohn erwartet hat. Er ist ein liebevoller, ein herzlich-warmer Vater, der gar nicht nach Recht fragt, sondern freigiebig willkommen heißt und schenkt. Gerade kein geiziger Pfennigfuchser, sondern ein verschwenderisch Liebender.

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Und doch ist da ja die Beschwerde des Älteren. „Nie hast du mir was geschenkt! Nie hast du mich anerkannt und belohnt! Und jetzt ein Fest für den da!?“ Können wir es diesem Sohn nicht nachempfinden? Würde es uns nicht auch so gehen? Doch bevor wir vorschnell den Stab über den Vater brechen, hören wir noch einmal, was er darauf erwidert: „Mein Kind, du bist immer bei mir, und alles, was mein ist, ist auch dein.“ Nehmen wir dem Vater diesen Satz ab? Oder empfinden wir ihn nur als billige Ausrede? Was würde er denn heißen, wenn er ernst gemeint wäre?

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Ich denke, er wäre ziemlich revolutionär. Er würde heißen: „Mein Sohn, warum hast du denn gewartet, bis ich dir einen Ziegenbock oder was immer antrage? Du bist Mitbesitzer von allem, was ich habe; du darfst dich – ohne unterwürfig zu fragen – frei und verantwortlich bedienen. Was mein ist, ist auch dein. Du bist ein erwachsener Mensch und ich bin froh, dass du das bist. Darum kannst du selbst entscheiden, was du mit unserem Besitz tust. Mach dich doch nicht selber abhängig, sondern nimm deine Selbständigkeit ernst. Sei als Sohn nicht mein Knecht, sondern mein Mitbesitzer und verantwortungsvoller Partner.“

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Wenn wir den Vater hier beim Wort nehmen, dann zeigt sich, dass sich beide Söhne wirklich gründlich in ihm getäuscht haben: sie haben ihn als geizig und despotisch empfunden und dabei war er schon immer großzügig und freisetzend. Er wollte keine Knechte, sondern Partner. Und das Schlimme: weil die Söhne ihren Vater so missverstanden haben, wurden sie auch einander zu Rivalen; muss der eine Angst haben, dass ihm der Vater sein Erbteil vorenthalten könnte zugunsten des anderen; und der andere kann sich nicht freuen, als der verlorene Bruder wieder zurückkommt, weil er sich so tolle Fantasien davon gemacht hat, was der Draufgänger und Nichtsnutz alles erlebt, und was er folglich daheim alles versäumt hat. Und er neidet ihm den sündhaften Spaß. Solange die Brüder ihren Vater als geizig und eng erleben, sind sie aufeinander neidisch und konkurrieren gegeneinander. Bei aller Abgrenzung ist ihr Vaterbild ihr eigenes Vorbild – ohne dass sie es merken – und sie verhalten sich so, wie sie es dem Vater unterstellen.

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Und doch: Wie kann es sein, dass zwei Brüder ihren Vater so gründlich missverstehen und falsch einschätzen? Muss diese Deutung nicht scheitern, weil das völlig unplausibel ist? Nun, wenn es sich wirklich nur um eine menschliche Patchwork-Familie handelte, wäre das vielleicht so, aber auch da wäre ich mir nicht sicher, denn unsere Fähigkeit andere Menschen misszuverstehen, ist fast unerschöpflich. Aber im Gleichnis haben wir es ja letztlich mit dem himmlischen Vater zu tun und mit zwei Arten von Menschen: denjenigen, die sich gegen Gott auflehnen, dann aber um ihr Sündersein wissen und umkehren – und jenen, die glauben, treu und gerecht zu dienen, und dabei doch voller Ressentiments gegen die Sünder und gegen Gott stecken; Ressentiments gegen Gott, die notdürftig von Unterwürfigkeit überdeckt werden.

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Ist es nicht so, dass wir uns – je nach momentaner Verfassung – mal mit dem einen, dann wieder mit dem anderen der beiden identifizieren können? Und kommt das nicht vielleicht daher, dass auch wir immer wieder in die Versuchung geraten, Gott als geizig, engherzig, despotisch wahrzunehmen, und dann schwanken zwischen Auflehnung und Unterwerfung? Wir können zu so einer irreführenden Wahrnehmung Gottes aus ganz verschiedenen Gründen gelangen: weil sie uns eingeredet und anerzogen wurde; weil wir Widrigkeiten und Leid im Leben erfahren mussten und uns fragen, warum Gott das zulässt; weil uns menschliche Vorbilder gezeigt haben, dass Macht despotisch macht und ein All-mächtiger folglich super-despotisch sein muss; und vieles andere mehr.

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Jesus ist sich dessen bewusst. Und gerade um diese falsche Wahrnehmung Gottes zu korrigieren, erzählt er dieses Gleichnis. „Kehr um und glaub an das Evangelium“ ist der Leitspruch der Fastenzeit – an das Evangelium, dass Gott anders ist als die Söhne vorher gedacht haben: großzügig, freigiebig, nicht ein pfennigfuchsender Rechthaber, sondern ein selbstvergessener Liebhaber; einer, der keine Knechte will, sondern Söhne und Töchter, die seine verantwortungsbewussten und selbstständigen PartnerInnen werden. So hat Jesus seinen Vater gesehen und dieses Bild des himmlischen Vaters wollte er uns hinterlassen. Denn nur wenn wir Gott so erkennen, werden wir dazu fähig seine verantwortlichen Partner und Partnerinnen zu sein.

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Das Gleichnis schweigt sich darüber aus, ob der Vater den älteren Sohn überzeugen konnte, hineinzugehen und mitzufeiern. Jesu Tod scheint zu sagen: die frommen Daheimgebliebenen ließen sich nicht überzeugen. Statt zu glauben, dass Gott kein Despot ist, haben sie lieber den, der ihnen Gott als barmherzigen Vater zeigen wollte, mundtot gemacht. Es ist erschreckend, wie schwer es ist, Menschen von der absoluten Güte Gottes zu überzeugen und wie hartnäckig und brutal sie sich dagegen wehren. Vielleicht ist der Grund dafür ja auch, dass man sich damit die eigene Verantwortlichkeit erspart: man hat dann zwar einen Despoten zum Gott, gegen den man sich pubertär auflehnen oder dem man sich knechtisch unterwerfen kann; aber man muss nicht selbst, wie ein freier Erwachsener, Verantwortung übernehmen. Die Frohbotschaft aber ist, dass dieser Vater noch viel hartnäckiger ist und dennoch liebevoll bleibt: er hat Jesus, den ersten aller seiner Söhne und Töchter in den Tod gegeben, ihn aber dann vom Tod befreit, damit die Botschaft vom liebevollen Gott-Vater unsterblich werde. Darum: Laetare – Freut euch und glaubt an dieses Evangelium!

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