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Apokalypse Now!

Autor:Niewiadomski Jozef
Veröffentlichung:
Kategoriepredigt
Abstrakt:
Publiziert in:
Datum:2009-11-16

Inhaltsverzeichnis

Inhalt

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Jozef Niewiadomski,

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Apokalypse now!

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Predigt zum 33. Sonntag im Jahreskreis im Anschluss an die Texte: Dan 12,1-3; Mk 13,24-32, gehalten in der Jesuitenkirche in Innsbruck am 15. November 2009

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"Also ... jetzt laufen sie um die Wette!" - auf diese Kurzformel könnten Zyniker und Spötter die Botschaft des heutigen Sonntags bringen. "Die hysterisch gewordene Schar medialer Berichterstatter und die seit eh und je auf die Angstmanipulation geschulten Pfaffen: Sie konkurrieren miteinander beim Geschäft der Angsterzeugung. Die einen trumpfen mit der Schweinegrippe auf, die anderen mit der Weltuntergangsstimmung. Großalarm also auf allen Fronten. November 2009! So oder so: Apokalypse now!" Die Brutalität der Bilder und Geschichten, die am heutigen Sonntag mit dem Prädikat "Wort des lebendigen Gottes - Evangelium unseres Herrn Jesus Christus" versehen werden, die Brutalität dieser Verkündigung legt den Verdacht der großen Panikmache nahe. Die Botschaft scheint ja eindeutig und klar zu sein. Worum es geht, sei ja der große Knall: so ganz nach dem Rezept eines Nostradamus, nach dem Glaubensmuster zahlreicher Sekten, nach den Gelüsten unzählige Wahrsagerinnen und Kartenlegerinnen. "Ende und Aus! Feierabend für die ganze Erde. Feierabend für alle: Die gottlose Menschheit kriegt endgültig das Licht ausgeknipst. Aus die Maus!" Und als ob das Hollywoodspektakel noch nicht genügen würde, legt die Kirche noch nach. Sie greift ganz tief in die Mottenkiste und lässt die Zombies aufmarschieren, sie lässt die Toten auferstehen. Zur ewigen Schmach stehen die Bösewichte auf. Welch eine Labung für die Seelen der KirchengängerInnen, die über das Kreuzesurteil aus Straßburg schimpfen und sich nun mit dem Bild der in der Hölle schmorenden gottlosen Richter trösten können!

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Auf diese oder eine ähnliche zynische Variante verdichtet, verkommen die apokalyptische Verkündigung der Kirche und auch die Botschaft Jesu zum billigen Trostpflaster für ressentimenterfüllte Gläubige. Sie verkommt aber auch zum allzu deutlichen Ausweis scheinheiliger Selbstgerechtigkeit unserer Öffentlichkeit, die im Schnellkursverfahren in Sachen Pseudoaufklärung durch Gazetten und Talkshows geschult wird.

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Liebe Schwestern und Brüder, der Streit um den Wahrheitskern der Apokalypse ist so alt wie das Christentum selbst. Was dem einen zur Mutter aller christlichen Theologien wurde und zum Anwalt der Humanität mitten in einer ungerechten Welt, das wird dem anderen zum eindeutigen und aussagekräftigsten Ausweis der Täuschung und Selbsttäuschung der Christen und zum Beweis des verhängnisvollen Irrtums an der Wiege der weltumspannenden Religion. Das radikalste Urteil ist ja bekannt: Mit seiner apokalyptisch gestimmten Predigt habe schon Jesus selber geirrt, sein skandalöses Ende am Kreuz besiegle bloß seinen Irrtum. Der Glaube an seine Auferstehung und die fieberhafte Erwartung seiner Wiederkunft schreiben bloß seine Irrtümer in die zweite Generation fort, verhelfen der bedeutungslosen Minderheit zu neuem Selbstbewusstsein; ihre Enttäuschungen und Racheträume bekommen eine Projektionsfläche sondergleichen. Das Ende der Welt und das Gericht, zu dem sie die ganze Welt zitieren, sollen alles wenden. Jahrein, jahraus erpressen sie die Menschen mit solchen Bildern, jagen ihnen Ängste ein, machen sie für ihre eigenen Interessen gefügig. "Das ist doch eine krankmachende Religiosität!", schreit unsere aufgeklärte Öffentlichkeit immer lauter. "Mitten in einer Welt, die so schön ist wie die unsrige, mitten unter Menschen, die sich des Lebens erfreuen, so etwas zu verkünden! Das ist doch der Gipfel der Lebensverachtung. Schluss also mit dem pfäffischen Gerichtsgejammer und der kirchlichen Weltuntergangsstimmung. Lasst uns essen und trinken, lasst uns joggen und reisen, Partys feiern und Events veranstalten, denn morgen ... morgen sind wir tot. Carpe diem! Ergreife die Chance des Tages! - das haben schon die Alten gesagt. Denn: Wer weiß, ob es morgen noch einen Tag gibt."

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Wer also weiß es, ob die Schweinegrippe nicht doch zu dem wird, was wir alle kaum zu denken wagen, wer weiß, ob Panepidemien nicht doch überhandnehmen, wer weiß, ob die hungernde Mehrheit der Welt nicht ein Gewaltinferno entfacht und uns - die westlich gestylte Minderheit der Lebensliebhaber - von der Erdoberfläche hinwegfegt. Wer weiß, ob das Programm der genetischen Vervollkommnung der Menschen nicht ins Gegenteil umschlägt und aus den erhofften Designerkindern nicht perverse, gewaltversessene Monster werden. Carpe diem ...? Wir tanzen ja auf dem Vulkan, dem Vulkan, der jederzeit ausbrechen kann. Die Zahl der angsterzeugenden Faktoren in unserer hochtechnisierten Welt ist Legion. Jenes Potenzial, das unbestimmte Ängste und Neurosen beim Durchschnittszeitgenossen erzeugen kann, scheint keine Grenzen zu kennen.

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Liebe Schwestern und Brüder, wie man es dreht und wendet, man gelangt immer zu der einen frappierenden Einsicht: Um Lebensängste zu erzeugen, braucht unsere Welt wahrhaft weder Gott noch Jesus und schon gar nicht die Kirche. Um vor Angst zu erstarren, braucht der moderne, scheinbar aufgeklärte Mensch bloß ein waches Bewusstsein und offene Augen. Offene Augen für all jene Sackgassen, die er selber produziert: Sackgassen im persönlichen Leben, Sackgassen in der unmittelbaren Umgebung, Sackgassen am Horizont unserer globalisierten Welt und inzwischen auch Sackgassen, die wir ins Universum exportieren.

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Was bedeutet das aber für den Streit um den Wahrheitskern der biblischen Apokalypse und für den Streit um den Wahrheitskern kirchlicher Verkündigung? Zwei Folgerungen scheinen mir wichtig zu sein. Da ist zuerst die wichtige Erkenntnis: Mit seiner apokalyptischen Predigt hat Jesus nicht geirrt; mit seinen Worten wollte er ja weder einen rächenden Gott des Zornes verkünden, noch die Bösewichte in die Hölle zerren. Er wollte seinen Zuhörerinnen und Zuhörern bloß die Augen öffnen: für die real existierende Gefahr. Wie alle echten Propheten wollte er sie sensibilisieren für die Konsequenzen ihres eigenen Lebens, aber er wollte sie auch aufmerksam machen auf die verblüffende Erkenntnis: Ein Mensch, der in seinem Leben Gott verliert, weil er sich von diesem Gott abwendet, dieser Mensch befreit sich keineswegs von seinen Ängsten. Davon wissen die säkularisierten Zeitgenossen inzwischen eine Kantate zu singen. Nicht das göttliche Gericht verwüstete die Erde und die Lebensgeschichten der Zeitgenossen Jesu, nicht das göttliche Gericht verwüstet unsere Welt, sondern das menschliche Selbstgericht. Schon die Propheten hielten fest: "Die Väter haben saure Trauben gegessen und den Kindern sind die Zähne stumpf geworden. Seht ihr nicht, dass ihr Anteil an derselben Logik habt?" - So lautet auch die schmerzhafte Frage an uns. Wie von der Tarantel gestochen reagiert der pseudoaufgeklärte Mensch auf eine derartige Kritik und bringt meistens den Kritiker zum Schweigen. Nicht anders reagierten die Zeitgenossen Jesu. Auch sie brachten den Propheten aus Nazareth zum Schweigen, richteten also zuerst nicht sich selber sondern ihn und brachten ihn auch um. Der Tod Jesu am Kreuz stellt keinen Irrtum dar; es ist eine allzu logische Konsequenz der Verkündigung der Wahrheit mitten in einer Welt, die sich mit Täuschungen einlullt und mitten in einer Welt, die die Selbsttäuschung liebt. Insofern müssen wir dieses Leben und auch diesen Tod als Paradebeispiel bester Aufklärung immer wieder neu zur Sprache bringen. Und dies mitten in unserer Welt, einer Welt, die zunehmend dem Wahn der political correctness verfällt, dem zivilisierten Zensurzwang - wenn Sie so wollen. Der Tod Jesu und damit auch sein Kreuz sind die besten Beispiele für die Aufklärung über die schmerzhafte Wahrheit des menschlichen Selbstgerichtes, eines Gerichtes, das Menschen tagtäglich erleben, wenn sie viktimisiert werden und/oder sich selber viktimisieren: eines Selbstgerichtes, das jeder von uns tagtäglich erlebt und auch durchleidet.

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Doch damit sind weder die Tiefe der Wahrheit der biblischen Apokalypse noch der springende Punkt kirchlicher Verkündigung ausgelotet. Jener Gott, den weder der moderne Mensch noch Jesus Christus zur Erzeugung der Ängste braucht, dieser Gott ist im apokalyptischen Szenario menschlicher Selbstgerichte, im apokalyptischen Geschehen der Viktimisierung und Selbstviktimisierung, dem Geschehen der alltäglichen von Menschen bewirkten Destruktion, er ist in diesem Geschehen nicht gänzlich abwesend. Er führt zwar nicht in den Untergang, er begleitet aber den Menschen, der dem Untergang preisgegeben ist. Der himmlische Vater hält Jesus die Treue selbst dann, wenn alle über ihn richten. Mehr noch: Als allmächtiger Richter spricht auch er sein Urteil, indem er Jesus auferweckt und diesen Auferweckten mit der Botschaft der Versöhnung in die von Zerstörung geprägte Umgebung schickt. "Friede sei mit euch!", sagt der Auferweckte. "Wie mich der Vater gesandt hat, so sende ich euch. ... Empfangt den Hl. Geist... Vergebt die Sünden! Versöhnt! Versöhnt über Gräber hinweg, versöhnt die von Angst gelähmten Menschen. Versöhnt sie mit sich selber, versöhnt sie mit ihren Gegnern, versöhnt sie mit der Welt und schenkt auf diese Weise das Leben durch den Tod hindurch. Erweckt die Hoffnung angesichts radikaler Sackgassen!"

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Liebe Schwestern und Brüder, das ist der zweite Gedanke zum Thema: Wahrheit kirchlicher apokalyptischer Verkündigung. Gott begleitet, ja er rettet..., rettet gar durch den Tod hindurch. Mitten in einer Welt, die von einer Katastrophe in eine andere hineintappt, mitten in einer Welt, die ihren Mitbürgern jeden Tag zum Frühstück die Vision eines kleinen Weltuntergangs serviert: weil eben die Schweinegrippe in Anmarsch ist, und wenn nicht diese dann die Terroristen, und wenn nicht diese dann der perverse Nachbar oder aber sein Rottweiler - mitten in einer Welt, die ihre unzähligen Sackgassen mit Gewalt zu sprengen sucht, mitten in dieser Welt feiert die Kirche den Untergang. Sie zelebriert die Apokalypse und zwar hier und jetzt. Also doch: Apokalypse now? Die Kirche feiert die Apokalypse Jesu Christi. Sie feiert sein Leben, seinen Tod und seine Auferweckung. Sie tut es so lange, bis er kommt! Kommt, aber nicht um abzurechnen. Nicht um sich zu rächen, nicht um das Höllenprogramm als das erfolgreichste Programm aller Zeiten zu demonstrieren. Nein! Er kommt, um zu retten. Retten, so wie er schon immer rettete. Er sendet seine Engeln aus, damit sie sammeln, damit sie beistehen und damit sie den Menschen dazu verhelfen, mitten in den Sackgassen selber zu Engeln zu werden. Den verängstigten Christen - uns allen also - wird heute zugerufen: Weil Du an diese Logik glaubst, weil Du dich begleitet, ja gerettet durch den Untergang, durch die Sackgassen, durch den Tod hindurch glaubst, kannst Du selber zu einem solchen Engel werden. Und dies mitten in einer Welt, die schon durch die Nachricht von der Schweinegrippe an den Rand der Hysterie gerät. Weil Du an den rettenden Gott glaubst, kannst Du getrost den Kopf erheben, gerade als Christ kannst Du den Kopf erheben und gläubig und gelassen ausrufen: Dein Reich komme! Das ist die christliche Apokalypse. Lass uns also diese Apokalypse - die Apokalypse der Rettung und der Versöhnung - in unserer Liturgie Gegenwart werden!

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