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Martyrium und Liebe

Autor:Bischof Dr. Karl Golser 
Veröffentlichung:
Kategoriepredigt
Abstrakt:
Publiziert in:
Datum:2009-10-11

Inhaltsverzeichnis

Inhalt

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Predigt des Bischof von Bozen-Brixen beim Festgottesdienst in der Basilika von Stams am 11. 10.2009 zum Abschluss des Kongresses: „Martyrium als religionspolitische Herausforderung“ organisiert von der Theologischen Fakultät Innsbruck und Kirchlichen Pädagogischen Hochschule Edith Stein  (liturgische Texte: Weish 7,7-11; Mk 10,17-30)

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Lieber Bischof Manfred, lieber Abt German, liebe Teilnehmerinnen und Teilnehmer am Symposium zum Martyrium, liebe Gläubige!

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„Da sah ihn Jesus an, und weil er ihn liebte, sagte er: Eines fehlt dir noch“. Was fehlte dem reichen Jüngling, der das ewige Leben gewinnen möchte? Es fehlte ihm eindeutig die Liebe, eine Liebe, die bereit ist herzugeben, auf den eigenen Besitz zu verzichten und ihn den Armen zu schenken.

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Wir haben uns im Symposium der vergangenen Tage mit den Märtyrern beschäftigt, die bereit waren, das eigene Leben hinzugeben – für eine in ihren Augen gerechte Sache. Wenn aber die Liebe fehlt, ist dies alles nichts. So schreibt der Apostel Paulus im 13. Kapitel des 1. Korintherbriefes: „Und wenn ich meine ganze Habe verschenkte, und wenn ich meinen Leib dem Feuer übergäbe, hätte aber die Liebe nicht, nützte es mir nichts.“

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Nicht nur sogenannte Märtyrer, die mit dem eigenen Suizid andere in den Tod reißen, entsprechen dem Kriterium der Liebe nicht – sie sind vielfach von Hass erfüllt. Aber auch jene, die sich immer nur in der Opferrolle sehen und welche die Helden von 1809 als Märtyrer hinstellen, entsprechen dem Kriterium der Liebe nicht, wenn sie nicht bereit sind zur Vergebung, sondern nur auf Wiedergutmachung des erlittenen Unrechts pochen und dafür demonstrieren.

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 Nur einer ist gut: Gott, der alles aus Liebe erschaffen hat, der alles auf Christus hin geschaffen hat. Christus ist das Ziel der ganzen Schöpfung und er wird einmal alles in Liebe zusammenfassen und so Gott, seinem Vater übergeben.

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Christliche Märtyrer sind wie unser Protomärtyrer, der Hl. Stephan, mit der Bitte auf den Lippen gestorben, dass Gott ihren Tätern die Sünde nicht anrechne, Bezug nehmend auf die Worte Jesu am Kreuz: „Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun.“ Diese Haltung hatten auch unsere Märtyrer zur Zeit des Nationalsozialismus, z. B. die Priester Otto Neururer und P. Jakob Gapp, ebenso Franz Jägerstätter und auch der Südtiroler Josef Mayr-Nusser.

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„Nur einer ist gut, außer Gott, dem Einen“.

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Liebe Schwestern und Brüder! Es ist für uns Christen wichtig, und unser Papst betont dies immer wieder als sein erstes Anliegen, dass Gott die erste Priorität in unserem Denken einnimmt und dass wir uns gegen Versuche wehren, jeden Bezug auf Gott in unserer Gesellschaft auszuklammern. Wenn nicht Gott die Priorität hat, dann nehmen Götzen die erste Priorität ein, eben das Kreisen um Wohlstand, um die Güter dieser Erde, und dann kommen die Schwachen unter die Räder.

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Dabei wird vergessen, dass die Güter dieser Erde zuerst einmal für alle Menschen da sind. Das Privateigentum ist nicht absolut, sondern es hat eine soziale Hypothek, wie es die christliche Soziallehre ausdrückt. Wir sind nicht die Herren dieser Welt, sondern wir haben sie als Lehen bekommen, damit wir dieses wunderbare Lebenshaus bewahren für alle Menschen, für die Menschen, die jetzt hier auf Erden leben und auch für die Generationen, die nach uns kommen.

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Die Gebote Gottes, die Jesus im heutigen Evangelium dem reichen Jüngling aufzählt, sind Ordnungen der Schöpfung, damit das Leben aller Menschen gelinge, sie sind Weisungen für ein gutes Leben. Sie gehen von der Priorität Gottes aus, der uns aus dem Sklavenhaus Ägypten befreit hat, wie es in der Einleitung zu den Zehn Geboten der Bibel heißt, der uns ein Leben in Freiheit und Liebe ermöglichen will.

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Mich hat es beeindruckt, was unser Papst am letzten Sonntag bei der Eröffnung der Afrikasynode ausgeführt hat. Afrika ist begehrt vor allem wegen seiner Bodenschätze. Leider sind diese auch Ursache für manche Konflikte und Kriege, die man dorthin verlegt hat. Aber die eigentlichen Schätze Afrikas sind seine spirituellen Schätze. Gott ist in der afrikanischen Kultur präsent. Afrika ist eine immense spirituelle Lunge für eine Welt, die unter einer Glaubens- und Hoffnungskrise leidet.

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Aber genauso wie verbrecherische Organisationen versuchen, den Giftmüll nach Afrika zu transportieren, so wird auch Gift für diese spirituelle Lunge eingeführt, so dass diese Lunge zu erkranken droht. Zwei Pathologien nennt der Papst: Zuerst jene eines praktischen Materialismus, der verbunden ist mit einem Werterelativismus. Die so genannte industrialisierte Welt exportiert andauernd diese Geisteshaltung und insofern gibt es heute einen geistigen Kolonialismus.

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Die zweite Pathologie ist ein religiöser Fundamentalismus, der die eigene Weltanschauung mit Gewalt durchsetzen möchte. Wir denken dabei vor allem an den islamistischen Fundamentalismus, der bewusst die so genannten Märtyrer einsetzt.

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Aber es gibt die Gefahr des Fundamentalismus überall dort, wo man nur den eigenen Standpunkt gelten lässt, und sei dies auch in der Geschichte erlittenes Unrecht. Es ist dies eine Unfähigkeit zum Dialog, der auch andere Standpunkte ernst nimmt und gemeinsam mit allen versucht, sich der Wahrheit zu nähern. Was wahr ist, was Gerechtigkeit ist, appelliert an das eigene Gewissen, und kann nur über Einsicht in Freiheit angenommen werden. Die Wahrheit muss in Liebe getan werden und die Liebe muss sich um die Wahrheit bemühen.

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Es ist hier nicht der Ort, um konkret zu werden. Es tut sich aber ein weites Feld auf für den Aufbau einer zukunftsfähigen Gesellschaft in Tirol. Wir dürfen nicht rückwärtsgewandt sein und aus einer Opferrolle heraus eine hundertprozentige Wiedergutmachung erlittenen Unrechts verlangen, was ja wiederum neues Unrecht bewirken würde. Wir müssen in die Zukunft schauen und uns bemühen, dass unser wunderschönes Land nicht auf den Gottesbezug und grundlegende Werte vergisst, und ebenso sich immer mehr für eine je größere Liebe öffnen will, die Jesus ohne Wenn und Aber nachfolgen will.

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Es ist dies in den verschiedenen Lebenslagen, in der Politik, in der Wirtschaft, in dem Bemühen um weltweite Gerechtigkeit, in der Erhaltung der Umwelt nicht leicht, aber wir haben eine ganz große Hoffnung: Gott kümmert sich um uns, Gott hat sich in Liebe für uns hingegeben, und was für Menschen unmöglich erscheint, das ist für Gott doch möglich.

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