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Worauf es letztlich ankommt
(Gedanken zum 21. Sonntag im Jahreskreis (LJ B))

Autor:Wandinger Nikolaus
Veröffentlichung:
Kategoriepredigt
Abstrakt:Worum geht es in den sog. Brotreden Jesu im Johannesevangelium? Es geht ganz wesentlich um das rechte Verständnis von Zeichen und von der Wirklichkeit, die sie bezeichnen. Es geht darum, einerseits die Zeichen nicht ihrer Symbolkraft zu berauben, indem man sie schon für dasjenige hält, worauf es letztlich ankommt. Anderseits soll man aber auch nicht so tun, als ob die Zeichen, um die es hier geht, nur Hinweise wären und das Eigentliche in ihnen gar nicht gegenwärtig wäre.
Publiziert in:
Datum:2009-08-25

Inhaltsverzeichnis

Inhalt

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Lesungen: Jos 24,1-2a.15-17.18b (Eph 5,21-32) Joh 6,60-69

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Liebe Gläubige,

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mit dem heutigen Sonntag schließen wir einen fünf-wöchigen Ausflug ins Johannesevangelium ab. Wir haben dabei Auszüge aus dem 6. Kapitel gehört, die sog. Brotreden Jesu. Vielleicht ist das eine ganz gute Gelegenheit zurückzublicken und noch einmal zu schauen, worum es dabei eigentlich ging.

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Es begann mit der wunderbaren Brot- und Fischvermehrung, mit der Begeisterung der Menschen darüber, der sich Jesus entzieht, weil er befürchtet, sie könnten ihn mit Gewalt zu ihrem König machen. Dann fährt Jesus ans andere Ufer, aber die Leute folgen ihm und er wirft ihnen vor, dass sie nicht gekommen seien, weil sie ein Zeichen gesehen hätten, sondern weil sie satt geworden seien. Und er spricht davon, wie wichtig der Glaube ist, sie aber sprechen vom Manna, das Mose in der Wüste gegeben habe. Jesus widerspricht: nicht Mose, sondern sein Vater habe das Manna gegeben und überhaupt sei er selbst, Jesus, das Brot des Lebens. Dagegen erheben sich nun Einwände: wie soll denn er, der Sohn Josefs und Marias, das Brot des Lebens sein, das vom Himmel gekommen ist. Jesus wird in seiner Sprache noch direkter: das Brot, das er geben werde, sei sein Fleisch, und wer davon esse, habe das ewige Leben. Darauf folgt das heutige Evangelium: viele wenden sich ab, finden Jesu Worte unerträglich, aber als Jesus die Zwölf fragt, ob sie auch gehen wollen, antwortet Petrus, dass sie bleiben, weil Jesus Worte ewigen Lebens habe. Was sollen wir nun daraus erkennen?

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Ich denke, es geht ganz wesentlich um das rechte Verständnis von Zeichen und von der Wirklichkeit, die sie bezeichnen. Es geht darum, einerseits die Zeichen nicht ihrer Symbolkraft zu berauben, indem man sie schon für dasjenige hält, worauf es letztlich ankommt. Anderseits soll man aber auch nicht so tun, als ob die Zeichen, um die es hier geht, nur Hinweise wären und das Eigentliche in ihnen gar nicht gegenwärtig wäre. Damit würde man die Symbolwirklichkeit auch gänzlich verkennen. Es geht bei diesen Brotreden tatsächlich darum, wie wir im Allgemeinen die ganze Welt als Zeichen Gottes sehen können und wie wir es im Besonderen verstehen, wenn wir - unter den Zeichen von Brot und Wein - den Leib und das Blut Christi empfangen. Mit welcher Art von Wirklichkeit haben wir es da zu tun?

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Jesus gibt den Menschen Brot zu essen als Zeichen dafür, dass die Kraft Gottes, die sich in ihm manifestiert, eine Kraft für das Leben ist; dass Gott ihr Leben in Fülle unterstützt und betreibt. Das Brot ist dafür ein Zeichen, aber Gottes Lebenskraft für uns besteht normalerweise nicht darin, dass er uns direkt Brot gibt - sei es vom Himmel oder durch wundersame Vermehrung. Sie besteht darin, dass wir normalerweise Kraft und Fähigkeiten haben, unser Brot - und die Wurst obendrauf - zu erarbeiten; dass Gott alles das unterstützt, womit wir unser Leben echter, wahrer und tiefer machen können. Die Menschen aber sehen das Brot nicht als Zeichen für diese alles durchwirkende, Leben schenkende Kraft Gottes. Sie sehen es nur als physische Realität: Brot, das satt macht. Jesus fordert sie auf, nicht beim Physischen stehen zu bleiben, sondern darüber hi­nauszugehen und seine Tiefe auszuloten: „[...] das Fleisch nützt nichts. Die Worte, die ich zu euch gesprochen habe, sind Geist und sind Leben." (Joh 6,63) Das sind keine leibfeindlichen oder materieverachtenden Aussagen, sondern die Aufforderung, das Materielle als das ernst zu nehmen, was es ist: physisch notwendige Lebensgrundlage und zugleich Symbol, das über dieses physische Leben hi­nausweist in eine viel größere Wirklichkeit, die wir nur in Zeichen fassen können. Und darin aber auch die Aufforderung, dass das Eigentliche in der Welt nicht die sogenannten objektiven Fakten sind: ein schmackhaftes Brot, ein majestätischer Berg, ein schöner Körper; das Eigentliche ist der tiefere Sinn, die Bedeutung, die in diesen Dingen steckt: ein Lebens-Mittel; die Größe Gottes, die Schönheit und Würde des Menschen - jedes Menschen.

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Und dann die eucharistischen Zeichen: ein Stück Brot und ein Schluck Wein, Zeichen für der Einsatz Jesu für das Leben der Welt, der ihn schließlich sogar dahin führte sein Leben hinzugeben. Er selbst - dieser Jesus, der Sohn des Josefs und der Maria - soll das Brot des Lebens sein? Eine kleine Hostie, die nicht einmal besonders schmeckt, und ein Schluck Wein sollen Leib und Blut dieses Jesus sein und uns mit ihm, seiner Hingabe und Liebe und durch ihn mit Gott, dem Vater, verbinden? Ist das nicht unerträglich? Wird es erst dadurch erträglich, dass wir es „nur" als ein Symbol verstehen, nicht als Realität?

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Und genau hier liegt der Fehler - in diesem vermeintlichen Gegensatz von Symbol und Realität. Es ist nicht die physikalisch-chemische Zusammensetzung des Brotes, worauf es letztlich ankommt, es ist gerade das, was es wirklich be-deutet. Das ist generell so im menschlichen Leben: nicht das einfache Vorliegen - die physische Faktizität - ist entscheidend, sondern das tiefere Bedeuten.

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Natürlich gibt es Zeichen, die nur auf etwas verweisen: der Messplan draußen im Schaukasten verweist nur auf die Gottesdienste in dieser Kirche. Aber im zwischenmenschlichen oder interpersonalen Bereich sieht es anders aus. Wir können einen Menschen in den Arm nehmen und damit berühren wir ihn und, wenn es kalt ist, können wir ihn dadurch sogar etwas wärmen. Soweit die physische Faktizität. Meist, wenn wir einen Menschen in den Arm nehmen, meint es aber viel mehr: es bedeutet: ich mag dich, ich kümmere mich um dich, ich fühle mich dir verbunden und bin für dich da; die körperliche Wärme, die du spürst, soll dich auch innerlich wärmen, soll deine inneren Lebensgeister wecken, soll dich aufbauen und dir zeigen, dass du wertvoll bist. Ist es ein Irrtum, eine Umarmung so zu verstehen? Soll man sie nur „objektiv" als Berührung und physische Temperaturübertragung bezeichnen? Ich denke nicht, denn eine Umarmung kann all das sein - und wird es auch oft sein. Natürlich gibt es andere Umarmungen: vereinnahmende oder gar verlogene, die all das nur vorgaukeln und letztlich dann das erzeugte Gefühl der Verbundenheit ausnützen wollen - sexuell oder manipulativ oder wie auch immer. Wir Menschen können auch in unseren zeichenhaften Zuwendungen lügen. Das unterscheidet uns von Gott und seiner zeichenhaft-realen Gegenwart in Christus.

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Kann das wirklich sein, dass der Sohn der Maria der Sohn Gottes ist? Kann es wirklich sein, dass das Stück Brot, das nachher am Altar liegen wird, ihn und damit die in ihm leibhaftig gewordene Liebe Gottes für uns gegenwärtig macht? Warum ist das keine Täuschung? Auch dafür gibt es keinen objektiv-physikalischen Beweis, eben weil gerade auf dieser Ebene die letzte Realität, auf die es ankommt, gar nicht erfasst werden kann.

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Davon, dass die ganze Welt ein Zeichen für die Güte Gottes sein kann, lässt sich leicht reden; es lässt sich auch leicht danach leben, solange genügend Brot und majestätischer Berg und schöne gesunde Menschen vorhanden sind. Was aber, wenn das Brot knapp, die Natur bedrohlich und die anderen Menschen hässlich werden, hässlich, weil sie einen verfolgen, bedrohen, foltern und töten? Wer in dieser Situation nach wie vor dazu stehen kann, dass Gott eine liebevolle, positive Macht in der Welt ist - im Letzten so liebevoll, dass er es ablehnt, das Böse mit Gewalt zu bekämpfen; und wer dann fähig ist, sein knappes Brot zu teilen und sogar die hässlichen, weil gewaltverzerrten, Menschen noch zu lieben und für sie zu beten; ihnen nicht mit Vergeltung, sondern mit Vergebung zu antworten, der beweist, dass er nicht nur oberflächlich und leichtfertig von der Liebe Gottes spricht, die in allem Guten gegenwärtig ist; der verkörpert diese Liebe bis zum Letzten und ist ihr Zeichen jenseits aller anderen möglichen Zeichen.

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Darum ist der das Brot des Lebens, das Symbol Gottes, in dem Gott selber gegenwärtig wird; und darum ist das kleine Brotstück der Hostie, das gerade diese Hingabe Jesu gegenwärtig setzt und uns um sie versammelt, seine wahre Gegenwart: ein Zeichen, aber eines, in dem die ganze Kraft Gottes für uns gegenwärtig wird, durch die wir das ewige Leben haben.

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