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Fakultät: Schule des Lebens, Denkens und Glaubens
(Predigt zur 150-Jahrfeier der Wiedereröffnung der Innsbrucker Theologischen Fakultät)

Autor:Leitner Severin
Veröffentlichung:
Kategoriefak
Abstrakt:
Publiziert in:Originalbeitrag für den Leseraum
Datum:2007-11-06

Inhalt

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Ein denkwürdiger Anlass, der uns heute zur Eucharistie – zur Dankesfeier zusammenführt: die 150 – Jahrfeier der Wiedereröffnung der Theologischen Fakultät durch Kaiser Franz Josef am 4. November 1857 (1) . Schon im Gründungsakt sind drei für diese Fakultät typisch gebliebene Merkmale sichtbar, auf die der Jesuitenorden größten Wert gelegt hat: die Fakultät sollte nicht diözesan gebunden, aber den Diözesen zu Diensten, sie sollte international sein und sich durch hohe Qualität in Lehre und Forschung auszeichnen. So war es der Wille des Papstes und des Generals in Rom, so war es auch der erklärte Wille des Fürstbischofs Vinzenz Gasser von Brixen. Die Fakultät durchlief Perioden großer Bedrohungen durch liberale, antikirchliche Kräfte, sie erlebte die Aufhebung durch die Nationalsozialisten, sie sah aber auch Perioden ruhiger Aufbauarbeit bis hin zu Weltruf. Weltbekannt wurde die Universität Innsbruck durch die Theologische Fakultät und das Canisianum, durch das Wirken großer Lehrer, die die besten Schüler aus aller Welt hier anzogen. Als staatliche Fakultät ist sie eingebunden in die staatlich-öffentliche Universität, gestaltet die Entwicklungen mit und erhebt im öffentlichen und wissenschaftlichen Diskurs ihre Stimme. Die internationale Ausstrahlung dieser Fakultät war und ist groß, hinein in unser Land und unsere Kirche, hinein in das Europa heute und in die Kontinente. Ich möchte an dieser Stelle den Lehrenden und Lernenden für ihren tagtäglichen Beitrag zum Gelingen des Ganzen an dieser Alma Mater Anerkennung und Dank aussprechen. In Hochachtung und großer Dankbarkeit wollen wir auch jene nicht vergessen, die unten in der Krypta dieser Kirche ihre letzte Ruhe gefunden haben.

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Als ich die heutigen drei Lesungen (1. Lesung: Weish 11,22-12,2; 2. Lesung: 2Thess 1,11-2,2; Evangelium.: Lk 19,1-10) meditierte, hatte ich den Eindruck, sie seien für mich geschrieben. An ihrer Botschaft möchte ich meine Gedanken und Anliegen für diese Predigt strukturieren.

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1. Theologische Fakultät, eine Schule des Lebens und des Staunens

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Das Buch der Weisheit preist Gott als den Schöpfer der ganzen Welt. „Herr, die ganze Welt ist vor dir wie ein Stäubchen auf der Waage, wie ein Tautropfen, der am Morgen zur Erde fällt. Du hast mit allem Erbarmen, weil Du alles vermagst. … Du liebst alles, was ist,… Herr, Du Freund des Lebens“ (Weih 11,22. 26). Das Buch der Weisheit atmet Weite, Vertrauen und dankbares Staunen. Eine Weltsicht, die nicht naiv aber auch nicht bedrohlich ist. Die Welt ist ein großer Raum der Liebe und des Vertrauens. Das genau ist auch die Grundinspiration der ignatianischen Mystik und Spiritualität, die Karl Rahner eine „Mystik der Weltfreudigkeit“ nannte: Der Mensch ist geschaffen, Gott den Herrn zu loben, ihm Ehrfurcht zu erweisen und zu dienen. Alles auf der Welt ist ihm dazu Hilfe. (Geistliche Übungen 23. [GÜ]) Von dieser Grundinspiration her hatte die Theologie der Jesuiten immer eine ganz positive Weltsicht, ein positives Menschenbild, das den Menschen mit einem großen Ziel beschenkt sieht: Gott und den Menschen zu dienen, - in allem – „amar y servir en todo“ (GÜ 233).

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Ist nicht das der beste Ausgangspunkt einer jeden Tätigkeit, allen Forschens an einer Theologischen Fakultät, das Staunen, das Fragen, die Neugier zu wecken über das unfassbare Geheimnis Gottes und seiner Schöpfung?

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Dürfen wir das noch, angesichts globaler Probleme und Bedrohungen? Ist das nicht naiv und blind? Nein, wir müssen den Boden des Dankens und der Freude suchen. Dieser Zugang zur Welt, öffnet uns erst die Augen und lässt uns kritisch auch die anderen Seiten sehen, darunter leiden. Wir leben allzu sehr als Macher und Erzeuger und Zerstörer. Der Homo Faber, der Macher in uns muss wieder dem Homo ludens, dem spielenden Menschen Raum geben (wie Hugo Rahner (2) unübertroffen angeleitet hat), damit uns wieder die Augen aufgehen für den liebenden Schöpfergott, den Freund des Lebens.

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2. Theologische Fakultät, eine Schule des Denkens und der Unterscheidung

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Der Apostel Paulus hat ein tiefes Gespür für die Würde und Größe der Berufung, die Gott durch Christus den Glaubenden schenkt. Daher spricht er seiner Gemeinde zu: Lasst euch nicht so schnell aus der Fassung bringen und in Schrecken jagen, wenn in einem prophetischen Wort behauptet wird, der Tag des Herrn sei schon da (2 Thess 2, 2).

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Der Apostel traut seiner Gemeinde Kritik- und Urteilsfähigkeit zu, weil sie von Gott in Christus begnadet worden ist und in ihm feststeht. Das heißt Fähigkeit zur Unterscheidung der Geister! (GÜ 313 – 336)

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Unterscheidungs- und Kritikfähigkeit gehören zu den Grundpfeilern der ignatianischen Spiritualität. Um unterscheidungsfähig zu werden, forderten die jesuitischen Studienpläne eine gründliche wissenschaftlich – humanistische Ausbildung. Dabei unterschieden sie zwischen der Schule des Verstandes und der Schule des Herzens (3) . Die Schule des Verstandes hat es mit Wissen und Wissensvermittlung, mit Logik, Analyse und einem intellektuellen Instrumentarium zu tun. Verstand aber kann missbraucht werden und in den Bann von Ideologien und Macht geraten. Deshalb muss die Schule des Herzens hinzutreten: Die Schule des Herzens ist die Bildung, des Menschen, seines Charakters, seiner Seele. Sie schenkt Synthese, anerkennt den Wert des Gemütes, des Gefühls, des Gewordenen und Gewachsenen. Wissen und Bildung gehören zusammen: Der Verstand vermittelt das Wissen, das Herz die Bildung. Bildung geht zusammen mit Ehrfurcht und Respekt, mit Kritikfähigkeit und Unterscheidung der Geister.

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Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, liebe Studierende, ich wünsche Ihren, dass Sie diesen Fundamenten treu bleiben. Wir brauchen heute die Gabe der Unterscheidung, der Unterscheidung des Echten vom Schein, des wirklich Guten vom Bösen unter dem Schein des Guten, des Engels vom Satans, der uns in der Lichtgestalt eines Engels erscheint. Der Selige Franz Jägerstätter, der Bauer und Messner aus St. Radegund, beschreibt einen Traum. Er träumte von einem schönen Eisenbahnzug, der um einen Berg fährt. Viele springen auf den schönen, vollen Zug auf und fahren mit. Plötzlich hat Franz Jägerstätter die Einsicht: dieser Zug fährt in die Hölle. (4) Unterscheidung und Kritikfähigkeit verhindert, dass die Menschen heute auf alle erdenklichen schillernden Züge aufspringen und kritiklos Dinge mitmachen, von denen sie wissen, dass sie nicht gut sind: den Zug des Konsumismus, des Materialismus und des Indifferentismus oder der ideologischen Faszination und jeden kritiklosen Mitläufertums, kritiklos gottlos oder kritiklos fromm. Denken und Unterscheidung braucht ein Kriterium, an dem es sich orientiert.

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3. Theologische Fakultät, Schule des Glaubens

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Blicken wir auf das Evangelium. Der Zöllner Zachäus (Lk 19,2-10) steigt weit hinauf, dass er über die Köpfe der anderen hinweg Christus sehen kann. Christus holt den Zöllner vom Baum herab, um ihm zu begegnen: dieses Herabsteigen ist eine Urbewegung für jeden, der Christus suchen und begegnen will. Wer Christus sucht, der muss seinen Boden aufsuchen und der ist weit unten. So lehren es uns auch die ignatianischen Exerzitien. Sie sprechen vom „armen Christus“ (GÜ 166), und seine Perspektive ist Armut, Geringschätzung und Demut (GÜ 146), allem gegenteiligen Streben des maßlosen menschlichen Herzens zum Trotz. Das entspricht dem neutestamentlichen Christusbild. Dieser Christus ist den Menschen ganz nahe, er hat keine Berührungsängste mit Armen und Ausgestoßenen und solchen, die das Tempo des modernen Lebens nicht schaffen. Er bildet das Kriterium in der Unterscheidung der Werte. Er lädt uns nicht mit Propaganda und lautem Geschrei ein. Vor Propaganda und lautem Geschrei verstummt Christus, wie der Gottesknecht (bei Jesaia) und wie die Märtyrer unserer Tage. Nein, in ihm ist „der Himmel zur Erde gebogen“ (Friedrich Spee), „der Himmel niedergekniet“ (Christine Lavant), ganz nahe zum Menschen. Wo die Theologie und die Kirche diese Urbewegung mitgemacht haben, haben sie wirklich den Menschen gefunden, aber auch Angst bekommen, wie vor der Armutsbewegung bei Franziskus, bis hin zur Theologie der Befreiung, wo es um privilegienlose Begegnung des Menschen mit dem Evangelium geht.

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Die Kenntnis, die Liebe und die Freude an der Nachfolge zu wecken und zu nähren, ist nicht das die tiefste Sendung dieser Fakultät?

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4. Schule des Lebens und Staunens, Schule des Denkens und der Unterscheidung, Schule des Glaubens

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Liebe Kolleginnen und Kollegen, Lehrende und Studierende, Sie haben die große und wichtige Sendung, diese Perspektiven und diese Werte offen zu halten. Sie ist anspruchsvoll und verlangt nicht nur Disziplin und das Aushalten der mit der Wissenschaft und dem Studium verbundenen Einsamkeit und des Opfers, sondern sie verlangt auch Tiefe, Kontemplation und Gebet. Widerstehen wir dem genialen Ausweichen vom Sein zum Tun, vom Bewusstsein der Sendung zur einfachen Pflichterfüllung und vom apostolischen Zeugnis zur apostolischen Beschäftigung.

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Mit der Hilfe Gottes und seines mächtigen Geistes wird die Universität und diese Fakultät die große vor ihr liegende Zukunft bewältigen.

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Amen.

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Anmerkungen:

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1. H. Rahner, Die Geschichte eines Jahrhunderts. ZKTh 80 (1958) 1 – 65.

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2. H.Rahner, Der spielende Mensch. Innsbruck

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3. Satzungen 516.

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4. Vgl. Jozef Niewiadomski, Dieser Zug fährt in die …“ Herausforderungen für das Humanum heute. In: M.- Scheuer, Selig die keine Gewalt anwenden. Das Zeugnis des Franz Jägerstätter. 2007

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