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Himmelhoch jauchzend – zu Tode betrübt
(Verklärung und was dann? Gedanken zum 2. Fastensonntag 2007)

Autor:Wandinger Nikolaus
Veröffentlichung:
Kategoriepredigt
Abstrakt:
Publiziert in:# Originalbeitrag für den Leseraum
Datum:2007-03-08

Inhaltsverzeichnis

Inhalt

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Lesungen: (Gen 15,5-12.17-18); Phil 3,17-4,1; Lk 9,28b-36

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 Liebe Gläubige,

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manchmal hat man so eine Erfahrung: Irgendetwas ist ganz großartig gelaufen, wir fühlen uns beschenkt und stolz zugleich, sind glücklich und in absoluter Hochstimmung. Es ist, als würde die ganze Welt einen umarmen, als wäre man das Zentrum des Universums und alles um einen herum nur dazu da, einem das Leben schön zu machen. Man fühlt sich als Liebling der Götter: stark, froh, voller Selbstbewusstsein, als könnte man Bäume ausreißen. Man möchte himmelhoch jauchzen und die Welt zurückumarmen. Und vor allem will man diesen Moment festhalten, solange es geht. Es gibt solche Erfahrungen, und auch wenn sie nicht so dicht gesät sind, haben doch die meisten Menschen so etwas schon einmal gespürt. Doch wie geht es dann meistens weiter?

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Der Alltag holt uns wieder ein. Ja nicht nur der Alltag, sondern oft kommt sogar ein tiefer Fall. Ein Unglück kommt selten allein, so heißt es, und so stürzen oft viele Dinge auf einmal über einem zusammen und rauben uns Kraft, Lebensmut und Freude. Alles scheint sich gegen uns verschworen zu haben, die Decke fällt uns auf den Kopf und insgeheim sind wir verärgert über Gott: warum tut er uns das an? Warum muss das alles zusammenkommen und warum gerade mich treffen? Wir fühlen uns von Gott verlassen und allein. Das Schlimmste von allem aber: die schönen Jubelmomente der Vergangenheit erscheinen schließlich wie kolossale Täuschungen, Illusionen, denen wir aufgesessen sind; Lug und Trug einer boshaften, hinterhältigen Welt, die uns vorgaukeln will, schön zu sein, und doch nur ein Jammertal ist; am Ende sind sie gar die arglistige Täuschung eines menschenverachtenden Gottes. Und je höher vorher der Jubel, desto tiefer scheinen wir zu fallen. Nur zu oft folgt auf das Himmelhoch-Jauchzend das Zu-Tode-Betrübt.

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Liebe Gläubige, ich finde, wir haben damit etwas fundamental mit den Aposteln gemeinsam und unterscheiden uns – wie sie – ein ganzes Stück von Jesus. Wenn ein Erlebnis so eine Jubelerfahrung war, dann doch wohl das, das uns das heutige Evangelium geschildert hat. Da wird Jesus nicht in salopper Redensart als Liebling der Götter, sondern als DER auserwählte Sohn Gottes offenbar, sein leuchtendes Gewand zeigt die ganze Strahlkraft dieses Ereignisses, und die großen Männer des Bundes Israels mit Gott sind in seiner Gegenwart. Petrus, Jakobus und Johannes dürfen das miterleben, und sie reagieren ganz so wie wir: halten wir den Moment fest, bauen wir Hütten und bleiben. Aber das geht nicht. Ganz im Gegenteil: Die großen Männer verschwinden, Jesus wird so, wie er immer war. Sie steigen vom Berg hinunter und ziehen nach Jerusalem – und dort wartet der Schock ihres Lebens auf sie.

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Ihr Meister, der auserwählte Sohn Gottes, wird als Aufrührer und Gotteslästerer verurteilt und brutal hingerichtet. Der Retter, der Heilbringer, der Messias hätte er sein sollen. Und jetzt: ein Schwerverbrecher, gottloser falscher Prophet am Kreuz. Diese Apostel haben sich wohl auch von Gott betrogen und hintergangen gefühlt. Die Stimme aus der Wolke hatte doch gesagt: „auf ihn sollt ihr hören“, und jetzt das. Sie laufen davon, flüchten – nicht nur aus Feigheit um ihre Haut zu retten, sondern weil ihr Vertrauen in Gott und in Jesus aufs Tiefste erschüttert und enttäuscht ist. Petrus sagt es direkt: „ich kenne ihn nicht“ (Lk 22,57). Sagen wir das nicht auch manchmal, wenn jemand uns bodenlos enttäuscht hat: den kenne ich nicht mehr.

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Und Jesus selbst? Ihn selbst betrifft die Situation doch am meisten. Er war es, der leuchtete vor innerem Glanz und Kraft, und jetzt wird er verspottet und gequält. Zunächst geht es Jesus wie uns in dieser Situation: auch er spürt die Liebe und Kraft Gottes nicht mehr. Erfüllt von Schmerz und umringt von Menschen, die sich gegen ihn verschworen haben, kann auch er nicht mehr anders, als sich von Gott verlassen fühlen (vgl. Mk 15,34). Und doch unterscheidet er sich fundamental von den Aposteln und von uns.

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Das beginnt schon vor seiner Jubelerfahrung der Verklärung. Schon vorher sagt er den Jüngern, dass der Weg nach Jerusalem ein Weg ans Kreuz und in den Tod sein wird, und fordert sie sogar auf, einmal auch ihr Kreuz auf sich zu nehmen. Er sagt aber auch, dass dieses Kreuz nicht das Ende sein wird, dass danach etwas kommt, das Auferstehung heißt, etwas, das die Jünger nicht verstehen (vgl. Lk 9,18-27). Und als er dann am Kreuz angelangt ist und sich sosehr vom Übel der Welt treffen lässt, dass auch er die Gegenwart Gottes nicht mehr spürt, da lässt ihn das doch nicht irre werden an Gott. Das Glück, der Glanz, die Verklärung – sie sind verschwunden, weg, vergangen und in ihr Gegenteil verkehrt worden, aber sie sind nicht Illusion, nicht Täuschung. Gott ist nicht zu spüren, er scheint abwesend, aber er ist für Jesus kein Lügner und Betrüger, er ist und bleibt der Vater, in dessen Hände Jesus schließlich seinen Geist legt (vgl. Lk 23,46).

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Wenn wir an einem Grab stehen, wie die Frauen dann am Grab Jesu, oder wenn wir sonst von Leid überwältigt werden, so dass uns Gott fern und abwesend erscheint, dann stehen wir immer vor der Alternative: Hatte Jesus Recht oder nicht? Ist Gott trotz allem ein liebender Vater oder ist er etwas anderes, im schlimmsten Fall ein sadistischer Lügner? Gibt es eine Auferstehung, ein Neuwerden aus schlimmstem Elend oder nicht? Wenn ja, dann hatte Jesus von Anfang an Recht: mit seinem Realismus, dass er auf dem Berg der Verklärung nicht lange verweilen konnte, dass das aber nicht an Gott, sondern am Zustand der Welt lag; mit seinem Vertrauen, dass der Vater, von dem auch er sich verlassen fühlte, irgendwie noch immer da war, seinen Geist aufnehmen und sein Leben erneuern würde.

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Dann sind die kurzen Verklärungserfahrungen unseres Lebens nicht Täuschungen, sondern – wie bei Jesus –Vorwegnahmen dessen, was kommen wird, wenn Gott uns die Fülle des Lebens schenkt. Und wenn das alles so ist, dann hatte Jesus auch Recht mit seiner Aufforderung an uns, unser Kreuz zu tragen, d. h. den Weg Jesu mitzugehen in einer unheilen Welt, die einen oft nicht zum strahlenden Helden, sondern zum Außenseiter und Sündenbock macht. Christus hat sein ewiges Leben durch das Kreuz hindurch erhalten. Das ist auch unser Weg, auf die eine oder die andere Weise. Wenn wir das nicht wahrhaben wollen, werden wir – wie Paulus schreibt – zu Feinden des Kreuzes; zu Menschen, die ständig im Jubel verharren wollen und nicht merken, wie sie dabei die Fülle des Lebens eintauschen gegen einen vollen Bauch.

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Hatte Jesus Recht? Hat Gott ihn auferweckt? Wenn er auferstanden ist, können wir auf ihn hören und uns darauf einlassen, mit ihm vom Berg der Verklärung herunterzusteigen und mitzugehen bis ans Kreuz. „Ist aber Christus nicht auferweckt worden, dann ist unsere Verkündigung leer und euer Glaube sinnlos“ (1 Kor 15,14), gibt Paulus an einer anderen Stelle offen zu. Das Osterfest, auf das wir zugehen, ist also von alles entscheidender Bedeutung. Die Apostel sind durch Ostern zu der Überzeugung gelangt, dass Jesus doch Recht hatte, dass er sie nicht hinters Licht geführt hat. Sie haben ihn als den Auferweckten gesehen, der sogar das enttäuschte „ich kenne ihn nicht“ verziehen hat. Trauen wir also ihrem Wort und bauen wir auf Jesus, auf Jesu Liebe, auf Jesu Auferstehung und bitten wir um den Glauben, der dies auch dann wirksam sein lässt, wenn uns das Leid im Griff hat oder wir gar an Gräbern stehen müssen.

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