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Der sich verschenkende Gott und seine Wunder
(Predigt zu Lk 17,11-19)

Autor:Niewiadomski Jozef
Veröffentlichung:
Kategoriepredigt
Abstrakt:
Publiziert in:# Predigt vom 14.10.2001 in der Jesuitenkirche (18.00 Uhr)
Datum:2001-10-16

Inhaltsverzeichnis

Inhalt

1
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Was soll das bedeuten: „Steh auf und geh, dein Glaube hat dir geholfen!" Sind die übrigen Neun doch nicht gesund geworden? Das Evangelium sagt unmissverständlich, die zehn Aussätzigen wurden geheilt... auf dem Weg zu den Priestern... . Nur: Der Eine kam zurück, nachdem sie alle gesund wurden. Der Eine kam zurück und dankte und zu ihm sagte Jesus, sein Glaube habe ihm geholfen!

2
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Wann und wobei half der Glaube? Und was will Jesus damit sagen? Betreibt er theologische Haarspalterei? Wie ein moderner Theologieprofessor? Konfrontiert mit dem Unfassbaren, dem Überraschenden, mit dem was die Gesetze des gesunden Menschenverstandes übersteigt, würde doch dieser sagen: Dem Einen half halt sein Glaube, dem Anderen der Zufall oder weiß Gott was alles. Oder ist der Text gar mit einer Nuance an frommen Sadismus zu lesen und daraufhin auszulegen, daß die anderen Neun - weil sie sich undankbar zeigten - wiederum krank geworden sind; ihre anfängliche Heilung sei bloß der Testfall, und die Prüfung gewesen, ob sie die Heilung auch verdienen. "Do ut des": Ich gebe, auf dass du gibst, ich schenke, damit du doch zurück schenkst.

3
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All solche Deutungsversuche, so plausibel sie im neoliberalen Zeitalter auch erscheinen mögen, widersprechen dem Grundtenor des Wirkens Jesu und dieser heißt: Bedingungslosigkeit. Bedingungslos ging er auf Menschen zu: Auf Gesunde und Kranke, auf Fromme und Sünder und ließ sich bedingungslos auf diese ein: Sprach sie los von ihren Sünden, linderte ihre Not und heilte ihre Krankheit, trank aber auch mit ihnen ihren Wein und tanzte auf ihren Hochzeiten. Diese Bedingungslosigkeit nicht aber die kleinkarierte Berechenbarkeit und Kleinkrämergeist charakterisieren ja seinen Gott und seinen Vater, der seine Sonne aufgehen lässt über Gute und Böse und seinen Regen regnen lässt über Gerechte und Ungerechte.

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Weil sich aber dieser Gott immer und überall verschenkt, weil seine Liebe zum Leben all unserem Tun zuvorkommt, droht dieses sein Tun zur banalen Selbstverständlichkeit zu verkommen... in unseren Augen! Das Wunder wird zur banalen Tatsache. Die Sonne geht halt auf, weil sich die Erde dreht, der Mensch wird geboren und stirbt, weil das biologische Zellenmaterial diesen oder jenen Gesetzen folgt... Was gibt es da zu staunen? Alles sei doch so selbstverständlich, wie die Leberzirrhose bei einem Säufer.

5
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Weil sich der Gott Jesu immer und überall verschenkt, weil alles in ihm Gnade ist, setzt sich dieser lebendige Gott ständig der Gefahr der Banalisierung aus. Er wird verkannt, er wird verneint und abgelehnt, und er lässt sich auch verneinen, lässt sich ablehnen und vertreiben, schlägt nicht zurück und rächt sich nicht dafür, dass seine Gnade nicht erkannt wird. Im Gegenteil im jesuanischen Leiden und Sterben steigt er in die tiefsten Abgründe des menschlichen Lebens hinab, in die Abgründe des Todes und der Gottverlassenheit, sprich in die Abgründe der Sünde. Selbst hier oder gerade hier kommt er dem menschlichen Tun zuvor. Weil aber der schrecklich leidende, nach seinem Gott schreiende Christus sich bedingungslos der Macht des Todes und der Sünde ausliefert, droht selbst dieses größte Wunder göttlicher Gnade zur banalsten und trivialsten Wahrheit des Nihilismus zu verkommen.

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„Dein Glaube hat dir geholfen!" - sagte Jesus zum einen der zehn Gesundgewordenen und hob ihn ab von der Masse der nicht Glaubenden. Was soll das bedeuten?

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  • Gott macht in seinem Gnadenhandeln keinen Unterschied zwischen dem Glaubenden und Nichtglaubenden; er erschafft alle, er erhält alle im Dasein, nähert sich immer wieder allen bedingungslos: Liebend in Freud und rettend im Leid und auch in der Sünde. Und er wird gleichermaßen von den Glaubenden und den Nichtglaubenden verkannt und oft auch abgelehnt.
  • Auch bei den Menschen verschwindet der Unterschied zwischen dem Glaubenden und Nichtglaubenden immer wieder: Vor allem in den Zeiten der Not. Um Errettung zu bitten, um Heilung, um die Abwendung der Zerstörung: Das vermögen alle Menschen! „Not lehrt beten" - heißt doch schon das uralte Sprichwort. Zehn Aussätzige gab es in der Geschichte und nur einen Glaubenden.
  • Und was vermag der Glaubende? Bezahlt er die Rechnung für den göttlichen Arzt? Genau das wäre der Trugschluss, denn: Rechnung zu bezahlen bedeutet nichts anderes, als das Wesen der Gnade zu verkennen. Der Glaubende bringt mit seiner Geste des Dankes bloß eines zum Ausdruck: Er hat begriffen, die Nichtselbstverständlichkeit dessen, was da geschah. Und das wird Folgen haben für sein ganzes Leben. Dieses Leben wird sich ändern. Denn: Gott bedarf unseres Dankes nicht, doch dem Dankenden bringt der Dank Segen. Der Glaubende wird nämlich immer sensibler darauf, wie viel von dem, was er als Banalität in seinem Leben erlebt, Gnade ist. Auf diesem Wege, auf dem Wege der fortschreitenden Sensibilisierung dafür, wie viel an Gnade wir erfahren, werden wir immer Gott ähnlicher. Nicht aber auf dem Weg der moralischen Perfektion. Indem wir danken, dankbar sind, Eucharistie feiern, das Dankgebet miteinander erleben, werden wir immer Gott ähnlicher. Wir erkennen und erfahren schon jetzt hier und erst recht nach dem Tod werden wir es wissen und erleben: Im Grunde ist alles bloß Gnade und dies in alle Ewigkeit.

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