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"Ihr Frauen, ordnet euch den Männern unter"
(Gedanken zum 21. Sonntag im Jahreskreis, LJ B)

Autor:Wandinger Nikolaus
Veröffentlichung:
Kategoriepredigt
Abstrakt:War Paulus der größte Kirchenmacho? Oder warum schreibt er solche Sätze? Versuch eines anderen Blicks
Publiziert in:# Originalbeitrag für den Leseraum
Datum:2006-08-28

Inhaltsverzeichnis

Inhalt

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(Jos 24,1-2a.15-17.18b); Eph 5,21-32; Joh 6,60-69

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 Liebe Gläubige,

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vielen von Ihnen dürfte es bei der heutigen Lesung wohl ähnlich gehen wie den Zuhörern Jesu im Evangelium: manche möchten wohl rufen: „Was er sagt, ist unerträglich. Wer kann das anhören?“ „Laut Schätzungen ist in Österreich jede fünfte Frau von Gewalt durch einen nahen männlichen Angehörigen betroffen“ (1) . Es dürfte zwar unwahrscheinlich sein, dass sich prügelnde Ehemänner dabei auf Paulus berufen, aber auf diesem Hintergrund klingen dessen Worte aus dem Brief an die Epheser noch problematischer. Und in der Tat: Paulus redet davon, dass sich Ehepartner einander unterordnen sollen. Welche Art von Duckmäuserbeziehung kann denn da nur herauskommen? Ja, im Speziellen sollen sich die Frauen ihren Männern unterordnen; Paulus behauptet sogar, der Mann sei das Haupt der Frau. Wird da nicht der Frau ihre eigene Würde, ja sogar ihre Individualität genommen? Lassen wir also Paulus einen alten Macho sein und reden wir von der lange überfälligen Gleichberechtigung der Geschlechter. Oder?

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Vielleicht haben wir ja etwas Wichtiges übersehen und verstehen Paulus völlig falsch, weil wir – aufgrund so vieler schlechter Erfahrungen – dem Paulus schon vorher unterstellen, er sei ein Kirchenmacho. Lassen wir doch mal einen Augenblick lang die Unschuldsvermutung gelten und betrachten wir den Text noch einmal:

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Jedesmal wenn Paulus vom Unterordnen spricht, wird das mit Christus in Verbindung gebracht: die Partner sollen sich einander unterordnen aus Ehrfurcht vor Christus; die Frauen sollen sich den Männern unterordnen wie dem Christus; und die Männer sollen die Frauen lieben, wie Christus die Kirche geliebt hat. Ändert das etwas an unserem Problem?

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Das, liebe Gläubige, hängt davon ab, wie wir unsere Beziehung zu Christus verstehen. Was bedeutet es denn, sich Christus unterzuordnen? Heißt das duckmäuserisch keine eigenen Wünsche und kein eigenes Leben zu haben? Verlangt Christus Unterwürfigkeit und das Aufgeben unserer Rechte? Oder ist es gerade umgekehrt: Heißt sich Christus unterzuordnen nicht, die eigenen Wünsche kritisch darauf zu befragen, ob sie wirklich mir und meinen Lieben Gutes meinen; mein eigenes Leben in Fülle zu leben ohne mich von allen Moden wie ein Fähnlein im Wind hin und her treiben zu lassen? Christi Untertan zu sein heißt einen Herrn zu haben, der uns zu eigener Freiheit und Selbständigkeit befreit, der uns unsere Rechte zuspricht als von Gott geschenkte Rechte, der uns unsere Würde als Kinder Gottes erst deutlich macht, so dass wir allen anderen Möchte-gern-Herren gegenüber frei werden. Wenn Frauen sich also ihren Männern unterordnen sollen wie dem Christus, dann bedeutet das eben genau dasselbe: nicht Unterwürfigkeit und Selbstaufgabe, sondern es stellt an die Männer den Anspruch, sich gegenüber den Frauen zu verhalten wie Christus sich gegenüber uns allen verhält.

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Deshalb fährt Paulus fort: „Ihr Männer, liebt euere Frauen, wie Christus die Kirche geliebt und sich für sie hingegeben hat.“ (Eph 5,25) Die Kirche, das sind alle Menschen, die sich aufmachen, Jesus nachzufolgen, die glauben, dass er sie über sein eigenes Leben geliebt hat – unabhängig davon wie großartig und vollkommen oder wie schwach und unvollkommen sie sind. Für diese alle hat Christus sich hingegeben, um ihnen das Leben in Fülle zu ermöglichen. So sollen Männer ihre Frauen lieben, sagt Paulus. Für Paulus ist es also nicht so, dass, wer sich unterordnet, sich auch aufopfern und hingeben sollte. Nicht die Kirche hat sich für Christus hingegeben, sondern Christus sich für die Kirche. Also sollte, wenn überhaupt ein Aufopfern und Hingeben in der christlichen Ehe einen Platz hat, es der Mann sein, der sich aufopfert und hingibt. Paulus stellt damit die übliche Macho-Logik geradezu auf den Kopf: Dass ein Mann seine Frau herumkommandiert, schikaniert oder gar Gewalt gegen sie ausübt, ist danach völlig ausgeschlossen, dafür kann es nach Paulus gar keine Rechtfertigung geben. Wenn ein Mann seine Frau schlägt, schlägt er sich selbst, ja letztlich schlägt er Christus, darauf läuft die Argumentation des Paulus hinaus. Warum?

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Mann und Frau sollen sich einander unterordnen aus Ehrfurcht vor Christus. Denn meine Frau, mein Mann ist auf ganz besondere Weise für mich der- oder diejenige, mit der sich Christus so identifiziert, dass er sagt: Was ihr ihm oder ihr getan habt, das habt ihr mir getan (vgl. Mt 25,40). Dann kann man sinnvollerweise sagen: die ganze Kirche ist der Leib Christi und Christus ist ihr Haupt. Er hat sich so mit allen identifiziert, dass er Teil ihres Leibes geworden ist. Und nur im Sinn dieser Identifikation kann Paulus auch davon sprechen, dass der Mann das Haupt der Frau ist. Er folgert dann daraus: „Darum sind die Männer verpflichtet, ihre Frauen so zu lieben wie ihren eigenen Leib. Wer seine Frau liebt, liebt sich selbst. Keiner hat je seinen eigenen Leib gehasst, sondern er nährt und pflegt ihn, wie auch Christus die Kirche.“ (Eph 5,28f.) Wie Christus sich mit der Kirche identifiziert und sie nährt und pflegt, so soll ein Mann sich mit seiner Frau identifizieren. Sie zu schlagen ist so viel, wie sich selbst zu schlagen.

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Und das ist mehr als eine fromme Phrase. Ich denke, darin liegt eine tiefe psychologische Einsicht: Ein Mensch, der Gewalt anwendet gegen jene, die schwächer sind als er, die ihm aufgrund bestimmter Konstellationen sogar ausgeliefert sind, ist das nicht letztlich ein Mensch, der sich selbst hasst? Wer es nötig hat, Frau und Kinder zu verprügeln, leidet an geringem Selbstwertgefühl, ist sich seiner selbst unsicher, hat es nie gelernt sich selbst anzunehmen, wie er ist, und kann deshalb auch seine nächsten Angehörigen nicht genug annehmen, denn kann sich ihrer Stärken nicht freuen, weil sie ihn bedrohen, und ihre Schwächen nicht ertragen, weil er die eigenen nicht annehmen kann.

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All das schwingt mit in der Theologie des Paulus. Seine Lösung ist aber mehr als eine moralische. Das reine Verbot ist zu schwach, Menschen aus den oft tragischen Verstrickungen, die zu familiärer Gewalt führen, zu befreien. Deshalb verweist Paulus auf Christus: Der Blick auf ihn, das Erfahren seiner Identifikation mit uns – gerade als die, die sich doch nie völlig annehmen und lieben können – soll uns immer wieder einen Schritt weiter führen in dieser Selbstannahme. Eine solche Selbstannahme geht Hand in Hand mit einer „Unterordnung“ unter Christus im rechten Sinn und ermöglicht es auch, dass wir uns einander auf richtige Weise „unterordnen“, nicht als Duckmäuser, sondern in reifer Rücksichtnahme, die natürlich immer dort besonders wichtig und oft auch besonders schwierig ist, wo Menschen ganz eng zusammen leben: in Ehe und Familie.

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In diesem Blick auf die Identifikation Christi mit uns allen entdecken wir dann eine Weisheit, die Paulus auch schon niedergeschrieben hat: „Es gibt nicht mehr Juden und Griechen, nicht Sklaven und Freie, nicht Mann und Frau; denn ihr alle seid ›einer‹ in Christus Jesus.“ (Gal 3,28). Die Unterschiede von Geschlecht, Status und Nationalität werden auf einer letzten Ebene bedeutungslos. Aus dieser Einsicht speisen sich die Hinweise des Paulus für das Zusammenleben von Mann und Frau.

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Sie werden vielleicht sagen: diese Hinweise sind immer noch sexistisch; immer wird der Mann mit Christus verglichen und die Frau mit der Kirche. Warum nicht einmal umgekehrt? In der Tat gibt es trotz allem eine gewisse Schieflage in der Geschlechtertheologie des Paulus, denn er musste für seine Zeit und seine Welt eine praktikable Anwendung seiner Grundeinsicht finden. Wir müssen dasselbe für unsere Zeit wieder tun. Und wenn wir Paulus richtig lesen, wird er uns dazu eher eine Hilfe als ein Hindernis sein.

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Seine Grundeinsicht, dass eine Partnerschaft zwischen Christen und Chrstinnen in besonderer Weise auf der Identifikation Christi mit uns sündigen Menschen beruht und deshalb diese Partnerschaft besonders von der Haltung Christi durchdrungen sein soll – diese Grundeinsicht kann uns dazu helfen, auch unsere Einstellung zu unserem Partner noch einmal bekehren zu lassen: Sie ist dann nicht die Suche nach einem ideal-perfekten Menschen, denn es gibt nur einen solchen: eben Jesus, den Christus. Es ist vielmehr die Suche danach, den Menschen, den Gott mir an die Seite gestellt hat und mit dem Christus sich identifiziert, so anzunehmen, wie ihn auch Christus angenommen hat, mit der gleichen Nüchternheit und Kritikfähigkeit, die Jesus gegenüber seinen Mitmenschen hatte; aber auch mit der gleichen Liebe und Annahme trotz aller Unzulänglichkeiten.

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Anmerkungen:

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1. http://www.aoef.at/material/ facts/Zahlen_und_Daten.pdf

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