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Restrospektive auf den Osterfestkreis
(Gedanken zum 7. Sonntag der Osterzeit (Lesejahr B))

Autor:Wandinger Nikolaus
Veröffentlichung:
Kategoriepredigt
Abstrakt:Ein Rückblick auf die Zeit, in der sich das Zentrum des Christentums liturgisch verdichtet
Publiziert in:# Originalbeitrag für den Leseraum
Datum:2006-07-21

Inhaltsverzeichnis

Inhalt

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Lesungen: (Apg 1,15-17.20a.20c-26); 1 Joh 4,11-16; Joh 17,6a.11b-19

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 Liebe Gläubige,

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der liturgische Osterfestkreis neigt sich dem Ende zu. Heute ist der letzte Sonntag vor Pfingsten und dieses Fest beschließt diese Zeit, die am Aschermittwoch begonnen hat, uns durch die Feier der Passion zum Osterfest geführt hat, dessen Bedeutung und Auswirkung wir uns nun seit 6 Wochen näher vor Augen führen, und die mit dem Kommen des Heiligen Geistes endet. Vielleicht ist es eine gute Idee, einmal innezuhalten und noch einmal zurückzublicken auf diesen ganzen Festkreis, in dem sich das Zentrum des christlichen Glaubens auf einmalige Weise verdichtet:

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Es begann mit der Fastenzeit, der Zeit der Vorbereitung, die vor allem durch zweierlei geprägt ist: auf der einen Seite erzählten uns die Evangelien davon, welch außergewöhnliche Person Jesus war: davon, dass er versucht wurde, aber—anders als wir—nicht gesündigt hat; wie er vor den Augen der Jünger verklärt wurde; wie er das Wasser des Lebens ist, einen Blinden heilte und Lazarus vom Tod erweckte; und all das immer begleitet von einem Stück Unverständnis der Jünger und Widerstand und Ablehnung von den religiösen Würdenträgern; auf der anderen Seite hat uns die Liturgie der Fastenzeit in Erinnerung gerufen, dass wir Sünderinnen und Sünder sind, dass wir nicht perfekt sind, sondern der Vergebung und Hilfe Gottes bedürfen. Die Fastenzeit hat uns deutlich vor Augen geführt, wie groß Jesus war—und wie schwach und unverständig wir anderen Menschen doch waren und sind.

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Und dann, in der Karwoche, spitzt sich alles zu: Der in Jerusalem einzieht und dort als Retter und Messias mit Jubel empfangen wird, er endet auf fürchterliche Weise, denn keine Woche später schreien dieselben Menschen „Ans Kreuz mit ihm“. Eine—im wahrsten Sinne des Wortes—unheilige Allianz aus frommen Menschen, aus politischen Entscheidungsträgern, aus einem aufgepeitschten Mob und aus einer unverständigen und feigen Jüngerschar bringt es fertig, dass dieser Jesus, auf dem die Hoffnung aller ruhte, am Sündenpfahl, dem Kreuz endet. Und sie alle haben aus guter Absicht gehandelt, waren überzeugt, das Richtige zu tun, und haben doch das Falscheste getan, das man sich denken kann. Sie waren sich so sicher, dass dieser Jesus ein Gotteslästerer, ein Umstürzler, ein falscher Prophet und lügnerischer Messias sei, dass die Beweise nicht mehr so wichtig waren. Es genügte schon, dass er den Anklagen nicht laut genug widersprach—und schon galten sie als bewiesen. Und das Kirchenlied ließ uns dazu singen „Was du, Herr, hast erduldet, ist alles meine Last; ich, ich hab es verschuldet, was du getragen hast.“ (GL 179,4)

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So scheint es, dass am Karfreitag ein Ausgestoßener und Verdammter am Kreuz stirbt, gegen den sich alle verschworen haben—die Gestrigen und die Heutigen—, und den auch sein Gott verlassen hat, wie er doch selbst herausschreit. Einer, der im Auftrag Gottes die Welt retten wollte, wird von dieser Welt und scheinbar auch von seinem Gott verworfen. Die Liturgie der Karwoche führt uns mit Christus in die letzte Finsternis und Gottverlassenheit. Und wäre die Geschichte dort zu Ende, es wäre die ultimative Katastrophe.

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Aber in diese letzte Finsternis hinein leuchtet das Licht einer Kerze, der Osterkerze, die uns bezeugt, dass die Geschichte dort nicht zu Ende war. Schon in seinem Leiden hatte sich Christus ganz anders verhalten, als man es erwarten könnte: er hat für seine Gegner um Vergebung gebetet, nicht um Vergeltung; er hat auf gewaltsame Gegenwehr verzichtet; und er hat sein Leben vertrauensvoll in die Hände jenes Vaters gelegt, von dem er sich gerade noch verlassen fühlte. Das Licht der Osterkerze zeigt an, dass durch dieses Handeln Jesu im Leiden die Finsternis aufgesprengt wurde. Dort, wo kein Ausweg mehr möglich schien, öffnet seine Liebe einen neuen Weg; dort, wo ihn der Tod vernichtet und das Grab einmauert, sprengt der Vater dieses Gefängnis und gibt dem als Gotteslästerer Verurteilten neues göttliches Leben. Und dieser kommt zurück zu den Jüngern, zu den Versagern, und schenkt ihnen neuen Frieden; und sie begreifen, dass dieser Friede allen weitergegeben werden soll, auch denen, die Jesus ans Kreuz brachten.

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Sosehr sich vorher alle gegen Jesus zusammenfanden, sosehr nimmt Jesus alle mit hinein in seinen Friedensgruß und seine Vergebung, die Damaligen und uns Heutigen. Das Bekenntnis, dass Jesus der Sohn Gottes ist, ist nichts anderes, als dieses Bekenntnis: Der, von dem alle dachten, er sei von Gott verworfen, er sei ein Gotteslästerer und Scharlatan, der, bei dem sich alle einig waren, dass er ausgemerzt gehört, der ist in Wahrheit das Tor zu Gott, das Tor zum Leben, er ist die menschgewordene Liebe Gottes selbst.

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 Liebe Gläubige,

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was uns die Liturgie des Osterfestkreises verdichtet vor Augen führt, geschieht immer wieder; es geschah in der oft leidvollen Geschichte der Kirche, es geschah in den Revolutionen der Völker, es geschieht in unserem täglichen Leben—auf Schulhöfen, in Betriebskantinen oder Universitätsinstituten: Immer wieder finden sich Kräfte zusammen, die sonst nichts miteinander zu tun haben wollen, und wenden sich gegen einen Einzelnen oder gegen eine Minderheit, die angeblich an allem Übel schuld sei. Doch wenn das Bekenntnis zu Jesus in uns seine Wirkung entfaltet, dann werden wir dabei immer wieder stutzig, wir werden innehalten und feststellen: Der, bei dem wir uns alle einig sind, dass er ausgemerzt gehört, ihm ist Christus am nächsten, denn genau sein Schicksal hat er geteilt.

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Wir sind in der Welt, und deshalb stehen wir ständig in der Gefahr, uns dieser Welt zu unterwerfen und das Spiel der Jagd nach einem Sündenbock mitzuspielen. Jesus hat für uns gebetet, dass wir in der Welt bleiben, aber nicht dem Bösen erliegen, d.h. dass wir immer wieder die Kraft finden, aus diesem Spiel auszusteigen und für diejenigen einzutreten, gegen die man sich so leicht zusammenfinden könnte. Das heißt nicht, nun eine Gegensammlung gegen die vermeintlichen Übeltäter zu organisieren – es wäre ja nur eine erneute Ausgrenzung die Folge. Es heißt, Stellung zu beziehen ohne eine eigene Jagdgesellschaft aufzumachen. Das Bekenntnis zu Jesus als dem Sohn Gottes ist daher auch nicht eine Ideologie, die uns gegen andere Religionen zusammenschweißen und in Stellung bringen würde, es ist vielmehr die Aufforderung und Verpflichtung, immer dort nach Gott zu suchen, wo er nach allgemeiner Überseinstimmung sicher nicht zu finden ist.

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Wenn die verdichtete Feier des Osterfestkreises uns sensibel macht dafür, wie leicht wir der Versuchung erliegen, gemeinsam gegen andere zu sein, und uns die Kraft gibt, aus diesem Verhängnis immer wieder auszusteigen und zu vertrauen, dass Gott uns durch Christus trotz aller Fehler den Frieden zusagt, dann wird auch deutlich, dass ein so verstandenes Bekenntnis zu Christus es uns erst ermöglicht, unser eigens Versagen zu bekennen ohne in Selbstablehnung und Selbsthass zu verfallen und uns so zu einer neuen Gemeinschaft zusammenzufinden: Weil sich Gott in Christus als unendlich gütig erwiesen hat, deshalb ist unsere Schuld eine glückliche Schuld, wie das Lied der Osterkerze sagt: sie ist glücklich, weil wir durch sie die Größe eines Gottes erkennen, der sie vergibt, und so auch uns mit seinem Sohn neues Leben schenkt. Mit seinem Geist können wir mutig in die Zukunft gehen.

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