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Was reden die Dämonen?
(Gedanken zum 5. Sonntag im Jahreskreis, LJ B)

Autor:Wandinger Nikolaus
Veröffentlichung:
Kategoriepredigt
Abstrakt:Jesus verbietet den Dämonen zu sprechen, "denn sie wussten, wer er war". Was steckt hinter dieser doch eigentlich sehr seltsamen Begründung?
Publiziert in:# Originalbeitrag für den Leseraum
Datum:2006-02-10

Inhaltsverzeichnis

Inhalt

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Lesungen: Ijob 7,1-4.6-7; (1 Kor 9,16-19.22-23) Mk 1,29 -39

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 Liebe Gläubige,

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das heutige Evangelium nach Markus erzählt einiges vom Beginn des öffentlichen Wirkens Jesu. Manches davon regt uns gar nicht besonders auf, weil wir es schon so oft gehört haben. Aber mit zwei Dingen, die dem Markus recht wichtig sind, können wir modernen Menschen eigentlich ganz und gar nichts anfangen: Jesus treibt Dämonen aus und er verbietet ihnen zu reden. Mir scheint, die Sache wird noch seltsamer, wenn wir die Begründung für dieses Verbot hören: „Er verbot den Dämonen zu reden; denn sie wussten, wer er war“, heißt es da (Mk 1,34). Ja, warum denn das? – möchte man fragen. Geht es nicht darum, dass die Menschen wissen, wer er ist: der Messias, der König der Juden, der Sohn Gottes? Was würde es also ausmachen, wenn die Dämonen das hinausposaunen? Ist es nicht egal, wer das unter die Leute bringt – Hauptsache, es stimmt? Und davon, dass die Dämonen die Unwahrheit sagen würden, ist keine Rede, obwohl sie doch als Meister der Lüge gelten.

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 Liebe Gläubige,

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Jesus ist das offensichtlich ganz und gar nicht egal und ich möchte mit Ihnen ein wenig überlegen, warum das so ist. Was bedeutet es denn, zu wissen, wer er ist; zu wissen, dass er der Messias, der König der Juden, der Sohn Gottes ist?

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Das bedeutet zunächst einmal, ihm diese Wörter wie Etiketten anzuheften und an diesen Etiketten kleben zusätzlich noch die Vorstellungen der Menschen – oder der Dämonen, was es bedeuten muss, Messias, König der Juden, Sohn Gottes zu sein?

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„Messias“, ein politischer Befreier, ein Held, der womöglich eine Armee aufstellt, die Römer hinauswirft und das Königreich Davids wiederherstellt und so ein neuer König der Juden wird. Auf jeden Fall jemand, der als strahlender Sieger und nicht als Verbrecher am Kreuz endet! Dem Petrus, dessen Schwiegermutter Jesus geheilt hat, ist genau dieses Missverständnis passiert. Er erkennt Jesus als Messias, und Jesus reagiert darauf wie bei den Dämonen: „er verbot [… den Jüngern], mit jemand über ihn zu sprechen“. Und dann erklärt er ihnen, dass er verworfen und getötet würde. Petrus weigert sich das anzunehmen, er macht Jesus Vorwürfe deshalb, worauf ihn Jesus anfährt: „Weg mit dir Satan, geh mir aus den Augen.“ Jesus verbietet den Jüngern, öffentlich über ihn als Messias zu reden, damit die Menschen das nicht falsch verstehen, und muss erfahren, dass sogar seine Jünger, sogar Petrus, es satanisch missverstehen. Würden sie jetzt schon öffentlich darüber reden, es wäre nicht anders als redeten die Dämonen. Erst nach Jesu Auferstehung werden sie fähig, ihn richtig als Messias zu verkünden, als einen, der eher an der Gewalt stirbt als mit Gewalt erobert. So wird der Messias nicht dämonisch, sondern mit dem Geist Gottes verkündet.

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Und wie ist es mit dem Titel „Sohn Gottes“? Das ist jemand, der ganz eins ist mit Gott. Aber, wie verstehe ich denn das? Wie oft kommen sich in unserer Erfahrungswelt Väter und Söhne ins Gehege? Wie viele Söhne leiden darunter, dass sie ihrem Vater nie was recht machen können, ihm nie gut genug sind? Und wie viele Väter empfinden ihre Söhne als Rivalen, die sie übertrumpfen, besiegen und irgendwann beiseite schieben wollen? Der Patriarch und der Rebell – so sehen doch viele Vater-Sohn-Beziehungen aus. Und jetzt nennt sich da einer „Sohn Gottes“.

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Wenn ich das auch so verstehe, wenn Gott für mich ein strenger Patriarch ist, dann muss ich mir zwangsläufig seinen Sohn als einen solchen Rebellen denken, der zum Rivalen seines Vaters wird. Und wenn er sich erst einmal als der Stärkere behauptet hat, wird er der noch schlimmere Unterdrücker sein als sein Vater. Einen solchen Sohn Gottes muss man geradezu bekämpfen und beseitigen, wenn man selber seinem Gott treu bleiben und auch, wenn man nicht noch mehr unterdrückt werden will. So würde man „Sohn Gottes“ verstehen, wenn man es nach Weise der Dämonen missversteht. Obwohl es ganz wahr ist, dass Jesus der Sohn Gottes ist, wäre dies aber ein fatales Missverständnis. Sie sehen also, wie sehr man lügen kann, obwohl man überhaupt nichts Unwahres sagt.

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Auch hier hat Jesus diese Fehleinschätzungen hart bekämpfen müssen. Wenn er als Sohn Gottes mit Zöllnern und Sündern aß und trank, mit ihnen redete, sie heilte, ihnen Sünden vergab, dann beanspruchte er, dass er das nicht gegen Gott tat, nicht als Rebell. Er beanspruchte, dass in allem, was er tat, Gott selber am Werk war. Er beanspruchte: wenn ich das tue, dann tut das Gott selbst, denn ich handle in absoluter Einheit mit ihm und seinem Willen. Ich handle nicht gegen ihn, sondern mit ihm und für ihn; er ist kein Patriarch, den ich übertreffen und beseitigen will, sondern ein liebevoller Vater, den ich erfahrbar mache. – Das heißt Sohn Gottes sein für Jesus, das heißt Jesus im Geist und in der Wahrheit als Sohn Gottes erkennen und bekennen.

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Das Dämonische tritt im Neuen Testament gerade dann zutage, wenn Menschen sich in ihren Vorurteilen einig sind und dadurch wahre Sachverhalte völlig verdreht – ganz wörtlich übersetzt „pervers“ – verstehen. Das erreicht seinen Höhepunkt im Prozess gegen Jesus, als sich alle einig sind: die Römer, die sich vom König der Juden bedroht fühlen; die religiösen Führer, die einen Rivalen Gottes vor sich wähnen; und die Jünger, die meinen, einem falschen Messias aufgesessen zu sein und ihn im Stich lassen. In dieser Situation der totalen Ablehnung fühlt sich sogar Jesus von Gott verlassen. Hier scheint der Sieg der Dämonen fast perfekt. Sie reden ständig aus den Menschen und ihren anklagenden Fragen: Bist du der König der Juden, der Sohn Gottes, der Messias? Keine ist falsch und doch ist jede eine Lüge. In dieser Situation kann Jesus sie nicht mit Ja beantworten. Denn im Prozess gegen ihn haben diese Worte eine perverse Bedeutung. Auch das Kreuz Jesu hat in dieser dämonischen Logik eine ganz klare Bedeutung: Der Patriarch hat gewonnen, der Rebell ist tot.

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Nur die Gründungserfahrung des Christentums, die Erfahrung der Auferweckung des am Kreuz Gestorbenen durch seinen göttlichen Vater, konnte den Jüngern und Jüngerinnen endgültig die Augen öffnen: Es war nicht Patriarch gegen Rebell, es war liebender Gott und Gottessohn gegen ein dämonisch pervertiertes Verständnis dieser Worte: Die Liebe hat gewonnen, der Tod ist besiegt.

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Was bedeutet das für uns und unsere Zeit? Sind wir als gläubige Christen und Christinnen gegen die Dämonen gewappnet und sicher? In dem Moment, in dem wir das meinen, haben die Dämonen schon gewonnen. Auch wir als Gläubige der Kirche sind in der Gefahr, die Aussagen des Glaubens misszuverstehen und einer dämonisch-perversen Verzerrung aufzusitzen. Aber nicht nur im Glauben gibt es diese Dämonen. Gerade die öffentliche Meinung, das, was unhinterfragt alle akzeptieren, gerade dann, wenn es andere heruntermacht, negativ besetzt, ausgrenzt, das ist oft sehr dämonisch. Können auch wir den Dämonen befehlen zu schweigen?

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Jesus hat uns dafür Hilfen gegeben. Die eine steht auch im heutigen Evangelium: Er „ging an einen einsamen Ort, um zu beten“ (Mk 1,35). Er hat das unmittelbare Gespräch mit seinem Vater gesucht. Abseits von allen noch so wahren Worten über Gott ist es wichtig, auch Worte mit Gott zu wechseln oder gar stumm in seiner Gegenwart zu verweilen. Das persönliche Gebet, bei dem wir uns wirklich auf Gott hin ausrichten und unsere Vorurteile und die öffentliche Meinung einmal unbeachtet beiseite lassen, ist ein wichtiges Mittel gegen die Dämonen der Verzerrungen Gottes.

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Die ultimative Hilfe gegen diese Dämonen ist aber Jesu Verhalten in seinem Weg ans Kreuz. In der Situation, in der nur noch die Dämonen zu reden scheinen und selbst Jesus sich von Gott verlassen fühlt, kann er noch einmal ganz diesem Vater vertrauen und sein Leben in seine Hände legen. Und weil er dies kann, kann er auch den Tätern vergeben und für sie beten – ohne Hass und Anklage. Darum hat ihn Gott über alle erhöht. Diese Haltung der Treue zu Gott und des unerschütterlichen Glaubens wird unter uns gegenwärtig, wenn Christus selber auf dem Altar gegenwärtig ist in Brot und Wein.

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