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Pater Georg Sporschill SJ - Ehrendoktor unserer Universität
(Zur Verleihung des Ehrendoktorates in Theologie am 11.Juni 2005)

Autor:Niewiadomski Jozef
Veröffentlichung:
Kategoriekommentar
Abstrakt:
Publiziert in:# Originalbeitrag für den Leseraum
Datum:2005-05-30

Inhalt

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Am 11. Juni 2005 wird P. Georg Sporschill SJ mit der Würde eines Ehrendoktors unserer Universität - auf den Vorschlag der Theologischen Fakultät - ausgezeichnet. Was waren die entscheidenden Beweggründe für diese Auszeichnung? Die Steuerung des gesellschaftlichen Lebens durch funktionierende Mechanismen (technisch-rationaler Natur) bringt eine Erhöhung von Lebensqualität in einer bis dahin nicht gekannten Weise. Gleichzeitig wird die Kluft zwischen dem funktionierenden Teil der Gesellschaft und den am Rande des Existenzminimums lebenden Menschen immer größer. Auch im mitteleuropäischen Kontext ist die Sache nicht anders. In der Person von P. Sporschill findet unsere Öffentlichkeit eine überzeugende Gestalt, wie diese Kluft (ohne moralisierende Anklage) durch Totaleinsatz von Einzelnen überbrückt wird. Da P. Sporschill in Innsbruck studiert hat und an der Universität als wissenschaftlicher Mitarbeiter tätig war, ist der Bezug zu Innsbruck klar gegeben. Mit dieser Ehrung gibt die Universität ein klares kultur- und bildungspolitisches Bekenntnis über den Wert solcher humanisierenden Tätigkeit – gerade im zusammenwachsenden Europa - ab; durch die Ehrung dieses Absolventen ehrt sich die Universität im Grunde selber. Da unter den Ehrendoktoren der Universität Innsbruck die Zahl derer, die für ihre hervorragenden Verdienste im humanitären Kontext geehrt werden, sehr klein ist, halte ich einen solchen Akt für dringend notwendig.

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Lebenslauf von Pater Sporschill

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P. Sporschill wurde am 26. Juli 1946 in Feldkirch geboren, besuchte dort das humanistische Gymnasium und maturierte am 26. Juni 1964. Anschließend begann er mit dem Theologiestudium an der Innsbrucker Theologischen Fakultät, ging im Studienjahr 1967/68 an das Institut Catholique nach Paris und schloss das Theologiestudium am 17. Juli 1970 in Innsbruck ab. Seit dem Studienjahr 1968/69 studierte er in Innsbruck zusätzlich Pädagogik und Psychologie. Mit 15. Januar 1970 wurde er als wissenschaftliche Hilfskraft am Institut für Liturgiewissenschaft angestellt, das Dienstverhältnis wurde mit 1. September 1970 in das eines Hochschulassistenten umgewandelt. In dieser Funktion blieb er bis 31. August 1972 tätig. Anschließend arbeitete er als Referent für Erwachsenenbildung bei der Vorarlberger Landesregierung. Im Jahre 1976 trat er in die Österreichische Provinz der Gesellschaft Jesu ein und wurde 1978 zum Priester geweiht. Als Kaplan in einer Wiener Pfarre und Chefredakteur der spirituellen Zeitschrift „Entschluss“ setzte er neue Maßstäbe in Richtung Jugendseelsorge, Aufmerksamkeit für Strafentlassene, Drogensüchtige und Obdachlose.

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Mit der Gründung der Wohnstätte „Blindengasse“ fängt die außergewöhnliche Geschichte von Pater Sporschill an. 1982 übernimmt er von der Caritas Wien zusammen mit Schwester Grata ein Heim, zieht dort selber ein und bietet den obdachlosen Jugendlichen eine Resozialisierungschance an. Das Leben im Haus wird nach klaren Regeln geführt, die im Haus Wohnenden werden zur Arbeitssuche motiviert. Nach und nach ziehen ins Haus auch einige freiwillige Helferinnen und Helfer sowie Studierende, die eine Sozialpraxis absolvieren wollen. In kurzer Zeit wird die „Blindengasse“ zum Inbegriff des modernen sozialen Engagements in der Großstadt; das Projekt wird von der Caritas Wien und von Erzbischof Kardinal König kräftig unterstützt. Karl Rahner hat bei allen seinen Wienaufenthalten dort gewohnt und machte im Rahmen seiner Vortragstätigkeit immer auf das Projekt aufmerksam. Der wachsenden Popularität und dem unermüdlichen Engagement von P. Sporschill verdankt Wien mehrere Obdachlosenhäuser, das Lokal „Inigo“ - im Vorarlberger Dialekt „hineingehen“, aber auch der spanische Name für den Ordensgründer Ignatius von Loyola - (1988 als Clublokal für strafentlassene Jugendliche von Sporschill in der Bäckerstraße gegründet, wo die Jugendlichen sich nicht nur aufhalten, sondern auch kochen und servieren lernen konnten, ist „Inigo“ heute ein professionell geführtes, bekanntes Restaurant, in dem arbeitslose Jugendliche und Menschen „mit einem Fleck“ in ihrer Biographie eine Chance bekommen, „vor dem Absturz“ bewahrt zu werden; es bietet mehrere Arbeitsplätze, Ausbildungsplätze, die nur an langzeitarbeitslose Jugendliche vermittelt werden), den Canisibus (ein Bus, der täglich warmes Essen in der Wiener Innenstadt an acht Stellen an Obdachlose ausgibt; die Initiative Sporschills wird von Studierenden, Hausfrauen, Pensionistinnen und Pensionisten in Gang gehalten).

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Im Jahre 1991 geht P. Sporschill im Auftrag des Ordens und der Caritas nach Bukarest und fängt mit seiner “Straßenkinderaktion“ an. Nach zwölf Jahren unermüdlichen Engagements ist das Rumänienprojekt zum „Vorzeigeprojekt moderner Caritasarbeit geworden. Die Gründung des Vereins „Concordia“, der Bau der „Stadt der Kinder“, vor allem aber die menschliche Präsenz P. Sporschills machten ihn zum Inbegriff eines mit Fachkompetenz verbundenen sozialen Engagements für jene, die durch die immer größer werdenden Löcher im Netz der vorhandenen (oder auch - wie in Rumänien - nicht vorhandenen) sozialen Sicherheit fielen. Mit seiner Arbeit am Bukarester Nordbahnhof und in den Straßen Bukarests eröffnete er Tausenden von Kindern den Weg zur Ausbildungsstätte und einer klaren beruflichen Zukunft.

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Das rumänische Modell wird nun im „Armenhaus“ Moldawien verwirklicht. In einem Land, in dem rund 80 % unter der Armutsgrenze leben und in dem es schätzungsweise 50.000 Kinder gibt, die von ihren Eltern verlassen wurden, baut P. Sporschill in der Hauptstadt Chisinau eine Stadt für 300 verlassene Kinder (die Aktion wird vom moldawischen Bildungsministerium unterstützt).

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Und seine Motivationen?

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Der äußere Erfolg des „übermenschlichen“ Engagements von P. Sporschill kommt in ein rechtes Licht, wenn er in die Welt seiner Motivationen hineingerückt wird. Wie kam P. Sporschill auf die Kinder? In seinen Vorträgen bekommt man etwa folgende Erklärung zu hören: „Vor 25 Jahren wurde ich in Wien inmitten wunderbarer Kinder zum Priester geweiht. Ich war Kaplan in einer noblen Pfarre. Dann kam die härtere Aufgabe: Obdachlose und strafentlassene Jugendliche. Nach dieser Lehrzeit wurde ich zu den Straßenkindern nach Bukarest gesandt - für sechs Monate, inzwischen sind es zwölf Jahre. Ich kann mir nicht vorstellen, dass mich meine Kinder noch einmal loslassen. Sie schenken mir mein Leben als Jesuit. Sie bekehren mich täglich.“ In einem autobiographischen Essay erinnert er sich an die Ausbildung im Noviziat. Ein alter Frater, der jahrzehntelang im Kollegium Kalksburg Kohle geschleppt hat, sagte immer wieder, wenn ein Junger den Orden verließ: „Ausharren ist leicht, ausharren ist schwer.“ Der Spruch fiel P. Sporschill wieder ein, als er an eine alte Schwester dachte, die in Rumänien im Internat Tag für Tag mehr als tausend Knödel geformt hat. „Millionen Knödel sind das Geheimnis der Sozialarbeit. An den Wendepunkten kommt es auf Beharrlichkeit und Ausdauer an.“

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Die Arbeit von P. Sporschill rückte in den vergangenen Jahren immer mehr ins Licht der gesellschaftlichen Öffentlichkeit. Tausende von Kleininitiativen unterstützen seine Arbeit finanziell und ideell. Auch staatliche Stellen (Bund und das Land Vorarlberg) tun dies. Als „Österreicher des Jahres 2004“ rückte er in den Mittelpunkt medialer Aufmerksamkeit; das Land Vorarlberg ehrte ihn im Jahre 2002 mit dem Monfordorden, der rumänische Staat mit der „ehrenhalber“ verliehenen Staatsbürgerschaft. Am 17. Dezember 2002 bekam P. Sporschill im Kongresssaal des Bundeskanzleramtes den „United Nations Vienna Civil Society Award“ verliehen. In der Laudatio sagte die Außenministerin Dr. Benita Ferrero-Waldner: „Während der Kampf gegen den Terrorismus zu Recht mit aller Härte weitergeführt wird, müssen wir auch Wege finden, um die Wurzeln und die tief liegenden Gründe für Unzufriedenheit, Hoffnungslosigkeit, Extremismus und Terrorismus zu eruieren.“

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Der Lebensweg von P. Sporschill ist einer der Wege, der die Gründe nicht nur eruiert, sondern auch wirksam bekämpft. Mit seinem Zeugnis steht er für die Wirksamkeit des religiös motivierten Engagements für Außenseiter und trägt damit zum Erhalt des bürgerlichen Friedens bei. Er stellt ein wirksames Vorbild für Jugendliche dar, ist zum Inbegriff der Korrektur von Vorurteilen über die Gestrigkeit bzw. Gefährlichkeit von Religion geworden und kann deshalb uneingeschränkt als „Vollbluttheologe“ bester Qualität bezeichnet werden.

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Nachdem unsere Fakultät im Rahmen der Schwerpunktbildung zentrale gesellschaftliche Anliegen der Minderung von Gewalt und Erhöhung der friedensstiftenden Rolle der Religion aufgreift, sich ausdrücklich mit den kulturpolitischen Impulsen, die sich aus dem christlichen Menschenbild ergeben, auseinandersetzt, kann sie nur dankbar das Zeugnis solcher gelebter Theologie zur Kenntnis nehmen, dieses aber auch auf die ihr mögliche Art und Weise in der akademischen Öffentlichkeit unterstützen. Mit dem Vorschlag anerkennt die Fakultät nicht nur die Arbeit P. Sporschills, sie nimmt auch ihre gesellschaftliche Verantwortung wahr. Die in unserer Öffentlichkeit breit diskutierte Krise der Ehrenamtlichkeit, die wachsende soziale Kälte, nicht zuletzt die Krise der organisierten Kirchlichkeit stellen meiner Meinung nach große Bedrohungen für die humane Gestaltung unserer Zukunft dar. Die für die Bewältigung der Krisen der Zukunft notwendigen Humanressourcen werden durch Bildung und religiöse Prägung gepflegt; Beispiele dieser Art sind für die Bildungsprozesse unentbehrlich.

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Mit der Auszeichnung eines ihrer Absolventen durch die höchste akademische Ehrung bringt die Universität auf eine glaubwürdige Art und Weise letztendlich auch ihre Anerkennung für den Wert des Totaleinsatzes eines Menschen in Sachen Menschlichkeit und Menschenrechte – gerade im Kontext des europäischen Einigungsprozesses - zum Ausdruck. Wir gratulieren unserem neuen Ehrendoktor und sind auch stolz auf ihn.

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