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Mimesis und Opfer - Sünde und Bekehrung
(Was bedeutet theologische Kritik der Literatur?)

Autor:Schwager Raymund
Veröffentlichung:
Kategorieartikel
Abstrakt:
Publiziert in:Religion - Literatur - Künste. Aspekte eines Vergleichs. Hg. von P. Tschuggnall, Anif-Salzburg: Müller Speiser 1998, 28-41.
Datum:2001-10-10

Inhalt

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Was hat die Theologie mit der Literaturwissenschaft zu tun? Auf diese Frage kann man eine allgemeine Antwort versuchen. Ich möchte mit einer persönlichen Erfahrung beginnen. Seit über zwanzig Jahren arbeite ich mit einem Literaturwissenschaftler zusammen, und meine Theologie wurde tief von ihm geprägt. Dies ist allerdings kein gewöhnlicher Vertreter seines Faches, sondern eine umstrittene Gestalt: René Girard. Durch sein Werk ergaben sich für mich zahlreiche Zusammenhänge zwischen Literatur und Theologie, von denen ich einige kurz ansprechen möchte.

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Am Ende seines ersten Buches stellt Girard die These auf, daß die meisten großen Romane mit einer Art Bekehrung des Helden enden, in der sich indirekt auch eine Bekehrung des Dichters widerspiegele. (1) Beide - der Romanheld und der Dichter - würden sich von ihrem früheren Leben abkehren, denn angesichts des Todes zeige sich ihnen die Eitelkeit der Welt. Die Bekehrung erscheint so als ein erstes gemeinsames Thema zwischen Literaturwissenschaft und Theologie. Doch was ist mit dem Wort 'Bekehrung' näher gemeint, und wie kam Girard zu dieser These?

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1) Romantische Lüge und romanhafte Wahrheit

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In einem Interview mit M. Jakob (2) gibt Girard die Schritte an, die ihn zur Entdeckung der "romantischen Lüge" geführt haben. Nach seiner Ausbildung in einer akademischen Welt, die fast nur Interesse für die Sonderheiten und Originalitäten eines Schriftstellers hatte, sei ihm zunächst die große Ähnlichkeit zwischen der Eitelkeit(s)-Liebe bei Stendhal und dem Snobismus bei Proust aufgefallen. Gleichzeitig habe er bei Dostojewski in Der ewige Ehemann jenen eifersüchtigen Mann entdeckt, der nach dem Tod seiner Frau deren früheren Geliebten aufsucht, um von diesem Rivalen die Bestätigung für seine neue Liebe zu erhalten. In allen erwähnten Fällen zeige sich das gleiche Grundmuster: Der Rivale des Eifersüchtigen ist zugleich sein faszinierendes Vorbild. Da Girard noch bei anderen Autoren ähnliche Entdeckungen machte, drängte sich ihm die Überzeugung von einer tiefen Einheit aller großen Romane auf. In ihnen drücke sich eine alle Originalität übergreifende Wahrheit aus, die Wahrheit vom nachahmenden oder mimetischen Begehren. Danach bedarf das tiefe menschliche Streben eines Vorbildes, durch das es instinktiv, ja quasi-osmotisch geweckt wird. Der begehrende Gestus verlockt, das gleiche zu tun.

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In Die beiden Veroneser zeichnet Shakespeare zwei junge Freunde, die all ihre Vorlieben teilen und sich welchselseitig nachahmend einander anpassen. Wie sich beide verlieben, erwartet der eine von beiden, daß sein Freund auch diesmal seiner Wahl zustimmt und seine Erwählte ebenfalls für die beste Frau hält. Er erreicht dies auch, aber o Unglück! Gerade so wird aus dem teuersten Freund ein teuflischer Rivale. Das Schlimmste wird in dieser Komödie durch eine Reihe glücklicher Umstände und durch eine unwahrscheinliche Großmut jenes Freundes verhindert, der ungewollt sein eigenes Betrogenwerden ausgelöst hat. Meistens endet der gleiche Vorgang bei Shakespeare aber weit weniger glücklich.

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Die Wahrheit von der Nachahmung fremden Begehrens, die in Rivalität umschlägt, findet sich in vielen großen Romanen. Dabei löst sich meistens erst der sterbende 'Held' von jenen Vorbildern, die er während seines Lebens als Idole anbetend verehrt und zugleich als Rivalen gehaßt hat. Erst jetzt findet er in Wahrheit zu sich selber und zu den Mitmenschen. Sein früheres Leben erscheint ihm in einem ganz neuen Licht. "La conclusion est donc toujours mémoire" (3), sagt Girard, - das Ende und die Lösung ist immer eine umkehrende Erinnerung.

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Im sterbenden 'Helden', in dem die ganze conditio humana aufscheint, findet ein schmerzlicher Verzichtsprozeß seinen Ausdruck, in dem der Dichter etwas von sich selber ausspricht. Stendhal, der Feind der Heuchler, behandelt sich selber als Heuchler am Ende von Rouge et le Noir. In Schuld und Sühne verzichtet Dostojewski selber darauf, sich bald für einen Über- und bald für einen Untermenschen zu halten. Girard dazu:

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"Der Romanschriftsteller erkennt sich jener Sünde schuldig, deren er seinen Helden / Mittler anklagt. Die Verfluchung, die Ödipus gegen andere geschleudert hat, fällt auf sein Haupt zurück. Genau diese Verfluchung drückt der berühmte Schrei von Flaubert aus: 'Mme Bovary, das bin ich.'" (4)

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Die schmerzhafte Selbsterkenntnis ist nicht nur ein ethischer, sondern auch zutiefst ein künstlerischer Prozeß. Die großen schöpferischen Romane sind nach Girard immer die Frucht einer überwundenen Faszination:

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"Dieser Sieg über die Eigenliebe, dieses Lassen der Faszination und des Hasses ist der entscheidende Augenblick für die Inspiration des Romans." (5)

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Mensonge romantique et vérité romanesque - romantische Lüge und romanhafte Wahrheit - heißt das Werk, in dem Girard diese Zusammenhänge erstmals aufgezeigt hat. Unter 'romantischer Lüge' versteht er jene täuschende Überzeugung, gemäß der das künstlerische Genie aus eigener autonomer Schöpferkraft seine Gestalten entwirft, eine Überzeugung, die im akademischen Betrieb dazu geführt hat, überall die Unterschiede und die vermeintlichen Originalitäten der Dichter zu suchen und die entscheidenden Gemeinsamkeiten zu übersehen. Mit 'romanhafter Wahrheit' ist hingegen gemeint, daß die großen Dichter 'Helden' zeichnen, die alles andere als Helden sind, sondern die eher sklavisch andere nachahmen, sie vergöttern und verabscheuen. Die Wahrheit der dichterischen Werke entspringt letztlich nicht einer besonderen schöpferischen Phantasie, sondern einem radikal ehrlichen Blick auf das eigene vergangene Leben - dank jenes Abstandes, der durch eine Bekehrung gewonnen wird. Deshalb sind alle echten Dichter - A la recherche du temps perdu (M.Proust) - auf der Suche nach der verlorenen Zeit. Sie müssen dabei Idole entthronen.

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2) Idole und Götzen

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Die täuschenden Begierden, die sich im Prozeß wechselseitiger Nachahmung hochschaukeln, erreichen leicht phantastische Dimensionen. Im gefährlichen Wechselspiel entstehen Wahnvorstellungen mit monströsen Zügen. Ein Sommernachtstraum von Shakespeare zeichnet die wesentlichen Elemente dieses Prozesses, sofern man in den magischen Tropfen, die der König der Elfen in die Augen der Verliebten träufeln läßt, ein Bild für die instinktive Wirkung der Nachahmung sieht, wie sie der englische Dichter in anderen Dramen ausdrücklich beschreibt. Girard faßt seine Deutung des Sommernachtstraums so zusammen:

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"Glaubt in dieser Komödie eine Person, daß eine andere die Oberhand gewinnt, so vergleicht sie sich mit widerlichen Tieren. Während der Sommernacht - einer echten englischen Walpurgisnacht - wird die Pendelbewegung fortschreitender 'emotionaler Hiebe' immer rascher und rasender. Sie gleicht einem wahren Strudel, der die Wahrnehmung destabilisiert. Am Höhepunkt des Prozesses schieben sich die Bestien und Götter ineinander, sie vermischen sich, ja sie heiraten buchstäblich miteinander, und so entstehen die monströsen Gottheiten, wie wir sie in den Mythologien finden. Die Heirat der Königin der Feen 'Titania' mit dem Weber Zettel, der einen Eselskopf trägt, ist burlesk und zugleich besonders aussagekräftig." (6)

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Aussagekräftig ist diese burleske Heirat deshalb, weil Shakespeare damit ausdrücklich Anspielungen an die Mythologie macht.

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Über die griechischen Tragödien, in denen sich ebenfalls die menschlichen Leidenschaften und die Götter und Göttinnen weitgehend vermischen, geht Girard bis in die archaischen Religionen zurück, um dort den Ursprung sakraler Vorstellung aus einem Prozeß nachahmender Begierde und kollektiver gewalttätiger Ekstase zu finden. In einem letzten Schritt bemüht er sich nachzuweisen, daß die tiefsten Inspirationen der großen Religionen aus Bekehrungsprozessen entstanden sind, die gegen die Mythologie und gegen das in ihnen sich äußernde nachahmend/rivalisierende Begehren gerichtet waren. Aus den Prozessen schmerzhafter Loslösung konnte oft auch eine künstlerische Kraft entspringen, wie etwa die dramatisch-poetischen Dialoge im Buch Hiob zeigen. Zur vollen Bekehrung kam es aber nach Girard erst innerhalb des Geschickes Jesu und in der Begegnung mit seinem Kreuz, was sich nicht nur theologisch, sondern auch von der Literaturgeschichte(7) her aufzeigen läßt.

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3) Der gefallene Mensch und die dichterische Fiktion

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C.Bandera arbeitet in seinem Werk über die Entstehung der typisch modernen literarischen Fiktion (8) heraus, welche Rolle die Meditation des Kreuzes und das neue Verständnis der Bekehrung dabei gespielt haben. Er zeigt zunächst, wie die Zeit der Renaissance und die folgenden Jahrhunderte von einer nachahmenden Begierde besessen waren. Alle, die sich an der Dichtung interessierten, sahen in Vergil und vor allem in seinem Epos Aeneïs, das den Ursprung Roms aus der Heldenlinie von Troja erzählt, ein faszinierendes, ja ein total dominierendes Vorbild. (9) Dennoch scheiterten alle Versuche einer gelungenen Nachahmung. Warum? Die Aeneïs war einerseits ein ernüchterndes, ja für römische Begriffe ein sehr selbstkritisches Werk, anderseits blieb es der Welt der Mythologie verpflichtet. Die Selbstkritik zeigt sich darin, daß Vergil das glorreiche römische Imperium weder auf einen ewigen Plan noch auf einen göttlichen Willen zurückführt. Unter den Göttern und Göttinnen zeichnet er solche, die Aeneas auf seinem Weg nach Rom beschützen und andere, die ihm schaden, wo sie nur können. Im entscheidenden Augenblick, als es zum letzten Kampf zwischen den Troern und den Latinern, zwischen Aeneas und seinem letzten großen Gegenspieler Turnus kommt, erklärt Jupiter, nach Vergil der allmächtige Vater und des Weltalls höchster Beherrscher, angesichts des Streites unter den Göttern und Göttinnen ausdrücklich seine Neutralität:

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"Was für ein Glück heut jedem und welche Hoffnung sich bietet, / Rutulern oder Troern, ich will keinen Unterschied machen,/ ... Heil wie Verderben / schaffe ein jeder sich selbst. Gleich bin ich als König für alle. / Walte das Schicksal denn frei." (10)

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In scharfer Kritik des römischen Selbstverständnisses führt Vergil die ganze glorreiche Geschichte seines Vaterlandes nur auf ein zufälliges Walten des Schicksals (11) und auf einen zufälligen Sieg in einem fast endlosen Gemetzel zurück.(12) Sein großes Epos zeigt, wie er sich selber von der idolhaften Verehrung des eigenen Imperiums distanziert und sich insofern bekehrt hat. Verglichen mit dem christlichen Verständnis von Bekehrung blieb Vergil aber auf halbem Weg stehen. Aeneas kämpft und tötet immer nur im Blick auf kommenden Ruhm oder aus Rache für erlittenen Schaden. Das Epos endet nicht mit einer inneren Loslösung des Helden von seinem Tun, sondern mit einem letzten Ingrimm. Weil Aeneas bei seinem besiegten Gegner Turnus ein Beutestück sieht, das dieser einem seiner getöteten Waffengefährten, Pallas, abgenommen hat, wird der fromme Vater, wie Vergil ihn nennt, von einer letzten Leidenschaft ergriffen.

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"..., da fuhr er in rasendem Ingrimm / glühend empor: 'Du willst mit dem Raube der Meinen bekleidet / mir entrinnen? Nein! Dich tötet Pallas, und Pallas / opfert dich der Rache in deinem sündigen Blute.'/ Riefs und zornig durchstieß er mit dem Schwerte des Feindes / dargebotene Brust; da sanken erkaltet des Turnus / Glieder, und seufzend entfloh sein zürnender Geist zu den Schatten." (13)

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Mit diesem Akt ingrimmiger Rache und dem Entfliehen des zürnenden Geistes des Getöteten endet das Epos. Trotz dieses Ausklanges und trotz des maßlosen Preises an Blut konnte das Werk römisches(14) und lange Zeit auch christliches Empfinden faszinieren. Warum? Der Kunst des Vergil gelang es, das endlose Töten unter den Helden so darzustellen, daß es wie ein Opfertöten erschien. "Im entscheidenden Moment" - so Bandera - "ist Aeneas in den Augen von Vergil nicht der Sieger, sondern der Opferer, der Priester, der den sakralen Schlag ausführt, der das Opfer tötet, das zum Eckstein für die Gründung einer neuen Stadt wird." (15) Bei aller Distanz zum Götterglauben stand Vergil der Opferwelt noch sehr nahe, und er dürfte eindeutig erahnt haben, daß die soziale Ordnung über Opfern aufgebaut wird.

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Durch den christlichen Impuls ist die sakrale Opferwelt in Krise geraten. Seit Paulus und Augustinus wurde der heroische antike Wille, Städte und Imperien durch Opfer zu gründen und zu erhalten, schrittweise durch den Willen abgelöst, das wahre eigene Selbst zu finden. In der heroischen Leidenschaft zum Kampf wurde die Sünde entdeckt, und dem gläubigen Blick zeigte sich Christus nicht mehr als ein Jupiter im Himmel, sondern vor allem als der Mann am Kreuz und als das Opfer der Gewalt. Dieses neue Vorbild des Schmerzenmannes trat in Kontrast zum alten Vorbild Aeneas und führte damit zu einem neuen Verständnis der Bekehrung.

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Der Dichtung eröffneten sich dadurch neue Dimensionen. Auf dem Hintergrund von Paulus und Augustinus entdeckten vor allem Cervantes und Calderon bisher kaum erforschte Abgründe der Leidenschaft. Im Bann ihres 'Zaubers' können sich Menschen auch im guten Glauben irren und mit bester Absicht etwas tun, was böse endet. (16) Damit erschlossen sich der dichterischen Fiktion ganz neue Möglichkeiten des Spiels, der Intrige und der Tragik (17), um die geheimnisvollen Tiefen der menschlichen Existenz auszuloten. Zum neuen Thema der Dichtung wurde der gefallene Mensch - Paradise lost (Milton)  (18) - , wobei der Fall normalerweise nicht mehr an Adam illustriert werden mußte. Cervantes, Calderón, Shakespeare und viele andere zeigen, wie alle Menschen sich durch instinktive Nachahmung, durch Eifersucht und Rivalität in ausweglose Situationen verlieren. Während Descartes das menschliche Wissen in neuer Weise auf die Selbstgewißheit des Ichs gründen wollte, zeichnete die große Dichtung zur gleichen Zeit dieses Ich als einen Sklaven, der ganz von der Meinung anderer abhängig ist und verzweifelt sucht, diese Abhängigkeit zu verbergen.(19) In Das Leben ist ein Traum stellt Calderón einen unmittelbaren Zusammenhang zwischen der Bühne und einer schonungslosen Sicht auf den Menschen dar, indem er Clarin - ein Symbol des Theaters - sagen läßt, daß es auf der Bühne kein besseres Fenster gibt, um andere Menschen in ihrer Nacktheit zu sehen als jenes, das einer selber ist: bei allen Schauspielen sieht der Mensch seine eigene Schamlosigkeit. (20)

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Diese neue Sicht des gefallenen Menschen, die sich wesentlich von der Welt Vergils, den man dennoch verehrte, abhob, hatte ihren Ursprung nicht in einer psychologischen Selbstbetrachtung. Sie entsprang vielmehr der christlichen Betrachtung des Sündenfalls und des Kreuzes. Vom Mittelalter an führte, wie Bandera überzeugend nachweist, vor allem ein spiritueller Prozeß, nämlich die 'devotio moderna' mit ihrer intensiveren Meditation des Kreuzes und der entsprechenden Gewissenserforschung zum Entstehen der modernen Dichtung mit ihren Elementen der Fiktion. Diese Dichtung blieb bis in die neuere Zeit hinein - als Beschreibung des gefallenen Menschen - an ihren christlichen Ursprung zurückgebunden. Wie steht es aber heute?

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4) Ahnen des Antlitzes Gottes und Rivalität mit dem Schöpfer

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George Steiner (21) kritisiert in seinem Werk Von realer Gegenwart (22) das Sekundäre und Parasitäre des modernen Literaturbetriebes. Über alle bekannteren Autoren würden Tausende von Arbeiten geschrieben, die das Verständnis doch kaum weiterbringen, sondern nur im Kreise drehen. Eine "tonangebende Tollheit" von sekundärem Diskurs infiziere unser Denken und unsere Sensibilität. "Der Geist unseres Zeitalters ist der des Journalismus." (23) Dieser Journalismus ist aber nichts anderes als die durch neue technische Mittel unterstützte Tendenz zur Nachahmung, die zu einer Welt von Spiegelungen führt. Steiner setzt sich deshalb ausdrücklich mit der Postmoderne und der Mode der Dekonstruktion auseinander, die alle festen Bedeutungen in ein Spiel von Masken, Leerstellen und Verschiebungen auflösen will. (24) Dabei sieht er - wohl mit Recht - das eigentliche Problem nicht in den Literaturwissenschaften, sondern anderswo:

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"Die Klassiker der Dekonstruktion, so etwa Derrida oder Paul de Man, sind 'Fehldeutungen' nicht von Literatur, sondern von Philosophie; sie richten sich an philosophische Linguistik und die Theorie der Sprache. Die Köpfe, denen sie die Maske vom Gesicht zu reißen suchen, sind die Platos, Hegels, Rousseaus, Nietzsches oder de Saussures. Die Dekonstruktion hat uns nichts über Aischylos oder Dante, über Shakespeare oder Tolstoi zu sagen." (25)

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Dennoch ist die Dekonstruktion - auch nach Steiner - auf ihrem Gebiet nicht direkt widerlegbar, weil der Mensch tatsächlich eine Existenz wählen kann, die einem Spiegelkabinett gleicht und in der alles zum verneinenden Spiel und zu bloßen Spiegelungen wird. In dieser Existenzform löst sich aber auch die Sprache und jede verbindliche Kommunikation auf. Steiner kommt deshalb zur Folgerung:

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"Ohne 'Gottes Tod' bestätigen oder leugnen zu müssen - ... - lehrt uns die Dekonstruktion, daß es dort, wo es kein 'Antlitz Gottes' gibt, dem sich das semantische Merkmal zuwenden könnte, keine transzendente oder entscheidbare Verständnismöglichkeit gibt. Der Bruch mit dem Postulat des Heiligen ist der Bruch mit jedweder stabilen, potentiell zu bestätigenden Bedeutung von Bedeutung." (26)

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Wenn echte Verständigung und wahre Kunst bleiben sollen, bedarf es folglich der Abkehr vom Journalistischen und vom Wirbel der Dekonstruktion. Es bedarf der Umkehr, des Horchens auf eine neue Wirklichkeit und des Ahnens des Antlitzes Gottes. Steiner geht ganz anders vor als Girard und kommt doch zu einem ähnlichen Ergebnis, wenn er sagt:

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"Der archaische Torso in Rilkes berühmtem Gedicht sagt zu uns: 'Du mußt dein Leben ändern.' Und das sagen alle Gedichte, Romane, Dramen, Gemälde, Musikstücke, denen zu begegnen sich lohnt." (27)

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Dennoch sind Kunst und Religion keineswegs identisch. Direkter als Girard hebt Steiner auch die innere Problematik des künstlerischen Aktes hervor. Dieser gehört - seit Aristoteles - in den Bereich der Nachahmung, der Mimesis. Entscheidend ist aber nicht die Nachahmung der äußeren Natur. Deshalb wird die Kunst von manchen eher der 'poiesis' als der 'mimisis' zugeordnet. Dennoch bleibt auch die 'poiesis', wie Steiner ausdrücklich vermerkt, mimetisch und zwar mimetisch im girardschen Sinn, wonach in erster Linie fremdes Streben nachgeahmt wird und daraus die Tendenz zur Rivaliltät entsteht. Steiner sagt:

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"Ich glaube, daß die daseinschaffende Tätigkeit des Dichters, des Künstlers ... Gegenschöpfung ist. Der motivierende Impuls, der die Zeugung bedeutungsvoller Formen zum ersten Schöpfungsakt in Beziehung setzt, zum Ins-Dasein-Treten des Daseins ..., ist nicht mimetisch in irgendeinem neutralen oder huldigenden Sinne. Er ist radikal antagonistisch. Er ist der einer Rivalität. In allen substantiellen Kunst-Akten pocht eine wütende Fröhlichkeit. Die Quelle ist die liebenden Zornes. Der menschliche Macher wütet dagegen, daß er Nachfolger ist, daß er gegenüber dem ursprünglichen und ursprungstiftenden Mysterium des Formens der Form ewig Zweiter bleiben wird."(28)

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Diese Aussagen über den Urakt des künstlerischen Gestaltens erinnern unmittelbar an die Erzählung vom Sündenfall im Paradies, wo die Schlange verspricht: "ihr werdet sein wie Gott!". Das rivalisierende Nachahmen ist für Steiner - wie für Girard - eine Grundproblematik des menschlichen Lebens und des künstlerischen Schaffens. Auch nach ihm kann diese Problematik nicht durch irgendwelche Konstruktionen oder Dekonstruktionen, sondern nur von Gott her überwunden werden. "Der Wahrheit und dem Bedeuten Schönheit zuzuschreiben, ist entweder eine rhetorische Floskel, oder es ist ein Stück Theologie." (29) Doch nochmals: welcher Gott oder welche Gottheit ist hier gemeint? Etwa das Epiphane bei Handke? Dieses dürfte viel zu zweideutig sein.

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J.Niewiadomski hat in seinem Eröffnungsvortrag auf die moderne Medienwelt hingewiesen, in der alle klaren Bedeutungen sich in Spiele von Assoziationen, Masken und Verschiebungen auflösen. Im Keller des modernen Hauses liegen aber auch Leichen, denn die moderne Welt produziert zahllose Opfer. Niewiadomski betonte deshalb, daß angesichts des Bildertanzes nur aus der Perspektive dieser Opfer eine Wahrheit gewonnen werden kann. Ich bin gleicher Ansicht, und dies ist mehr als eine private Meinung: alle größeren theologischen Strömungen unserer Zeit - Befreiungstheologie, Theologie nach Auschwitz, feministische Theologie, etc. - versuchen aus der Perspektive von Opfern Wahrheit zur Sprache zu bringen. Das gleiche dürfte auch weitgehend von der Dichtung gelten. Karl-Josef Kuschel hat in seiner Untersuchung "Jesus in der deutschsprachigen Gegenwartsliteratur" (30) herausgearbeitet, daß der Mann aus Nazaret - zwar nicht als Gottessohn, wohl aber als Mann der Schmerzen und als Opfer der Gewalt - die große Bezugsgestalt in der deutschsprachigen Nachkriegsliteratur geblieben ist. Im Eintreten für die Opfer wollte auch diese Dichtung nicht nur unverbindliche, dekonstruktive Spiele betreiben, sondern etwas Wahres sagen. Allerdings kann auch diese Einstellung nochmals doppeldeutig werden. Da in der heutigen Welt die Opfer der Unterdrückung starke öffentliche Beachtung finden, hat sich eine politische Strategie herausgebildet, für sich oder die eigene Gruppe bewußt den Opferstatus zu reklamieren, um auf diese Weise Aufsehen zu erregen, Vorteile zu gewinnen oder gar Macht zu erstreben.(31) - Diese Strategie verdreht jedoch das jüdisch-christliche Anliegen, für die Opfer einzutreten. Die Erzählung von Jesus als dem Opfer der Gewalt bedarf deshalb des größeren Kontextes, um eindeutig zu bleiben. In den Evangelien findet sich nach dem Bericht über die Kreuzigung die Erzählung von der Entdeckung des geöffneten und leeren Grabes, - ein Text, der heute kaum Beachtung findet und der mir trotzdem im Kontext unserer Problematik aufschlußreich zu sein scheint.

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Die Frauen, die zum Grab eilen, sind auf einen Ort und ein Bild fixiert. Sie suchen einen Leichnam; - doch sie finden ihn nicht, sondern nur eine Leerstelle. Sie geraten deshalb in Verwirrung und Angst. Dann hören sie Worte, die die Leere dadurch deuten, daß sie auf weitere kommende Erfahrungen verweisen. Die kurze Erzählung baut sich folglich aus einem intensiven Zusammenspiel von drei Faktoren auf: (1) eine Fixierung auf ein Bild, auf ein totes Bild, ja auf einen Leichnam; (2) eine Enttäuschung und eine Entdeckung der Leere; (3) ein Vernehmen von Worten, die in Überwindung der erlittenen Gewalt eine Geschichte neuen Lebens eröffnen. Mir scheint, daß man von diesem Zusammenspiel her die Grundstrukturen einer modernen Aesthetik mit einer komplexen Interaktion zwischen Bild, Enttäuschung am Bild und Wort, das eine neue Geschichte mit ähnlicher Spannung eröffnet, entwerfen könnte. Unsere Erzählung beschreibt zugleich den Ort, wo Zweifel und Glaube sich treffen und miteinander ringen. Wer immer in unserer Welt mit den vielen Opfern auf eine universale Gerechtigkeit hofft, dürfte folglich an der Erzählung vom geöffneten und leeren Grab Jesu nicht ganz unbewegt vorbeigehen können. Der christliche Glaube und die große abendländische Dichtung haben sich durch diese Erzählung tief inspirieren oder wenigstens beunruhigen lassen, und sie haben im Hoffen und im Zweifeln um das gleiche Anliegen gerungen. Trotz der vielen Konflikte zwischen Kunst und Kirche, zwischen Glaube und Dichtung haben beide aus einer gemeinsamen Wurzel gelebt. Dagegen stehen heute allerdings Geisteshaltungen, die die Gewalt zu verherrlichen beginnen, zynisch über die Opfer weggehen oder sie gar verspotten, wie dies in gewissen Filmen (32) oder im brasilianischen Fernsehen (33) schon ganz offen zum Ausdruck kommt. Dagegen steht auch die heutige Tendenz, den Mythos, der die Opfer verschleiert, zu rehabilitieren. Die moderne Dichtung dürfte deshalb an einem Scheideweg stehen: will sie - zusammen mit dem christlichen Glauben - weiterhin für die Opfer eintreten, ohne diese zu instrumentalisieren, oder will sie eher zur Mythologie zurückkehren. Im letzteren Fall würde sich ein radikal nachchristliches Zeitalter eröffnen. Gäbe es dann aber noch eine Kunst, die mehr wäre als Werbung und Propaganda?

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Anmerkungen:  

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 1. R.Girard, Mensonge romantique et vérité romanesque. Paris: Grasset 1961, 289-312.

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2. M.Jakob, Aussichten des Denkens. München: Wilhelm Fink 1994, 155-176.

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3. Girard, Mensonge romantique (s.Anm. 1) 296.

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4. Ebd. 298 (eigene Übersetzung).

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5. Ebd. 299.

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6. Korrigierte Übersetzung aus: R.Girard, Der tragische Konflikt. In: Das Tabu der Gewalt. Hg. von H.Fässler, Innsbruck: Eigenverlag 1987, 63-76, hier 67.

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7. "As the criteria for assessing cultural arrangements generally, and literary traditions specifically, Girard has proposed the victim and the truth about the victim. He has suggested that the real task of literary criticism hast just begun, and that at its center is the Cross. With the Cross as his hermeneutic principle, Giards's work deconstructs literary deconstruction and replaces its purely literary vertigo with intellectual and moral vigor." G.Bailie, Violence Unveiled. Humanity at the Crossroads. New York: Crossroad Publishing 1995, 8.

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8. C.Bandera, The Sacred Game. The Role of the Sacred in the Genesis of Modern Literary Fiction. Pennsylvania: Pennsylvania State University Press 1994.

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9. Vgl. ebd. 175-196. - "What was really admired in the 'perfect genius', the 'solid judgment', the 'vast capacity' of the heroic poem was its mysterious and fascinating ability to generate unanimity, to elicit widespread, universal agreement; that, somehow, it was capable of producing a meaning that nobody would question, and thus appeared to hold the key to the meaning of meaning... Now, that is precisely the kind of greatness the epic, 'the principal and most sublime part of all poesie,' and, a fortiori, poetry in general had lost forever and no amount of poetic sensivity and craftsmanship would restore." ebd. 180.

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10. Vergil, Aeneïs, X, 107-113 (verdeuscht von T. v.Scheffer. Leipzig 1943, 286).

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11. "That was Virgil's extraordinary and terrifying discovery: Rome, human civilization, emerges out of a situation in which every member of the group is equally threatened with violent extinction, unless the death of one in the group deviates from that violent uniformity and becomes different from all the other deaths. But whether or not such a difference or deviation will occur and put an end to undifferentiating violence, is something radically uncertain. Fate can only be discovered a posteriori." Bandera, Sacred Game (s.Anm. 8) 143.

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12. "Vergil places special emphasis on the contagious character of this violence... Perhaps nothing is so characteristic of the final books of the Aeneid as the deliberate multiplication of parallels between the enemy factions." ebd 149. - "These are fraticidal wars, wars among equals, among people destined to live in pace eterna... William R.Nethercut is right when he points out that 'it would be a mistake to insist that Aeneas is all duty and all order, while seeing Turnus as all chaos. Furore is not the special property of one sex or side; its figure throws a shadow over all the action of the epic, driving Trojans and Latins alike'." ebd. 150.

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13. Aeneïs XII, 946-952 (s.Anm.10, 391).

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14. Zur Rolle Vergils in der römischen Zeit: "More than any other book it dominated Roman education and literature. It became a 'set book' for centuries of schoolboys and was admired by almost every writer from Petronius to St.Augustine. Sevius composed his massive commentary on its interpretation, text, grammar, and mythology; Donatus expatiated on the moral lessons to be drawn from it; Macrobius devoted his Saturnalia to a discussion of its problems. It survived both the rise of Christianity and the fall of Rome." C.B.Bowara, zitiert nach Bandera, Sacred Game (s.Anm. 8) 179f.

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15. Ebd. 153. - "What gives meaning to the abrupt end of Virgil's poem is not so much Aeneas's victory but the sacrifice of Turnus." ebd. 153.

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16. "It has been said of Shakespeare that in Othello he conveys 'one of the essential moral experiences, the painful discovery that human impulses for good can by a mysterious process turn into something evil and destructive (Brower, 28). It could be said equally well of Cervantes, at least from the Quijote an." ebd 197f.

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17. "Thus poetic fiction, driven by desire, is presented as something capable of fictionalizing the truth or draining the real of its reality, which is something very different from the purely formal notion that poetic fiction is a mimetic representation of reality Aristotelian style. It must also be pointed out that this fictionalization of the truth always takes place within the context of an interpersonal relationship. It can be said that, in the novelistic world of Cervantes, it takes at least two to get into trouble... Cervantes's profound interest lies in the exploration of how the real one is lost or given up for the sake of the fictitious one." ebd. 200f.

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18. When Milton "chose the universal Christian 'epic' of the Fall of man and the historical journey of his redemption, he was probably choosing the only way to go beyond Virgil: anything less would be either out of place or already contained in Virgil." ebd. 183. - "To say that Calderón's best drama is a profound meditation on the fallen condition of humanity is not enough. What is really at the heart of his dramatic intuitions is the observation that the individual is actually attracted to, drawn toward, the unhappy consequences, the mifortunes, of his fallen condition." ebd. 205.

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19. "Calderón's individuals know that the sacrificial demand is a cruel demand imposed on them by the group, or more precisely by the full, honorable, members of the group. They know they are surrendering their power of free choice and individual responsibility to something alien, imposed on them from outside... So what is really at issue in the problematic working of the law of honor is its collective character; the old unanimity around the victim is cracking everywhere. In Calderón's victimizing law of honor what we have is no longer the old unhesitating group which knows its victim and does the job in perfectly good conscience, but a bunch of accomplices playing a role and sworn to secresy. The collevtive sacrificial ritual has become a theatrical performance, a comedy of innocence played not in fear of a sacred power, but in fear of the other; for every playing accomplice knows what the others know, and pretendsw not to know... These honor-obsessed husbands are insanely jealous. And this jealousy terrifies them; they make efforts to conceal it, they do not want to face it, but cannot help themselves; it comes out uncontrollably, in spurts." ebd. 209-212. - "In reference to vengeance and murder, it is not the 'law of honor' that makes the decisive difference, but the presence or absence of jealousy. Jealousy is the active ingredient, the triggering mechanism." ebd. 216. - "If Shakespeare's theatre is 'a theatre of envy', Calderón's is a theater of jealousy. In Calderón jealousy is not just a particular existential condition among many, one sin among others; it is at the root of sin, a cipher and a symptom of human sinfulness or fallen condition." ebd. 221.

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20. que no hay ventana más cierta

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  que aquélla que, sin rogar

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  a un ministro de boletas,

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  un hombre se trae consigo;

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  pues para todas las fiestas,

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  despojado y despejado

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  se asoma a su desvergüenza (lines 1166-77).

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Eine völlige Verständnislosigkeit für Calderón verrät die falsche deutsche Übersetzung von E.Gürster (Reklam, Universalbibliothek 65, 35):

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  Denn es sind die besten Fenster,

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  Die der Mensch mit sich herumträgt,

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  Wo man ohne ein Billett

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  Unbefangen, unbezwungen

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  Bei den größten Festlichkeiten Ohne Scheu geschwind hindurchguckt.

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21. Vgl. Interviw mit M.Jakob, In: Aussichten des Denkens (s.Anm. 2) 201-215.

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22. G.Steiner, Von realer Gegenwart. Hat unser Sprechen Inhalt? Mit einem Nachwort von B.Strauß. Aus dem Englischen von J.Trobitius. München: Hanser 1990.

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23. Ebd. 42f. - "In den Geisteswissenschaften und der erweiterten Philosophischen Fakultät (jedoch) ist es nicht der Journalismus stricto sensu, der die Rolle eines Dynamo für das Sekundäre spielt. Es ist der akademische Bereich und jener immens einflußreiche, wenn auch komplexe Sektor des Akademisch-Journalistischen. Es sind die Universitäten, die Forschungsinstitute, die akademische Presse, die unser Byzanz darstellen." ebd. 48. - "Die ganze Vorstellung von Forschung in moderner Literaturwissenschaft wird beeinträchtigt von der offenkundig falschen Voraussetzung, daß Zehntausende junger Leute irgend etwas Neues und Zutreffendes über Shakespeare oder Keats oder Flaubert zu sagen haben. In Wahrheit ist die Masse der Doktorarbeiten und Habilitationsschriften, die als 'Forschung' auf literarischem Gebiet gemeint sind und dementsprechende Veröffentlichungen nach sich ziehen, nichts weiter als ein grauer Morast." ebd. 54.

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24. "Für ihn [Dekonstrukionist] ist jedes Kriterium, das darauf abzielt, die Grenzen zulässiger Definition und Relevanz abzustecken, das Schranken errichten will zwischen dem, was mit einem semiotischen Akt erdenklicherweise gemeint sein könnte, und dem, was nicht gemeint sein kann, selbst schon nichts als ein weiterer rhetorischer Schachzug. Vorstellungen von Bedeutung sind immer Übertretungen. Neue Masken wachsen unter der Haut." ebd. 175.

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25. Ebd. 172. - "Die Negationen des Poststrukturalismus und gewisser Varianten der Dekonstruktion sind ganz genauso dogmatisch, so politisch wie es die positivistischen Gleichsetzungen des archivarischen Historismus waren. Das Postulat von der 'Bedeutungsleere' ist nicht weniger ein a priori, nicht weniger ein Fall von despotischem Reduktionismus als es beispielsweise die Axiome ökonomischer und psychosozialer Kausalität hinsichtlich der Erzeugung von Bedeutung in Literatur und Kunst im Pragmatismus und Szientismus der Jahrhundertwende waren." ebd. 231.

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26. Ebd. 177. - "Was ich bekräftigen möchte, ist die Intuition, daß dort, wo Gottes Gegenwart keine haltbare Voraussetzung mehr ist und wo Seine Abwesenheit kein erlebtes, ja überwältigendes Gewicht mehr hat, bestimmte Dimensionen des Denkens und schöpferischen Tuns nicht mehr zugänglich sind." ebd. 299.

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27. Ebd. 189f. - "Am Ende dieses Gedankenganges möchte ich die These aufstellen, daß sie (die Rationalisierungen der Dekonstruktion) ein Zurückweichen radikalerer Art verschleiern, daß das peinliche Berührtsein, das wir empfinden, wenn wir Zeugnis ablegen vom Dichterischen, vom Eintritt des Mysteriums der Andersheit von Kunst und Musik in unser Leben, metaphysisch-religiöser Art ist." ebd. 235.

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28. Ebd. 267. - "Doch sie (die Künstler) tun das mit einem Empfinden, das ich als eine hohe, beständige invidia definieren möchte, als frommen oder erzürnten Neid." ebd. 268.

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29. Ebd. 282.

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30. Zürich: Benziger 1978.

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31. "It is never too soon to learn to identify yourself as a victim. Such, at least,is the philosophy of today's college freshman orientation, which has become a crash course in the strange new world of university politics. Within days of arrival on campus, 'new students' (...) learn the paramount role of gender, race, ethnicity, class and sexual orientation in determining their own and others' identity. Most important, they are provided with the most critical tool of their college career: the ability to recognize their own victimization." H.MacDonald. In: Wall Street Journal, 29. Sept. 1992 (zitiert in: Bailie, Violence Unveiled [s.Anm. 7] 21).

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32. R.Zwick, Malefacio - ergo sum. Zu Oliver Stones Film "Natural Born Killers". In: Orientierung 59 (1995) 40-43.54-57.

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33. K.Hart, Ausufernde Brutalität in Brasiliens Medien. Von der Banalisierung der Gewalt zur Verspottung der Opfer. In: Neue Zürcher Zeitung, 28. Juli 1994, 39.

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