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Die Verklärung Jesu in einer Welt der "Dauerverklärten"
(Eine Predigt auf dem Hintergrund von Mt 17,1-9)

Autor:Niewiadomski Jozef
Veröffentlichung:
Kategoriepredigt
Abstrakt:
Publiziert in:Predigt beim 18 Uhr Gottesdienst am 20. Februar 2005 in der Jesuitenkirche
Datum:2005-02-21

Inhaltsverzeichnis

Inhalt

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Wenn lockt man da schon hinter dem Offen hervor? Mit einer solchen Geschichte: von der Verklärung auf dem Berg, fernab aller Öffentlichkeit, nur einen Augenblick lang andauernd? Welcher Discofreak wird schon auf seinen Wochenend-Trance und auf die Ekstase verzichten - bloß um sich dieses veraltete Evangelium im Rahmen einer Feier von gestern anzuhören? Welcher up-to-date sein wollender Zeitgenosse wird die zahlreichen Events der Seitenblickegesellschaft links liegen lassen zugunsten des Geheimnisses Jesu Christi? Verglichen mit den Models, den Stars von heute, den Spitzensportler, jenen größeren und kleineren Göttern und Göttinnen, die die Seiten unserer neuesten Tageszeitungen bevölkern, die uns von Fernsehschirmen anlachen, die sich bei jeder Gelegenheit im Rampenlicht der Öffentlichkeit tummeln, verglichen mit diesen “himmlischen Heerscharen” unseres medial strukturierten Alltags ist dieser Jesus Christus doch recht altbacken.

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Die Gesichter der Götter von heute leuchten nämlich andauernd. Weder Falten noch Furchen sind da zu sehen und auch keine Zahnlücken. Alles sitzt perfekt an seinem Platz. Und dies auch recht stramm! Das ewige Lächeln auf den Lippen und der verführerische Blick in die Augen “evangelisieren” unaufhaltsam und dies auf eine hochmoderne Art und Welse: “Schau her zu mir. Ich habe schon alles, bin glücklich und zufrieden, ständig auf dem Tripp, ständig zum Spaß aufgelegt und zum Genuss. Unser Leben ist ein Fest und diese Erde kann zum Himmel werden. Dafür stehen wir: die Promis, die Multi-Milliardäre, Menschen die auf die Butterseite des Lebens gefallen sind und auch die Masse von namenlosen Adabei-seins, jener Adabeis, die unser verklärtes Leben in den Alltag hinein transportieren und unser Glück zum Normalfall, zur Regel des alltäglichen Lebens erklären. Weil sie Abziehbilder unserer Lebensweise konsumieren.”

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Die Göttinnen und Götter von heute verklären sich nicht auf dem Berg, fernab der Massen; sie lüften ihr Geheimnis nicht bloß für einen kurzen Augenblick. Nein! Mit einer geradezu pornographischer Eindeutigkeit leben sie dieses Geheimnis andauernd: vor den Augen gieriger Öffentlichkeit. Die “Lieblingstöchter” und die “geliebten Söhne”, an denen wir alle unser Gefallen haben und auf die wir auch alle unaufhörlich hören (vgl. Mt 17,5), deswegen auch keine Kosten scheuen und auch keine Mühen um ihnen mindestens ansatzweise zu gleichen, diese “Dauerverklärten” stellen unser heutiges Evangelium anscheinend in den Schatten. Selbst die Gläubigen legen sich nämlich bei der Frage, ob sie zufrieden sind in ihrem Leben die Messlatte der “Dauerverklärung” zu, sind auch deswegen ständig mit sich selbst frustriert. Weil zwischen dem ganz normalen Alltag und der Glamourlebensweise der Celebrieties ganze Welten liegen. Da kann nur noch die Unzufriedenheit gedeihen: die Unzufriedenheit als Dauerbrenner und dies trotz all der Brotreste, die vom Tisch der Promis fallen und von Normalmenschen gierig verschlungen werden (vgl. Mt 15,27).

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Und es entgeht uns systematisch - trotz der tagtäglicher Bloßstellungen - dass dieses Göttinnen und Götter doch ein wichtiges Geheimnis haben, ein Geheimnis, das sie hüten und zu hüten bemüht sind: das Geheimnis ihrer Privatsphäre. Dort ist alles zu Hause, was für das Scheinwerferlicht der Dauerverklärung nicht geeignet ist. Angst und Depressionen, Einsamkeit und das Gefühl des Ausgelaugtseins, Alkohol- und Drogensucht, kaputte Beziehungen, zahlreiche Stunden auf den Operationstischen der Schönheitschirurgen und den Kautschs der Psychiater. Das best gehütete Geheimnis unserer Lieblingsgöttern - nur einigen eingeweihten Jüngerinnen und Jüngern vertraut -: das ist nichts anderes als der ganz normale Alltag. Voll von Leere und Langeweile, voll von Krankheit und Leid, voll von Vergänglichkeit, Zerstörung, Tod, Fäulnis und Verwesung. Ein Geheimnis, das in unserer Welt zum Tabu wird, hin und wider zwar gewaltsam gebrochen und geoutet. Im Grunde aber von uns allen - den gierigen Adabeiseins - respektvoll verdrängt. Am offiziell geglaubten Zustand der Dauerekstase moderner Göttinnen und Götter, am Zustand ihres permanenten Glücks vermag der kurz gelüftete Seitenblick auf ein einzelnes Opfer jedenfalls nichts zu ändern.

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Welch ein Kontrast - liebe Schwestern und Brüder - zu Jesus Christus? Was man von ihm in der Öffentlichkeit zu sehen, zu riechen und angreifen bekommt, das ist nicht die Glamourexistenz und auch nicht die Verklärung, sondern der ganz normale Alltag. Ein Mensch wie du und ich, ein Mensch, der seine Zweifel hat und auch das Gefühl der Einsamkeit. Ein Mensch, der mit Versuchungen zu kämpfen hat und weiß, was Leiden und Tod bedeuten und auch die Verwesung. Er tabuisiert sie nicht. Ganz im Gegenteil. Immer und immer wieder spricht er davon, lässt sich vom Leid und Sterben berühren und treffen. Dieser Jesus evangelisiert, aber er evangelisiert auf eine altbackene Art und Weise. Indem er - fernab aller Verklärungen, fernab aller Verführungen der Werbung alter und neuer Couleur - sich den ganz konkreten Menschen zuwendet. Nicht am Wochenende, nicht in einem Ekstaserausch. Er wendet sich dem Menschen zu, aber nicht um ihm bloß ein auf dieser Erde existierendes Paradies vorzugaukeln (in Hollywood, auf den Malediven, oder in den abgeschirmten Villen der Promis in den Rocky-Mountains; über die heimischen Paradiese und deren Preis wollen wir schweigen, woanders wird davon genug geredet). Nein! Er wendet sich dem Menschen zu in der Solidarität des Alltags. Das ist das Normale und auch die Norm: Der Alltag in dem es so viele Grenzen gibt und auch Sackgassen. Der Alltag, in dem die Zusammenbrüche, Scheitern, Tränen und Sprachlosigkeit meistens die Regel und nicht die Ausnahme sind. Jesus evangelisiert indem er uns gleich wird: in allem außer der Sünde. Gestriger und unmoderner geht es kaum. Oder vielleicht doch?

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Er macht noch auch auf sein Geheimnis aufmerksam. Und dies ohne auf die Regeln des modernen Managements zu achten. Dieses Geheimnis wird nicht den hysterisierten Massen einer Love-Parade geoutet und es wird auch nicht anlässlich der sich überbordenden Events aller Zeiten sichtbar. Die Spuren dieses Geheimnisses bekommen die Jünger zu Gesicht. Aber. Nicht alle Jünger! Und auch nicht als Dauerzustand. Sie können gerade noch am Rockzipfel des Geheimnisses kurz zupfen, schon hat sie der normale Alltag wieder. Dieses Geheimnis, das Außergewöhnliche, die Ausnahme: das ist die Beziehung zum Vater, die Beziehung zum Gott, dem Liebhaber des Lebens, eine Beziehung, die im Fall Jesu sich gar als Inbegriff seiner Existenz offenbart.

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Beziehung - liebe Schwestern und Brüder - ist immer schon etwas intimes, etwas einmaliges, etwas, was man unmöglich dem Scheinwerferlicht vorwerfen kann: als Massenprodukt zu Billigstpreisen. Tut man dies, so wird sie zur Lüge! Ist das der Grund warum für unsere moderne Göttinnen und Götter Täuschung, Lüge und Wahrheit beliebig auswechselbar zu sein scheinen? Im heutigen Evangelium macht Jesus aufmerksam auf die Ausnahme. Eine Ausnahme, die nicht zur Regel werden kann, ohne dass sie ihren Glanz einbüßt. Er weiht einige in sein Geheimnis ein: das Geheimnis seiner Göttlichkeit, holt sie aber sofort zurück auf die Erde. Er macht also exakt das Gegenteil von dem, was unsere Alltagskultur macht. Kein Wunder, dass er mit dieser Logik bei den Promis dieser Welt kein Geschäft machen kann. Kein Wunder, dass auch wir - die Gläubigen, aber auch Adabeiseins unserer modernen Kultur - an seiner Strategie zu nagen haben. Sie ist halt nicht von dieser Welt! Weil sie nur den Blick in das Fenster einer anderen Welt ermöglicht, den Himmel aber nicht mit Gewalt auf die Erde zerrt (koste es was es wolle; selbst eine lebenslange Lüge - vom himmlischen Leben hier auf Erden), macht sie den Unterschied zwischen Himmel und Erde, zwischen Verklärung und Alltag, zwischen Ekstase und Leben möglich.

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Das Evangelium von der Verklärung Jesu wird Jahr für Jahr am zweiten Sonntag der österlichen Bußzeit - der Fastenzeit - verkündet; und die Verkündigung drängt auf Umkehr. Die Umkehr im Glauben! Und in welche Richtung? Gott wurde Mensch; er evangelisiert indem er uns gleich wird, in allem außer der Sünde. Auf dass wir durch Ihn den Blick auf das Außergewöhnliche bekommen, auf die Beziehung Gottes zu uns allen. Dieser Blick in den offenen Himmel stellt nicht die Regel dar, er ist im Alltag eher die Ausnahme. Er soll uns in unserem Alltag “erden”, nicht von unserem Alltag wegzaubern. Diese Logik des Glaubens bewährt sich tagtäglich, in allen Lebenssituationen. Selbst im Sterben und Tod. Dort wird sich auch endgültig die Wahrheit der intimsten Tatsache unseres Lebens erweisen: dass auch wir schon immer geliebte Töchter und Söhne des himmlischen Vaters waren, sind und auch ewig bleiben werden. Ein jeder auf je einmalige Art und Weise.

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