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Ihr seid das Licht der Welt oder Wider den Zwang zum Perfektionismus
(Gedanken zum 5. Sonntag im Jahreskreis (LJ A))

Autor:Wandinger Nikolaus
Veröffentlichung:
Kategoriepredigt
Abstrakt:Wir sollen Salz der Erde und Licht der Welt sein. Zwingt uns das nicht zu einem gnadenlosen Perfektionismus? Nicht wenn wir Christi Botschaft vom vergebenden Gott ernst nehmen.
Publiziert in:# Originalbeitrag für den Leseraum
Datum:2005-02-04

Inhaltsverzeichnis

Inhalt

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Lesungen: Jes 58,7-10; (1 Kor 2,1-5); Mt 5,13-16

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 Liebe Gläubige,

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sollten Sie den Eindruck haben, dass wir uns heute vertan und schon die Lesungen vom ersten Fastensonntag erwischt haben, so muss ich Sie enttäuschen: das sind die Texte vom heutigen 5. Sonntag im Jahreskreis. Aber der Prophet im Jesajabuch verkündet dem Volk hier tatsächlich, wie ein rechtes Fasten funktioniert (vgl. Jes 58,6), und gibt dabei viele moralische Handlungsanweisungen; und auch Jesus scheint im Matthäusevangelium den Jüngern, also auch uns, zu sagen, dass wir uns vorbildhaft in der Welt benehmen sollen, damit wir wie ein helles Licht auf dem Berg leuchten und andere sich an uns orientieren können. Wir sollen moralisch gut dastehen in der Welt, um anderen Orientierung zu geben – so die Botschaft auf den ersten Blick.

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Dagegen ist ja eigentlich gar nichts einzuwenden, Fasching hin oder her. Gerade die Anweisungen, die uns da im Buch des Propheten Jesaja gegeben werden, sind so etwas wie eine Sozialcharta: eine Familie, ein Dorf, ein Land, in dem das funktioniert, ist ein soziales, gerechtes und lebenswertes Gemeinwesen. Vieles davon haben wir institutionalisiert, und daher ist Österreich, trotz aller Schwierigkeiten immer noch, ein soziales Land. Manches allerdings kann man nicht institutionalisieren, manches sind Hinweise zu einem guten Verhalten, bei dem es um mehr als nur um die Verteilung der materiellen Güter geht: um Zuwendung, um Interesse für andere, um menschliche Achtung. Der Prophet macht uns darauf aufmerksam, dass es mit Steuern zahlen und hin und wieder Spenden allein nicht getan ist: Menschen, die um uns, neben uns und mit uns leben, brauchen auch uns selbst, nicht nur unsere Gaben. Nur wenn wir auch bereit sind, uns selbst einzusetzen, etwas von uns zu geben, dann gilt: „deine Gerechtigkeit geht dir voran, die Herrlichkeit des Herrn folgt dir nach" (Jes 58,8). Wenn wir diese Art von Gerechtigkeit leben – so das Jesajabuch –, folgt uns der Herr nach, will sagen: Wir sind dann die Wegbereiter Gottes; durch uns, unsere soziale Hilfe und unsere menschliche Zuwendung, erfahren Menschen die Hilfe und Zuwendung Gottes. Deshalb betont Christus wohl auch, wie wichtig es ist, dass seine Jünger und Jüngerinnen leuchtende Vorbilder sind.

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Und doch beschleicht mich bei dieser Aussage Jesu immer ein leichtes Unbehagen, und ich denke daran, dass er nur ein Kapitel später gerade das Gegenteil zu sagen scheint. Da heißt es: „Hütet euch, eure Gerechtigkeit vor den Menschen zur Schau zu stellen; sonst habt ihr keinen Lohn von eurem Vater im Himmel zu erwarten. Wenn du Almosen gibst, lass es also nicht vor dir herposaunen, wie es die Heuchler in den Synagogen und auf den Gassen tun, um von den Leuten gelobt zu werden. … Dein Almosen soll verborgen bleiben, und dein Vater, der auch das Verborgene sieht, wird es dir vergelten." (Mt 6,1-2.4)

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Wie also macht man es richtig? Wie stellt man sein Licht auf einen Leuchter, dass es alle sehen, und tut das Gute doch im Verborgenen? Kommen wir da nicht in ein Dilemma?

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Den Weg aus dem Dilemma, liebe Gläubige, eröffnet uns der letzte Satz des heutigen Evangeliums: „So soll euer Licht vor den Menschen leuchten, damit sie eure guten Werke sehen und euren Vater im Himmel preisen." (Mt 5,16) Warum also tue ich etwas Gutes: damit ich gut dastehe, damit die Leute gut von mir reden, damit ich ein gutes Selbstwertgefühl habe? Oder damit Gott gut dasteht, damit die Menschen erkennen, dass ich nur weiterschenke, was ich von ihm erhalten habe, damit Gott als der Geber alles Guten erkannt wird? Das ist die Alternative, aber das ist kein Dilemma mehr. Gott will sich nämlich nicht als Konkurrent neben unsere guten Werke stellen, sondern durch uns und mit uns gemeinsam seine guten Werke vollbringen.

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Wie aber geht das praktisch? Muss ich dauernd von Gott reden, wenn ich Gutes tue? Muss ich jedem sagen: ich tue das, damit du Gott lobst? Und was, wenn einer es dann nicht tut? Muss ich ihm dann böse sein?

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Sie merken sicher: so kann es nicht gehen. Wenn wir das täten, würden wir gerade indirekt doch wieder uns in den Mittelpunkt stellen und die Menschen, denen wir gegenübertreten, bevormunden. Und was noch viel problematischer wäre: mit dieser Einstellung dürften wir keine Fehler machen und keine Schwächen haben. Wir kämen selber so unter den Zwang zum Perfektionismus, dass wir nicht nur andere, sondern auch uns selbst unter Druck setzen und nötigen würden. Ich denke, bei manchen Menschen in der Kirche, die sehr schwer Fehler eingestehen können, dürfte so eine Haltung dahinterstehen: Ich darf nichts falsch gemacht haben, denn sonst war ich nicht Licht auf dem Leuchter für Gott. Und so werden oft Fehler unter den Teppich gekehrt und vertuscht.

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Und dabei wäre ein Schuldeingeständnis oft das leuchtendste Vorbild – denken Sie nur an den reuigen Petrus. Denn es kann die Menschen auch zum Lob Gottes führen, wenn sie sehen: Da ist einer, der hat einen groben Fehler begangen, der gehört vielleicht ins Gefängnis, weil er großes Unrecht getan hat. Und dieser Mensch hat die Kraft seine Schuld einzugestehen, sie nicht zu verharmlosen oder zu verleugnen, sondern ihre ganze Schwere anzuerkennen – und dabei doch nicht zu verzweifeln oder in Selbsthass und Selbstablehnung zu verfallen. Wie groß muss ein Gott sein, der das seinen Gläubigen ermöglicht?

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Und so zeigt sich etwas – vielleicht ganz Überraschendes: Salz der Erde, Stadt auf dem Berg, Licht auf dem Leuchter zu sein, ist nicht dasselbe wie vollkommen und perfekt zu sein. Wäre es das, wären wir auch nur im Trend des Perfektionismus unserer Zeit gefangen. Das, was in der Nachfolge Jesu ganz speziell und wesentlich über das Bemühen ein guter Mensch zu sein hinausgeht, ist der Umgang mit dem Versagen in diesem Bemühen. Wir sind nicht perfekt. Doch auch daran, wie wir mit der Unvollkommenheit und dem Versagen unserer Mitmenschen und unserem eigenen umgehen, wird sich entscheiden, ob die Menschen unseren Vater im Himmel aufgrund unseres Verhaltens preisen – oder an ihm verzweifeln.

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Und so gilt: Wenden wir uns Menschen zu in aufmerksamer Achtung auf sie, um zu spüren, was sie brauchen, denn durch unsere Zuwendung und unsere Hilfe bereiten wir den Weg Gottes zu diesen Menschen. Aber tun wir das ohne Berechnung und ohne Schielen auf die Wirkung, sondern vertrauen wir auf Gott, dass er sogar durch unser Versagen hindurch seinen Weg findet durch seinen göttlichen Umgang mit diesem Versagen. Je mehr wir aus diesem Vertrauen leben, desto eher finden Menschen dadurch zum Lobpreis des Vaters im Himmel.

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Pümpel spielt damit auf die Rolle des Künstlers an, der, so Pümpel, als Teil des Universums einen Teil des Universums reflektiert. Dieselbe Aussage gesteht der Künstler aber zugleich auch den Bildern zu, die ebenfalls „als Teil des Universums einen Teil des Universums reflektieren“. Was bedeutet dies bzw. worin besteht nun diese Reflexion?

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Führen wir uns dazu einmal die einzelnen Werke vor Augen. Auffallend ist, dass zumeist äußerst malerisch wirkende mit solchen korrespondieren, auf denen exakte Zeichnungen angeführt sind. Beide Strukturen sind zumeist von einem Raster überzogen, wobei in den Arbeiten mit malerischen Strukturen diese über die Begrenzung hinaus fließen und somit den Eindruck des Ausschnitthaften und in die Unendlichkeit fortgesetzt Gedachten vermitteln, während der Raster selbst zumeist für den Versuch eines wissenschaftlichen Handels und Operierens – und somit Vermessens - steht.

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Nun, geht man davon aus, dass der Künstler mit seinen Arbeiten eine konkrete Aussage vermitteln will, so geschieht diese Zustandsbeschreibung des Realen einmal, wie wir gesehen haben, mittels lavierender Farben und unscharfer und verwischt wirkender Strukturen, zum anderen mit exakten Linien und Formen. Vermitteln erstere den Eindruck des Zufälligen und Makrokosmischen, so bewegen sich letztere im mikrokosmischen Bereich und erscheinen als Versuche die unscharf und unendlich kleinen grafischen Formen der All-over-Strukturen in eine Ordnung und präzise Form zu bringen.

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Den Ausgangspunkt der künstlerischen Überlegungen von Norbert Pümpel bilden, wie bereits darauf hingewiesen, naturwissenschaftliche Erkenntnisse, insbesondere jene der modernen Physik, deren Einsichten ein klares Weltbild kausaler Exaktheit und Vorhersehbarkeit immer mehr ins Wanken gebracht und damit auch beendet hat.

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Der Künstler sucht nun diese Einsichten und Erkenntnisse sichtbar zu machen, ohne diese jedoch zu kommentieren oder zu illustrieren. Seine Bilder sind Hinterfragungen von naturwissenschaftlichen Behauptungen und deren Umsetzungen zugleich. Sie sind sowohl Reflexionen über die Schöpfung und Entstehung von Welt als auch Vermessungen von Zeit und Raum. Dabei kommt dem Zufall aber auch der exakten Verortung eine tragende Rolle zu.

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Spätesten seit dem Beginn der Moderne wissen wir, dass sich Aufgabe und Inhalt der Kunst von der Abbildung und Wiedergabe hin zur Sichtbarmachung von Wirklichkeit verschoben hat. Damit hat auch das ästhetische Empfinden tiefgreifende Veränderungen erfahren: nicht mehr das ausschließlich Schöne erweckt die Aufmerksamkeit der Kunst, sondern letztendlich sind alle Erscheinungen der inneren und äußeren Natur gleichwertig – und damit auch darstellungswürdig.

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Norbert Pümpels Kunst, ist , so könnte man sagen, der Versuch die Ordnung der Dinge, der großen ebenso wie der unendlich kleinen, sichtbar zu machen. Dabei bedient er sich des seit dem Dadaismus bekannten Prinzips des Zufalls in der Kunst ebenso, wie des Konzeptuellen und Minimalistischen, das er in den 70er Jahren in Ausstellungen in Innsbruck, aber auch in Museumsbesuchen in Europa und in den USA kennen- und schätzen gelernt hat. Gehen die Konzeptkünstler davon aus, dass „Ideen allein Kunstwerke sein können“ (Sol LeWitt) und das Kunstwerk erst durch gedankliche assoziative Prozesse in der Vorstellung des Betrachters existent wird, und machen die Künstler des Minimalismus das Gegenstandsein der Dinge und ihre Wahrnehmung zum alleinigen Thema ihrer Arbeiten, so geht Pümpel über das Kunstwollen der Künstler der Konzept- und Minimal-Art hinaus und bezieht philosophische, aber auch metaphysische Fragen und Überlegungen mit in sein Kunstschaffen ein.

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Markus Hauser hat den Künstler einmal als „Vermesser von Zeit und Raum“ bezeichnet. Eingangs habe ich bereits auf die exakte, auf Raum und Zeit bedacht nehmende Hängung hingewiesen! Folgen Sie den räumlichen und zeitlichen Spuren, die Norbert Pümpel hier im Gang der theologischen Fakultät gesetzt hat. Halten Sie bei den einzelnen Diptychen und Triptychen sowie den anderen mehrteiligen Bildgruppen inne und lassen Sie sich von der Form und Struktur der einzelnen Werke leiten; gehen Sie dann, Ihrem eigenen Rhythmus folgend, zur nächsten Bildgruppe weiter und Sie werden Zugang finden zu einer eigenständigen Bildsprache und einem eigenständigen Kunstwollen, das wegen seiner Einzigartigkeit weit über die Grenzen Tirols hinausgehend vergleichbares vergeblich sucht.

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