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Vom Beten, geschenktem Glück und der wahren Heimat
(Gedanken zum 2. Fastensonntag 2004 (LJ C))

Autor:Wandinger Nikolaus
Veröffentlichung:
Kategoriepredigt
Abstrakt:
Publiziert in:# Originalbeitrag für den Leseraum
Datum:2004-06-09

Inhaltsverzeichnis

Inhalt

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Lesungen: (Gen 15,5-12.17-18) Phil 3,20 - 4,1; Lk 9,28b-36

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 Liebe Gläubige,

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betrachten wir noch einmal die Situation, die uns das heutige Evangelium vor Augen führt: Jesus nimmt drei seiner Jünger – Johannes, Petrus und Jakobus – mit auf einen Berg, um zu beten. Doch, was dann geschieht, zeigt den – buchstäblich – himmelweiten Unterschied, der zwischen Jesus und seinen engsten Vertrauten besteht.

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Den Jüngern wird das Beten bald langweilig. Der Tag, ja die ganze Woche war anstrengend und es passiert ja nichts beim Beten, werden sie sich gedacht haben. Jedenfalls schlafen sie ein. Schlafen ist gesund. – Ich frage mich, ob ich mich freuen soll, dass die großen Apostel auch nicht besser waren als ich oder ob ich traurig sein soll darüber, dass mich die Bibel in meinem schwachen Gebetsleben ertappt hat.

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Jesus dagegen betet mit solcher Intensität, dass sein Gesicht sich verändert und sein Gewand weiß strahlt, es ist wie eine ekstatische Verzückung, die auch große MystikerInnen berichten: der Mensch wird ganz von Gott und seinem Glanz erfüllt und wird gerade dadurch ganz und gar er selbst, ohne jede Entfremdung. Jede Müdigkeit fällt von ihm ab. Ja, er kommt in Kontakt und Dialog mit DEN verehrten Größen des Judentums: mit Mose, dem Mittler des göttlichen Gesetzes, und mit Elija, dem Propheten, der nicht gestorben, sondern in den Himmel entrückt worden war. Jesu Beten hat eine Kraft entfaltet, die ihn von innen her, aber bis ins Äußere verwandelt und ihn in Kontakt bringt mit wichtigen Mittlern Gottes.

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Dieses Ereignis schafft es sogar, die Jünger aus ihrem wohlverdienten Nickerchen zu reißen. Und als sie nun diese Herrlichkeit sehen, fällt ihnen auch gleich ein, wie man sie am besten festhalten kann: Bauen. Hütten machen, damit Jesus Moses und Elija immer so traut beieinander sitzen können, damit das Glück, das hohe Ereignis nie vergeht. – Wieder kenne ich das aus meinem eigenen Leben. Wenn einem das Glück zuteil wird, dann will man es mit beiden Händen packen und festhalten, und am besten einmauern. Aber das Glück lässt sich so nicht festhalten. Gerade durch den Versuch, es einzumauern, verdüstert sich alles, wie in einer finsteren Wolke, die uns umschließt, und wir bekommen Angst.

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Es geht nicht nach unserer Vorstellung, unsere Pläne werden durcheinandergewirbelt, wir sehen keinen Meter weiter – und schon bekommen wir Angst, wie die drei heldenhaften Jünger. Und Jesus? Auch ihn haben Elija und Moses verlassen, auch er steht in der Wolke und sieht genauso wenig wie seine Jünger. Von Angst ist aber bei ihm keine Rede. Er vernimmt eine Stimme aus der Wolke: „Das ist mein auserwählter Sohn, auf ihn sollt ihr hören."

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Können wir uns das vorstellen mit unserem doch so kleinen Gebetsleben? Da betet einer so kraftvoll, dass zuerst der Glanz Gottes auf seinem Gesicht und durch seine Kleider scheint, dann die zwei wichtigsten Mittler Gottes mit ihm sprechen, um schließlich Platz zu machen für die eigentliche Botschaft: Das ist mein auserwählter Sohn; das ist der, auf dem mein Glanz nicht nur erscheint, sondern der mein Glanz ist; das ist der letztgültige Mittler, auf ihn sollt ihr hören. Und was hören wir, wenn wir das tun?

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Lukas schildert uns unmittelbar vor dieser Szene, wie Jesus zum ersten Mal davon spricht, dass er leiden, sterben und auferstehen müsse, und seine Jünger dazu auffordert, auch ihr Kreuz auf sich zu nehmen. Danach beginnt Jesu Weg nach Jerusalem, wo das alles wirklich geschehen wird.

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Ich denke, die Behauptung ist nicht zu weit hergeholt, dass Jesus diesen Weg nur gehen konnte, weil er die Glücks-Erfahrung der Verklärung gemacht hatte. Den Weg zu Folter, Kreuz und Tod, den er freiwillig auf sich nahm, er konnte ihn nur gehen, weil er bis in die letzte Faser seiner Existenz erfahren hatte, wie ihn der Glanz des Gottesgeistes durchdringt, wie ihn die Gegenwart der Getreuen Gottes trägt und wie ihn der Vater selbst liebt und ihm seine Identität schenkt, so dass er ganz beschenkt und doch ganz er selber sein kann. Nur weil er diese Erfahrung gemacht hat, konnte er den Weg gehen, auf dem er sich ganz verschenkte und verschwendete, bei dem jeder Glanz von seinem Gesicht wich, ihn alle Menschen verließen, seine Identität lächerlich gemacht und verspottet wurde und als Grund für ein Todesurteil herhalten musste.

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Was aber können wir für unser Leben entnehmen aus diesem Evangelium von der Verklärung?

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Zum einen zeigt es uns die Macht des Gebets. Sie hat Jesus verwandelt, sie kann auch uns verwandeln. Es wäre allerdings ein Missverständnis, wenn wir nun dächten, um auch so zu beten, müssten wir uns beim Beten besonders anstrengen, besonders konzentrieren oder besonders viele Worte machen. Das Gebet Jesu war deshalb so kraftvoll und intensiv, weil er dabei ganz offen war im Hören auf den Vater. Weil er nicht seine Wünsche oder Ideen Gott aufdrängen und seinen Kopf durchsetzen wollte, sondern weil er ganz da sein wollte, um auf Gott zu hören. Vielleicht wurden die Jünger und werden wir ja deshalb so leicht müde beim Beten, weil wir dabei immer mit großer Anstrengung etwas haben wollen von Gott. Jesus hat v. a. ganz aufmerksam gelauscht. Wenn man aufmerksam lauscht, dann schläft man nicht ein. Lauschen wir weiter, auch wenn sich unsere Wünsche nicht erfüllen und uns die Angst überfällt, dann wird Gott auch uns unsere eigentliche Identität offenbaren.

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Zum anderen fordert uns dieses Ereignis aus Jesu Leben auf, Glück, das wir empfinden, nicht einmauern zu wollen. Es ist ein Geschenk Gottes, das wir genießen dürfen, das wir aber selber schmälern und anfangen zu zerstören, wenn wir es festhalten wollen. Ich denke, dies ist das Schwierigste, das uns dieses Evangelium zumutet: Gottes Geschenke loszulassen, wenn er weiß und entscheidet, dass dies letztlich besser ist.

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Auch die Menschen, die wir lieben, sind solche Geschenke Gottes. Und immer wenn wir vor einem Abschied stehen, vor allem vor dem letzten, endgültigen Abschied des Grabes, dann möchten wir nicht loslassen und nicht einsehen, dass es angeblich so besser sein soll. Und wir möchten den Verstorbenen festhalten zu unserem und auch zu seinem Glück.

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Paulus betont, dass unsere wahre Heimat im Himmel ist. Wir aber sind wie die drei Jünger: wir wollen uns hier auf Erden einrichten und betrachten unsere bequeme, und doch eigentlich so armselig hüttenhafte Behausung hier als unsere Heimat. Immer wenn uns der Tod einen lieben Menschen nimmt, wird uns schmerzhaft deutlich, dass dies nicht wahr ist und wir uns selbst betrügen, und das verstärkt unsere Angst und Traurigkeit. Laufen wir nicht weg vor dieser Traurigkeit, tragen wir sie. Vielleicht ist sie Teil unseres Kreuzes, das uns Jesus auffordert auf uns zu nehmen, um zu erkennen, wo unsere – und unserer Lieben – wahre Heimat ist. Aber tun wir das eingedenk der Erfahrung des Glücks, das wir hatten mit den geliebten Menschen.

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Jesus ist der auserwählte Sohn, auf den wir hören sollen. Hören wir also auf ihn: „Im Haus meines Vaters gibt es viele Wohnungen. Wenn es nicht so wäre, hätte ich euch dann gesagt: Ich gehe, um einen Platz für euch vorzubereiten?" (Joh 14,2)

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