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Trauerrede von Universitätsrektor Univ.-Prof. Dr. Manfried Gantner für Raymund Schwager

Autor:Gantner Manfried
Veröffentlichung:
Kategoriekommentar
Abstrakt:
Publiziert in:8. März 2004 im Dom von Innsbruck
Datum:2004-03-09

Inhaltsverzeichnis

Inhalt

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Sehr geehrter Herr Bischof,

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sehr geehrte Äbte,

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sehr geehrter Herr Landeshauptmann,

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sehr geehrte Frau Bürgermeisterin,

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sehr geehrte Verwandte unseres großen Verstorbenen,

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sehr geehrter Herr Dekan und liebe Angehörige der Katholisch-Theologischen Fakultät,

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sehr geehrte Mitglieder des Jesuitenordens,

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liebe Dekane und Angehörige der LFUI und der MUI,

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im christlichen Gedenken an Dekan Raymund Schwager Versammelte!

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Wenn ein uns sehr lieber und überaus wertvoller Mensch so plötzlich und unerwartet verlässt, dann können wir es kaum glauben. Wir lesen das Mail, starren in die Zeitung, halten die Trauerparte in Händen: „Das darf doch nicht wahr sein"! - Es ist aber wahr.

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Ich habe mir in den letzten Tagen aus gegebenem Anlaß wieder „Ein Deutsches Requiem" von Johannes Brahms angehört. Dort singt der Chor einen Text aus dem 1. Petrusbrief:

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 „Denn alles Fleisch, es ist wie Gras,

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 und alle Herrlichkeit des Menschen

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 wie des Grases Blume,

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 Das Gras ist verdorret

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 Und die Blume abgefallen."

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 Es ist eine Realität: Der Tod gehört zum Leben.

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Nach mehreren Wiederholungen dieses ebenso traurigen wie realistischen Textes, singt der Chor am Ende triumphal:

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 „Aber des Herrn Wort bleibet in Ewigkeit."

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 Der Tod zeigt also weit über das Leben hinaus.

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Wenn ein uns sehr lieber und überaus wertvoller Mensch so plötzlich und unerwartet verlässt, dann denken wir unmittelbar zurück, wo und wann wir ihm das letzte Mal begegnet sind, was wir miteinander geredet haben.

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Ich habe Dekan Raymund Schwager das letzte Mal etwa 14 Tage vor seinem plötzlichen Tod gesehen und gesprochen. Er hat dabei sehr glücklich, sehr gelöst, sehr entspannt und erholt gewirkt. Er war allerbester Dinge. Sein Gesicht strahlte, wie es immer dann strahlte, wenn er sich von ganzem Herzen freute und sich wohl fühlte.

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Er hat mir von seinem England-Aufenthalt im Jänner erzählt, bei dem es darum ging, letzte Hand an eine englische Übersetzung für sein jüngstes Buch anzulegen. Er hat ausgeführt, dass ihm mit der Abgabe des Dekansamtes per Jahresende 2003 ein großer Rucksack abgenommen worden sei und er sich so leicht fühle, dass er zu Fliegen meine. Er erzählte mir, dass er in das Canisianum umgezogen sei und er diese Umgebung als neue Herausforderung betrachte. Er wolle darauf achten, dass dort echte Gemeinschaft der aus aller Welt nach Innsbruck gekommenen Thelogiestudenten entstünde.

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Es war also viel Wechsel in den letzten Monaten, seinen letzten Lebensmonaten, angesagt: die Abgabe des Dekansamtes, der Abschluss eines Buchprojektes, ein neuer Wohnsitz und die bevorstehende Emeritierung, auf die er sich freute, weil er dann zum Forschen käme.

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Und dann denke ich noch an eine vorletzte Begegnung an einem frühen Dezemberabend des vergangenen Jahres zurück. Schon lange lag mir Dekan Raymund Schwager in den Ohren, ich möge für ihn ab Beginn 2004 einen Nachfolger als Dekan ernennen. Er müsse jetzt endlich wieder ausreichend forschen dürfen.

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Wir haben dabei ausführlich über die Notwendigkeit gesprochen, dass die Wissenschaft sich nicht nur mit der Erzeugung von Handlungswissen beschäftigen dürfe. Langfristig sei für unsere Welt

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und unsere Gesellschaft Orientierungswissen notwendig, wie es die Theologie aber auch die Geisteswissenschaften und manche Sozialwissenschaften erarbeiten.

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Wir haben über die Entwicklung der Katholisch-Theologischen Fakultät, ihre Ausstattung mit Personal und über seine eigene Stelle nach seiner bevorstehenden Emeritierung im Herbst dieses Jahres gesprochen. Und ich habe ihm namens der LFUI für seinen kräftezehrenden Einsatz als Dekan der Katholisch-Theologischen Fakultät herzlich danken können. Die Fakultät hatte er als Dekan über die vergangenen vier Jahre, von 1999 bis 2003, und schon zuvor von 1985 bis 1987 als Dekan geleitet.

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Was aber in dieser Stunde, da wir zu seinem Gedenken versammelt sind, in unser aller Gedächtnis aufleuchtet, ist vor allem seine Persönlichkeit, seine Art, die wir alle, die wir heute um ihn trauern oder besser: - ihm von ganzem Herzen danken - so an ihm gemocht haben: Er war überaus ernsthaft, wahrheitsliebend und geradlinig. Dekan Schwager war persönlich außerordentlich bescheiden, immer auf Ausgleich aber nie auf faulen Kompromiss bedacht, jederzeit sachkundig und kompetent- auch in den irdischen Angelegenheiten des täglichen Universitäts- und Fakultätslebens.

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Ab und zu war er auch im Übermaß besorgt, nämlich dann, wenn er das ihm Anvertraute gefährdet sah. Dann war sein Gesichtsausdruck sehr traurig. Er hat in solchen Augenblicken oder Stunden seine Sorgen, seine Enttäuschung oder seinen Widerspruch nicht nur artikuliert sondern auch in seiner ganzen Körpersprache zum Ausdruck gebracht.

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Dekan Schwager hat in der „Dekanerunde" nicht nur einfach seine Fakultät vertreten und deren Besitzstände mit Zähnen und Klauen verteidigt. Er konnte sich immer in die Sorgen der anderen Fakultäten, in die Prioritäten und beschränkten Ressourcen der gesamten Universität hineindenken. Sein überaus freundliches Wesen konnte schnell Brücken zu anderen Menschen bauen, zu allen Menschen, die ihm begegnet sind. Seine Offenheit und seine Fähigkeit zum Zuhören sind ihm zugute gekommen. Man hat es immer gespürt: Er hat die Menschen gemocht.

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Seine ganze Haltung war interdisziplinär, also im besten Sinne des Wortes „fachüberschreitend". Dies kam besonders auch in seiner Forschung zum Ausdruck, die mein dafür besser qualifizierter Nachredner würdigen wird.

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Als Raymund Schwager das Dekansamt zurücklegte und die Nachfolge in seinem Sinne geregelt wurde, versprach ich ihm, ein schönes Abschiedsfest als Dekan veranstalten zu wollen: „Wir wollen Dir alle noch herzlichen Dank für Deinen Beitrag für die so erfolgreiche Führung der Theologischen Fakultät sagen. Jetzt ist es etwas stressig", sagte ich, „wir brauchen dazu eine etwas ruhigere Phase" im Rektorat. - „Laß' Dir Zeit", meinte er lächelnd.

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Es ist eine schöne Feier heute geworden. Aber eine Feier anderer Art als wir es uns alle damals gemeinsam vorgestellt hatten. In seiner Bescheidenheit wäre ihm eine so große Feier und noch dazu im Dom zu St. Jakob überhaupt nicht recht gewesen. „Da habt ihr aber über das Ziel hinaus geschossen", hätte er gesagt, wenn er uns alle hier gesehen hätte oder gar jetzt hier sieht.

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 Es ist eine Auferstehungsfeier geworden.

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Gerne hätten wir es alle gesehen - und wir wären darauf auch sehr angewiesen gewesen - wenn er den von ihm begründeten Ansatz eines gesamtuniversitären Forschungsschwerpunktes „Religion, Gewalt, Weltordnung" hätte weiter aufbauen können. Er war der spiritus rektor, der Motor, der Katalysator dieser gemeinsamen Forschungsinitative.

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Gerne hätten wir ihn, egoistisch wie Menschen nun einmal sind, als Freund und Ratgeber weiter unter uns gehabt. Es ist anders gekommen. Aber wir tragen die Gewissheit in uns: - Seine beispielhafte persönliche Haltung, aber auch seine Forschung sind auf fruchtbaren Boden gefallen. Seine Saat wird aufgehen, sein Erbe wird weiter getragen. Er lebt fort in seinen Forschungsthemen, in seinen Publikationen, in seinen Schülern und in den Herzen seiner Mitmenschen, denen er begegnet ist.

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Und zu den Menschen, denen er begegnet ist, die er geprägt hat, gehört auch die Matura-Klasse des Jahres 1964, der er in den frühen 60iger Jahren als Erzieher, als Pater Präfekt, im Jesuiten-Kolleg „Stella Matutina" in Feldkirch zugeteilt war. Pater Schwager war damals unser Erzieher, auch mein Erzieher. Die Antwort auf die Frage, wer hier wen erzogen hat, muss offen bleiben. Wir „Zöglinge" waren der Meinung, wir hätten Pater Schwager zu größerer Realitätsnähe erzogen: Jedenfalls haben wir ihm damals so viele Streiche gespielt, dass er in der Folge für die zwischenmenschlichen Schläge des Lebens umfassend gerüstet sein mußte. Vermutlich hat er aber doch auch uns erzogen. Und dies auf eine sehr subtile Art: Er hat unsere Aktivitäten mit soviel Toleranz ertragen, dass wir alle eine große Lektion gelernt haben: Es muss noch etwas jenseits von hierarchischen Führungsstrukturen, von Befehl und Anordnung geben. Gewalt erzeugt nicht immer Gegengewalt. Druck erzeugt nicht immer Gegendruck. Man kann Konflikte auch de-eskalieren. Pater Schwager war für uns „Stellaner" damals die nächste Annäherung an die gewaltlose Art eines Mahatma Ghandi, die uns im Leben begegnet ist.

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Abschließend darf ich im Gedenken an einen großartigen Menschen, Universitätsprofessor und Dekan der Katholisch-Theologischen Fakultät noch einmal aus „Ein deutsches Requiem" von Johannes Brahms bzw. die Originalquelle Johannes 16, 22 zitieren:

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 „Ihr habt nun Traurigkeit

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 aber ich will euch wiedersehen,

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 Euer Herz soll sich freuen

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 Und Eure Freude soll niemand von Euch nehmen."

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In dieser Gewissheit des gemeinsamen Wiedersehens soll das Gedenken an den großen Forscher, Lehrer und Menschen Raymund Schwager in uns allen lebendig bleiben.

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