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Abschied und Dank
(Ansprache des Dekans bei der Beerdigung von Univ.-Prof. P. Dr. Raymund Schwager SJ)

Autor:Niewiadomski Jozef
Veröffentlichung:
Kategoriefak
Abstrakt:
Publiziert in:Im Dom von Innsbruck am 8. März 2004
Datum:2004-03-09

Inhaltsverzeichnis

Inhalt

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Vor etwa fünf Jahren standst Du - lieber Raymund - vor einem schwierigen Dilemma. Salopp könnte man es auf eine Kurzformel bringen: "Dogma und Drama" oder "Das Drama und das Dekanat". "Dogma und Drama": so sollte der Titel Deines letzten Buches heißen. Ein Lieblingsprojekt. ... Lange im Herzen gereift und auch im Kopf. Es sollte eine wissenschaftstheoretische Studie werden. Breit angelegt. Kultur- und dogmengeschichtlich vorgehend wolltest Du Deine jugendliche Intuition bezüglich des dramatischen Instrumentariums verifizieren. Unter methodischer Rücksicht. Denn: inhaltlich hast Du es bereits zu genüge getan. "Glaube, der die Welt verwandelt", "Brauchen wir einen Sündenbock?", "Der wunderbare Tausch", "Jesus im Heilsdrama" - all diese Bücher, und die unzähligen Artikeln - kreisen ja inhaltlich um ein und dasselbe Thema: um den dramatischen Zugang zur Wahrheitsfrage.

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"Dramatisch" - was soll das nun heißen? Irgendwann haben wir - Deine Schüler - den von Dir initiierten Ansatz auf den Namen: "Dramatische Theologie" getauft. Hast Du doch selber - oder war es der Verlag - den Begriff "dramatisch" schon im Titel Deiner Dissertation verwendet. "Entwicklung, Auseinandersetzung, Spannung, Krise, Niederlage und letztlich Versöhnung": all diese Aspekte zeichnen das "Drama" aus. Jenes Drama, das keine Tragödie ist; jenes Drama, das eben von sicherer Hoffnung auf eine Versöhnung getragen ist.

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Lieber Raymund! Seit Deiner Dissertation hast Du Dich für die Einführung dramatischer Kategorien in die Theologie eingesetzt. Ja: in diesen Kategorien erblicktest Du den Inbegriff christlicher Rationalität. Den beiden Extremen: der modischen Beliebigkeit und der verführerischen Faszination durch die Logik der tragischen Verstrickung hast Du mit einer Konsequenz sondergleichen die Logik des Drama entgegengesetzt und damit auch Deine Umgebung herausgefordert. 1977 bist Du an unserer Fakultät gekommen und bist kein pflegeleichter Professor geworden. Die Konsequenz Deiner dramatischen Logik hat viele erschreckt .... und auch fasziniert. Schon in den 70-er Jahren hast Du Dir einen Namen gemacht als unerbittlicher Kritiker der sich aufschaukelnden Spirale der Gewalt; dass Du schon damals auch die Schuldenpolitik im Visier Deiner Urteile hattest, beweist nur Deine Weitsicht... und Deine Standfestigkeit.

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Unsere Zeit ist schnell dabei Positionen - wie die Deinige - als fundamentalistisch zu diffamieren und viele Deiner Kollegen zögerten nicht Dir dieses Prädikat zuzuschreiben. Die zentrale These, die Dein Buch über "Dogma und Drama" strukturieren sollte, lautet: dogmatische Formulierung wird erst dann zum Dogma - damit auch zur Wahrheit - wenn das legitime Anliegen der Gegner in die dogmatische Position integriert wird. Du wolltest diese These durch zahlreiche historische Beispiele verdeutlichen und damit auch den Begriff des Dogma - der im kulturpolitischen Diskurs der Gegenwart oft als Schreckgespenst und Totschlagargument verwendet wird - rehabilitieren und so auch die deutliche Trennungslinie zum gewaltsamen Fundamentalismus ziehen. Das Buch hast Du zurückgestellt zugunsten des Dekanats.

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Doch das Dilemma, in dem Du damals vor fünft Jahren stektest - das Buch oder das Amt -, hast Du aufgelöst, weil Du die Fakultät auf "dramatische Art und Weise" geführt hast und so Deine jugendliche Intuition stückweise verifizieren konntest. Da gab es Krisen, Auseinandersetzungen... und die Bemühungen um die Integration der Position der Gegner. Und heute können wir Dir für diesen Deinen Ansatz - für Deine Theorie und für Deine Praxis - danken!

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Du hast Dich nicht geschont. Als ob Du gespürt hättest, dass es Dir wenig Zeit bleibt, hast Du Artikel über Artikel und Kommentare geschrieben, alte Texte neu redigiert, wissenschaftspolitische Aktivitäten initiiert: an der Uni, im International Colloquium on Violence and Religion, in der Arbeitsgemeinschaft der Dogmatiker und Fundamentaltheologen, in der Europäischen Gesellschaft für Katholische Theologie, im Kontaktkomitee: Bischofskonferenz-Theologische Fakultäten. Der theologische Diskurs unter den drei monotheistischen Religionen und das Ringen um das gewaltfreie Gottesbild raubten Dir genauso den Schlaf aus den Augen, wie der Dialog mit den Naturwissenschaften. Gab es überhaupt ein Problem, das Dich nicht interessiert hat?

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Lieber Raymund, Du hast Dich nicht nur für die Rehabilitierung von Dogma und Wahrheit eingesetzt. Unter inhaltlicher Rücksicht waren es v.a. Begriffe: Opfer und Stellvertretung, die Du in die theologische Diskussion zurückgeholt hast. So ist es nun allzu logisch, dass ich an Deiner Stelle, mich bedanke bei all jenen, die gekommen sind, um mit Dir und auch für Dich zu beten. Die Ortskirche mit ihrem Bischof. Allen tirolern Äbten, dem Altbischof, Ordensoberen, dem Klerus, Ordensleuten und zahlreichen Frauen und Männern, die im kirchlichen Dienst mitarbeiten. Dass diese Ortskirche und auch Deine theologische Arbeit im Verständnis ihrer Katholizität die ökumenische Gesinnung mit einer Selbstverständlichkeit sondergleichen pflegt, das deutet die Präsenz der Evangelischen Superintendentin für Tirol und Salzburg an. Das Land Tirol mit dem Herrn Landeshauptmann und den Beamten des Landeskulturreferats. Die Stadt Innsbruck mit der Frau Bürgermeisterin und dem Vizebürgermeister. Die Universität - eigentlich die Universitäten - mit dem Rektor und den Vizerektoren der Leopold-Franzens-Universität, dem Senatsvorsitzenden und dem Vizerektor der Medizinischen Universität. Deine Dekanskollegen! Und die zahlreichen Professoren anderer Fakultäten.

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Die Theologische Fakultät, die Dir so am Herzen gelegen ist. Du hast sie geliebt! So wie ein echter Jesuit halt lieben kann: auf eine rational verantwortbare Weise. Die Kolleginnen und Kollegen aus den Nachbarfakultäten: Salzburg und Brixen, Linz und Graz, Ljubljana, und die Jesuitenhochschule in München. Schlussendlich: Deine Familie, Freunde, Schülerinnen und Schüler. Aus aller Welt: von Taiwan bis hin zum Preußenland.

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Wie überhaupt... habe ich an Deiner Stelle all jenen zu danken, die uns inzwischen an die 200 Beileidsschriften geschickt haben und uns versichert haben, dass sie zu dieser Stunde weltweit (so wie dies halt die Mitglieder des Jesuitenordens, die AbsolventInnen unserer Fakultät und die Mitglieder des International Colloquium on Violence and Religion halt zerstreut sind) mit Dir und für Dich beten. Stellvertretend für Dich, sage ich allen, hier im Dom und jenen, die weltweit zerstreut sind: Danke!

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Denn: mit dem Gebet ist es halt so eine Sache. Eines der Themen, das Du revitalisiert hast, war die Frage des leeren Grabes Jesu. Es war Dir wichtig zu betonen, dass auch der menschliche Leib vollendet wird. Und als sicherstes Zeichen dieser Vollendung galt Dir die Tatsache des leeren Grabes Jesu. Im Fall dieses Menschen hat es eben nach drei Tagen keinen Leichnam mehr gegeben. Der tote Leib war Dir ein Zeichen dafür, dass unversöhntes und unvollendetes da ist, dass dramatische Logik christlicher Existenz mit dem Sterben eines Menschen nicht aufgelöst wird, dass es also sinnvoll ist, für den Verstorbenen zu beten, stellvertretend für ihn gutes zu tun.., Versöhnungsarbeit zu leisten. Bis zu jenem Tag an dem wir alle auferweckt werden. Erst dann werden alle Tränen getrocknet. Dann wir man auch nicht nur diskutieren, sondern an jenem Mahl teilnehmen bei dem die besten Speisen serviert werden und die erlesenen Weine. So stellte sich dies mindestens der Prophet Jesaja vor und dem bist Du hoffentlich schon begegnet. Und hast ihn auch - wie das bei Dir halt üblich war - schon in eine dramatische Auseinandersetzung verwickelt. Ob dies wirklich so sein muss? Ob das Diskutieren doch nicht ausreicht?

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Lieber Raymund! Stellvertreten für die ganze Fakultät sage ich: DANKE!

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