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Zur Ausstellung Maurizio Bonato im Kunstgang der Theologischen Fakultät am 21.11.2003
(Raum.Bedingt.Sein)

Autor:Braun Bernhard
Veröffentlichung:
Kategoriefak
Abstrakt:
Publiziert in:# Originalbeitrag für den Leseraum
Datum:2003-11-24

Inhaltsverzeichnis

Inhalt

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Wir haben uns heute hier versammelt, um gemeinsam die Arbeit von Maurizio Bonato zu würdigen. Dazu treffen wir uns in einem außergewöhnlichen Raum, diesem Gang mit einer Länge von 115 m, einer Breite und Höhe von je 4 m.

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Aber diese dürren Daten allein können unsere Empfindungen, die wir in diesem Raum erleben, genausowenig erklären, wie uns die geometrischen Maße einer gotischen Kathedrale, einer spätantiken Basilika oder eines barocken Spiegelsaales nützen, um unsere Emotionen und Gefühle darin zu verstehen.

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 Was aber ist dann das Geheimnis des Raums, besser gesagt: unseres Erlebens von Räumen?

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Das ist genau das Problem, das Maurizio Bonato mit den hier gezeigten Arbeiten umkreist. Schon die eingangs gestellten Fragen machen indes etwas klar: Erlebter Raum ist niemals etwas Objektives, sondern er erschließt sich in der Bezogenheit. Physischer Raum ist stets Bezogenheit, geistig-emotionales Erleben, könnte man sagen.

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Wer Räume nun beobachtend auf ihr Wesen, ihre Aura befragen will, dem stellt sich ein ähnliches Problem wie einem Physiker bei der Beobachtung der kleinsten Teilchen der Natur. Der Beobachter geht konstitutiv in den Beobachtungsvorgang ein. Abgebildet wird nicht ein vom Beobachter unabhängiges Objekt - das gibt es nicht mehr - sondern der Bezug selbst. Dieses Prinzip, das man in der Philosophie transzendental nennt, hat sich als ein universales Prinzip der Begegnung von Mensch und Umwelt etabliert und es scheidet die Moderne von der mittelalterlichen Annahme, es gäbe so etwas wie eine vom Beobachter getrennte Welt. Der Künstler befolgt dieses Prinzip nicht nur, sondern macht es selbst zum Thema, es wird ihm ein kreatives Agens. Er sieht darin ein Problem der Vermittlung, der Medialität. Anders gesagt: In Bonatos Arbeiten wird der künstlerische Akt selbst, der stets ein Akt der Vermittlung ist, mitthematisiert.

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Der künstlerische Bericht über die Eigenart von Räumen bleibt also durchsichtig auf die Art und Weise, wie dieser Bericht durchgeführt und gewonnen worden ist. Bonatos Kunst ist auch Medienkunst in einem ursprünglichen Sinn. Niemand kann sich mehr als unabhängiger Beobachter wähnen, sondern er wird bei den hier gezeigten Arbeiten in diese Bezogenheit hineingenommen. Dadurch wird auch die Begegnung mit Bonatos Raum- bzw. Bezugsanalysen ein für jeden Betrachter sehr persönlicher Vorgang.

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Bonatos Vermittlungsarbeit wird aus diesen Gründen dann besonders heikel, wenn es um das räumliche Umfeld von Personen geht. Hier wird Intimes öffentlich gemacht. Gerade bei den Sondierungsarbeiten am Menschen tritt das im Titel der Ausstellung konnotierte Verhältnis der gegenseitigen Bedingtheit menschlichen Seins durch die jeweilige Stellung in physischen und geistigen und emotionalen Räumen in besonderer Weise in den Vordergrund.

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Bonatos Arbeit verläuft nach einem bestimmten Schema: Er protokolliert mit Videokamera und Skizzenblock - manchmal sind es detaillierte Vermessungen - die Räume bzw. bei Personen jene Außenhaut, wo sich Person und Außenraum begegnen. Auf einem Monitor werden Standbilder der entstandenen Videos auf Papier übertragen, welche Tätigkeit im zuvor erwähnten Sinn neuerlich gefilmt wird. Die Bildsequenzen werden nach ästhetischen Gesichtspunkten auf große Packpapierfelder aufgetragen oder als Serie dreidimensionaler rahmenloser Bilder dargestellt. Dabei handelt es sich um ganz traditionelle, ja sogar naturalistische Malerei, die in ihrer durch die medialen Brechungen erreichten Verfremdung ein gewisses Maß an Abstraktheit erhalten.

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Insbesondere das rapportartige Serienbild erhält eine neue, eigenständige Bedeutung und eine dynamische Ästhetik und ist mehr als bloß eine trockene Sammlung von Sequenzen.

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Man darf bei einem promovierten Kunsthistoriker getrost davon ausgehen, daß manche augenscheinlichen Parallelen zur Tradition nicht gänzlich zufällig sind. So etwa jene zur Freskomalerei. Der Unterschied liegt freilich auch auf der Hand. Die vor allem in der Renaissance auf mittelalterliche Mauern gemalten Fresken - Bonato hat sich viele Jahre lang intensiv damit beschäftigt - sind Bildergeschichten mit dem Anspruch auf Geschlossenheit in der Erzählform. Demgegenüber bleiben Bonatos Serienbilder fragmentarisch. Sie lassen jede Ambition zu einer vermeintlichen systematischen Totalität vermissen. Dies ist nicht nur vor dem Hintergrund der Gebrochenheit jeder medialen Vermittlung konsequent, ja der einzige ehrliche Weg, sondern dies macht Bonatos Kunst auch zu einer modernen Kunst.

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Spannender unter Mediengesichtspunkten ist vielleicht noch der Bezug zur Vera Icon, der westlichen Variante des "ohne Hand gemalten Abbildes", wo den Betrachter noch in den zahlreichen Kopien die Aura des Originals erreicht.

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Eine andere Präsentationsform sind die Bildobjekte. Analog zu den Bildern sind auch sie Vermittlungsversuche des Wesens eines bestimmten Raumes - meist gibt es konkrete Vorbilder. Die klappbaren, außen äußerst kargen Objekte erschließen sich erst im Inneren und ermöglichen durch ihre "Zugangsbeschränkung" ein äußerst intimes Rekonstruktionserlebnis.

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Maurizio Bonatos hier gezeigte Arbeiten setzen konsequent seinen frühere Tätigkeiten fort. Auf ein solches Projekt möchte ich hinweisen: Im Jahr 1999 empfahl eine Jury für die Ausschreibung Kunst am Bau die Arbeit "Denkmalen" für die Eingangstore der Theologischen Fakultät. Sie zeigt Sequenzen einer Videoarbeit als Siebdruck auf Glas über das Grundieren einer Leinwand durch den Künstler und konnotiert damit Sinnlichkeit, Körperlichkeit und Berührung. Dieses Werk überzeugt gerade für den Kontext einer kopflastigen Theologie, die die Wissenschaft einer Religion abgibt, wo der reale Leib sogar in die Heilsutopie einbezogen ist. Man könnte vor solchem Hintergrund sogar die Tatsache als künstlerische Intervention deuten, daß seit der Montage der schweren Glasplatten der Zugang zur Theologischen Fakultät große körperliche Mühen verlangt.

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Ohne solch große Mühe kann ich nun - der Zeit entsprechend - sogar den Bezug zum Weihnachtsgeschehen herstellen, wo der Logos Fleisch geworden ist und Sinnlichkeit erhalten hat. Und ich bin sehr froh, daß wir hier in diesen Räumen eine anspruchsvolle Ästhetik, die man - wenn man mag - rund um Weihnachten versammeln könnte, als kleines Refugium gegenüber der abstoßenden Anästhetik wie sie uns wie alle Jahre wieder auch in diesen Tagen in den Straßen dieser Stadt unausweichlich verfolgt.

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