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"Erbsünde" im Grundwerk Eugen Drewermanns

Autor:Wandinger Nikolaus
Veröffentlichung:
Kategorieartikel
Abstrakt:
Publiziert in:Diplomarbeit zur Erlangung des Magistergrades der Theologie an der Theologischen Fakultät der Universität Innsbruck Von Nikolaus Wandinger Innsbruck 1992 Eingereicht bei Prof. Dr. Raymund Schwager
Datum:2003-04-28

Inhaltsverzeichnis

Inhalt

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1 Einleitung

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Die vorliegende Arbeit stellt einen Versuch dar, die Einsichten und Vorschläge, die Eugen Drewermann in seiner Habilitationsschrift »Strukturen des Bösen«1 zum Thema Sünde, Erbsünde und Erlösung unterbreitet, nachzuzeichnen und unter systematischer Rücksicht auszuwerten. Das heißt, sie will sich mit einem Theologen beschäftigen, von dem J. Sudbrack sagt, es finde sich im deutschsprachigen Christentum zur Zeit "kein wichtigerer, sicherlich kein mehr genannter"2, und mit einem Werk, das zu den "beiden wichtigsten Beiträgen zur Erbsündentheologie der Gegenwart"3 zählt, und das der Autor selbst für sein "Hauptwerk"4 hält. Es kommt mir dabei in erster Linie auf die Ergebnisse, nicht so sehr auf die Methode im Einzelnen an. Natürlich ist wichtig, auf welche Weise ein Ergebnis gewonnen wird, und so können auch methodische Fragen nicht ausgeklammert werden. Es ist jedoch ein Unterschied, ob man einen Autor von der methodischen Seite her angeht und dort, quasi unabhängig von den Inhalten, kritisch beleuchtet, oder ob man die Inhalte für das Wesentliche nimmt, und von ihnen ausgehend dann auch Rückfragen auf die Vorgehensweise aufwirft. Diesen zweiten Weg will ich hier gehen. Der Grund dafür ist ein zweifacher.

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Zum einen ist »Strukturen des Bösen« so umfangreich und methodisch so komplex, daß es den Rahmen einer Diplomarbeit sprengen und meine Fähigkeiten bei weitem übersteigen würde, die methodische Vorgehensweise im exegetischen, psychoanalytischen und philosophischen Teil im einzelnen und in ihrer Zusammenstellung zu hinterfragen. Die unterschiedliche Beurteilung durch kompetente Personen in verschiedenen Rezensionen, die im weiteren Verlauf berücksichtigt werden, macht dies deutlich. Zum anderen scheint es mir sinnvoll, den Weg eines Autors mitzugehen, im Versuch einer positiv-kritischen Interpretation5, und die Methode erst vom Ergebnis her rückblickend ins Auge zu fassen. Natürlich muß die innere Konsistenz der Vorgehensweise gewahrt sein, doch ist es nicht notwendig, alle methodischen Voraussetzungen, die ein Autor macht, zu akzeptieren, um seine Ergebnisse würdigen zu können. Es kann und soll hier genügen, die Ansichten Drewermanns zur Erbsündenlehre darzulegen und kritisch gegen seine eigenen Erwartungen und Zielsetzungen zu halten. Dabei soll sich zeigen, wo er neue und wichtige Einsichten bietet, aber auch, wo er hinter seinem eigenen Anspruch zurückbleibt und ergänzungs- bzw. korrekturbedürftig ist.

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Das Interesse an Eugen Drewermann ist sicher geweckt durch die momentane Aktualität der Auseinandersetzung um ihn und seine Thesen. Diese Arbeit kann vielleicht, indem sie sich der grundlegenden Schrift des Theologen widmet, auf der sein weiteres Denken aufbaut, einen Beitrag zu seinem Verständnis leisten, geht aber nicht wesentlich auf die neueren Streitpunkte ein. Dies ist vor allem darauf zurückzuführen, daß »Strukturen des Bösen« noch vor diesen Auseinandersetzungen liegt. Allerdings sind einige der Kontroversen sicher schon in »Strukturen des Bösen« "vorprogrammiert" und so von dorther leicht verständlich.

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Aus dem Gesagten ergibt sich auch die Gliederung meiner Arbeit. In einem ersten Teil soll Eugen Drewermanns Weg in »Strukturen des Bösen« mitverfolgt werden, in einem zweiten Teil sollen dann von den Ergebnissen her Folgerungen gezogen und Rückfragen formuliert werden.

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Bei Zitaten werden folgende Abkürzungen beibehalten:

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J, j = Jahwist, jahwistisch

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Psa, psa = Psychoanalyse, psychoanalytisch

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Gn = Genesis

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In den Verweisen auf Drewermanns Werke werden folgende Abkürzungen verwendet:

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SB 1, 2, 3 = Strukturen des Bösen, Bd. 1, 2, 3

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PM 1, 2, 3 = Psychoanalyse und Moraltheologie6, Bd. 1, 2, 3

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WH 1, 2, 3 = Wort des Heils - Wort der Heilung7, Bd. 1, 2, 3

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TE 1, 2 = Tiefenpsychologie und Exegese8, Bd. 1, 2

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Leben = Leben, das dem Tod entwächst9

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Hervorhebungen und Text in () in Zitaten sind, wenn nicht anders vermerkt, dem Original entnommen, Text in [], wenn nicht anders vermerkt, von mir. Da es aufgrund des Aufbaus der Arbeit unvermeidlich ist, daß häufig aus »Strukturen des Bösen« zitiert wird, werden Verweise auf dieses Grundwerk Drewermanns ohne Fußnoten im Text in Klammer angegeben.

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I. Teil 1: Darstellung der Vorgehensweise und der Ergebnisse Drewermanns in seiner Habilitationsschrift

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A. Ziel, Aufbau und Vorgehensweise

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Auf der ersten Seite von »Strukturen des Bösen« zitiert Drewermann aus dem »Tagebuch eines Landpfarrers« von Bernanos: "'Denn nach dem Sündenfall ist die Lage des Menschen derart, daß er [...] alles nur in Gestalt von Angst wahrzunehmen vermag ...' [...] (G. Bernanos: Tagebuch eines Landpfarrers, 206)" (SB 1, XI)10 und fährt fort: "Prägnanter läßt sich nicht formulieren, was als Zusammenfassung der vorliegenden Arbeit gelten kann." (Ebd.) Das, worauf es Drewermann ankommt, ist, "daß die eigentliche Sünde des Menschen die Angst ist, - Angst in einer Form, daß sie den ganzen Menschen ergreift" (SB 1, XI). Auf welche Weise will er nun aber zu diesem Ergebnis gekommen sein, welches Ziel verfolgte er? Er bezeichnet es als Sinn seiner Untersuchung "theologisch verbindlich, d. h. gestützt auf das Wort der Bibel hin[zu]weisen auf die Ausweglosigkeit einer Existenz ohne Gott" (SB 1, XIII) und möchte

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"das Verständnis dafür schärfen, daß 'Sünde' nicht zunächst ein moralischer Tatbestand ist, ... , sondern ein Fehlverhalten am Grund der Existenz, das dann freilich mit einer unerbittlichen Gesetzmäßigkeit und einem furchtbaren Ausmaß an Hilflosigkeit und Tragik auch zum Schuldigwerden an bestimmten elementaren Verpflichtungen des menschlichen Lebens nötigt und dabei die besten Strebungen und Befähigungen des Menschen in das Joch der unbeabsichtigten (!) Zerstörung zwingt;" (SB 1, XIII).
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Es soll gezeigt werden, "daß die Sünde nicht das Gegenteil von Tugend ist, sondern des Glaubens" (SB 1, XIV). Drewermann gesteht frei seine geistige Abhängigkeit von Kierkegaard in dieser Hinsicht, betont aber: "Es geht uns nicht um Kierkegaard, sondern um die j Urgeschichte." (SB 1, XIV) Das Ziel der Arbeit ist "auch im exegetischen und psychoanalytischen (psa) Teil systematisch-philosophischer Natur" (SB 1, XV), jedoch schränkt Drewermann ein, daß »Strukturen des Bösen« noch im "Vorfeld der Dogmatik stehen" (SB 1, LVIII) bleibe und stellt fest:

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"Zunächst enthalten wir uns jedes Urteils, ob die von uns vertretene Interpretation der j Urgeschichte das meint und hinreichend ausdrückt, was in der Entfaltung der kirchlichen Lehre als 'Erbsünde' bezeichnet wird, wenngleich wir schon hoffen, daß unsere Untersuchung auch einen gewissen Beitrag zur Begründung und zum Verständnis der Erbsündenlehre zu liefern vermag." (SB 1, XIV)
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Zwar will sich Drewermann noch eines wissenschaftlichen Urteils enthalten, bringt aber freimütig seine Überzeugung zum Ausdruck:

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"Wohl glaubt der Verfasser zu sehen, daß sie es tut [daß die hier Vertretene Deutung des Jahwisten der kirchlichen Erbsündenlehre entspricht], ja daß sie die kirchliche Lehre in wesentlichen Teilen zu erweitern und zu vertiefen bestimmt ist." (SB 1, LVIII)
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Desweiteren gilt: "Indem wir uns in unserer Untersuchung auf die Urgeschichte des J beschränken, schränken wir also damit ohne weiteres unseren Anspruch in sehr eng umschriebene Grenzen ein; wir wollen nicht behaupten, die Meinung der Bibel zum Thema Schuld oder 'Urschuld' wiederzugeben." (SB 1, XVII)

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Die Ergebnisse der Arbeit seien zwar biblisch in dem Sinne, daß sie auf "Beobachtungen in der Bibel" (ebd.) basierten, sie erschöpften aber nicht den Standpunkt der Bibel. Diese beiden Einschränkungen wird natürlich auch vorliegende Arbeit berücksichtigen müssen in ihrer Interpretation Drewermanns. Außerdem bieten sie Kontrollinstanzen, um zu überprüfen, ob sich Drewermann selbst an seine Einschränkungen hält. Vorgreifend sei schon darauf hingewiesen, daß er in seinen späteren Werken sicher so stark von seiner Argumentation der Erbsündenlehre ausgeht, daß man annehmen muß, er vernachlässige dort diese Einschränkung.11

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Ziel der Arbeit ist also, eine Deutung der jahwistischen Urgeschichte mit systematischer Zielsetzung unter der besonderen Rücksicht der Behandlung des Bösen zu erarbeiten. Dabei will sich Drewermann bemühen, die mythische Sprechweise durch eine "wissenschaftlich verantwortbare Übersetzung ... in die Kategorien der neuzeitlichen Philosophie" (SB 1, XIV) überzuführen. Dieses Ziel will Drewermann mit einer Kombination von Exegese, Psychoanalyse und Philosophie erreichen. Er meint, exegetisch zeigen zu können,

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"daß ein Hauptanliegen der j Urgeschichte darin besteht zu schildern, wie das 'Böse' vom Menschen Besitz ergreift, und daß unter diesem Aspekt der Aufbau und die Anordnung der j Erzählungen sich als eine in sich sinnvolle Entwicklungsreihe zu verstehen geben, in der jedes einzelne Glied auf dem vorhergehenden aufbaut und das nachfolgende notwendig macht, alle aber zu einem geschlossenen Ganzen gehören, das ihren Inhalt und ihre Stellung verstehen läßt" (SB 1, XV).
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Insofern bildet sie eine Struktur, in der der Jahwist das Böse darstellt. Dieser Befund einer durchkomponierten Zwangsstruktur soll dann in einem zweiten Schritt psychoanalytisch überprüft werden. Drewermann meint, diese Untersuchung könne das exegetische Ergebnis erhärten. Die psychoanalytische Untersuchungsmethode soll versuchen den Anspruch der jahwistischen Urgeschichte, allgemein Menschliches, immer Gültiges, von den Menschen auszusagen, zu erhellen, da dies eine rein historische Exegese, die ja immer an kulturelle und geschichtliche Faktoren gebunden bleibe, nicht vermöge. Sie soll die "universale anthropologische Bedeutung" herausarbeiten, die "nicht in den sozialen Vorstellungen eines bestimmten Stammes gesucht werden" könne, "sondern nur in der Psyche des Menschen selbst" (SB 1, XXXV). Jung und Freud stimmten darin überein, daß "'der Inhalt des Unbewußten ... kollektiv, allgemeiner Besitz der Menschen'12 sei" (SB, 1 XXXVI). Da Drewermanns Fragestellung an die Psychoanalyse in erster Linie ist, woher bestimmte Motive der jahwistischen Urgeschichte kommen, scheint Freuds kausales Erklärungsmodell eher angebracht als Jungs finales, aber dies wird auch, wenn hilfreich, herangezogen, wie auch andere psychoanalytische Ansätze.

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So soll am Ende des 2. Bandes durch die Psychoanalyse einiges geklärt worden sein, so etwa die Auswahl ganz bestimmter Motive durch den Endredaktor der jahwistischen Quelle, die Zwangsstruktur des Bösen, die eine Selbstbefreiung der Menschen unmöglich macht, sowie einige Anhaltspunkte für die Universalität dieser Struktur. Daraus ergibt sich die philosophische Fragestellung: "Die Psa lehrt uns, die j Urgeschichte zu lesen als eine kollektive Krankheitsgeschichte der Menschheit, ... nur das Wesentliche ... , warum der Prozeß von Gn 2-11 (J) als Folge einer freien Entscheidung des Menschen, also als Schuld geschildert wird" (SB 1, LV) mache sie nicht verständlich, ja sogar völlig unverständlich. Diesem Problem wendet sich die philosophische Untersuchung zu. Die zu lösende Frage lautet: "wie läßt sich die Notwendigkeit der Schuld (eine contradictio in adjecto) begreifen ... ?" (SB 1, LV) "Wie läßt sich der Hervorgang der Notwendigkeit der Schuld aus der Freiheit des Menschen verstehen?" (SB 1, LV) Diese Frage soll in einem Gang durch die neuzeitliche Philosophie beantwortet werden. Dabei richtet sich die Auswahl der Philosophen nach bestimmten Kriterien.

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"Als solche Kriterien können, in der Reihenfolge ihrer Wichtigkeit, gelten: die zentrale Stellung, welche die von J her gestellte Problematik innerhalb eines philosophischen Systems einnimmt; die Absicht des jeweiligen Philosophen, die Aussagen der j Urgeschichte selbst mit seinen Kategorien zu interpretieren ... ; die philosophiegeschichtliche Verbindung zwischen den einzelnen zur Interpretation herangezogenen Autoren ... ." (SB 1, LVII)
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Dieses letzte Kriterium könne, da es das schwächste sei, aber auch vernachlässigt werden. Von der Philosophie verspricht sich Drewermann eine ontologische Aufhellung des in Exegese und Psychoanalyse gesammelten Materials, sowie eine Übersetzung in die Begriffe modernen Denkens. Am Ende des dritten Bandes soll durch den bereits erwähnten dänischen Philosophen Sören Kierkegaard der Übergang von der Philosophie zur Theologie geschafft werden. Erst die Theologie könne nämlich der Absicht des Jahwisten, und damit der Intention dieser Bibelschicht voll gerecht werden.13

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B. Zu Band I, der exegetische Teil

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Drewermann versucht zu Beginn kurz zu begründen, warum seine Auswahl auf die jahwistische Urgeschichte fiel, und wieso seine Arbeit auf sie beschränkt bleiben soll. Er versteht dieses Ausgangsmaterial als "literarkritisches Konstrukt" mit "hinreichendem Wahrscheinlichkeitsgrad" (SB 1, XVI), so daß er zugesteht: "Unsere ganze Arbeit basiert auf einer literarkritischen Hypothese und kann in keinem Punkte ihrer Beweisführung sicherer sein als diese selbst." (SB 1, XVIf.) Seine Auswahl fiel auf die jahwistische Urgeschichte,

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"1. weil die j Urgeschichte selbst eine solche Aufmerksamkeit beansprucht, indem sie als Urgeschichte Aussagen von prinzipieller Bedeutung über den Menschen und seine Stellung zu Gott machen will;
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2. haben wir es bei den j Erzählungen mit Mythen zu tun, die uns zwingen, mehrere anthropologisch wesentliche Untersuchungsmethoden miteinander ins Gespräch zu bringen und theologisch fruchtbar zu machen, - eine Aufgabe, die ... uns auch helfen kann, die Theologie vor Inzucht oder Sterilität zu bewahren ... ." (SB 1, XVII)
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Es sei hier angemerkt, daß diese Gründe wohl eine Konzentration auf die Urgeschichte rechtfertigen, sie aber die Beschränkung auf die jahwistischen Teile derselben mir nicht ausreichend zu begründen scheinen. Im Verlauf der Arbeit wird deutlich, daß Drewermann die jahwistische Darstellung der Strukturen der Sünde für eine geniale und zutreffende hält, die so im Alten Testament nicht mehr vorhanden sei (vgl. SB 1, 205 und SB 3, LXXIII), so daß seine Auswahl sich zwar im Verlauf erklärt, dies aber eigentlich nicht die Beschränkung der Untersuchung schon an ihrem Ausgang zu begründen vermag.

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Die Verse, die Drewermann der jahwistischen Urgeschichte zurechnet, sind:

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Gen 2, 4b-4, 26; 5, 28.29; 6, 1-4;14 6, 5-8; 7, 1-5.7.16b.(8.9.)10.12.17b.22.23a .c;

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8, 6a.2b.3a.6b.8-12.13b.20-22; 9, 18-27; 10, 1b.8.10.11.12b.13.15.18b.19.21.24.25; 11, 1-9.15

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Auf sie beziehen sich alle exegetischen Aussagen.

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1. Methodische Grundvoraussetzungen

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a) Die besondere Bedeutung der Urgeschichte

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Der gesamte exegetische Entwurf Drewermanns hängt am Verständnis und der Bedeutung des Anfangs, der Urgeschichte, im hebräischen Denken. Dort komme der Urgeschichte wesensbeschreibende Funktion zu. Im Gegensatz zum griechischen Denken, das ein unwandelbares Wesen annehme, dessen Veränderungen akzidentell seien, wodurch begrifflich zwischen Konstitutivem und Zufälligem unterschieden werde, verwende das hebräische Denken, um diesen Unterschied darzustellen, zeitliche Kategorien. Ein hebräisch denkender Mensch "erklärt ... das Konstante inmitten des Wandelbaren, indem er es auf einen Anfang zurückführt, in dem es schon damals so war, wie es jetzt ist" (SB 1, XXII).

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"Die Mythen der j Urgeschichte sind daher zu verstehen als Urbilder des Menschen, der menschlichen Wirklichkeit in ihren Wesenszügen. Was als Begebenheit der Urzeit erzählt wird, ist Beschreibung der Strukturen dessen, was zu allen Zeiten ist." (SB 1, XXVI)16
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Mit anderen Worten: wir finden die Menschen als Sünder und Sünderinnen vor; wenn der Jahwist dies in seiner Urgeschichte beschreibt, wolle er sagen, daß dies für die Menschen durchwegs kennzeichnend ist. Daraus "legt sich" für Drewermann "die Annahme nahe" (SB 1, XXI), daß die Urgeschichte nicht nur nicht historisch ist, sondern auch vom Jahwisten nicht historisch gemeint war, sondern daß sich in allen ereignet, was hier als Urgeschehen geschildert ist: Ich bin Adam, ich bin Eva. Drewermann meint nun allerdings, daß man sich zur Begründung dieser allgemeinen Aussageabsicht der Urgeschichte nicht nur auf das hebräische Denken berufen müsse, sondern es sei eine allgemeine Struktur des Mythos, so daß auf jeden Fall

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"kein Zweifel sein [kann], daß die j Urgeschichte ... als eine Beschreibung der Wesensmerkmale des Menschen zu verstehen ist. ... Wenn J daher schildert, wie der Mensch der Urzeit sündigte, so ist diese Schilderung als eine grundlegende Aussage über den Menschen überhaupt zu verstehen." (SB 1, XXVII)
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"Die Bausteine und die Anlage der j Urgeschichte selbst ist menschheitlich, und genauso ist ihre Aussage zu verstehen: J meint die ganze Menschheit und jeden einzelnen." (SB 1, XXVIII)
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Dabei "versteht J Welt und Leben unmythisch, benutzt aber die Urzeitmythen der Völker, um die Grundwirklichkeit des menschlichen Daseins und der menschlichen Geschichte auszudrücken" (SB 1, XXIX).

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Das "Wesentlich" in obigem Sinne darf jedoch nicht mit einem "wesentlich" im metaphysischen Sinn verwechselt werden. Nicht die menschliche "Natur" sei böse, wohl aber die zu allen Zeiten vorfindbare menschliche Wirklichkeit (vgl. SB 1, XXX).

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b) Die Methode des Einfühlens

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In der Vorrede zur 2. Auflage legt Drewermann "das eklatante Ungenügen bloß historischer Fragestellungen bei der Auslegung all jener biblischen Texte, die dem Mythischen, Traumhaften, Legendären und Wunderbaren nahestehen" (SB 1, LXIV) dar.17 Diese Texte wollen etwas Gesamtmenschliches aussagen, das mit historiologischen Methoden gerade nicht zu erfassen sei. Dazu brauche es eine Methode, die weiß,

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"daß es in der menschlichen Psyche bestimmte Gesetzmäßigkeiten des Erlebens gibt, die unter ähnlichen Umständen immer wieder eine ähnliche Symbolsprache hervorbringen und die man kennen muß, um den Sinn der jeweiligen Symbole zu verstehen" (SB 1, LXIX).
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Daraus ergebe sich die Notwendigkeit, außer der historisch-kritischen Exegese weitere Methoden heranzuziehen, wie es bereits im Kapitel über den Aufbau von »Strukturen des Bösen« geschildert wurde. (vgl. auch SB 1, LXXI-LXXV).

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Doch vor diesen Deutungen sei bereits bei der Exegese darauf zu achten, daß

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"nicht nur das, was ein Tradent oder Autor ... subjektiv, reflex, sagen will ... ausschlaggebend [ist], sondern auch das, was er implizit durch den Gehalt eines mythischen Symbols an sich ausdrückt. Käme es nur auf die bewußte Aussageabsicht ... an, ... bedürfte es überhaupt keines Sprechens in Symbolen und mythischen Erzählungen." (SB 1, LXXVII)
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Aus diesem Grund wird Drewermann bereits bei der Exegese im 1. Band von »Strukturen des Bösen« eine "Methode des Einfühlens" (SB 1, LXXX) verwenden. Dieser Exegesestil besteht darin, daß

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"man den Text nicht nur ... daraufhin abhört, was ... verbal gesagt wird, sondern überlegt, was die jeweiligen Worte und Verhaltensweisen für die Betroffenen in der Erzählung selbst bedeuten und über sie aussagen" (SB 1, LXXX).
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Drewermann gibt zu, daß sich diese Vorgehensweise dem "Verdacht des Subjektivismus und des Psychologismus" (ebd.) aussetzt, hält aber dagegen, daß, wer anders vorgeht, sich "in die Wüste inhaltlicher Oberflächlichkeiten und menschlicher Belanglosigkeit" (ebd.) begebe. Das Einfühlen müsse durchaus nicht willkürlich sein, sondern sei etwa in der Gesprächstherapie eine ausgearbeitete Methode, deren Ziel und Sinn darin bestehe,

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"daß man die Mitteilungen eines anderen jeweils daraufhin reflektiert, was das Gesagte für ihn selbst bedeutet, welche Gefühle, Wünsche, Hoffnungen, Sorgen etc. er implizit ausspricht" (SB 1, LXXXI).
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In einem späteren Werk drückt Drewermann dies aus als

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"die Kunst, die einzelnen Erzählinhalte auf die Gefühlsbedeutungen für die verschiedenen Akteure in den Erzählungen selber zu befragen. Den biblischen Erzählungen sollte man zuhören, wie man seinem besten Freunde zuhören würde: mit einem ständigen Interesse nicht für die Tatsachen seiner Mitteilungen, sondern für den emotionalen Bedeutungsgehalt seiner Äußerungen."18
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Für Drewermann gilt als hermeneutisches Prinzip: "Es ist nicht möglich, ein fremdes Du zu verstehen, ohne das eigene Ich dabei ins Spiel zu bringen und aufs Spiel zu setzen ... ."19 Es zeigt sich, daß er sich der Gefahren, die diese einfühlende Methode mit sich bringt, wohl bewußt ist:

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"Es ist wahr, daß ... [dies] nicht mehr restlos objektivierbar ist; ... lediglich die psychische Verständlichkeit als ganze kann als 'Beweis' zählen, die Lückenlosigkeit, mit der bei einer bestimmten Sicht alle Indizien sich verstehen lassen, keines mehr zufällig oder überflüssig, keines mehr deplaziert oder störend wirkt." (SB 1, 53)
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Ich möchte hier bemerken, daß diese Art des Einfühlens mich stark an die ignatianische Betrachtung erinnert, den Aufbau eines Schauplatzes und den Dialog mit den vorkommenden Figuren. Dies sowohl in der von Ignatius selbst dargelegten Form als auch - vielleicht noch deutlicher - in A. de Mello's Adaption.20 Zweifellos ist es jedoch ein Unterschied, ob man ein Vorgehen als subjektive Meditationsmethode gebraucht oder als wissenschaftliche, zumindest teilweise objektive Methode zum Entwurf theologischer Erkenntnisse, was Drewermann beansprucht. Ich werde später auf diese Problematik und die Frage, ob es Drewermann wirklich gelingt, dem Subjektivismus und der Eisegese zu entgehen, zurückkommen (siehe Link). Zunächst soll an einem Beispiel, und zwar an einer für die Deutung der jahwistischen Urgeschichte allgemein, wie im besonderen für die Drewermanns, außerordentlich wichtigen Stelle diese Methode verdeutlicht werden.

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2. Eine Einzelexegese am Beispiel von Gen 3, 1-7

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Drewermann wendet die Exegese des Einfühlens gerade an dieser für die traditionelle Deutung der "Erbsünde" so zentralen Stelle an, und gibt damit die Fragerichtung für den gesamten weiteren Verlauf vor. Deshalb soll dieser Stelle besondere Aufmerksamkeit gewidmet werden.21

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Vorgeschaltet ist Gen 2, die jahwistische Darstellung der ursprünglichen Bestimmung der Menschen in der Einheit mit Gott. Gen 3, 1-7 stellt dramatisch den Übergang von dieser Einheit in die Getrenntheit, ja Konkurrenz zu Gott dar. Drewermann legt besonderes Augenmerk auf die "List" der Schlange, fragt, worin sie besteht, und betont, daß die Verse 1-7 eine innere Dynamik aufweisen. Diese Dynamik besteht in einem Interagieren der im Bibeltext geschilderten Figuren, ihren äußeren, aber vor allem auch inneren emotionalen Aktionen und Reaktionen aufeinander, die verschiedene Schritte eines Prozesses bilden.

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1. Schritt: Die Schlange fragt - scheinbar wie um sich zu erkundigen - nach dem Gebot Gottes: "Hat Gott wirklich gesagt: Ihr dürft von keinem Baum des Gartens essen?" (Gen 3, 1)22, verdreht aber dabei Gottes Gebot suggestiv; denn Gott hatte gerade alle Bäume des Gartens außer einem freigegeben. Drewermann betont, daß es wichtig ist darauf zu achten, "nicht nur was die Schlange sagt, sondern mehr noch, was sie bewirkt" (SB 1, 55). Das Gottesbild wird in Frage gestellt, der Geber alles Guten wird zum möglichen Vorenthalter; die Grenzen zwischen Chance und Einschränkung werden zweideutig (vgl. SB 1, 56).

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"'Nur von einem Baum dürft ihr nicht essen', daraus macht sie [die Schlange]: 'Ihr dürft ja wohl von keinem Baum des Gartens essen'. ... D. h., sie gestaltet es mit ihrer Frage so, als ob es eine Freigabe des Gartens gar nicht gegeben hätte, ... . Ihre Frage suggeriert eine Ungeheuerlichkeit: daß Gott vielleicht ein so grausamer Despot ist, daß er einen prächtigen Garten schafft und den Menschen dort hineinsetzt und daß er ihm dann Tantalusqualen zumutet, indem er ihm verbietet, zuzulangen und die Dinge zu genießen, die er vor sich sieht. Mit einer solchen Vorstellung von Gott spielt die Schlange." (SB 1, 56)

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Dies sei die List der Schlange, durch die Stützung auf etwas Wirkliches, das tatsächliche Verbot eines Baumes, etwas Falsches zu suggerieren (vgl. SB 1, 57).

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2. Schritt: Die Frau reagiert darauf, indem sie Gott rechtfertigt. Sie wiederholt Gottes Gebot und versucht damit sein Bild als den Geber alles Guten zu retten. Dabei verfällt sie jedoch in eine seltsame Übertreibung: sie erwähnt nicht nur das Eßverbot, das Gott erteilte, sondern legt Gott ein weitergehendes Verbot in den Mund: Gott habe gesagt "davon dürft ihr nicht essen, und daran dürft ihr nicht rühren, sonst werdet ihr sterben" (Gen 3, 2). Drewermann gibt anderen Exegeten Recht, die auf den Zusammenhang von Verteidigung und Übertretung hinweisen, bemängelt aber, daß diese ihn nur feststellen, nicht aber erklären können. Eine Erklärung gibt er im Vorgriff auf die Psychoanalyse. Die Verschärfung des Gebotes kann als "Abwehrmechanismus" im Sinne Anna Freuds23 verstanden werden.

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"Es ist eine psychologische Grunderkenntnis, daß ein Gebot verschärft werden muß, wenn die Neigung sich vergrößert, es zu übertreten, daß insbesondere selbst getroffene Verschärfungen eines Gebotes 'Abwehrmechanismen' (A. Freud) gegenüber latenten Wünschen darstellen. Dies kann hier vorausgesetzt werden ... ." (SB 1, 59)
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Auf diese Weise macht die Frau unter dem Einfluß der Schlange aus dem Verbot Gottes ein Berührungsverbot, ein Tabu.

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"Und es kann ... kein Zweifel sein, daß es Angst ist, die die Frau dazu bringt, das Verbot Gottes bis dahin zu verschärfen; ... Es ist dann deutlich, was die Frage der Schlange in der Frau bewirkt hat. Neben dem Mißtrauen Gott gegenüber ist es jetzt zutiefst Angst, welche das Verhalten der Frau bestimmt." (SB 1, 60)
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Sie möchte "sich wohl auf die Seite Gottes stellen", aber das scheint ihr nur noch möglich zu sein "in der Haltung der Angst" (ebd.). Durch ihr eigenes Verbot, den Baum zu berühren, habe ihn die Frau zum Tabu gemacht, d. h. er sei zwar in den Mittelpunkt ihres Strebens gerückt, aber das sei ihr nicht bewußt. Der Baum sei für die Frau eine Quelle tödlicher Bedrohung geworden durch seine Anziehungskraft einerseits und die Drohung Gottes andererseits. Die Auswirkungen davon auf Gott, wie die Frau ihn sieht, sind fatal:

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"Sein Bild ist jetzt im Spiegel der Angst bis dahin verzerrt worden, daß er nicht mehr als Hilfe gegen die Angst erscheint, sondern vielmehr als deren Quelle und Ursache in Erscheinung tritt." (SB 1, 62)
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3. Schritt: Auf das durch sie listig erzeugte, verzerrte Gottesbild reagiert die Schlange, indem sie die entstandene Angst beruhigt: "Nein, ihr werdet nicht sterben" (Gen 3, 4). Die Schlange

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"übernimmt die Rolle Gottes und tut ... das, was allein Gott gebührt: als schenkte sie den Menschen vor dem grausam tötenden Gott das Leben zurück, als wäre ... sie und nicht mehr Gott der Ursprung des Lebens" (SB 1, 63).
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Diese Beruhigung wird damit begründet, daß im Grunde Gott der Schwächling ist, der das Verbot nur erlassen hat, um sich vor den Menschen zu schützen (vgl. Gen 3, 5).

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"Er ist ein Gott, der keiner ist, sondern voll Eifersucht darüber wachen muß, daß die Menschen seine Untertanen bleiben. Die Argumentation ist völlig überzeugend, allerdings nur unter der Voraussetzung, die wir herauszuarbeiten versuchen, daß die Frau Gott wirklich schon gar nicht mehr als Helfer und Ursprung ihres Lebens, sondern voller Angst als ihren Bedroher und Gegner betrachtet." (SB 1, 65)
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"Das dämonische Bild eines unterdrückenden und alles verbietenden Gottes, ... , ist jetzt Zug um Zug zu einer gewissen Realität geworden." (SB 1, 66)
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Und nachdem die Schlange "erreicht hat, daß sie selbst als Freund, Gott aber als der Feind des Menschen erscheint, ... , kann sie die Frau dazu ermuntern, selbst gegen Gott aufzustehen" (SB 1, 66f.).

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Oder anders gesagt: "Die unerträgliche Angst vor Gott wird damit beantwortet, daß nicht der Mensch vor Gott, sondern umgekehrt Gott vor dem Menschen Grund hat sich zu fürchten. ... Das Versprechen, wie Gott zu werden, ist überzeugend auf dem Hintergrund des Gefühls, eigentlich wie Gott zu sein; nur so wird überhaupt das Motiv des Neides, das die Schlange Gott unterschiebt, plausibel; es überzeugt erst, wenn der Mensch sich wirklich als Konkurrent Gottes empfindet und also als jemand, der Gott ebenbürtig ist und groß genug, Gottes Neid herauszufordern." (SB 1, 67)
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Die Schlange hat "den Menschen in eine Sackgasse" gelockt, "an deren Ende sie dann selbst als Öffnerin des einzigen Auswegs aufzutreten vermag" (SB 1, 63). "Kürzer, konsequenter und zwingender kann eine Verführung nicht erzählt werden." (SB 1, 67)

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4. Schritt: Die Folge davon sei, daß der Baum unwiderstehlich wird, was erst möglich sei auf dem Hintergrund des Mißtrauens gegen Gott (vgl. SB 1, 70). Die Frau ißt und gibt wie selbstverständlich dem Mann zu essen (vgl. Gen 3, 6). Bei ihm braucht es keine neue Versuchung. Drewermann deutet dies so:

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"Die Entwicklung zur Sünde ist in ihr [der Frau] abgeschlossen, und nun zeigt sich allerdings, daß die Gemeinsamkeit und Zusammengehörigkeit der Menschen, ... , zu einer Gemeinsamkeit und Zusammengehörigkeit in der Sünde wird, daß es nicht möglich ist, daß jemand nur für sich von Gott abfällt, sondern sogleich den anderen neben sich mit hineinzieht." (SB 1, 71)
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5. Schritt: Die Folge des Essens ist die Erkenntnis von Gut und Böse, die sich sofort in der Feststellung der Nacktheit (vgl. Gen 3, 7) ausdrückt, und der jetzt entstehenden Notwendigkeit, sich voreinander, vor den Blicken des bzw. der anderen zu schützen. Drewermann betont, daß in einem zynischen Sinn das Wort der Schlange wahr war, daß die Menschen nun wirklich mehr erkennen als vorher. Doch worin besteht diese Erkenntnis?

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"Das Nacktsein, das zuvor von J mit einem vorbereitenden Satz als gut herausgestellt wurde (2, 25), ... , erfahren sie jetzt als 'böse'. Die Menschen ... werden im Widerspruch zu Gott auf das zurückgeworfen, was sie ohne Gott sind, und sie beginnen, sich ihrer selbst zu schämen. Sie sind nichts anderes geworden, als was sie vorher waren; aber jetzt, im Widerspruch zu Gott, beginnen sie sich dessen zu schämen, was sie sind." (SB 1, 72)
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So interpretiert Drewermann die Erkenntnis von Gut und Böse durchwegs als etwas Negatives, als die einzige Erkenntnis, "vor der Gott den Menschen bewahren wollte, weil sie nur durch den Abfall von Gott zu erwerben ist" (SB 1, 106). "Was gut und böse für den Menschen ist, ist nichts an den Dingen der Welt, ... , sondern der Mensch ist sich gut oder böse, je nachdem, ob er mit oder fern von Gott lebt." (SB 1, 72f.) Und als erstes zerstört dieses "Wissen" die bisher ungetrübte Gemeinschaft des Paares, die Nacktheit wird zum Ärgernis, das beseitigt werden muß.

91
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"Das Entscheidende ist ... , daß jeder sich vor dem anderen bloßgestellt vorkommt und sich als etwas empfindet, das so, wie es ist, nicht mehr zu rechtfertigen, aber auch nicht zu ändern, sondern nur zu verstecken ist. Jeder braucht jetzt sein Feigenblatt vor dem anderen. Ungetrübte Aufrichtigkeit ist nicht mehr möglich." (SB 1, 74)
92
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Im Gesamten hebt Drewermann bei der Exegese von Gen 3, 1-7 besonders hervor, daß der Jahwist einerseits das Sündigen der Menschen tatsächlich als Sünde, als zu verantwortende Verfehlung zeichnet, andererseits aber als einen Prozeß darstellt, der in sich wie notwendig abzulaufen scheint. Weiterhin betont er, sei der erste Grund des "Abfalls" nicht der Stolz, die Hybris, wie oft angenommen, sondern die Hybris, wie Gott sein zu wollen, sei erst das Ergebnis des Versuchs, die eigene Angst auf eine bestimmte, nämlich falsche, Weise zu beruhigen. "Die Geschichte vom 'Sündenfall' ist zentral nicht ein Konflikt des Stolzes, sondern der Angst." (SB 1, 76) Aus Angst vor Gott sind die Menschen trotz, ja gerade wegen ihres guten Willens von ihm abgefallen.

93
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Hier stellt sich zum ersten Mal das Grundproblem, das sich durch die ganze Arbeit zieht: "Was ist dann aber die 'Schuld' der Frau? Man muß zugeben, daß an keiner Stelle sichtbar ist, wie die Frau anders hätte handeln können." (SB 1, 76) "Wenn wir ... die Menschen in der geschilderten Weise in die Sünde 'fast als etwas Selbstverständliches' hineingeraten sehen, wie können sie dann schuldig sein?" (SB 1, 77)

94
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Als Resümee der Exegese dieses Abschnitts konstatiert Drewermann als Aussage des Jahwisten:

95
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"Es ist ebenso schuldhaft wie tragisch, daß der Mensch, nachdem er seinen Halt in Gott verloren hat, diesen trotz seines Bemühens nicht wiederfindet und deshalb selbst wie Gott sein will - und (psychologisch gesehen) muß, aber eben daran scheitert ... ." (SB 1, 78)
96
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Das Tragische sieht Drewermann darin, daß die Menschen, wie in der Perikope die Frau, indem sie Gott treu bleiben wollen, weil sie dies nur in der Angst können, sündigen.

97
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Es sei noch am Rande bemerkt, daß Drewermann bereits hier bei der Exegese darauf hinweist, daß die Frau als volle erwachsene Persönlichkeit verstanden werden müsse, nicht als eine Person, die noch nicht zur persönlichen Reife gelangt sei. Sie argumentiere bewußt mit der Schlange in einer Art ursprünglichen Theodizee (vgl. SB 1, 58), und das Vergehen des Essens sei keine Tat der Naschhaftigkeit (vgl. SB 1, 76), sondern das Resultat eines schweren inneren Kampfes. Auf diese exegetischen Befunde wird sich Drewermann im 3. Band bei der Besprechung der Deutungen der Urgeschichte durch Hegel und Jung wieder berufen (vgl. unten Link).

98
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Abschließend sei noch einmal die Struktur des Prozesses von Gen 3, 1-7 dargestellt, von dem Drewermann meint, daß er psychologisch notwendig ablaufe, sobald die erste Angst und das Mißtrauen gegen Gott geschürt seien:

99
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Aus der Frage, die Mißtrauen gegen Gott suggeriert, erwächst die Unsicherheit im Gottesbild und aus dieser entsteht Angst vor Gott. Folge davon ist die Tabuisierung des Baums und damit Fixierung auf ihn und die Angst. Diese Angst beruhigt die Schlange dadurch, daß sie sich selbst an Gottes Stelle setzt und auf diese Weise Gott psychologisch entthront, indem das angstbesetzte Gottesbild umgewandelt wird in ein Bild der Schwachheit und des Neides. Daraus hat die Frau den Mut zur Auflehnung gegen Gott und andererseits auch den Zwang zur Auflehnung gegen ihn, um ihrer Angst zu entkommen. Das Resultat ist die Erkenntnis von Gut und Böse, der Realität ohne Gott, der eigenen Nichtigkeit.

100
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3. Das exegetische Gesamtergebnis: Aufbau und Struktur der jahwistischen Urgeschichte

101
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Drewermann stellt genannte Tragik des Prozesses durchgehend durch die jahwistische Urgeschichte fest, wobei die einzelnen Motive nicht durch einfache Aneinanderreihungen, sondern in einer Art Aufbau und konsequenten Dynamik miteinander verzahnt sind. Selbst Gott wird insofern in die Tragik hineingezogen, als seine Schutzmaßnahmen für die Menschen wieder nur zum Anlaß dafür werden, daß diese sich weiter ins Böse verstricken. Besonders kraß zeigt sich das beim Übergang von Kain zu Lamech. Um den Brudermörder Kain zu schützen, belegt Gott die Tötung Kains mit siebenfacher Vergeltung, die er für sich reserviert (vgl. Gen 4, 15). Lamech jedoch benützt genau diese Zusage Gottes in zynischer Weise, um selbst Schrecken zu verbreiten (vgl. Gen 4, 23-24).

102
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Im Verlauf des Prozesses wird Gott den Menschen immer ferner: mit Kain spricht er noch direkt (vgl. Gen 4, 9ff.), nachher noch zu Noach. Ansonsten fällt er nur noch ein Urteil über die Menschen, sie bekommen die Folgen des Urteils zu spüren, erfahren aber nicht direkt von Gott davon.

103
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Die kulturellen Leistungen der Menschen seien für den Jahwisten, anders als für die Priesterschrift, nicht Zeichen echten Fortschritts, sondern vergebliche, entfremdete Versuche, sich in der Ferne von Gott heimisch zu machen (vgl. SB 1, 154 und 160).

104
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Die "Strafen Gottes" deutet Drewermann analog der oben geschilderten Erfahrung der Nacktheit: nicht die Wirklichkeit an sich hat sich geändert, sondern das Bild der Menschen von dieser Wirklichkeit; was in der Einheit mit Gott gut war, wird in der Trennung von ihm zum Fluch. Gen 2 bildet dabei die Kontrastfolie, wie das Leben hätte sein können in der Einheit mit Gott. Ausgehend von dort zeichne der Jahwist eine sich ständig mehr ins Ausweglose begebende Geschichte des Unheils, deren Pessimismus nur auf dem Hintergrund von Gen 12, 1ff verstanden werden könne. Die Berufung Abrahams sei der Entwurf des Jahwisten, wie aus dem Teufelskreis der Sünde zu entkommen sei: durch eine neue Tat Gottes. Das Handeln der Menschen führe nur tiefer in das Unheil hinein. Zur Struktur der jahwistischen Urgeschichte gehöre eine ständige Gegenfinalität, man könnte auch sagen Kontraproduktivität, im Handeln der Menschen, die "mit Hilfe ihrer Errungenschaften die Lösung des durch ihren Abfall von Gott verschuldeten, bestraften und verfluchten Lebens in der falschen Richtung suchen" und "so stets das Gegenteil, ja, die Steigerung dessen erreichen, was sie bekämpfen wollen" (SB 1, 160).

105
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So auch besonders fatal beim Opfer von Kain und Abel, wo der Versuch, bei Gott angesehen zu sein, im Brudermord endet, weil nun, in der Entfremdung von Gott, die Menschen einander auch Konkurrierende um seine Gunst werden. Die Erfahrung dieser Konkurrenz sei aber nur möglich aufgrund der Erfahrung der als unbegründet empfundenen Ablehnung durch Gott (vgl. SB 1, 124). Die gesamte Situation des Opfers setze bereits die Unheilssituation, wie sie in Gen 3 entstanden ist, voraus. Denn zwar gehöre das Opfer in die Religiosität der Völker hinein, für den Jahwisten sei aber das Opfern etwas, das erst nach der Verbannung der Menschen aus dem Garten gedacht werden kann. "Ein Vergleich mit Gn 2-3 macht das deutlich: der Gedanke ist abwegig, daß die Menschen im Garten (von) Eden Gott Opfer dargebracht hätten." (SB 1, 121)

106
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Im sechsten Kapitel der Genesis geschieht eine Zäsur. Gott setzt einen Neuanfang durch die Errettung des Noach. Dieser Neuanfang wird aber wiederum zunichte gemacht durch Noachs zweiten Sohn (vgl. Gen 9, 18-29). Doch es bleiben postitive Auswirkungen dieser Episode für die Zukunft bestehen: die Naturordnung wird aus der Schicksalsgemeinschaft mit den Menschen herausgenommen, das böse Treiben der Menschen habe keine kosmischen Wirkungen mehr (vgl. Gen 8, 21-22 und SB 1, 209); und bereits hier leben die Menschen nur noch aufgrund der Gnade Gottes, nicht seiner Gerechtigkeit. Drewermann betont ausdrücklich, daß in Gen 8, 21 gerade die Verderbtheit der Menschen der Grund dafür ist, daß Gott sie nicht mehr vernichten will. Das "gesamte Leben des Menschen [ist] angesichts seines widersprüchlichen sündhaften Wesens nur von einem umfassenden Gnadenakt Gottes zu verstehen ... , von ... einem Erbarmen, das total ist und sein muß, weil (!) auch die Verderbtheit des Menschen total ist" (SB 1, 206).

107
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Mit dieser Zäsur der Sintflut sieht Drewermann eine Zweiteilung der jahwistischen Urgeschichte gegeben. Die jahwistischen Teile in Gen 3-5 stellten die "Grundstrukturen des menschlichen Daseins" (SB 1, 313), die in 6-11 die "der geschichtlichen Wirklichkeit" (ebd.) der Menschen dar; beides aber unter der Voraussetzung, daß die Menschen ohne Gott leben. Gen 2 (J) bilde dabei den Kontrast, wie die Menschen von Gott gemeint sind, was ihr eigentliches Wesen wäre, Gen 12 (J), wie der Jahwist die Wiederherstellung der Gemeinschaft mit Gott sieht.

108
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Zusammenfassend lasse sich also sagen:

109
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Gen 2-11 stellt eine Entwicklungsstruktur dar, die gekennzeichnet ist von einer "Umqualifizierung der Grundstrukturen des menschlichen Daseins" (SB 1, 313) nach der Erkenntnis von Gut und Böse. Die Menschen erfahren die Erkenntnis ihrer selbst ohne Gott als Fluch und als Strafe (vgl. ebd.). In ihrer Entfremdung von Gott streben die Menschen die ihren Naturanlagen gemäßen Ziele an, die aber nur in der Gemeinschaft mit Gott erreichbar sind. Gott versucht die Menschen zu schützen, und sie in ihrer Unheilssituation anzunehmen (vgl. z. B. Fellröcke für Adam und Eva, Schutzgarantie für Kain), die Menschen weichen aber vor der Anerkennung ihrer Schuld aus und versuchen selbst, "das Verlorene wiederherzustellen". (SB 1, 314)

110
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"So entsteht sowohl die qualitative Umkehrstruktur im Tun des Menschen wie auch die spiegelbildliche Ähnlichkeit der Ziele der Sünde mit den ursprünglichen Bestimmungen des Menschen. ... In letzter Konsequenz ist die Sünde somit der Versuch, das verlorene Sein in oder mit Gott in ein Sein-wie-Gott umzuwandeln, den verlorenen Gott also durch die Vergöttlichung des Menschen wiederherzustellen." (SB 1, 314)
111
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Dabei liegt eine "Zwangsläufigkeit über dem Wirken des Menschen, dessen innere Folgerichtigkeit und Geschlossenheit die j Urgeschichte überhaupt erst als kompositionelle Einheit verständlich macht" (ebd.). Exegetisch ließen sich jedoch nicht alle Motive und ihre Anordnung klar verstehen. Dies könne erst eine andere, nämlich die psychoanalytische Methode leisten.

112
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Zur abschließenden Darstellung der von Drewermann propagierten Struktur des jahwistischen Urgeschichte, sei sei diese Graphik (hier Link einfügen) und der sie erläuternde Satz übernommen:

113
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"Die Aufeinanderfolge des Tuns der Menschen muß verbunden werden mit den (technischen) Praktiken der Menschen sowie mit den Zielvorstellungen bei ihrem Tun; von dort her muß eine Bewegung zu der Ergebnisumkehr ihres Tuns führen, in dem sich die Strafen Gottes ausdrücken; diese wiederum gehen mit Maßnahmen zur Eindämmung weiterer Gefahrenherde einher, die dann wieder von neuen Praktiken der Menschen unterlaufen werden." (SB 1, 315)
114
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So wird die theologisch bedeutsame Frage in den beiden folgenden Bände von »Strukturen des Bösen« sein, "wie das Böse vom Menschen frei gesetzt sein und dennoch die prozeßhafte Zwangsstruktur besitzen kann, auf die wir in der j Urgeschichte gestoßen sind" (SB 1, 322).

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C. Zu Band II, der psychoanalytische Beitrag

116
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1. Die Rolle der Psychoanalyse

117
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Einerseits fungiert die Psychoanalyse als "Phänomenologie der Grundeinstellungen, die den Menschen seelisch zerstören oder heilen können" (SB 2, XX). Als solche soll sie helfen, die Motivauswahl des Jahwisten aufgrund der psychischen Entwicklung der Menschen zu verstehen und plausibel zu machen und die Zwangsläufigkeit des Prozesses der Sünde psychologisch zu erläutern. Drewermann meint, eine Parallelität der Motive der jahwistischen Urgeschichte und der psychoanalytischen Entwicklungslehre, der Ontogenese, des Individuums feststellen zu können. Mit Hilfe der Psychoanalyse will Drewermann "ausschließlich" zeigen, "wie der Mensch als ganzer sich in seinem Leben ohne und gegen Gott mit Notwendigkeit vernichtet" (SB 2, XXI). In der Vorrede zur 2. Auflage des 2. Bandes hält Drewermann ein Plädoyer für eine anthropologische Deutung und Verwendung der Psychoanalyse, wie Freud und Jung sie anstrebten, im Gegensatz zu einer bloß sozialanalytischen (vgl. besonders SB 2, XXXVII-XLIII). Zwar gesteht er zu, daß einige Erklärungsmodelle der Psychoanalyse kulturrelativ seien, so etwa der Ödipuskomplex im ursprünglichen Sinn nur in patriarchalischen Gesellschaften bestehen könne, aber er meint, daß es möglich sei, zwischen solchen und allgemeinmenschlichen Inhalten der Psyche zu unterscheiden (vgl. SB 2, XLV und SB 1, LXVIIIff.). "Nur weil es mehr vom Menschen zu wissen gibt, als was die Soziologie vom Menschen weiß, hat J seine Urgeschichte geschrieben." (SB 2, XLIII) Es stellt sich also die Aufgabe, von der Psychoanalyse her zu zeigen,

118
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"daß die j Mythen in der Tat das sind, als was J sie betrachtete: Erzählungen vom Wesen des Menschen oder, umgekehrt, Erzählungen, die so sehr zum Menschen gehören, daß sie in ähnlicher Weise an allen Orten und zu allen Zeiten der Menschheitsgeschichte erzählt wurden. Erzählungen dieser Art müssen in der Natur des Menschen selbst verankert sein." (SB 2, XLIV)
119
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Da die Angst als wesentlicher Faktor im exegetischen Teil herausgearbeitet wurde, bietet sich auch von daher die Psychoanalyse als Deutungsmodell an, da gerade sie in ihrer Neurosenlehre gezeigt hat, welche ungeheuere Wirkung die Angst in den Menschen hervorbringen kann (vgl. SB 2, XLVI-XLIX).

120
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Es ist aber zu beachten, daß Drewermann keineswegs eine Gleichsetzung oder gar Ablösung der Theologie durch die Psychoanalyse beabsichtigt.

121
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Im Gegenteil: "Es ist uns eigentlich um die Psa nur zu tun, um von der Psa loszukommen, um zu sagen, daß das Eigentliche psa nicht faßbar ist, daß aber das, was den Glauben oder Unglauben ausmacht, auf der psychischen Ebene sichtbar wird und sich dort mit den Mitteln der Psa beschreiben und in seiner Eigengesetzlichkeit erklären läßt." (SB 2, XX)

122
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Drewermann unterscheidet deshalb auch immer wieder zwischen der Bedeutung, die ein Motiv psychologisch an sich hat, und der Aussage, die der Jahwist damit tätigen wollte. Beides ist nicht von vorneherein identisch, jedoch wird die Eindringlichkeit der jahwistischen Aussagen oft gerade dadurch deutlich, daß man sieht, daß er sie unter Verwendung von mythischem Material macht, das woanders vielleicht das Gegenteil meint. Dies sei dadurch möglich, daß die verwendeten Bilder an sich für eine positive oder eine negative Deutung offen seien, daß der Jahwist aber, um die Dynamik der Sünde darzustellen, immer die negative wähle (vgl. allgemein SB 1, XLIV und als Fallbeispiel SB 2, 140). Drewermann gelangt sogar zur Auffassung, er wähle "durch eine quantitativ extreme Steigerung dieser [der in der Ontogenese auftretenden] Konflikte" (SB 2, 554) ihre schlimmstmögliche Lösung.

123
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Obwohl Drewermann in seinen späteren Veröffentlichungen sehr stark die Bedeutung des Traumes für das Verständnis der Bibel betont24 stellt er hier klar:

124
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"Wir können den Text nicht einfach wie einen rezenten Traum nehmen und drauflosanalysieren ... ; vielmehr müssen wir die traditionsgeschichtlichen und literarkritischen Ergebnisse vor Augen haben, nach denen die jetzige Textgestalt des J das Werk einer z. T. recht komplizierten mehrfachen bewußten (!) Überarbeitung darstellt, die als solche nicht nach den Methoden der Traumpsychologie des Unbewußten angegangen werden kann." (SB 2, 10f.)
125
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Ob Drewermann diese methodische Erkenntnis in seinen späteren Werken durchhält, soll hier nicht erörtert werden. Es sei aber darauf hingewiesen, daß er sie durchaus weiterhin anerkennt. So etwa:

126
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"Wir brauchen die historisch-kritische Methode. Es muß Leute geben, die, auch wenn sie Tiefenpsychologie treiben, die Verfahrensweisen und Ergebnisse dieser Methode genau beachten; vor allem, wenn jemand wissenschaftlich die Bibel auslegen will, kommt er nicht an der historisch-kritischen Methode vorbei."25
127
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Eine gute Zusammenfassung von Drewermanns Festhalten an der Bedeutung der historisch-kritischen Methode gibt G. Fehrenbacher:

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"Eine sachgemäße tiefenpsychologische Interpretation solcher Texte [Texte mit mythischen Motiven] [kann] die Ergebnisse der historisch-kritischen Forschung nicht einfach ignorieren.193 Sie kann erst beginnen, ... 'nach der zweifellos notwendigen historischen Absicherung'195. Es wäre Scharlatanerie, wenn sich eine tiefenpsychologische Deutung religiöser Überlieferungen willkürlich auf die Symbolsprache einzelner Motive beschränken würde, ohne die Erzählform des jeweiligen Textes in ihrem literarischen und sozialen Kontext zu berücksichtigen.196"26
129
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Andererseits verfehle jedoch die historisch-kritische Methode allein das wesentlich Gesamtmenschliche in den Texten und müsse deshalb durch eine tiefenpsychologische erweitert, bzw. ersetzt werden (vgl. SB 1, LXX). Denn erst eine solche Methode könne "die eigentlich theologische Auslegung"27 begründen und bestimmen. Das eigentlich Theologische bestehe darin, daß die psychoanalytische Deutung die Bibel gemäß den "subjektiven Formen der menschlichen Seele" (SB 2, XXVI) auslege, diese Formen allerdings "nicht nur subjektiv sind" (SB 2, XXVII). Vielmehr kommt es Drewermann darauf an, festzuhalten, "daß die Symbolsprache der menschlichen Seele" (SB 2, XXVII) nicht nur etwas meint, "sondern ... daß es unabhängig vom Menschen die Wirklichkeit bereits gibt, auf die hin der Mensch selbst sich ausgerichtet sieht" (ebd.). Für ihn sind die "Symbole des Hoffens und Sehnens erst" sinnvoll, "wenn sie als Bilder verstanden werden, die Gott selbst in die menschliche Seele hineingelegt hat, um sich darin zu offenbaren" (ebd.). Weder die historische Exegese, noch die tiefenpsychologische Deutung für sich genommen, sind also eigentlich theologisch. Erst ihre Kombination und philosophisch-theologische Durchdringung führen zur Theologie.28

130
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Aus diesem Grund dürfe auch der Unterschied von Theologie und Psychoanalyse, die sich als Naturwissenschaft versteht, nicht verwischt werden. Er ist methodisch bedingt und besteht darin,

131
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"daß der Psychologe den Zustand der Menschheit evolutiv von bestimmten Naturgesetzlichkeiten her verstehen muß, während er die Heilung in die freie Entscheidung des Individuums verlegt, daß hingegen der Theologe umgekehrt den Zustand der Menschheit aus der Freiheit des Menschen versteht, die Erlösung aber nicht als Menschenwerk betrachtet" (SB 2, 37).
132
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Die Vorgangsweise Drewermanns im 2. Band besteht darin, beim Jahwisten auftauchende Motive zuerst völkermythologisch zu vergleichen, dann gestützt darauf, die mythischen Inhalte entsprechend der Psychoanalyse S. Freuds zu deuten, in vielen Fällen diese Deutung durch Jungs Ansatz zu ergänzen, und daraus dann ein psychoanalytisches Raster zu entwerfen, auf dem die jahwistische Urgeschichte in ihrer Motivauswahl verständlicher und in ihrer psychischen Dynamik geschlossener erscheint, und sich so die systematischen Fragen, die daran heranzutragen sind, besser formulieren lassen.

133
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Wie schon erwähnt (vgl Link), benützt Drewermann die Methoden von Freud und Jung, sowie auch die anderer Psychoanalytiker, wie etwa Adler und Szondi. Die Freudsche Methode sei "reduktiv, analytisch und rein kausal" (SB 1, XXXVI), sowie "semiotisch" und "libidotheoretisch" (SB 1, XXXVIII), die Jungsche dagegen "prospektiv, synthetisch, final, symbolistisch" und "energetisch" (ebd.). Dies sei jedoch kein echter Gegensatz, sondern ergänze sich. Drewermann sieht sich in »Strukturen des Bösen« "zu einer eindeutigen Bevorzugung der Freudschen Methode veranlaßt" (SB 1, XLII), weil der Jahwist die mythischen Symbole als "Symptome der menschlichen Abkehr von Gott" (SB 1, XLIII) gebrauchte und sich Freuds Methode besser zur Herausarbeitung des Krankhaften und Verzerrten eigne. Jungs Vorgangsweise könne zwar Hinweise auf die "ursprüngliche Sinngestalt" (ebd.) der vorliegenden Mythen liefern, daran ist Drewermann aber weniger interessiert, da es ihm um die jahwistische Urgeschichte als Gesamtkomposition geht (vgl. ebd.). Daß sich das Neurosemodell nach Freud zur Deutung der Urgeschichte eignet, nimmt Drewermann als Arbeitshypothese an, die im Verlauf der Arbeit entweder widerlegt oder als These bewiesen werden kann, "wenn sie sich von der Psa her wirklich als eine solche plausibel machen läßt" (SB 2, 3)29. An anderer Stelle vergleicht Drewermann seine Vorgehensweise mit der eines Archäologen, der einen Tonkrug, oder einer Person, die ein Puzzle zusammenstellt:

134
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"Alle Zweifel, ob wirklich diese und jene Scherbe zusammengehören, und alle Unsicherheiten der Details verfliegen, wenn am Ende der Rekonstruktionsarbeit keine Scherben mehr übrigbleiben ... ; ... und aus einer Vielzahl von Hypothesen und Möglichkeiten wird schließlich vom Ergebnis her eine einfache und gesicherte Feststellung." (SB 2, 414)
135
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Auf Jung wird Drewermann "nur auxiliär zurückgreifen, um von Fall zu Fall den Kontrast deutlich zu machen, der in dem Verlust jeder positiven Perspektive der j Urgeschichte steckt, und um anzudeuten, wo und in welcher Weise sich Ansatzpunkte einer möglichen Ganzwerdung und Heilung zeigen könnten" (SB 1, XLIVf.).

136
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Der 2. Band von »Strukturen des Bösen« bringt

137
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"alle klassischen Schulen der Tiefenpsychologie über die Hauptsymbole mythischer Erzählweisen sowie über die neurosepsychologisch entscheidende Thematik von Angst und Schuld miteinander ins Gespräch" (SB 2, XLVIII).
138
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Zusammenfassend läßt sich sagen, besteht die Bedeutung der psychoanalytischen Auslegung für Drewermann also darin, daß diese Methode die jahwistischen Motive auf ihre gesamtmenschliche Verbindlichkeit auszuloten vermag, in Verbindung mit den Ergebnissen der Exegese die Aussageabsicht des Jahwisten verdeutlicht und somit das Datenmaterial ergänzt, von dem aus die philosophische und die theologisch verbindliche Deutung dann ausgehen kann. Zusätzlich dazu zeigt sie den Prozeßcharakter der Verstrickung in die Sünde: jeder folgende Schritt baut nach Drewermann auf dem vorhergehenden auf. Damit wird der exegetische Eindruck einer vom Endredaktor (dem Jahwisten ?) durchkomponierten Zusammenstellung der einzelnen Motive erhärtet.

139
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2. Eine Einzelauslegung am Beispiel von Gen 3, 1-7

140
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Obwohl es, um die Vielfalt und den Reichtum der Episoden der jahwistischen Urgeschichte etwas darzustellen, reizvoll wäre, hier eine andere Stelle aus dem Material zu deuten als im exegetischen Teil, erscheint es mir doch sinnvoll, die gleiche zu nehmen, die ich schon im Teil B behandelte. Dies nicht nur, weil sie, wie gesagt (vgl. Link) von zentraler Bedeutung ist, sondern auch, weil Drewermann bei der Besprechung dieser Stelle verschiedene Deutungsmöglichkeiten ins Spiel bringt, von denen er dann im Fortgang einige als unzureichend ausscheidet bis dann eine übrig bleibt, und auf diese Weise seine Vorgangsweise beim Zusammenfügen der "Tonscherben" gut zu beobachten ist. Außerdem bietet die Verwendung der gleichen Stelle den Vorteil, im Vergleich mit der Exegese sehen zu können, ob die Psychoanalyse etwas und was sie darüber hinaus bringt. Allerdings stellt sich das Problem, daß die psychoanalytische Deutung sich nicht völlig an die Reihenfolge des Textes hält, wie ein Blick ins Inhaltsverzeichnis von SB 2, VI unschwer deutlich macht. Es soll daher im Folgenden versucht werden, die wesentlichen Aussagen zu einigen ausgewählten Motiven der Perikope zusammenzutragen und deren Einordnung in die Ontogenese darzustellen.

141
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a) Baum und orale Problematik (vgl. SB 2, 52-69)

142
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Aus verschiedenen Mythen und deren Vergleich, zieht Drewermann den Schluß, "daß der Baum, von dem nicht gegessen werden darf, ein Symbol für die Mutter sein kann" (SB 2, 62). Die psychoanalytisch erschlossene Ursache dafür, daß seine Früchte verboten sind, sei das Drama der Entwöhnung von der Mutterbrust, das jedes Kind durchmachen müsse. Drewermann übernimmt diese Darstellung von E. H. Erikson:

143
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"'Unsere klinische Erfahrung deutet darauf hin, daß dieser Punkt in der Frühgeschichte des Individuum [sic] Ursprung einer schlimmen Spaltung ist, wo der Zorn gegen die nagenden Zähne und der Zorn gegen die entziehende Mutter, [...], zu einem machtvollen Erlebnis sadistischer und masochistischer Verwirrung führen, das ganz allgemein den Eindruck hinterläßt, daß man irgend wann einmal seine Einheit mit dem mütterlichen Nährboden zerstört hat. Diese früheste Katastrophe in der Beziehung des Individuums zu sich selbst und zur Welt ist vermutlich der ontogenetische Beitrag zur biblischen Paradiessage [...].'" (SB 2, 63)30
144
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Drewermann konstatiert: "Das Zitat zeigt alles Wichtige. Denn es macht unter den angenommenen Voraussetzungen das Eßverbot, die Tatsache seiner Übertretung sowie die bittere Konsequenz der Ausweisung aus dem Paradies als ursprüngliches Schicksal im Leben eines jeden Menschen verständlich." (SB 2, 63)

145
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Nun scheint es allerdings problematisch, wenn Drewermann nicht unweit dieser Stelle - relativ zum Umfang seines Opus - feststellt, "daß der Baum unter einem anderen Aspekt phallische Bedeutung besitzt. Denn es kann als Grundregel der Traumanalyse gelten, daß alle 'in die Länge reichenden Objekte, Stöcke, Baumstämme ... das männliche Glied vertreten.'" (SB 2, 104)31 Er vermeint jedoch dieses Problem zu lösen, indem er darauf verweist, "daß in den Mythen fast alle wesentlichen Symbole bisexuellen Charakters sind" (SB 2, 104). So könne nicht von vorneherein entschieden werden, was ein Symbol in jedem Fall heiße, sondern aus dem konkreten Kontext und der jeweiligen Mythentradition müsse die passende Deutung eruiert werden.

146
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"Das Ziel der Traumanalyse kann nicht in der Einführung des aristotelischen Identitätsprinzips in die Traumsymbolik bestehen, sondern nur darin, die einzelnen Bilder im Zusammenhang plausibel zu machen, d. h., ihr Zustandekommen zu begründen. So kann denn der Baum tatsächlich für die Mutter, die Frau, die Nahrungsquelle und ebenso für das männliche Genitale stehen. ... Unter diesen Voraussetzungen wäre der Baum also mal als weibliches, dann wieder als männliches Symbol zu lesen. Dabei scheint zu der Motivreihe [Gen] 2, 16.17; 3, 6b; 3, 22.24 mehr die weibliche Entsymbolisierung zu passen, zu 3, 1-5 mehr die männliche." (SB 2, 106)
147
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Das heißt die Deutung der oralen Problematik bezieht sich zunächst vor allem auf Gen 3, 6b. Zur männlichen Bedeutung des Baumes werden wir später kommen (vgl. Link). Diese "Bisexualität" der Symbole sei als generelle Eigenart von Traumsymbolen anzuerkennen, stellt Drewermann mit Berufung auf W. Stekel32 fest (vgl. SB 2, 106).

148
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Es ergibt sich allerdings noch die Frage, ob Drewermann nun behaupten will, die "Ursünde" bestehe in der Erfahrung der oralen Entwöhnung. Diese Frage, ob Drewermann das psychoanalytisch Erschlossene als die eigentliche Aussage auffaßt, die hinter den jahwistischen Erzählungen stehe, ist eine prinzipielle und soll deshalb hier gleich vorwegnehmend für alle Fälle beantwortet werden.

149
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"Alle Psychologie ist bei der Interpretation der j Urgeschichte nur ein Gleichnis, nie das Eigentliche." (SB 2, 241)
150
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"Selbstredend meinen wir nicht, daß J uns mit seiner Urgeschichte eine psa, antriebsorientierte Theorie über den klinischen Verlauf der Neurose habe geben wollen; ... Wohl aber meinen wir, daß J von dem Bösen, von der Sünde im Menschen, eine Vorstellung entwickelt, die strukturell ein hohes Maß an Ähnlichkeit mit der Neurosenlehre der Psa aufweist." (SB 2, 558f.)
151
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Diese Antwort kann auf alle gleichgelagerten Fälle angewendet werden: die Psychoanalyse erkläre lediglich, warum bestimmte Motive mit einer bestimmten Aussage verbunden werden können, sie ersetze aber nicht die Aussage des biblischen Autors.

152
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b) Schlange und sexuelle Problematik (vgl. SB 2, 69-152)

153
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Eine ausführliche (SB 2, 69-87) Betrachtung der Schlangenmotive in den Naturmythen der Völker

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"zeigt, daß eine Vielzahl von Naturphänomenen ... als schlangenhaft apperzipiert wird, in denen eine gekrümmte Stellung (der Regenbogen, die Milchstraße), schlängelnde Bewegungen (Blitze, Regensäulen, Windstaub, Flußläufe) oder das Verschlungenwerden ... eine Rolle spielen" (SB 2, 88).
155
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Eine These der Psychoanalyse ist, daß in diese Art der Naturanschauung "untrennbar zahlreiche psychische Projektionen" (ebd.) eingehen, so daß die mythische Beschreibung von Naturvorgängen als "Darstellung einer psychischen Wirklichkeit" (SB 2, 89) figuriere. Auf der Objektstufe, d. h. der Deutung nach Freud, gelte es zu fragen, "welche spezifischen Triebstrebungen sich in dem Bild der Schlange symbolisieren und warum sie sich gerade in diesem Symbol niederschlagen" (SB 2, 90). So habe die Schlange in vielen Zusammenhängen phallische Bedeutung (vgl. SB 2, 100), ja könne sogar direkt als Verführer zum Geschlechtsgenuß auftreten (vgl. SB 2, 102). In Verbindung mit der Sexualität stehe das Motiv des Erkennens (vgl. Erkenntnis von Gut und Böse), das aber auch sexuelles Erwachen meinen könnte. Drewermann erinnert hier an die Bedeutung von "Erkennen" als "Geschlechtsverkehr haben" im Hebräischen (vgl. SB 2, 103f.). Drewermann überlegt, ob nicht das "Essen" ein Euphemismus für den Geschlechtsverkehr sein könnte, und bejaht dies mit Berufung auf den bisexuellen Charakter von Traumsymbolen. In dieser Lesart wäre der Baum in der Mitte des Gartens ein männliches Symbol. Das bestätige sich auch in den Mythen der Völker (vgl. SB 2, 105). Die zu essenden Früchte könnten als "Symbole einer oralen Konzeption" (SB 2, 110) verstanden werden. Diese Symbolbildung lasse sich "als ein Abwehrvorgang und eine Regression aus dem genitalen Bereich der Sexualentwicklung auf die orale Stufe" (SB 2, 113) verstehen. Drewermann konstatiert als Zwischenergebnis:

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"Unter diesen Voraussetzungen entfallen eigentlich alle Schwierigkeiten, die der Text von Gn 3, 1-5 aufgibt. Entsymbolisiert können wir sagen, daß es hier um eine sexuelle Versuchung geht, die der Frau von Seiten des männlichen Verlangens (der Schlange) angetragen wird. Die Frau reagiert, wie wir bereits in der exegetischen Untersuchung herausgearbeitet haben, mit Angst auf die Versuchung. Diese drückt sich symbolisch darin aus, daß das genitale Thema durch das orale ersetzt wird." (SB 2, 115)
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Diese Deutung könne alle Elemente der Erzählung, bis auf zwei erklären. Drewermann erläutert, daß das Thema der Urgeschichte, nach Freud gedeutet, als ödipales Inzestverbot verstanden werden könne. Dadurch könnten einige Motive erklärt werden - die Konkurrenz von Mensch und "Gott", Verbot und Ausweisung -, was für diese Interpretation spreche (vgl. SB 2, 116). Nach dieser Deutung bestünde die Verführung der Frau durch die Schlange "in der Aufforderung zum inzestuösen Verkehr mit dem Vater" (ebd.).

158
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Doch das Sein Wollen wie Gott, das aus der Angst folgt, werde nicht erklärt, ebensowenig, woher das Eßverbot begründet sein solle - denn deutet man die Stelle nicht ursprünglich oral wie oben (siehe Link), sondern betrachtet die Oralität nur als eine abgewehrte Sexualität, wird ja das Verbot nicht mehr durch die Entwöhnung begründet. Und dieses Verbot müßte ja die Ursache für die Angst, die zur Abwehr führt, allererst abgeben (vgl. SB 2, 115).

159
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Deshalb will sich Drewermann mit der Deutung nach Freud nicht zufrieden geben. Er betont, daß sie die Redaktionsgeschichte völlig vernachlässige. So könne man zwar das Inzestmotiv als einzelnes Motiv in der Handlung ausmachen, doch es sei "methodisch unhaltbar" (SB 2, 118), Gen 2-3 als ganzes auf diesem Hintergrund auszulegen. Man müsse darauf achten,

160
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"daß J nicht eine in sich geschlossene mythische Anschauung übernimmt oder umformt, sondern mythische Motive in fragmentierter Form zu dem völlig singulären und neuartigen Mosaik einer theologischen Aussage jenseits der Mythen zusammengesetzt hat" (SB 2, 121).
161
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So kommt Drewermann zur Überzeugung, daß das Eigengewicht der oralen Komponente zu beachten sei, dies um so mehr,

162
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"als für J, ... , die Schuld des Menschen in einem verbotenen oralen Vorgang, nicht aber in einem sexuellen Tun erblickt hat, denn die 'Sexualität' hat er schon in Gn 2, 23-25 ohne jede Beimischung von irgendetwas Sündhaftem eingeführt" (SB 2, 123)33.
163
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Gegen eine rein ödipale Deutung der Stelle spreche auch die Dominanz der Frau in der Passage (vgl. ebd.). Auf der objektalen Deutungsstufe müsse eine Kombination der ödipalen und oralen Interpretationen angenommen werden.

164
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"Wenn wir abschließend den Weg verfolgen, der von den Themen der mythischen Tradition bis zu der theologischen Interpretation des J führt, so kann man vielleicht sagen: die Menschen suchen vom Ursprung her nach einem absoluten Halt und nach der Gemeinschaft einer absoluten Einheit." (SB 2, 123)
165
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Darin vereinigten sich ihre Oralität und Sexualität.

166
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"Sie scheitern jedoch daran, diesen Halt und diese Einheit, nach dem Verlust des Vertrauens zu Gott, bei Vater und Mutter zu finden (das ödipale Thema). ... Nichts Irdisches dürfte dafür [für Gott] eingesetzt werden. Denn die Stelle, die psa für das Kind Vater und Mutter einnehmen, beansprucht theologisch Gott für den Menschen." (SB 2, 123f.)
167
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Auf der subjektalen Ebene nach Jung gelte es nun zu sehen, "welch ein Sinn" dem Inzestmotiv "im Rahmen des Individuationsprozesses zukommt" (SB 2, 124). Die Schlange könne mit einem Drachen verglichen werden, und die Auseinandersetzung mit ihr drücke wie die zahlreichen Drachenkampfmythen der Völker den Widerstand gegen den Inzest aus. Doch:

168
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"Der eigentliche Kern der Jungschen Deutung ... , das spezifische der subjektalen Deutung, liegt darin, daß der Themenkreis der Inzestproblematik eine vertiefte Auslegung Erfährt, indem Jung in 'Vater', 'Mutter', und 'Sexualität' selbst nur ein Symbol erblickt." (SB 2, 127)
169
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Jung spricht von den Archetypen von "Vater" und "Mutter". Die Regression auf den Inzestwunsch bei Erwachsenen sei ein Krisenindikator, der eine Gefahr berge, aber auch die Chance zu einem Neuaufbau und einer Weiterentwicklung enthalte. Die Regression sei ein Zurückgehen in das kollektive Unbewußte, das Möglichkeiten wie Gefahren eröffne. Die Schlange bzw. der Drache entspreche dem Archetyp der Mutter oder des Weiblichen (Anima).

170
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"Die Chance der Regression ... besteht in der Entfaltung eines reicheren Lebens und eines umfänglicheren Bewußtseins, mithin in einer Reifung der Persönlichkeit durch Vermehrung der Bewußtheit. Die Stimme der Schlange lädt dazu ein, sich auf den dunklen Teil der Seele einzulassen, der bis dahin nur als unbrauchbar, chaotisch, minderwertig, wo nicht als unmoralisch und verwerflich galt. Sie ist daher die Stimme der Versuchung par excellence." (SB 2, 131)
171
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Es ergäben sich drei Möglichkeiten: Unterliegt die so "versuchte" Person der Versuchung gar nicht, gibt es keine Heilung und keinen Fortschritt, unterliegt sie ganz, kommt es zu einer persönlichen Katastrophe.

172
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"'Unterliegt das Ich aber nur zum Teil [...], dann kann es die Stimme assimilieren, und dann stellt es sich heraus, daß das Böse nur ein böser Schein war, in Wirklichkeit aber ein Bringer des Heils und der Erleuchtung.'" (SB 2, 131f.)34
173
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Dieser innere Kampf komme in den verschiedenen Drachenkampfmythen zum Ausdruck und steht nach Auffassung Jungs auch hinter der biblischen Sündenfallerzählung, so daß für Jung das "Böse" notwendig mit der Reifung der Menschen im Paradies gegeben sei (vgl. SB 2, 137).

174
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Doch auch hier wendet Drewermann, rhetorisch fragend, ein, "ob wir mit der Jungschen Interpretation wirklich noch die Besonderheit der biblischen Sündenfallerzählung zu erfassen vermögen" (SB 2, 140) und verneint dies entschieden, was er auch durch eine Reihe von Gründen belegt (vgl. SB 2, 144f.). Durch Jungs Deutung interpretiere man "nur einen willkürlich ausgewählten Einzelzug der Motivgeschichte der biblischen Erzählung, nicht mehr aber die j 'Sündenfallgeschichte' selbst" (SB 2, 145). Denn der Jahwist erzähle gerade nicht davon, wie die Menschen die Schlange besiegten, sondern wie sie von ihr besiegt wurden.

175
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"Die einzelnen Motive von Gn 3 können ... für sich genommen eine positive Bedeutung im Sinne des Jungschen Individuationsprozesses annehmen. ... Andererseits wissen wir, daß J durch seine eigene redaktionelle Interpretation des mythischen Stoffes die Zweideutigkeit des Materials zugunsten einer bestimmten negativen Sinnrichtung beseitigt hat." (SB 2, 140)
176
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Zwar habe Jung recht, daß sich "in der bestehenden Wirklichkeit des Menschen ... der Schritt zur Selbsterkenntnis vom Auftreten der Schuld empirisch nicht trennen" (SB 2, 147) lasse, aber das entspreche nicht der Aussageabsicht des biblischen Autors, der ja gerade zeigen wolle, daß die Realität zwar so ist, aber von Gott her eigentlich nicht so sein müßte. Außerdem sei noch einmal darauf geachtet, daß für den Jahwisten die Menschen schon vor dem Sündenfall bewußte, erwachsene Persönlichkeiten waren (vgl Link). Dem Jahwisten gehe es nicht um das Problem "daß das Böse zur Selbsterkenntnis unausweichlich sei, sondern gerade umgekehrt, wieso das Böse aus einer bestimmten Art der Selbsterkenntnis, nämlich einer Selbsterkenntnis im Strudel der Angst ohne Gott, entstehen kann und muß" (SB 2, 151f.).

177
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c) Die Dynamik der Angst (vgl. SB 2, 152-178)

178
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Dieses wichtige Kapitel soll den "psychodynamischen Ablauf" (SB 2, 152) der Perikope untersuchen und so den exegetischen Befund der in sich geschlossenen Entwicklungsreihe erhärten. Als Hauptaufgabe stellt sich Drewermann, "die Rolle der Angst zu untersuchen, die wir psychisch als Mittelpunkt der 'Sündenfallerzählung' angesehen haben" (SB 2, 153). Drewermann sieht die Angst als Trennungs- und Todesangst. Sie sei einerseits zu erklären aus der Angst, die ein Säugling erlebe, wenn er von der Mutter getrennt werde, andererseits auch durch Freuds Kastrationskomplex. Beides schließe einander nicht aus. Auch für Freud stellten "die grenzenlose Hilflosigkeit des Kindes und das Erlebnis des Verlustes der Mutter die eigentlichen Angstbedingungen dar, für die die Kastrationsangst als Zusammenfassung gelten kann" (SB 2, 155). Eine solche Sichtweise sei auch auf die Urgeschichte anwendbar, in der die Menschen völlig von Gott abhängig sind, so daß die Todesdrohung sich so klar ergebe beim Übertreten des Gebotes wie beim Kleinkind die Todesangst beim Verlust der Mutter. Das Verbot eines Verhaltens, das den Verlust mit sich brächte, werde mit psychischer Notwendigkeit erlassen, egal ob man eine Deutung auf der oralen oder der phallischen Stufe annehme (vgl. SB 2, 157). In jeder Entwicklungsphase, der oralen Entwöhnung oder dem ödipalen Konflikt gehe es um

179
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"die Einschränkung eines Freiraums, der zunächst selbstverständlich und sogar mit dem Anspruch absoluter Lebensnotwendigkeit bestanden hat, nun aber mit Einschränkungen belegt werden muß. Darin liegt die Bedingung der Angstentfaltung; sobald dann das Verlangen sich meldet, dem Verbot zuwider zu handeln, muß die Angst als Trennungs- und Todesangst auftreten" (SB 2, 157).
180
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Im Folgenden untersucht Drewermann, welche "Abwehrmechanismen" in der jahwistischen Urgeschichte vorkämen und bemerkt einleitend, daß zwei Mechanismen, Verdrängung und Sublimation, nicht zu finden seien. Er meint, dies könne man auf das psychoanalytisch anzunehmende frühe Entwicklungsstadium zurückführen und führt damit ein weiteres Indiz an, um einer oralen Interpretation der Perikope vor einer ödipalen den Vorzug zu geben (vgl. SB 2, 159). Folgende Abwehrmechanismen seien in Gen 3, 1-7 festzustellen:

181
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- Die Identifikation: zunächst stellt sich die Frau auf die Seite Gottes, sie identifiziere sich mit seinem Gebot und wehre so die Trennungsangst ab (vgl. SB 2, 160-162).

182
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- "Fixierung, Tabuisierung und Berührungsangst" (SB 2, 162) bedeuten, daß "für die Frau aus einer äußeren Versagung eine innere geworden ist, daß das Verbot introjiziert wurde" (SB 2, 163) und führen "zu dem Eindruck, den wir in der Versuchungsgeschichte gewinnen können, daß die Frau von dem verbotenen Baum nicht mehr loskommt" (ebd.). Die Tabuisierung des Baumes stelle "das Ergebnis einer ganzen Kette vorangegangener Abwehrmechanismen" (SB 2, 165) dar, "die ihr vorläufiges Endergebnis in der ambivalenten Gefühlseinstellung der Frau hat, in der das Verbot wie der Triebwunsch in unversöhnter Feindschaft einander bekämpfen" (ebd.). Die Ambivalenz ist selbst wieder ein von A. Freud35 beschriebener Abwehrmechanismus.

183
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- "Allmacht, Animismus und Magie" (SB 2, 165) drückten sich in der Versicherung der Schlange aus, daß die Menschen nicht sterben würden, sondern durch das Essen vom Baum würden wie Gott (vgl. SB 2, 165-169).

184
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- "Projektion und Verleugnung" (SB 2, 169): Immer noch sei der Frau der Wunsch, von der Frucht zu essen, nicht bewußt, da er durch die Abwehrmechanismen unterdrückt sei. Der Triebwunsch bleibe aber da und die dadurch entstehende Ambivalenz werde unerträglich, so daß schließlich die eigenen Wünsche - Essen der Frucht, Neid auf den Allmächtigen - auf Gott projiziert würden: er ist es ja, der schwach ist, und den Menschen den Genuß neidet (vgl. oben Link und SB 1, 65-67, hier SB 2, 169-171). Schließlich werde die Todesdrohung ganz einfach verleugnet, zuerst durch die Schlange, dann auch durch die Frau.

185
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- "Introjektionswahn und Totemmahl" (SB 2, 174): Für Drewermann erscheint die Introjektion "als der geeignete psa Begriff, um die Selbstvergöttlichung des Menschen durch das Essen von dem verbotenen Baum auszudrücken. Die Introjektion löst die vorangegangene Phase der Projektion ab" (SB 2, 177).

186
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Damit ist die Entdeckung der Abwehrmechanismen und die psychoanalytische Ausleuchtung der Angstdynamik in Gen 3, 1-7 beendet. Es sei noch bemerkt, daß wir immer noch nicht wissen, ob unsere Perikope für Drewermann nun der ödipalen oder der oralen Phase zuzuordnen sei. Dies ersehen wir aus dem nächsten Unterkapitel von SB 2, wo Drewermann die Herkunft des Schuldgefühls, nicht der Schuld im theologischen Sinn, psychoanalytisch untersucht.

187
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d) Die Herkunft des Schuldgefühls und endgültige Zuordnung der Perikope zur oralen Phase (vgl. SB 2, 178-203)

188
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Dabei geht Drewermann zunächst von Sigmund Freuds Theorie der Schuldgefühle aus dem Ödipuskomplex aus und erläutert diese. Diese Erklärung befriedige aber nicht vor allem aus zwei Gründen: zum einen wurde bereits gesehen, daß die ödpale Deutung auf Gen 3, 1-7 nur "begrenzt anwendbar" (SB 2, 187) sei, zum anderen treffe die phylogenetische Begründung von Eßverbot und Ödipuskomplex bei Freud nicht zu und tue außerdem der biblischen Erzählung Gewalt an (vgl. SB 2, 187), so daß uns die Auslegung dieser Perikope auf eine Entwicklung hinweise,

189
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"die in der Psa selbst schon bald nach der zweiten Formulierung der Freudschen Trieblehre in ähnlicher Weise eingesetzt hat. Die Frage mußte sich nämlich alsbald stellen, ob der Ödipuskomplex nicht viel zu spät auftritt, um die Herkunft des Schuldgefühls zu erklären." (SB 2, 187)
190
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Drewermann sieht sich mit K. Abraham36 darin einig, daß das erste Schuldgefühl im menschlichen Leben aus der oralen Ambivalenz der Entwöhnung von der Mutterbrust stamme (vgl. SB 2, 188-194). Diese Deutung sei erhärtet und ausgeweitet worden durch M. Klein37.

191
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"'[...] Alles das, was die Brust und die Milch in der kindlichen Seele repräsentieren, nämlich Liebe, das Gute und Sicherheit [...] wird vom Kind als verloren empfunden, und zwar als Folge seiner unkontrollierbaren Gier und der Zerstörungsphantasien und -triebe gegen die mütterliche Brust.'" (SB 2, 191)38
192
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Diese Erkenntnis biete eine große Hilfe für die Deutung der jahwistischen Urgeschichte, da die Erfahrung der Entwöhnung und die damit verbundenen psychischen Abläufe wirklich menschheitlich seien, im Gegensatz zur ödipalen Ableitung des Schuldgefühls nach Freud. Denn Freuds Ansicht, "der Ödipuskomplex stelle eine biologische Konstante dar", sei "ethnologisch und soziologisch nicht nur nicht verifizierbar, sondern [muß] schlechterdings als widerlegt gelten" (SB 2, 192).

193
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"Die j Erzählung enthält in symbolischer Verkleidung tatsächlich die Prozesse der frühesten Entstehung von Schuldgefühlen. Die Thematik selbst erweist sich als anthropologisch unvermeidlicher Konflikt." (SB 2, 192)
194
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"So dürfen wir also die j Sündenfallerzählung als ein Bild betrachten, das psychologisch zutreffend beschreibt, wie das Gefühl der Schuld durch die Übertretung eines ursprünglichen Eßverbots in der Entwicklung eines jeden einzelnen mit Notwendigkeit auftritt." (SB 2, 193).
195
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Damit optiert Drewermann für eine eindeutige Priorität der oralen Stufe in den Versen Gen 3, 1-7. Wir werden sehen, welche Bedeutung diese Entscheidung für die psychoanalytische Gesamtstruktur der jahwistischen Urgeschichte hat.

196
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3. Das psychoanalytische Ergebnis: psychische Struktur der jahwistischen Urgeschichte

197
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Auf ähnliche Weise werden alle im exegetischen Teil untersuchten Motive und Strukturen psychoanalytisch gedeutet. Drewermann gelangt so zu einer in sich geschlossenen Deutung, vor allem auch der inneren Dynamik der Motive. Auf diesem Hintergrund lassen sich die philosophischen Fragen, die an den Aufbau zu richten sind, besser formulieren.

198
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a) Erreichte Antworten

199
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Drewermann meint die Motive von Gen 2-6 psychoanalytisch als Folgereihe der Ontogenese des Individuums beschreiben zu können. Indem er jedem Motiv eine Phase der menschlichen psychischen Entwicklung zuordnet, und zwar in der selben Reihenfolge wie die Motive vom Jahwisten verarbeitet sind, kann er die Urgeschichte als psycho-logisch notwendigen Prozeß verstehen.

200
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"Die Auswahl und Zusammenstellung der einzelnen Mythenmotive in der j Urgeschichte, ... , ergibt in psychoanalytischer Betrachtung eine in sich geschlossene Entwicklungsreihe, indem die einzelnen Mytheme eine vollständige Übereinstimmung mit der phasenspezifischen Themenabfolge der psychischen Individualentwicklung aufweisen. Der Gesamtaufbau der j Urgeschichte kommt damit der Darstellung einer neurotischen Fehlentwicklung gleich, deren innere Folgerichtigkeit und Unentrinnbarkeit nachdrücklich die Totalität der menschlichen Gottesferne, wie die dogmatische Lehre von der 'Erbsünde' sie behauptet, von der Sicht des J her unterstreichen." (SB 1, LXXXVII)
201
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Diese Zuordnung setzt voraus, daß die psychischen Entwicklungsstufen in der jahwistischen Urgeschichte nicht nur vorkommen, sondern das auch in der richtigen Reihenfolge tun. Mit anderen Worten: würde ein Motiv einer anderen Phase zugeordnet als es Drewermann tut, wäre dieser Aspekt seiner Deutung wohl hinfällig. Wir sehen also, wie weitreichend seine Zuteilung der Versuchungsszene zur oralen Phase war. Analoges gilt von der Zuordnung der anderen Perikopen, bzw. Verse der jahwistischen Urgeschichte. (Zu dieser Zuordnung vgl. auf der folgenden Seite, die aus SB 2, 547-548 genommene Auflistung (hier Link einfügen!).)

202
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Durch diese Zuordnung könne die schon exegetisch herausgearbeitete Zwangsstruktur der Dynamik von Gen 3-11 verdeutlicht werden.39 Andererseits sei von der Psychoanalyse her nicht einzusehen, warum die menschlich ubiquitären Konflikte der Oralität, Analität und Genitalität immer in die Katastrophe führen müssen, wie dies beim Jahwisten geschehe. Es sind nicht alle Menschen neurotisch, aber es sind alle Menschen sündig. Hierin bestehe der wesentliche Unterschied zwischen der psychoanalytischen und der theologischen Aussage. Zwar müßten nach der psychoanalytischen Theorie alle Menschen die Konflikte durchmachen, die bei einigen Menschen dann zur Neurose führen, aber es seien eben nicht alle Menschen psychisch krank. Deshalb führte man in der Psychoanalyse den Begriff "neurotoid" ein. Demnach sind zwar alle Menschen neurotoid, aber eben nicht neurotisch, wobei zwischen beidem ein quantitativer Unterschied bestehe (vgl. SB 2, 554-556). Die Struktur der Sünde lasse sich psychoanalytisch als Struktur der Neurose darstellen, die Verursachung der Sünde müsse theologisch aber gerade anders aufgefaßt werden als die Verursachung der Neurose psychoanalytisch. Der Jahwist verwende zwar die ubiquitären Konflikte, die die neurotoiden Anteile in allen Menschen begründeten, führe sie aber immer zu einem negativen, also nicht nur neurotoiden, sondern neurotischen Ergebnis (vgl. SB 2, 554). Psychoanalytisch aber "ist die Behauptung, alle Menschen seien neurotisch, einfach unsinnig" (SB 2, 555). Gemeinsam seien der jahwistischen Darstellung und dem psychoanalytischen Entwicklungsmodell also die Konflikte der Ontogenese, sie sind von beiden als ubiquitär angesehen. Beide Deutungsweisen unterschieden sich jedoch darin, daß für den Jahwisten der negative Ausgang der Konflikte, die "Neurose", ebenso ubiquitär sei, für die Psychoanalyse gerade nicht. Drewermann konstatiert:

203
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"Die psa Interpretationsweise hat uns dazu verholfen, die dargestellten Konflikte der j Urgeschichte tatsächlich so, wie J sie verstanden wissen will, als ubiquitär zu erkennen; der Preis, den wir dafür zahlen, ist jedoch, daß dabei die eigentliche Aussage des J verloren geht ... ." (SB 2, 556)
204
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Wir "müssen ... die psychologische Kategorie der Neurose verlassen und den theologischen Begriff der Sünde einführen, d. h., wir müssen damit ernst machen, daß J nicht eine psychische Fehlentwicklung in der Beziehung zwischen Kind und Eltern oder Ich und Selbst, sondern eine theologische Fehlentwicklung in der Beziehung zwischen Mensch und Gott beschreiben will. Da er dazu aber die Darstellung einer Entwicklungsreihe wählt, die uns psa von der Ontogenese her bekannt ist und sich mit deren Abfolge ganz und gar deckt, können wir den Befund am einfachsten und so, daß alle Ungereimtheiten sich lösen, auf die Formel bringen: die j Urgeschichte beschreibt die Sünde als eine Neurose vor Gott." (Ebd.)

205
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Mit dieser Formel will Drewermann Unterschied und Gemeinsamkeit einfangen.

206
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Es sei auch wichtig, zu beachten, daß in der Psychoanalyse eine Selbstheilung von einer Neurose ausgeschlossen ist, da eine neurotische Person ihre Probleme nur vergrößert, wenn sie versucht, sie zu lösen. Dies entspreche der exegetisch herausgearbeiteten Struktur der jahwistischen Urgeschichte und der christlichen Lehre, daß eine Selbsterlösung aus der Sünde nicht möglich ist. Auch hierin liege also eine Gemeinsamkeit des theologischen Begriffs der Sünde und des psychoanalytischen der Neurose.

207
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Wie bei der exegetischen Deutung von Gen 3, 1-7 ein Kreislauf von Angst und Schuld entstehe, an dessen Anfang jedoch die Angst liege, so sei das auch bei der Neurose der Fall.

208
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"Wenn die Neurose eigentlich eine Flucht in die Krankheit ist, so können wir die Sünde, wie sie von J in Gn 3 beschrieben wird, als eine Flucht in die Schuld bezeichnen; Neurose und Sünde dienen dem sich hilflos und ohnmächtig fühlenden Ich dazu, dem Erlebnis der Angst zu entkommen." (SB 2, 561)
209
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Andererseits bringe die psychoanalytische Deutung das große Problem, wie es möglich sein soll, daß es in diesem Prozeß ein schuldhaftes Element gibt.

210
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In einem eigenen Kapitel (vgl. SB 2, 221-243) will Drewermann aufzeigen, daß die in Gen 3, 8-24 geschilderten Strafen Gottes den von der Anthropologie und Psychoanalyse herausgearbeiteten Grundformen der Angst entsprechen.40 Auch hier sieht er eine enge Übereinstimmung von Bibel und genannten Wissenschaften.

211
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b) Aufgeworfene Fragen

212
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Die Hauptfrage werde sein, wie die Schuldhaftigkeit des Prozesses von Gen 2-11 (J) mit seiner Notwendigkeit zu vereinbaren sei. Von Notwendigkeit müsse gesprochen werden, da der Jahwist

213
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"eine allgemeine Aussage über den Menschen machen will: die Menschen, alle Menschen, stehen unter der Sünde; und sie können ihr nicht von selbst entrinnen; ... insofern beschreibt J eine Notwendigkeitsstruktur der Sünde. ... Es ist die Schuld des Menschen, durch die Angst vor Gott in die Schuld geraten zu sein (Gn 3, 1-7). Fragen wir daher, wie in der j Urgeschichte sich der Gedanke der Notwendigkeit mit dem Gedanken der Schuld vereinbart, so müßten wir sagen: die Notwendigkeit liege in dem Prozeß, mit dem die Sünde sich entwickelt; aber die Schuld des Menschen sei, daß es diese Notwendigkeit (der Sünde) überhaupt gibt." (SB 2, 589)
214
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Sogleich weist Drewermann darauf hin, daß diese Formulierung noch keine Lösung sei, denn es werde daraus nicht klar, wie diese Verzahnung von Freiheit und Notwendigkeit gedacht werden könne (vgl. ebd.).

215
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Um diese Frage anzugehen, sei es jedoch wichtig, die Eigenart der hier vorliegenden Notwendigkeit zu beachten. Von der Psychoanalyse her handelt es sich um einen naturwissenschaftlichen, keinen metaphysischen Notwendigkeitsbegriff, da die Psychoanalyse "sich nicht als eine 'Wesenswissenschaft' des Psychischen, sondern als eine Naturwissenschaft, die das Funktionieren der gesetzmäßigen Abläufe des Psychischen zu beschreiben versucht" (SB 2, 590) verstehe. Ihre Modelle seien "intellektuelle Hilfskonstruktionen" (ebd.), die wissenschaftstheoretisch ähnlich wie Modelle anderer Naturwissenschaften zu behandeln seien. Die Notwendigkeit, von der die Psychoanalyse rede, ergebe sich aus ihrem "methodischen Determinismus" (SB 2, 591), d. h. schon aus ihren Voraussetzungen, sie könne sie nicht selbst begründen.

216
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Der Prozeß der Sünde in Gen dürfe nicht so gedacht werden als liefe er mit kausaler Notwendigkeit (im metaphysischen Sinn) ab, da sonst der dogmatische Begriff der Sünde, "sofort hinfällig" (SB 2, 592) würde. Andererseits sei aber eine gewisse Kausalität des Geschehens festzustellen. Die Vermittlung dieser Gegensätze kann erst im 3. Band von »Strukturen des Bösen« geschehen. Drewermann gibt jedoch einen kurzen Vorausblick.

217
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" ... es gibt eine Kausalität in der j Urgeschichte, aber sie kann nicht im Widerspruch und als Aufhebung, sondern nur in Funktion von und in Einheit mit Freiheit verstanden werden, wenn der Charakter der Schuld, auf den die biblische Darstellung offenbar wertlegt [sic], erhalten bleiben soll." (SB 2, 592)
218
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Auch die in Drewermanns Deutung so wichtige Angst werde dann nicht im Widerspruch zu Freiheit gedacht, sondern in Anlehnung an die Existenzphilosophie ergebe sich die Angst gerade aus der Freiheit.

219
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"Wir hoffen, daß wir damit ein Modell gewinnen, von dem her wir die Begriffe Sünde und Neurose und damit die Ergebnisse der exegetischen wie psa Untersuchung vereinen können; das so gewonnene Resultat müßte einem wirklichen Verständnis der j Urgeschichte recht nahe kommen und damit auch die dogmatische Frage nach der 'Erbsünde' beantwortbar machen." (SB 2, 593f.)
220
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D. Zu Band III, die philosophisch-theologische Aufarbeitung

221
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Nachdem Drewermann über 2 Bände mit zusammen mehr als 1000 Seiten nur "beobachtet" hat, muß er jetzt "anfangen nachzudenken" (SB 2, 593). Im Vorwort zum 3. Band erläutert er noch einmal, warum er eine philosophische Weiterführung über die Psychoanalyse hinaus für nötig hält. Zum einen, weil die Psychoanalyse keinen Platz lasse für die menschliche Freiheit, zum anderen, weil, würde die Psychoanalyse das letzte Wort haben,

222
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"die Totalität, in der das Böse in der j Urgeschichte vom Menschen Besitz ergreift, dann als die bloße Folge einer in sich verkehrten Naturordnung erscheinen müßte; der Mensch bliebe in dieser Sicht ein krankes Tier, für das es letztlich keine Rettung gäbe" (SB 3, XXI).
223
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Die Schuld an diesem Fatalismus träfe dann den Schöpfer, und nichts wäre gelöst.

224
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"So geht es uns in diesem 3. Band um einen vollkommenen Umsturz der Betrachtungsweise. Das Totalbild der Neurose, ... , ja die Neurose selbst erscheint uns jetzt ... lediglich als die kausale Außenseite einer ursprünglicheren Setzung in Freiheit." (SB 3, XXIIf.)
225
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"Es geht uns in dieser Arbeit um eine radikal theozentrische Psychologie, um ein Verständnis der menschlichen Seele, in der nichts verstehbar ist ohne Gott oder - besser - in der alles verstehbar wird aus der Nichtigkeit und der Angst eines Daseinmüssens ohne Halt und Festigkeit in Gott." (SB 3, XXXI)
226
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1. Das Hauptproblem: Freiheit und Notwendigkeit - das "Böse", und seine Lösungsversuche

227
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Das Hauptproblem läßt sich wohl so formulieren: sowohl die Exegese der jahwistischen Urgeschichte als auch ihre psychoanalytische Ausdeutung haben die Sünde als einen Prozeß erscheinen lassen, in den die Menschen unweigerlich, mit scheinbar tragischer Notwendigkeit, hineinstürzen und aus dem sie sich nicht befreien können, wenn nicht von außen (biblisch: von Gott; psychoanalytisch: von einem Therapeuten oder einer Therapeutin) ein neuer Anfang ermöglicht wird. Gleichzeitig gehört es jedoch zur unzweifelhaft feststehenden Aussageabsicht des Jahwisten, daß er die Menschen als die Schuldigen an diesem Prozeß versteht, d. h. als frei für ihn verantwortliche Personen. Haben wir es mit einem Widerspruch zu tun? Worin besteht der Abfall der Menschen?

228
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Vor allem diese Fragen will Drewermann beim nun folgenden Gang durch die Philosophiegeschichte lösen. (Zu den Auswahlkriterien für die herangezogenen Philosophen, vgl. oben S. Link und SB 1, LVII.)

229
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Drewermann geht dabei so vor, daß er zunächst das System des jeweiligen Philosophen vorstellt, und es dann auswertet für seine Fragestellung. Er verfährt dabei im Wesentlichen so,

230
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"daß wir zunächst erörtern, welche von unseren alten Problemen gelöst wären, wenn Hegel mit seiner Auffassung vom Bösen recht hätte ... ; sodann müssen wir uns fragen, was die j Theologie von der Hegelschen Philosophie unterscheidet und was damit sachlich gewonnen wäre, wenn wir sie - und nicht die Hegelsche Konzeption - für wahr halten würden" (SB 3, 96).
231
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Dies gilt analog auch für die anderen besprochenen Philosophen. In meiner Darstellung dieses Prozesses werde ich versuchen, ihn so weit wie möglich zu kürzen, so daß ich auf die philosophiegeschichtliche Darstellung ganz verzichte, sie gewissermaßen bei den Leserinnen und Lesern voraussetze, die Argumentation Drewermanns nur skizziere, und dann sein Endergebnis für den jeweiligen Philosophen darstelle, d. h., was er meint von ihm lernen zu können, und was er zurückweist.

232
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a) Kant

233
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Von der Philosophie Kants erhofft sich Drewermann eine erste Antwort auf das Grundproblem, wie Freiheit und Notwendigkeit einander sinnvoll zuzuordnen seien. Es lege sich nahe, dazu die Unterscheidung Kants zwischen den Erscheinungen, die durch die apriorischen Kategorien ermöglicht würden, einerseits, und der Freiheit, die dem Bereich der Postulate der praktischen Vernunft angehöre, andererseits, zu übernehmen. Wir müßten daher "methodisch streng zwischen einer psychologischen (naturwissenschaftlichen) und einer philosophischen Betrachtungsweise des menschlichen Tuns in den j Erzählungen unterscheiden" (SB 3, 13). Es sei zu beachten, daß der in den Naturwissenschaften verwendete Kausalitätsbegriff "nicht eine ontologische, sondern eine streng erkenntnistheoretische Kategorie" (SB 3, 13) sei.

234
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" ... Sie [die Kausalität] ist ein apriorisches Ordnungsprinzip, Erscheinungen in dem Nacheinander ihrer zeitlichen Wahrnehmung nach einer unumstößlichen Reihenfolge aufeinander zu beziehen. Ist dies vorauszusetzen, so verstehen wir mühelos, worin die scheinbare Determiniertheit des Ablaufes der j Urgeschichte bei psa Betrachtung beruht und das gestellte Problem der Vereinigung von Freiheit und Notwendigkeit seine Lösung findet." (SB 3, 13)
235
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Der Gedanke Kants, daß eine naturwissenschaftlich-kausale Erklärung nur die äußere Erscheinung eines Vorgangs erkläre, nicht aber sein An-Sich, mache einsichtig, daß die psychoanalytische Beschreibung einer Zwangsläufigkeit im Prozeß der jahwistischen Urgeschichte zwar zutreffend sei, aber eben "lediglich die äußere Seite der Wirklichkeit" (SB 3, 14) beschreibe. Die Erscheinungsweise der Sünde als Neurose "besitzt empirisch die Struktur einer kausalen Notwendigkeit. Das aber schließt nicht aus, daß sie 'an sich' Schuld ist." (SB 3, 14)

236
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Ganz so einfach gestaltet sich die Lösung dann aber doch nicht, denn "der Verdacht regt sich ... sofort, daß wir dabei sind, einen Pyrrhussieg zu erstreiten" (SB 3, 15). Da die Philosophie Kants die Freiheit in einen Bereich verweise, über den man nichts mehr erkennen könne, müßte damit jede Erklärung für die Universalität der Sünde entfallen. Kant könnte die Allgemeinheit des "Sündenfalles" nur erklären, indem er sie "als eine Tat des intelligiblen Ichs (in der Sphäre des Dings an sich)" (SB 3, 16) auffasse, was aber bedeuten würde, "daß die allen Menschen an sich zukommende Freiheit sich vorab zu jeder konkreten empirischen Existenzweise des Einzelnen jenseits der Bestimmungen von Raum und Zeit zur Sünde entschieden hätte" (SB 3, 16). Dies sei aber innerhalb Kants eigenen Voraussetzungen nicht durchführbar, da es eine Freiheit vor der Existenz des geschichtlichen Individuums für ihn nicht gebe.41

237
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"Eine Freiheit, die einen jeden Menschen schuldig macht (statt ihm selbst die Wahl über Gut und Böse zu ermöglichen), ist keine Freiheit mehr. Dieses Ergebnis ist von größter Tragweite. Es bedeutet, daß es - mindestens solange, wie bei Kant, Freiheit und Notwendigkeit streng voneinander geschieden werden - prinzipiell unmöglich ist, den j Gedanken von der Allgemeinheit der menschlichen Schuld philosophisch zu formulieren." (SB 3, 16)
238
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Andererseits müsse jedoch die Unterscheidung aufrecht erhalten werden zwischen dem naturwissenschaftlichen Kausalitätsbegriff und dem Bereich der Freiheit, so daß prinzipiell einsichtig werde, "daß Freiheit neben einer allgemeinen Kausalität und Notwendigkeit gedacht werden kann" (SB 3, 53). Das so Unterschiedene dürfe allerdings nicht getrennt werden, was möglich sei, wenn gezeigt werde, wie Freiheit und Notwendigkeit aufeinander bezogen seien, d. h. "welch ein wesentliches Interesse die menschliche Freiheit als solche daran haben soll, ... in die Gesetzmäßigkeit eines krankhaft verzerrten, unfreien Lebens einzutauchen" (SB 3, 53). Es müsse deutlich werden, daß eine "dialektische Wechselbewegung einer sich entäußernden Freiheit und einer verinnerten Notwendigkeit" (SB 3, 361) bestehe.

239
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Von Kant könne man lernen, daß die Frage nach der Herkunft der Sünde "im Kern essentiell, nicht zunächst historisch oder kausal" (SB 3, 30) zu verstehen sei. In Abhebung von Kant stellt Drewermann fest, daß die jahwistische Urgeschichte die Sünde nicht in erster Linie als einen moralischen Verstoß sehe, sondern das Gottesverhältnis ganz anders darstelle als Kants Gebot einer autonomen Sittlichkeit (vgl. SB 3, 18). Drewermann weist darauf hin, daß Vieles, was Kant über die Erscheinungsweise des menschlichen Lebens unter der Sünde sagt, der jahwistischen Erzählung nahekomme, doch in der Deutung sich unterscheide.

240
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"Während wir also in der Darstellung des Phänomens menschlicher Existenz wesentliche Gemeinsamkeiten zwischen der j und der Kantischen Auffassung finden, bestehen hinsichtlich der Begründung und Bewertung desselben unüberbrückbare Gegensätze." (SB 3, 26)
241
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Auf eine detaillierte Gegenüberstellung sei hier verzichtet, da die meisten Deutungen bei den nachfolgenden Philosophen klarer werden.

242
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Als Ergebnis der Befragung der Kantischen Philosophie sei festzuhalten, daß es möglich ist, Freiheit und Notwendigkeit miteinander zu verbinden, dies aber bei Kant noch unbefriedigend geschehe. Es müsse gefragt werden, "ob sich nicht von J her intelligible Gründe für die Herkunft des Bösen angeben lassen, die jenseits der Welt der empirischen Kausalität liegen" (SB 3, 30). Eine Lösung will Drewermann suchen, indem er feststellt, ob es eine innere Verbindung zwischen der menschlichen Freiheit und dem in Exegese und Psychoanalyse so wichtigen Motiv der Angst gibt. Denn "wenn wir annehmen, daß die Einschränkungen der Freiheit durch die Angst ihren Ursprung in der Freiheit selbst haben, daß also die Freiheit eine Angst mit sich bringt, in der sie selber umkommt" (SB 3, 39f.), lasse sich deutlich machen, wie aus der Freiheit Notwendigkeit entstehe.

243
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b) Hegel

244
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Der zentrale Gedanke, den Drewermann aus der Hegelschen Philosophie für die Lösung der entstandenen Problematik bespricht, ist der der Notwendigkeit der Sünde in drei Varianten: ihre Notwendigkeit vom Ende her, d. h. rückblickend gesehen; ihre Notwendigkeit vom Anfang her, d. h. als Bewußtwerdung; und ihre Notwendigkeit als Phasenmoment eines Prozesses. Nach Hegel sei die Bewußtwerdung selbst der Sündenfall. Sie sei die Antithese des "Für-Sich", das im Abfall vom reinen unbewußten "An-Sich" auftrete und sich schließlich im "An-und-Für-Sich" zur Synthese des absoluten Bewußtseins vereine. Drewermann übersetzt diese Gedankengänge so, daß für Hegel die Sünde ein notwendiges Element, eine Phase, in einem größeren Prozeß sei, der in sich notwendig ist - führt er doch erst zum Absoluten -, und in den die Menschen hilflos gestellt sind. Das Böse sei so für Hegel ein notwendiges Durchgangsstadium, wobei aber diese Notwendigkeit ein Moment der menschlichen Freiheit selbst sei. In diesem Punkt, daß die entstehende Notwendigkeit der Freiheit innerlich sein müsse, gibt Drewermann Hegel Recht (vgl. SB 3, 99). Ebenso habe Hegel etwas Wahres getroffen, wenn er sage, daß das ganze Ausmaß der Sünde erst rückblickend, nach der Überwindung des Bösen erkennbar werde.

245
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"Diese Überzeugung entspricht voll und ganz dem exegetischen Befund der j Urgeschichte. Denn erst ... im Kontrast des neuen Anfangs, den Gott in Abraham setzt (Gn 12), ist eine wirkliche Erkenntnis des Wesens des menschlichen Abfalls von Gott möglich (vgl. [SB] I 320). Insbesondere folgt für uns als Theologen daraus, daß erst die Gnade zur Erkenntnis der Sünde führt." (SB 3, 100)
246
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Dies bestätige sich von der Psychoanalyse her, wo auch erst die Bewußtwerdung im Heilungsprozeß zur Erkenntnis der neurotischen Mechanismen führe (vgl. SB 3, 100f.).

247
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In Punkto der Notwendigkeit des Bösen will Drewermann Hegel jedoch nicht folgen. Ausführlich erörtert er die verschiedenen Weisen, in denen Hegel das Böse als notwendig auffasse, und kommt zum dem Schluß, daß als Konsequenz für Hegel auch die Versöhnung als notwendig gedacht werden müsse. Auf diese Weise verschmelze Gott mit dem, "was für den Menschen notwendig ist" (SB 3, 107). Dies widerspreche völlig dem jahwistischen, allgemein biblischen und christlichen Verständnis von Gott und Sünde (vgl. SB 3, 116) und führe zur Gnosis42. Drewermann macht dagegen geltend:

248
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"Gott muß vielmehr die Person sein, die es dem Menschen ermöglicht, seiner eigenen Unvernunft inne zu werden, ohne sich zugleich vernichtet zu fühlen. Er muß jemand sein, der ohne Notwendigkeit, vollkommen frei und dennoch in absoluter Sicherheit vergibt. Denn Vergebung ist die einzige Form, sich mit einem Bösen auszusöhnen, das gerade nicht notwendig war ... ." (SB 3, 113)
249
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Drewermann lehnt auch die Hegelsche Konzeption ab, das Böse sei ein notwendiges Element der Bewußtwerdung der Menschen. Denn "in der j Erzählung besteht darüber kein Zweifel, daß die Menschen nicht erst zu Menschen werden, sondern bereits Menschen sind, als sie das Gebot Gottes übertreten" (SB 3, 123). Den Menschen der Urgeschichte müsse "im Sinne des J volle Bewußtheit und volle Menschlichkeit zugeschrieben werden" (ebd.; vgl. auch oben Link und SB 1, 58 und 76).

250
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Das Element, das in der jahwistischen Betrachtung gegenüber Hegel hinzukomme, sei das der Angst, wie bereits exegetisch deutlich geworden sei. Von der Exegese von Gen 3 aus lasse sich sagen, "daß nicht die Reflexion die Sünde, sondern umgekehrt die Angst eine Form von Reflexion hervorbringt, die die Sünde unausweichlich macht" (SB 3, 124f.). Die Reflexion über das Gebot Gottes in Gen 3, 1-7 zeige bereits, daß die ursprüngliche Vertrauenseinheit mit Gott zerbrochen sei.

251
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"Es ist nicht unwichtig, den Kontrast zur Hegelschen Auffassung an dieser Stelle so klar wie möglich hervorzuheben: die Auflösung der Einheit von Gott und Mensch wird nicht durch die Reflexion herbeigeführt, sondern diese beantwortet die bereits eingetretene Entzweiung und versucht, wenngleich auf aussichtslosem Wege, die verlorene Einheit wiederherzustellen." (SB 3, 127)
252
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Die Hegelsche Deutung des Bösen als notwendiges Element der Bewußtwerdung stehe der Deutung von Jung nahe, der psychologisch ausgearbeitet habe, was Hegel spekulativ ontologisch verstand. Der Sündenfall sei für Jung wie für Hegel eigentlich notwendig zur Menschwerdung, vor dem "Sündenfall" lebten die Menschen in dumpfer Unbewußtheit.

253
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Beide Deutungen könnten nicht überzeugen, da sie die Rolle der Angst nicht gebührend berücksichtigten. Gelänge es jedoch, dieses Element in die Deutungen zu integrieren, so seien viele Erkenntnisse Hegels (und Jungs) für das Verständnis des "Sündenfalls" brauchbar zu machen.

254
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"Während die Angst psychologisch an bestimmten Situationen haftet, die allenfalls faktisch, nie aber an sich selbst notwendig sind, ließe sich die These von der Allgemeinheit des Bösen aufgrund der Bewußtwerdung dann aufrecht halten, wenn zur Bewußtwerdung selbst notwendig die Angst gehört, und zwar so, daß sie nicht von außen, durch bestimmte empirische Faktoren erzeugt wird, sondern von innen her aufgrund der geistigen Entwicklung selbst aufbricht." (SB 3, 143)
255
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Die Entwürfe Hegels böten ein Modell dafür, wie die Menschen im Rückzug auf sich selbst in der Notwendigkeit der Sünde gefangen seien. Die zentrale Frage nach Freiheit und Notwendigkeit könne aber nicht als gelöst betrachtet werden: die Notwendigkeit zeige sich immer noch als das Vorherrschende, die Freiheit könne immer noch nur aus Rücksicht auf den Jahwisten postuliert werden, aber es werde nicht verständlich, wie beide miteinander einhergehen könnten und somit die Notwendigkeit der Sünde allererst entstehe.

256
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So folge aus der Auseinandersetzung mit Hegel, daß, wenn die Bewußtwerdung unter dem Vorzeichen einer bestimmten Angst notwendig zum Bösen führe, zu fragen sei, woher diese Angst komme, und ob sie als mit der menschlichen Freiheit an sich gegeben anzusehen sei. Außerdem sei klar geworden, daß Gott nicht als Glied in einen natürlichen, notwendigen Prozeß miteinbezogen werden dürfe.

257
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" ... es hängt vielmehr alles davon ab, daß Gott als Schöpfer der Natur und des Menschen dem Menschen gegenübersteht, als absolute freie Person einer radikal kontingenten Person. An der Einstellung des Menschen zu Gott entscheidet sich die Frage der Angst, ob das Bewußtsein des Menschen in die Notwendigkeit des Bösen hineingerät oder aus dieser Notwendigkeit zu seiner eigenen Freiheit erlöst wird." (SB 3, 192)
258
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Im Folgenden gehe es um eine "phänomenologische Ontologie der Sünde" (SB 3, 196), wobei nun an Sartre vor allem die Fragen zu richten seien:

259
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"a) Welch ein Zusammenhang besteht strukturell zwischen Sünde und Freiheit, 'Abfall' und 'Fürsichsein'? Welch eine Rolle spielt dabei der Faktor der Angst?
260
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b) Wie erscheint im Spiegel des Fürsichseins die Außenwelt?
261
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c) Wie verstehen sich von den Strukturen des Fürsichseins die 'Strafen' in Gn 3: Scham, Unterwerfung, Mühsal, Tod?
262
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d) Gibt es Ansätze, die die weitere Entwicklung der j Urgeschichte in Gn 3-6 verständlich machen, die also zeigen, wie die Problematik des Brudermordes und der Selbstsicherung durch Drohung und Angstverbreitung (im Lamechlied) sowie die Neigung zur Vergöttlichung der Sexualität und des Sexualpartners (in der 'Engelehe') sich aus den Konflikten des von Gott verbannten, sich selbst entfremdeten Daseins mit Notwendigkeit ergeben müssen?" (SB 3, 196)
263
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c) Sartre

264
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Drewermann nützt die Zweiteilung der Philosophie Sartres in eine existentialistische und eine sozialphilosophische Phase seines Schaffens, um dieses Schema auf die oben erwähnte (siehe Link) Zweiteilung der jahwistischen Urgeschichte in einen personalen und einen geschichtlichen Teil anzuwenden.

265
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(1) Existenzanalyse
266
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Im ersten Teil wendet sich Drewermann der existentiell-psychoanalytischen Interpretation der jahwistischen Urgeschichte durch Sartre zu (vgl. hierzu im Gesamten SB 3, 226-330).

267
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Auch für Sartre sei die Freiheit des Bewußtseins selbst gleichbedeutend mit dem Abfall, der "Erbsünde". Sartre analysiere die Beschaffenheit des freien Bewußtseins in einer Weise, die der Beschreibung der Menschen in Gen 3-6, also dem "daseinsanalytischen" Teil der jahwistischen Urgeschichte nach dem "Sündenfall", sehr stark entspreche. Insbesondere die Rolle der Angst sei ähnlich, jedoch nicht identisch:

268
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"Fallen dort [beim Jahwisten] die Menschen von Gott ab aus Angst, von ihm abfallen zu können, und geraten sie hernach wieder in Angst, weil sie von Gott abgefallen sind, so gibt es für Sartre keinen Abfall aufgrund der Angst vor der Freiheit, sondern nur einen Abfall, der Freiheit ist und als Angst erlebt wird. Was also für die j 'Sündenfallerzählung' als Entwicklung geschildert wird (die Angst tritt auf und treibt den Mensch [sic] schuldhaft [!] in den Abfall), bildet für Sartre eine phänomenologisch unlösbare Einheit; was für J faktisch zusammengehört - Angst und Abfall - ist für Sartre ontologisch eins." (SB 3, 237; Die Betonung durch das Ausrufezeichen steht so im Original.)
269
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Die Angst sei für Sartre gegeben mit der Erkenntnis der leeren Möglichkeit der Freiheit und sie führe zum Empfinden der Scham und des Ekels vor sich selbst, ganz analog dem Auftreten der Scham nach dem Sündenfall in der Urgeschichte. Für Sartre entstehe diese Scham aus der Entdeckung der eigenen Kontingenz, der eigenen Nicht-Notwendigkeit, die er auch als eine Ungerechtfertigtheit im Dasein verstehe (vgl. SB 3, 238-241). Der Ekel beginne nach Sartre in der Selbsterfahrung, gehe aber von da auch in die Erfahrung der äußeren Welt ein (vgl. SB 3, 241-245). Beim Jahwisten entspreche dem die Entdeckung der eigenen Nacktheit (vgl. Gen 3, 7) und später die Erfahrung der Sperrigkeit und Widerspenstigkeit der Schöpfung (vgl. Gen 3, 16-19). Die Reaktion auf dieses Gefühl des eigenen Unberechtigt-Seins und der eigenen Überflüssigkeit sei nach Sartre, "allgegenwärtig und absolut notwendig zu werden" (SB 3, 239), also zu sein wie Gott. Die Hybris folge der Angst und der Scham, wie beim Jahwisten.

270
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Von zentraler Bedeutung für das Verständnis der jahwistischen Urgeschichte ist für Drewermann die Rolle "des Anderen" bei Sartre, die erhellen könne, warum die Menschen sich in der Urgeschichte so voreinander schämen bzw. miteinander konkurrieren. Die Einzelnen in ihrer Freiheit entwerfen sich nach Sartre ihre Welt je für sich und könnten sich somit als deren Mittelpunkt verstehen. "Der Andere", d. h. eine andere Person, zerstöre diese Welt, denn:

271
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"Das Auftreten des Anderen ist ... gleichbedeutend mit Entfremdung und Scham. Indem der Blick des Anderen mich trifft, verwandelt sich meine Welt. Ich muß erleben, wie die Dinge, die durch den Entwurf meiner Welt geordnet wurden, mir entzogen werden. Von Anfang an stehen also ich und der Andere als Konkurrenten im Kampf um die Behauptung der eigenen Welt frontal gegeneinander." (SB 3, 252)
272
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Indem "der Andere" mich anblickt, macht er mich zu seinem Objekt, ich werde beurteilt und bewertet. Schulderfahrung werde dadurch erst konstituiert.

273
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Damit zeigen sich weitere Motive der Urgeschichte: der Neid der Menschen aufeinander, ihr extremes Schutzbedürfnis und Konkurrenzgehabe. Sie erklärten sich nun nicht mehr nur aus einer bestimmten Einzelerfahrung, etwa der des Zurückgesetztseins wie in Drewermanns exegetischer Deutung der Kain-und-Abel-Geschichte (vgl. SB 1, 124-127), auch nicht aus einer zwar allgemeinmenschlichen, aber doch kontingenten Erfahrung wie der des Vernachlässigt-Werdens von den Eltern wegen anderer Geschwister (so die psychoanalytische Deutung des Kain-und-Abel-Motivs in SB 2, 279-282), sondern einfach aus der menschlichen Existenz als solcher. "Das Auftreten des Anderen ist der Grund, die Kontingenz die Voraussetzung des Schamgefühls." (SB 3, 256)

274
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"Gott" werde damit für Sartre der Inbegriff "des Anderen", da Gott wie ihn die Menschen denken - an sich existiert er für Sartre nicht - der ist, der mich immer sieht, mich immer zu seinem Objekt macht, und den ich nie sehe, der nie mein Objekt wird. Gott sei damit der, der die Menschen vollends objektiviere, sie vollends in die Scham, den Ekel vor sich selbst und das Schuldgefühl treibe. Deshalb müsse Sartre die Existenz Gottes als Behinderung des Menschseins ablehnen. Bringt man die Rolle eines Gegenübers bei Sartre auf einen Nenner, heiße das: "'die Hölle, das sind die andern.'" (SB 3, 267)43
275
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Aus dem Objektiviertwerden durch "den Anderen" gebe es für Sartre zwei Versuche, auszubrechen, die aber immer scheitern müßten. Der eine: sich selbst zur Notwendigkeit aufblähen, immer den anderen einen Schritt voraus sein im sie Verobjektivieren, sadistisch Macht ausüben; angewendet auf Gestalten der Urgeschichte passe dies auf Kain, Lamech und Nimrod (vgl. SB 3, 303-310). Der andere: sich ganz den anderen unterwerfen, sich so sehr objektivieren lassen, daß man die eigene Daseinsberechtigung gerade von den anderen wiedergewinnt; in der Urgeschichte passe dies zum Teil auf Abel, und die Erzählung von der "Engelehe" (Gen 6, 1-4; vgl. SB 3, 310-324). Beides sei zum Scheitern verurteilt. Da die Kontingenz der Menschen sich nicht verleugnen lasse, werde ich irgendwann wieder zum Objekt, weil jemand kommt und stärker ist als ich. Und: Irgendwann werde ich mir wieder bewußt, daß mich "der Andere" zum Objekt macht, da die Freiheit der Menschen sich nicht aufheben läßt. In einem solchen Daseinsentwurf müsse auch jede zwischenmenschliche Liebe scheitern. Auch sie könne nicht aus dem Teufelskreis retten, sondern werde selbst durch ihn verdorben, solange nicht - und hier setzt sich Drewermann wiederum von Sartre ab - die "religiöse Erfahrung der Nähe Gottes ... es dem Menschen [ermöglicht], menschlich zu lieben" (SB 3, 320), und zwar der Nähe eines Gottes, der verstanden werde als "absolute, mir gegenüberstehende Person, von der her mein Dasein seine Rechtfertigung und Gültigkeit bekommt" (SB 3, 277).

276
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"Anders ausgedrückt: ohne die Erfahrung des Glaubens, daß die eigene Existenz selbst ins vorhinein berechtigt und gewollt ist, bin ich darauf verwiesen, meine eigene Existenz zu wollen, indem ich den Anderen verneine, und meine Berechtigung zu erwerben, indem ich den Anderen zerstöre." (SB 3, 277)
277
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In all den genannten Beschreibungen mache Sartre die Strukturen des abgefallenen Menschseins in Gen 3-6 verständlich und zeige, daß die jeweiligen Motive nicht nur, wie in der psychoanalytischen Deutung, auf bestimmte an sich nicht notwendige Mangelsituationen zurückgeführt werden könnten, sondern wesentlich mit dem Bewußtsein der Menschen verbunden sind, allerdings nur unter der Voraussetzung des Abfalls. Drewermann kann Sartre nicht zustimmen,

278
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"wenn er ohne weiteres Freiheit und Abfall ineins setzt. Wahr ist, daß die Freiheit ... gleichbedeutend [ist] mit Angst und Kontingenz; nach J aber ist es nicht wahr, daß daraus notwendig das Streben folgt, sich selbst zur Grundlage seiner selbst, also zu Gott zu machen, daß das Erleben der eigenen Kontingenz notwendig gleichbedeutend ist mit Ekel und Absurdität." (SB 3, 326)
279
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"Es ist von der größten Wichtigkeit, immer wieder zu betonen, daß - ähnlich wie bei Kant und Hegel - auch die Sartresche Ontologie im Sinne des J zu spät, erst nach dem 'Sündenfall', einsetzt." (SB 3, 259)
280
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Wenn das Moment der Schuld gewahrt bleiben solle, müsse der Abfall eine Tat der Freiheit, nicht die Freiheit selbst sein. Andererseits: wenn und nachdem der Abfall vollzogen sei, träfen die von Sartre herausgearbeiteten fatalistischen Zwangsstrukturen auf das menschliche Dasein zu.

281
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(2) Sozialphilosophie
282
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Gen 9-11 wurde von Drewermann als die geschichtliche Seite der Existenz der abgefallenen Menschheit gedeutet. Hierfür erhofft er sich von Sartres Sozialphilosophie Aufschlüsse und Antworten, insbesondere auf die Fragen:

283
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"a) wie das Tun des Einzelnen (Adam) in das Tun aller übergehen kann und umgekehrt vom Tun aller geprägt wird, und
284
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b) wie von daher Freiheit und Notwendigkeit in der Praxis des Einzelnen und der Gruppe zusammenhängen." (SB 3, 352)
285
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Die Sartresche Sozialphilosophie soll ein Instrument bereitstellen, "den 'Prozeß' der Sünde mit der Freiheit des Einzelnen in Verbindung zu bringen und umgekehrt die soziale Dimension der Sünde an die Praxis des Einzelnen zurückzubinden" (SB 3, 358).
286
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"Dabei müssen wir jedoch noch einmal betonen, daß die Dialektik der Angst wirklich nur die soziale Vermittlung der Sünde, nicht aber deren Entstehung verständlich macht." (SB 3, 359)
287
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Eine zentrale Aussage in Sartres Sozialphilosophie sei, daß die Menschen, solange sie Mangel leiden, sich selbst entfremdet sind. Mit "Mangel" sei ein ganz einfaches materielles Fehlen gemeint: die Menschen stehen in Konkurrenz um die Ressourcen der Erde. Von hier aus würden die Konkurrenzerzählungen der Urgeschichte noch untere einem anderen Blickwinkel beleuchtet, der jedoch nach Drewermann später ansetzt als der existentiell-philosophische.

288
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Wichtig wird nun Sartres Begriff der "Serialität". In der Entfremdung seien die Menschen austauschbar, Nummern im einem Kollektiv. Der oder die Einzelne sind als konkrete Personen unwichtig. Diesen Zustand meine der Ausdruck "Serialität". Innerhalb des Kollektivs seien somit alle Menschen einander Konkurrenten. Diese Konkurrenzsituation sei nur zeitweise zu überwinden durch Konstituierung einer Gruppe zu gemeinsamem Handeln und die Identifikation der Einzelnen mit einem Wir, als Klasse, Volk oder sonstige Gesellschaft mit Zusammengehörigkeitsbewußtsein. Als Sicherungsmaßnahme gegen den Rückfall in die Serialität brauche die Gruppe den Eid, der eine Form der freiwilligen verinnerlichten Gewalt sei, und letztlich gerade deshalb wieder zum Zerfall führen müsse. Auch jede menschliche Gemeinschaft ist also nach Sartre letztlich zum Scheitern verurteilt unter der Voraussetzung des Mangels, der aber in seinem System notwendig gegebenen sei (vgl. SB 3, 336-352).

289
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Drewermann korrigiert auch hier vom Jahwisten her: nicht der Mangel, die Kontingenz, an sich mache die menschliche Gemeinschaftsbildung unmöglich, sondern ein schuldhaftes Verhalten der Menschen.

290
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Die Wechselwirkung in der Sünde zwischen den Einzelnen und der Gruppe sieht Drewermann als wichtig an. Es entstehe eine Dialektik, in der die Einzelnen notwendig die Sünden der Gruppe begehen und mittragen, andererseits aber die Gruppe durch den Beitrag der Einzelenen in der sündigen Praxis verharrt. Die Einzelnen dürften sich jedoch nicht als nur fremdbestimmt entlasten, sondern müßten anerkennen, daß sie mit ihrer persönlichen Freiheit, die Dialektik aufrecht erhielten.

291
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Dies will Drewermann an einem Beispiel verdeutlichen: Ein Mann, der während des "Dritten Reichs" durch die Umstände des Terrorregimes und aufgrund der Lebensgefahr für sich selbst und seine Familie zum Mittäter an Verbrechen wird, sei zwar durch die Gesellschaft bestimmt und trage seinerseits zu den Verbrechen der Gesellschaft bei, aber - und darauf legt Drewermann besonderen Wert - die Priorität liege bei der Freiheit des Individuums, sich bestimmen zu lassen. Der Daseinsentwurf eines solchen Menschen mache es erst möglich, daß ihn die Gesellschaft so vereinnahmen kann:

292
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Der " ... treue Familienvater, den wir uns vorstellen, [wird deshalb] mit Notwendigkeit zum Handlanger des Faschismus, ... weil er sich in seiner Freiheit nur und ausschließlich als Bürger und Familienvater entworfen hat; innerhalb dieses Entwurfs kann er wirklich nicht anders, als dem Druck irgendeines Nazi-Lakaien nachzugeben und selber ein Lakai zu werden." (SB 3, 367)
293
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" ... es zeigt ... [sich] erneut, daß die Diskussion des Bösen tiefer ansetzen muß als bei bestimmten moralischen Tatbeständen. Was in dem angenommenen Beispiel ... zum moralisch Bösen zwingt, was ... notwendig schuldig werden läßt, ist vorab zu allem einzelnen moralisch vindizierbaren Tun die Art ... [des] Selbstentwurfs, die im Grunde darin besteht, selber kein Selbst zu haben." (SB 3, 368)
294
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Wenn man die Selbstbestimmung der menschlichen Freiheit beachte, biete Sartres dialektischer Ansatz eine adäquate Verständnishilfe für den bibeltheologischen Begriff der "Korporativperson". Es ließen sich die beiden Extreme vermeiden, die Sünde entweder nur ins Soziale oder ausschließlich ins Private zu verlegen.

295
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"Es zeigt sich ... , daß ein adäquates Verständnis von Gn 3, 1-11, 9 (J) nicht möglich ist, wenn man nicht ... im Auge behält, wie die Praxis des Individuums die Praxis der Gruppe konstituiert und zugleich als seine eigene rückverinnert. Immer aber muß dabei bedacht werden, daß ich selbst mit meiner Schuld für mich der Urheber der Dialektik der Sünde bin und mich nicht als Opfer fremden Zwangs betrachten kann." (SB 3, 420)
296
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Mit diesen Gedankengängen scheint mir im Wesentlichen der Gewinn, den Drewermann aus Sartres Philosophie für die Deutung der jahwistischen Urgeschichte zu ziehen glaubt, dargestellt. Die am Ende der Besprechung von Hegel aufgeworfenen Fragen (siehe Link) wären damit wie folgt zu beantworten:

297
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Freiheit bedeute nach Sartre an sich schon Angst und damit in eins Abfall und Sünde. Vom Jahwisten her ist die zweite Gleichsetzung abzulehnen.

298
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Die Außenwelt erscheine in dieser Situation als feindlich und bedrohlich, entsprechend den Gegebenheiten "nach" dem "Sündenfall".

299
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Die "Strafen" aus Gen 3 seien identisch mit den "Strukturen des Fürsichseins".

300
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Die beiden nach Sartre möglichen Reaktionsweisen auf die Bedrohung und das Gefühl des Unberechtigtseins ließen sich deuten als Beschreibungen der biblischen Lamechgestalt und der Erzählung der "Engelehe".

301
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2. Struktureller Vergleich der bisherigen Deutungsmodelle

302
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Stellt man die bisherigen Deutungen der jahwistischen Urgeschichte nebeneinander, so ergibt sich nach Drewermann, eine "strukturelle Äquivalenz von Psa, Existenzanalyse und Geschichtsanalyse" (SB 3, 401). Die formale Struktur der jahwistischen Urgeschichte könne nun deutlich dargestellt werden. Es zeige sich, daß die beiden Teile der Urgeschichte, Gen 3-8 und Gen 9-11, genau parallel strukturiert seien. (Siehe hierzu die Schemata [hier Link einfügen]. Das Erste ist aus SB 3, 403 genommen und zeigt genannte Parallelität. Das Zweite stammt aus der Vorrede zur 2. Auflage von SB 1 (SB 1, LXXXIVf.) und stellt alle in den drei Bänden von »Strukturen des Bösen« angewandten Deutungsweisen nebeneinander.)

303
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"Zu diesem [dem ersten] Schema muß einschränkend gesagt werden, daß es einen Versuch darstellt, die Themenparallelität von Gn 3-6 und Gn 9-11 (J) zu verdeutlichen, daß es aber nicht beanspruchen kann, den Aufbau der j Urgeschichte im Sinne eines exegetischen Befunds wiederzugeben; es handelt sich um ein Schema, ... , das sich also nicht mehr streng aus dem Text selbst entwicklen läßt, sondern lediglich unsere Interpretation des Textes ordnet und von ihr her rückwärts wieder auf den Text übertragen wird." (SB 3, 402)
304
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Drewermann meint, die psychoanalytischen Deutungsmodelle für die Neuroseentwicklung existentiell interpretieren zu können. So spricht er etwa von einem "existentiellen 'Ödipuskomplex'" (SB 3, 324). Diese Wortschöpfung soll zum Ausdruck bringen, daß das ödipale Verlangen nach Vereinigung mit dem andersgeschlechtlichen Elternteil verstanden werden könne als "ein Ausdruck des existentiellen Strebens ... nach einer Vereinigung mit Gott ... , nach einer Aufhebung der Haltlosigkeit, Überflüssigkeit und Kontingenz des eigenen Daseins" (ebd.). Ähnliches gelte für die anderen neurosebildenden Konflikte der Ontogenese. In diesem Sinne meint er, die Daseinsanalyse habe den psychoanalytischen Befund vertieft, und konstatiert:

305
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"Wir erkannten ... , daß die Bedürfnisse der Oralität, Analität, und Genitalität als Symbole der 'obszönen Durchlöchertheit' des Daseins, der unendlichen Seinsbegierde des Bewußtseins angesichts seiner eigenen Nichtigkeit verstanden werden müssen ... ." (SB 3, 404)
306
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Im Folgenden gibt Drewermann eine Zusammenfassung der Erkenntnisse, die er aus der vergleichenden Anwendung der Methoden der Exegese, der Psychoanalyse, der Existenzphilosophie und der Sozialphilosophie gewonnen habe. Er tut dies so klar und knapp, daß es mir sinnvoll scheint, sie in längeren Passagen zu exzerpieren.

307
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" ... Ein Ergebnis [ist] besonders erstaunlich und von großer Wichtigkeit: wir können den Text von Gn 3, 1-11, 9 von der Psa her lesen und sinnvoll das Modell der Neurose als ein funktionales Schema zur Interpretation des 'kranken' und 'verkehrten' Daseins des Menschen in der j Urgeschichte verwenden; wir können desgleichen die philosophische Struktur des Hegel-Sartreschen Für-sich-seins als eines abgefallenen Seins der j Darstellung des Bösen unterlegen; und wir können gleichermaßen die dialektische Sozialphilosophie der Entfremdung heranziehen ... . Es sieht also so aus, als wenn wir bei der Beschreibung des Bösen in der j Urgeschichte immer wieder auf die gleichen Strukturen und Symptombilder stoßen würden; ... Was die Psa Neurose, die Existenzphilosophie das Für-sich-sein, die Sozialphilosophie Entfremdung nennt, scheint das Erscheinungsbild einer tiefer liegenden Wirklichkeit zu sein, die als Grundstruktur das Muster jener Symptomatologien abgibt ... ." (SB 3, 409)
308
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"Die Frage ist von daher, wo in der Psa, der existentiellen Psa und der Sozialphilosophie der Punkt ist, an dem die drei aufgeführten Untersuchungsverfahren ihren strukturellen Identitätskern, ihr gemeinsames Sinnzentrum besitzen. Der Kern der Neurose ist für die Psa (Freuds) die Abtrennungsangst ... ; der Kern des Für-sich-seins ist für die existentielle Psa ganz entsprechend ... der Mangel der Existenz; ebenso ist für die Sozialphilosophie die Entfremdung nur zu verstehen von der Grundtatsache des fundamentalen Mangels. ... Der Begriff des Mangels scheint also der Schlüsselbegriff zu sein, um den Abfall von Gott wiederzugeben." (SB 3, 410)
309
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Problematisch an allen drei Deutungen sei aber, daß der Mangel für sie notwendig zum Menschsein gehöre. Dies könne vor der Theologie des Jahwisten nicht bestehen.

310
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"Alle von uns angewandten Untersuchungsverfahren setzen im Grunde ... an der Stelle ein, wo die Menschen bereits von dem Baum der Erkenntnis gegessen haben (Gn 3, 7). Das geschieht zu Recht und kann auch der j Urgeschichte zufolge nicht anders sein, denn tatsächlich werden auch für J die Menschen erst in Gn 3, 7 zu dem, was sie de facto sind. Und doch besteht J darauf, daß das, was der Mensch ist, nicht das ist, was der Mensch sein sollte, ja daß er selber sich durch eigenes Tun zu dem gemacht hat, was er im Grunde niemals hätte sein und werden sollen; ... J meint ... , daß es menschliche Schuld ist, so bestimmt zu sein. Es nutzt dabei ... nichts, diese Schuld in einen phantastischen historischen Anfang zu verlagern, wie wenn es einen anderen Menschen (Adam) als mich selber gäbe, der die Schuld an meiner Sünde trüge; es kommt vielmehr darauf an, meine Sünde so darzustellen, daß in ihr das Wesentliche und Allgemeingültige, der Wesensanfang der menschlichen Schuld in der menschlichen Freiheit sichtbar wird." (SB 3, 427)
311
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Dies solle im Folgenden geleistet werden.

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3. Kierkegaards "Intuition" und der Übergang von der Philosophie zur Theologie

313
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Kierkegaard stimme mit der bisherigen Analyse darin überein, daß auch für ihn Angst notwendig zum freien Bewußtsein gehöre. Die leere Möglichkeit der Freiheit "und zwar nicht abstrakt verstanden als Freiheit, 'das Gute oder das Böse wählen zu können' ... , sondern Freiheit als Möglichkeit, überhaupt zu können, als Erfahrung des Nichts, das in dieser Möglichkeit liegt" (SB 3, 438)44, bringe notwendigerweise Angst mit sich. Im Gegensatz zu den vorhergehenden Denkern sehe aber Kierkegaard nicht die Freiheit selbst als Sünde an, und die Angst der Freiheit führe bei ihm auch nicht notwendig zur Sünde. Sondern, und hier argumentiere Kierkegaard letztlich theologisch, die Angst könne auf zwei Hauptwegen "beruhigt" werden. Der erste Weg ist der der "Verzweiflung", der sich noch einmal aufgliedere in den Weg der "Verzweiflung des Trotzes" oder der "Verzweiflung der Schwäche" (SB 3, 487), die darin bestünden, "verzweifelt man selbst sein zu wollen" oder "verzweifelt nicht man selbst sein zu wollen" (ebd.) und sich mit Sartres sadistischer bzw. masochistischer Lebenseinstellung parallelisieren ließen. Der zweite Weg bestehe darin, die Angst in Gott zu beruhigen. Dieser Weg werde am Ende der Verzweiflung sichtbar, wenn der oder die Verzweifelte aufgrund der Ausweglosigkeit der Verzweiflung zum Glauben finde, etwa dem vergleichbar, wie eine neurotische Person aufgrund des Leidensdrucks den Weg zur Psychotherapie finde. Wenn die Angst einmal zur Sünde geführt habe, gebe es für die Menschen keine Selbstbefreiung daraus, es brauche dazu Gott und den Glauben an Gott als einer freien Person, die mich und mein Dasein will, rechtfertigt und trägt. Der Glaube "bejaht das Irdische von Gott her, er gewinnt das Endliche vom Unendlichen her zurück" (SB 3, 499). Die Verzweiflung gehe dabei dem Glauben immer voraus, und "sie enthält auch in sich selbst eben die Momente, die den Glauben bestimmen" (SB 3, 501).

314
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Was "Verzweiflung" bedeute, werde auf dem Hintergrund der Anthropologie Kierkegaards deutlich. Nach ihr sei der Mensch ein Wesen, dessen Freiheit von Angst vor der "furchtbaren Möglichkeit der unendlichen Selbstverfehlung" (SB 3, 439) geprägt sei. Die menschliche Existenz müsse sich in der Spannung von je zwei Polen vollziehen, Endlichkeit und Unendlichkeit, und Möglichkeit und Notwendigkeit. Wenn ein Mensch aufgrund der Angst sich an einen dieser Pole klammere und die anderen damit aus seinem Daseinsentwurf ausschließe, sei er verzweifelt im Sinne Kierkegaards. Drewermann seinerseits parallelisiert die so entstehenden vier Arten der Verzweiflung mit den vier klassischen Neuroseformen der Psychoanalyse. Es entsprächen einander:

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316
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die Verzweiflung der Unendlichkeit

und die Depression;

die Verzweiflung der Endlichkeit

und die Schizoidie;

die Verzweiflung der Möglichkeit

und die Hysterie;

die Verzweiflung der Notwendigkeit

und die Zwangsneurose (vgl. SB 3, 469-476).

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Mit Kierkegaards Intuition, daß die Angst vor der eigenen Freiheit in die Sünde führe, was für ihn "eine rein dogmatische These" sei, die "sich prinzipiell nicht beweisen" (SB 3, 452) lasse, sei die Rolle der Freiheit im Zustandekommen des Prozesses der Sünde überzeugend gerettet. Die Psychologie verhelfe dabei "zu einem Verständnis des Interesses, das die Freiheit daran haben muß, vor sich selbst in die Unfreiheit der Sünde zu fliehen" (SB 3, 453). Doch sie könne nur eine Wahrscheinlichkeit, keine echte Notwendigkeit begründen. Für Kierkegaard sei die Verzweiflung "die eigentliche Form der Sünde, das genaue Gegenteil des Glaubens" (SB 3, 462). Da aber die Verzweiflung in einem verzerrten Verhältnis zu sich selbst bestehe, sei die Sünde im letzten eine Verfehlung im Selbsverhältnis einer menschlichen Person zu sich.

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"Daraus folgt, daß der Glaube im weitesten Sinne als wahrer Selbstvollzug der menschlichen Existenz verstanden werden muß. ... Nur in Gott als dem Anderen meiner selbst kann ich mich selbst finden, sowie mein Glaube zunächst nichts anderes ist als ein rechtes Verhältnis zu mir selbst." (SB 3, 464)
319
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"Fehlt dem Menschen ein fester Halt in dem Gegenüber Gottes, so kann der Mensch die Angst der Existenz in ihren Spannungen nicht aushalten." (SB 3, 481)
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Es entstehe dann das erkrankte Dasein, wie es sich in der jahwistischen Urgeschichte gezeigt habe. In einer letzten tabellarischen Gegenüberstellung (SB 3, 482; siehe nächste Seite) trägt Drewermann die Zuordnung von Gen 3-8 zu den Kierkegaardschen Verzweiflungsformen zusammen.45

321
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"Freilich muß dabei gesagt werden, daß diese Interpretation selbst nicht unmittelbar den exegetischen Befund auslegt, sondern lediglich die psa und existentielle Deutung weiterinterpretiert und die dort getroffenen Auslegungen, wie J es fordert, 'vor Gott' stellt." (SB 3, 483)
322
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Ein wesentliches Element der Deutung durch Kierkegaard sei aber, was bereits bei Hegel deutlich wurde und der christlichen Lehre sehr wohl entspreche, daß die Alternative zur Sünde erst rückblickend - theologisch gesprochen: vom Glauben her - erkennbar sei.

323
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" ... Vom Glauben her erkennen wir, daß es keineswegs notwendig war, daß der Mensch in seiner Angst vor der eigenen Freiheit sich in sich selbst zurückzog und seine Existenz in die selbstgeschaffenen Notwendigkeiten der Sünde einschloß." (SB 3, 501)
324
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Es lasse sich sagen, daß in der menschlichen Angst "der Glaube mindestens virtuell ebenso angelegt war und ist wie die Verzweiflung. Das bedeutet, daß der Schritt, der von der Angst nicht in den Glauben, sondern in die Verzweiflung führt, vom Glauben her betrachtet Schuld ist." (SB 3, 501f.)
325
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"Das psychologisch Notwendige gibt sich als das theologisch Nicht-Notwendige und Falsche zu erkennen, freilich erst vom Standpunkt eines Vertrauens aus, das im Status der Angst selbst gar nicht vollziehbar zu sein schien." (SB 3, 502f.)
326
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Dies entspreche auch der Aussageabsicht des Jahwisten, nach dem die Schuld auch erst von der Erwählung Abrahams her in Genesis 12 erkennbar werde (vgl. SB 3, 579).

327
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Drewermann betont sehr, daß die Schuldhaftigkeit erst den Glaubenden aufscheine, und so die Menschen, bevor sie zum Glauben kommen, in die Notwendigkeit verstrickt seien, die sich psychologisch und philosophisch gezeigt habe.

328
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" ... Was der Mensch eigentlich ist, erkennt erst der Glaubende; er aber hat bereits hinter sich, was der Mensch als Sünder ist." (SB 3, 548)46
329
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"Immer werde ich im Glauben rückwärtsblickend sagen müssen: ich konnte gar nicht anders; und doch kann ich ja anders und sehe es als meine Schuld an, nie anders gekonnt zu haben." (SB 3, 550)
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So sei "der Glaube an Gott ... das, was den Menschen als ganzen schuldig spricht; er ist zugleich das einzige, was ihn erlösen kann." (SB 3, 552)
331
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Der Glaube aber sei - anders als der Gang zur Psychoanalyse - nicht eine Entscheidung der Menschen, sondern zunächst ein Handeln Gottes, ein Herausrufen der Menschen aus ihren Verstrickungen (Gen 12, 1; vgl. SB 3, 558), das dann erst die Schulderkenntnis und die Erlösung von der Schuld ermögliche. Und: " ... während die Heilung der Neurose darin besteht, auch vom Therapeuten loszukommen, besteht die Heilung von der ... [Sünde]47 darin, mit Gott immer enger verbunden zu sein." (SB 3, XXXVI)

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E. Zusammenfassung: "Erbsünde" bei E. Drewermann

333
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Der Begriff der Sünde bezeichnet für Drewermann "eine Wirklichkeit ... , die (allen) anderen Formen, in denen das Böse auftritt, zugrunde liegt" (SB 3, 576). Man könne vereinfacht so formulieren: " ... alles ist gut in der Einheit mit Gott, alles ist schlecht in der Trennung von Gott" (ebd).

334
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" ... Die Sünde [wird] in der j Urgeschichte als eine Macht verstanden ... , die mit Unerbittlichkeit und Notwendigkeit den Menschen in eine Verkettung hineinzieht, die nur um so zwanghafter wird, je verzweifelter der Mensch versucht, ihr zu entkommen. Daß die Sünde die Unfreiheit schlechthin ist, diese theologische Grunderkenntnis des Christentums findet sich, so meinen wir, bereits in Gn 2, 4b-11, 9 (J)." (SB 3, 578)
335
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"Insofern ist die Sünde nach J etwas, das alle Menschen ergreift und von ihnen selbst nicht mehr rückgängig gemacht werden kann. Damit trifft J zwei Aussagen über die Sünde des Menschen, die unzweifelhaft den Kern auch der christlichen Erbsündenlehre darstellen." (SB 3, 579)
336
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In zwei Punkten gehe die christliche Lehre wesentlich über die Gedanken des Jahwisten hinaus: die Zugehörigkeit zur Kirche, dem neuen Israel, ist nicht mehr an Geburt gebunden, sondern beruht auf dem Glauben der Einzelnen, der durch das Gnadengeschenk Gottes und die freie Annahme dieses Geschenks durch die Menschen zustandekomme. Desweiteren seien mit der durch die Person Christi gegebenen Personalisierung des Denkens auch die Aussagen des Jahwisten in christlicher Sicht personal und existentiell und nicht kollektiv und biologisch zu denken (vgl. SB 3, 579).

337
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Was Erbsünde sei, drücke Paulus im Römerbrief aus, wenn er sagt: "' ... was ich vollbringe, verstehe ich nicht; denn nicht das, was ich will (das Gute), tue ich, sondern was ich hasse (das Böse), tue ich ... Dann aber vollbringe nicht mehr ich es, sondern die in mir wohnende Sünde' (Rm 7, 15.17)" (SB 3, 583; Bibelzitat von SB übernommen). "Erbsünde" besage damit nichts anderes, "als daß der Mensch nicht gut sein kann, weil und solange er von Gott getrennt ist" (SB 3, LXXIII). Gerade durch diese Voraussetzung sei das Christentum eine echte Erlösungsreligion (vgl. ebd.).

338
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Zusammenfassend läßt sich sagen: Erbsünde ist für Drewermann eine Struktur der Unfreiheit, in die die Menschen unweigerlich hineingeraten, und aus der sie nur durch ein Handeln Gottes befreit werden können. Solange sie nicht durch Gnade zum Glauben gekommen sind, können sie die Zwangsstruktur nicht durchbrechen, und auch nicht durchschauen, daß sie mit ihrer Freiheit diese Struktur selbst konstituieren, d. h. schuld daran sind. Ursache der Sünde ist der Versuch, die notwendig mit der menschlichen Freiheit gegebene Angst auf falsche Weise, nämlich unabhängig von Gott zu beruhigen. Ohne Gott verkehrt sich das gesamte Dasein ins Negative. "Erbsünde" ist für Drewermann weder etwas historisch erstes im weltgeschichtlichen Sinn, noch im biographischen Sinn; nicht ein erster Mensch und nicht ich irgendwann habe eine erste Sünde begangen, aufgrund derer ich nun in die Struktur der Sünde verstrickt bin, sondern die Freiheit der Menschen geht in jede Handlung ein, und insofern sie sich aus Angst in die Unfreiheit begibt, ist "Erbsünde" (vgl. SB 3, 155). Daraus scheint mir zu folgen, daß in der einzelnen Handlung deshalb nicht unterscheidbar ist, wie viel daran frei und wieviel unfrei ist. Um Menschen aus dieser Struktur zu befreien, ist es nicht hilfreich, sondern kontraproduktiv, mit moralischen Druckmitteln oder Appellen an ihre von ihnen verkannte Freiheit zu arbeiten, sondern es ist notwendig, zuerst die Daseinsangst in Gott zu beruhigen, dann kann die moralische Besserung beginnen, bzw. wird sie quasi von selbst beginnen.

339
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Diese Konsequenz der Erbsündenlehre, ihr anti-pelagianischer Aspekt, ist Drewermann ungeheuer wichtig, ja man kann sagen, sie ist der Zielpunkt der gesamten Arbeit.

340
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Daß das, was Drewermann die "diagnostische" (SB 3, LXXIV) oder "interpretative"48 Funktion der Erbsündenlehre nennt, sein Hauptanliegen ist, zeigt sich auch darin, daß er die diesbezüglichen Ausführungen in SB 3, LXIX-LXXXIV in »Psychoanalyse und Moraltheologie«49 wiederholt und darauf heftige Kritik an der kirchlichen Moraltheologie gründet. Wenn Erbsünde ein "Fehlverhalten am Grund der Existenz" (SB 1, XIII) sei, ein falsches Verhältnis zu Gott, das die Menschen unfrei halte, dann habe es keinen Sinn, kirchliche Verkündigung als "moralisierende Rhapsodie" (SB 3, 565) zu betreiben, sondern man müsse anerkennen:

341
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"Das einzig entscheidende Thema des menschlichen Lebens, so sieht es J, ist die Frage, in welch einem Verhältnis der Mensch zu Gott steht; alle Fragen nach Moral und Handeln ... kommen später." (SB 3, 565)
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"Das Problem des Bösen ist nicht intellektuell oder willentlich zu lösen, die Kernfrage lautet vielmehr: woher rührt die Angst des Menschen und wie beantwortet man sie. ... Ohne den Hintergrund der Angst zu sehen, verurteilt man sich selber nur zu sinnlosen Anschuldigungen und verständnislosen Vorwürfen. Demgegenüber stellt die Lehre von der 'Ursünde' eine Sichtweise dar, die den Menschen in den Verstrickungen des Bösen gütiger und gerechter zu sehen lehrt, als es alle moralischen Betrachtungen zu tun vermögen." (SB 3, LXXV)
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"Die vorliegenden drei Bände sind nicht geschrieben worden, um die Möglichkeit zu eröffnen, in theologischer Besserwisserei auf die Straße zu gehen und jedem, der dort zerstört, zerquält, verzweifelt, großtönend oder kleinlaut sich dahin schleppt oder eilt, mit der Formel entgegenzutreten, er habe keinen Glauben, das Unglück seines Lebens sei seine Glaubenslosigkeit. ... Nur wer nicht anklagt, beruhigt; nur wer beruhigt, versteht; und nur wer versteht, mildert das Böse." (SB 3, 584)
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II. Teil 2: Vergleiche, und Folgerungen aus Drewermanns Analyse;

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Im folgenden zweiten Teil meiner Arbeit soll Drewermanns Entwurf einer Kritik unterzogen werden. Dabei ergeben sich die zu diskutierenden Punkte zum Teil aus Drewermanns Anliegen selber, etwa dem, Freiheit und Notwendigkeit miteinander zu vermitteln, teils aus seinen Abweichungen von der traditionellen Erbsündenlehre und aus seinen methodischen Postulaten. Es soll versucht werden, festzustellen, inwieweit Drewermann seinem eigenen Anliegen gerecht wird, welche Vorteile seine Neuinterpretation der Erbsündenlehre bietet, und welche Probleme sie aufwirft.

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A. Kurzvergleich mit der Tradition und zwei modernen Entwürfen der Erbsündentheologie

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Um für diese Unternehmung ein Raster zu haben, gegen dessen Hintergrund wir Drewermanns Analyse halten können, scheinen einige kurze Vergleiche angebracht. Sie sollen allerdings wirklich nur sehr knappe Skizzen sein. Die Auswahl der drei Vergleichsobjekte ist dabei so begründet:

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Die traditionelle Erbsündenlehre ist es, von der Drewermann meint, daß seine Exegese der jahwistischen Urgeschichte sie "erweitern und ... vertiefen" (SB 1, LVIII) könne. Um dies zu überprüfen, ist ein kurzer Abriß dieser traditionellen Lehre vonnöten.

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Der Entwurf Piet Schoonenbergs hat in der neueren Diskussion um die Erbsündenlehre erhebliche Bedeutung und ist daher geeignet, Drewermanns Thesen einen Vergleichspunkt zu bieten. Außerdem ist dieser Entwurf der einzige, mit dem sich Drewermann explizit auseinandersetzt, und ihn als unzureichend kritisiert (vgl. SB 3, 363-373). Auch dies scheint einen Blick wert.

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Der Entwurf Paul Tillichs hingegen wird von Drewermann mit keinem Wort erwähnt, was erstaunt angesichts einer verblüffenden Ähnlichkeit beider Entwürfe. Auf diese, und auch einige wesentliche Unterschiede soll kurz verwiesen werden.

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1. Die traditionelle Erbsündenlehre

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Bei meiner Darstellung stütze ich mich im Wesentlichen auf den Beitrag Schoonenbergs in »Mysterium Salutis«50.

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Ein wesentlicher Anstoß zur Entwicklung der Erbsündenlehre war die Auseinandersetzung Augustinus' mit dem Pelagianismus. Gegenüber diesem wollte der Bischof von Hippo die Notwendigkeit der göttlichen Gnade zur Errettung der Menschen und zum moralisch guten Handeln betonen. Seine Deutung der Genesis und des Pauluswortes in Röm 5, 12 sind dabei von großer Bedeutung. Augustinus entwirft als erster eine systematisch Erbsündenlehre:

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Adam und seine Frau seien im Paradies in einem besonderen Gnadenstand gewesen, unsterblich und wirklich frei. In ihrer Freiheit hätten sie gesündigt, seien so sterblich geworden (vgl. DS51 222) und hätten die besondere Gnade verloren. Da alle Menschen von diesem Urpaar abstammten, werde die Ursünde durch die Zeugung auf alle übertragen (vgl. DS 372), so daß alle Menschen sterblich seien, wirkliche Sünderinnen und Sünder seien und deshalb von Gott zu Recht alle mit der Verdammnis bestraft werden könnten. Nur seine Gnade könne sie von diesem Schicksal erlösen, die völlig frei und souverän geschenkt oder auch vorenthalten werden könne. Die auf die Nachkommen von Adam und Eva übergegangene Sünde sei echte Sünde (vgl. DS 728), aber nicht persönliche Sünde (vgl. DS 780). Sie gehe ohne Zustimmung der Nachkommen auf sie über. In ihnen bewirke sie die Konkupiszenz, die Neigung, zu sündigen, die die Menschen dann in weitere, persönliche und selbst gesetzte Sünden treibe. Die Erbsünde werde in der Taufe getilgt, nicht aber deren Folge, die Begierlichkeit. Auch getaufte Eltern gäben die Erbsünde an ihre Kinder weiter. Deshalb müßten auch Säuglinge christlicher Eltern getauft werden, um vor der (gerechten) ewigen Verdammung bewahrt zu werden.52

355
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Die Scholastik ordnete die Erbsünde der aristotelischen Kategorie des "Habitus" zu, und Thomas von Aquin verglich sie mit einer Krankheit, da sie eben nicht frei, sondern zwangsläufig angeeignet sei.53 Die Augustinische Theologie der Erbsünde ging - wie oben durch die DS Verweise schon angedeutet - im wesentlichen auch in die Lehrdokumente der Kirche ein.54

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Zusammenfassend läßt sich sagen, daß die traditionelle Erbsündenlehre vier Hauptfunktionen innerhalb des christlichen Weltbildes erfüllt:

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1) Sie will verständlich machen, warum es in einer guten Schöpfung von einem guten und allmächtigen Gott Böses gibt: aufgrund der menschlichen Freiheit (Theodizeefunktion 1).

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2) Sie will erklären,

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a) warum es Böses in der Welt gibt, das nicht direkt auf menschliches Tun zurückgeführt werden kann (Katastrophen, Tod) oder

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b) nur auf unfreiem oder unbeabsichtigtem Tun der Menschen basiert: Vererbung der ersten Schuld (Theodizeefunktion 2).

361
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3) Sie will zeigen, warum die Menschen unfrei sind und deshalb bloßes Bemühen, einem guten Vorbild zu folgen, ohne göttliche Gnade fruchtlos und demnach eine Selbsterlösung unmöglich ist (Anti-Pelagianismus-Funktion).

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4) Sie will die Notwendigkeit der Taufe begründen, vor allem auch der Kindertaufe, und damit kirchliche Praxis legitimieren. Außerdem gibt sie eine Begründung dafür, daß Gott gerechterweise die Menschen verdammen könne. (Theodizeefunktion 3)

363
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Mit Ausnahme dieser 4. Funktion, die man nach der "Entdeckung" des allgemeinen Heilswillen Gottes und der daraus resultierenden universalen Heilshoffnung der Kirche55 für alle Menschen wohl vernachlässigen kann, bzw. stark neu interpretieren muß, bleiben diese Funktionen wohl weiterhin von Bedeutung, und eine adäquate Interpretation der Erbsündenlehre müßte sie erfüllen können. Sie bieten damit Kriterien, eine solche Adäquatheit zu prüfen. Die Notwendigkeit einer Neuinterpretation ist leicht daraus zu ersehen, daß viele der Voraussetzungen der traditionellen Erbsündenlehre aufgrund der modernen Naturwissenschaften als widerlegt oder zumindest aufgrund des modernen Weltbildes als nicht mehr einsichtig gelten müssen.

364
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Ich versuche nun kurz darzulegen, wie Drewermanns Modell die genannten Funktionen der Erbsünde erhalten will.

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1) kann als unverändert erhalten gesehen werden. Die menschliche Freiheit ist Ursache dafür, daß es Böses in der Welt gibt. Allerdings ist der "Anlaß" für die Freiheit, sich von Gott abzuwenden, nicht in erster Linie Hybris, sondern zunächst Angst.

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2) versucht Drewermann so zu beantworten:

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a) Der physische Tod tritt nicht erst "nach" dem "Sündenfall" ein, aber er wird erst dann als Fluch erfahren. "Vorher" hätten die Menschen mit dem Vertrauen auf das Leben bei Gott lebenssatt und ohne Angst vor dem Tod auf diesen zugehen können (vgl. SB 1, 95f.). Analoges gilt von der "Widerspenstigkeit" der Schöpfung, die erst so erfahren werde, weil die Menschen sich nicht mehr in Gott geborgen fühlten (vgl. SB 1, 90-92; zum Gesamten vgl. das Nachwort zur 3. Auflage von SB 1; SB 1, 335-389).

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b) Daß Menschen unfrei oder unabsichtlich Böses tun, liegt daran, daß sie aus Angst in eine Verstrickung und damit in eine echte Unfreiheit und Notwendigkeit zur Sünde hineingeraten sind.

369
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3) Aufgrund des Kreislaufs von Angst und Schuld und der daraus resultierenden verzerrten Wahrnehmung der Wirklichkeit ist eine Selbsterlösung undenkbar. Nur die Begegnung mit der absoluten Person Gottes kann daraus befreien.

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4) Die (relative) Notwendigkeit von explizitem Glauben und Taufe bleibt bestehen, beides darf aber nicht auf bloße Äußerlichkeit reduziert werden. Impliziter Glaube ist unabdingbar zur Erlösung.

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Dies soll als knappe Darstellung dessen gelten, wie Drewermann die wichtigen Funktionen der traditionellen Erbsündenlehre erhalten will. Inwieweit es ihm gelingt, werden wir in den Punkten B. 2.-6. (siehe Link) erörtern.

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2. Piet Schoonenberg

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a) Darstellung von Schoonenbergs Entwurf

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Schoonenberg56 will mit seinem Entwurf verdeutlichen, was mit dem biblischen Begriff der "Sünde der Welt" gemeint sei und schlägt vor, die Deutung dieses biblischen Begriffs mit der Lehre der Erbsünde zu vergleichen und letztere durch sie zu ergänzen oder ganz neu zu interpretieren.57 Ich werde hier nach der zweiten Möglichkeit vorgehen.

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Schoonenberg geht davon aus, daß Menschen, auch wenn sie frei sind, immer in Situationen agieren und reagieren müssen, die sie vorfinden, die ihnen also vorgegeben sind, und nicht durch ihre, wohl aber durch die Freiheit früherer Personen, bestimmt wurde. Diese Situationen könnten zwar die menschliche Freiheit nicht aufheben, sie aber doch einschränken. Menschen finden sich nie ohne vorgeprägte Situation vor und sind demnach durch die Situation selbst "situiert".58 Eine solche Situierung der Menschen könne innerhalb ihrer Existenz (d. h. "existentiell") geschehen, aber auch so, daß es "unserem Existieren vorausgeht und es umfangen hält"59, so daß dadurch ein ganzer Wertbereich der menschlichen Freiheit entzogen würde. Die Freiheit höre zwar nicht an sich zu bestehen auf, aber "ein bestimmtes Gebiet [werde] ihrem Aktionsradius entzogen"60. Diese Art des Situiert-Seins nennt Schoonenberg "existentiales Situiert-Sein"61. Da Sünde im Letzten nicht ein Verstoß gegen einen bestimmten endlichen Wert, sondern ein "Verstoß gegen die ganze Wirklichkeit Gottes und der Welt"62 sei, bestehe letztlich ein Situiert-Sein in der Sünde in einem Situiert-Sein in der Ablehnung der Gnade. Die Gnadenvermittlung zu Gott oder die Gnadenlosigkeit ohne Gott vermittle jede Person anderen Personen; auf diese Weise könnten sich die Menschen in ihrem Situiert-Sein beeinflussen.63

376
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Dieses Modell des menschlichen Situiert-Seins kann nun zur Deutung der Erbsündenlehre herangezogen werden. Durch freie Entscheidungen zum Bösen früher lebender Menschen werden spätere Generationen in der Sünde situiert, und zwar auf existentiale Weise. Dieses Situiertsein ist damit "ein das Subjekt innerlich bestimmendes Moment"64. Erbsünde wäre also etwas, das den Menschen inhäriert, aus menschlicher Freiheit hervorgeht, aber nicht aus der Freiheit der durch sie Betroffenen, sondern aus der früherer Generationen. Auf die Betroffenen gehe sie zwangsläufig über.65 Erbsünde müsse von der persönlichen Sünde und von der habituellen Sünde unterschieden werden, könne aber nicht mathematisch gegen diese Arten von Sünde aufgerechnet werden, sondern "die Erbsünde ist immer nur ein Moment an der ganzen Existenz des Menschen"66. Auf jeden Fall müsse "die Erbsünde gegen eine personalistische und existentialistische Deutung abgegrenzt [werden], die sie auf eine Art persönliche Sünde reduziert"67. Schoonenberg meint, sein Versuch, die Erbsünde als Situiert-Sein zu deuten

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"vermeidet einerseits die Reduzierung der Erbsünde auf die habituelle persönliche Sünde und läßt sie trotzdem zum personalen Bereich gehören; anderseits vermeidet er eine Reduzierung der Erbsünde auf einen naturhaften Vorgang, gewährt aber zugleich, daß sie eine Gegebenheit ist, die der persönlichen Stellungnahme eines jeden vorausliegt"
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68.
379
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Die vier oben genannten Funktion würden also in Schoonenbergs Deutung so erfüllt:

380
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1) bleibt unverändert erhalten. Die freien sündigen Taten früher lebender Menschen schaffen das sündige Situiertsein später Geborener.

381
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2) Durch das existentiale Situiert-Sein in der Sünde wird klar, warum Menschen auf (im jeweiligen Wertbereich) unfreie Weise Böses tun (2b). Zur Erklärung des Zustandes der Schöpfung und des Todes (2a) scheint der Entwurf nichts beizusteuern. Auch er muß, wie Drewermanns, den physischen Tod der Menschen als Schöpfungsgegebenheit ansehen.69

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3) Da durch das existentiale Situiertsein in der Sünde ganze Wertbereiche ausfallen können, kann ein moralisches Bemühen nicht daraus befreien, denn dies setzt ja zumindest die Werterkenntnis voraus. Es bliebe zu fragen, ob und wie Werte "nachgelernt" werden können.

383
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4) Eine mögliche, und die christliche, Antwort darauf ist: durch Bekehrung und Glaube, also durch ein Eingreifen Gottes.

384
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b) Kritik Drewermanns daran (vgl. SB 3, 363-373)

385
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Drewermann stimmt mit dem Anliegen Schoonenbergs überein, daß die Sünde weder der menschlichen Natur noch der individuellen Freiheit allein zugeschrieben werden dürfe (vgl. SB 3, 363). Er glaubt jedoch, Schoonenbergs Ausführungen würden dem nicht gerecht. Es sei richtig, daß jeder Mensch in eine sündige Situation hineingeboren werde, "die seiner eigenen individuellen Stellungnahme vorausliegt" (SB 3, 364). Auch richtig und bedeutsam sei die Einsicht Schoonenbergs, daß alle Menschen durch ihr eigenes Tun wieder teilnehmen an der Unheilssituation und so später Geborene situieren. Doch meint Drewermann, Schoonenberg könne "das Wechselspiel zwischen vorgegebener Sündigkeit, individueller Freiheit und neuerlicher Schuld" (SB 3, 364) nur hinnehmen, "ohne es in sich selber geistig zu durchdringen und von dem Selbstvollzug menschlicher Freiheit her verstehbar zu machen" (ebd.). Der Begriff der Situiertheit könne "die Verzahnung von (individueller) Freiheit und (kollektiver) Sünde nur" (SB 3 365) benennen, nicht aber begründen. Denn zur Deutung der Erbsündenlehre sei es notwendig, nicht zu erklären, wie es möglich ist, daß Menschen durch die Sünde anderer in die Sünde geraten, sondern wie es möglich ist, daß allen Menschen dies geschieht, oder mit anderen Worten, wie es zur Allgemeinheit der Sünde kommen könne. Dazu sei es notwendig, zu verstehen, wie die Sünde aus der Freiheit einer einzelnen Person hervorgehe. Denn erst wenn das einsichtig sei, könne man auch verstehen, wie andere Menschen dadurch weiter in den Kreislauf gezogen würden (vgl. SB 3, 366f.). An dieser Stelle diskutiert Drewermann das Beispiel vom Familienvater, der aufgrund seines Selbstentwurfs zum Mittäter des Nazi-Regimes wird, das ich oben (siehe Link) schon vorgestellt habe. Man müsse erst verstanden haben, was Sünde existentiell sei (ein verfehlter Selbstentwurf), um verstehen zu können, wie sie zum Existential werde. Drewermann weist darauf hin, daß Sünde kein "Existential" in dem Sinne sein könne, daß sie mit der menschlichen Natur gegeben sei. Gerade dies wolle auch Schoonenberg vermeiden. Indem er jedoch den Heideggerschen Begriff des Existentials verwende, lege er dies nahe; dann könne aber keine Schuldhaftigkeit mehr festgestellt werden (vgl. SB 3, 368f.). Drewermann meint eine Lösung dieses Problems gefunden zu haben durch seine Betonung der menschlichen Grundbefindlichkeit der Angst. "Ein Existential dagegen ist die Angst als die Art, in der die Freiheit des Subjektes sich selbst wahrnimmt ... ." (SB 3, 369) Zu welchem Ergebnis das führt, haben wir bereits gesehen.

386
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Drewermanns Kritik an Schoonenberg besteht also in der Hauptsache darin, daß durch Schoonenbergs Modell zwar gezeigt werde, wie das Verstricktsein in die Sünde von einer Person zur anderen gelangen könne, aber daraus nicht deutlich werde, wie die Menschen überhaupt in die Sünde gerieten, und insofern auch der Übergang nur beschreibend hingenommen, nicht aber erläuternd verstehbar gemacht würde. Dies ist nach Drewermann nur möglich, wenn man "Freiheit und Notwendigkeit als Momente ein und derselben Freiheitshandlung" (SB 3, 370) versteht, wobei das Element der Notwendigkeit gerade aufgrund der menschlichen Schuld entsteht. Daß es dazu kommen könne, mache der Begriff des Existentials der Angst deutlich. Von Schoonenberg her könnte man allerdings an Drewermann die Anfrage richten, ob nicht in seinem Entwurf die Erbsünde auf "eine Art persönliche Sünde reduziert"70 werde. Drewermann würde dies wohl zurückweisen, da für ihn "Erbsünde" nicht in einer einzelnen Tat, sondern in einem ganzen Daseins- oder Selbstentwurf besteht.

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3. Paul Tillich

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Wie schon erwähnt, finden sich einige Parallelen zwischen der Theologie Tillichs und der Drewermanns, besonders in Bezug zur Bewertung der Angst im menschlichen Leben und bei ihrer Rolle für die Erbsünde, ebenso wie im Verständnis der Erbsünde überhaupt. In seiner Schrift »Der Mut zum Sein«71 entwirft Tillich eine ausführliche "Ontologie der Angst"72 und beschreibt ihre Überwindungsmöglichkeit, was ich kurz darlegen werde.

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Nach einigen geistesgeschichtlichen Ausführungen über den Mut führt Tillich den begriff der Angst ein:

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"Die Angst ist der Zustand, in dem ein Seiendes der Möglichkeit seines Nichtseins gewahr wird, oder kürzer gesagt: Angst ist das existentielle Gewahrwerden des Nichtseins. ... Angst ist Endlichkeit erfahren als unsere eigene Endlichkeit. Das ist die natürliche Angst des Menschen als Mensch ... ."73
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In jeder Angst vor einer besonderen Situation sei die Angst des Menschseins als solchem enthalten.74 Darauf zählt Tillich einige Arten von Grundängsten auf75 und steckt das Verhältnis zwischen natürlicher und krankhafter Angst ab:

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"Die pathologische Angst ist ein Zustand, zu dem die existentielle Angst unter besonderen Bedingungen führt. Die allgemeine Natur dieser Bedingungen hängt von der Beziehung der Angst zu Selbstbejahung und Mut ab. ... Die Neurose ist der Weg, dem Nichtsein auszuweichen, indem man dem Sein ausweicht."76
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Die Erlösung oder Überwindung der Angst geschehe durch den Mut, "wenn Mut als Selbstbejahung des Seins trotz des Nichtseins definiert wird"77. "Die ontologische Selbstbejahung hat Priorität vor allen Unterscheidungen zwischen metaphysischen, ethischen oder religiösen Definitionen des Selbst."78 Man könne diesen Mut den "Mut, man selbst zu sein"79 nennen. Dieses Selbst sei aber nicht nur Individuum, sondern partizipiere auch an der Welt.80 Beides, ein individuelles Selbst zu sein, und als Selbst Teil von etwas Größerem zu sein, brauche bestimmte Arten von Mut und böte deshalb auch Anlässe zu Fehlformen des Mutes beim Partizipieren an einer Gemeinschaft81 und bei der individuellen Selbstbejahung82. Schließlich gipfelt Tillichs Darstellung in der Feststellung, daß ein echter lebenstragender Mut in seinem Sinne nur von der Transzendenz her ermöglicht werden könne. Wenn der Mut die "Selbstbejahung des Seienden trotz des Nichtseins" sei, dann bedürfe "er der Macht des Seins-Selbst, einer Macht, die das Nichtsein transzendiert"83. "Der Mut, der [die] ... Angst in sich hineinnimmt, muß in einer Seinsmacht wurzeln, die größer ist als die Macht des eigenen Selbst und die Macht unserer Welt."84 Diese göttliche Macht sei erfahrbar in der mystischen Erfahrung85 und in der interpersonalen Begegnung von Gott und Mensch86, wobei für Tillich als protestantischen Theologen insbesondere der Mut des Vertrauens wichtig ist.

394
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"Im Mittelpunkt des protestantischen Mutes des Vertrauens steht der Mut, sich zu bejahen als bejaht trotz des Wissens um unsere Schuld."87
395
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"Entscheidend für diese Selbstbejahung ist, daß sie von allen moralischen, intellektuellen oder religiösen Voraussetzungen unabhängig ist. ... Der Mut zum Sein ist der Mut, die Vergebung der Sünden anzunehmen, nicht als abstrakte Idee, sondern als fundamentale Erfahrung in unserer Begegnung mit Gott."88
396
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Die höchste Form der Gottbegegnung sei jedoch der Glaube.

397
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"Der Mut zum Sein ist ein Ausdruck des Glaubens, und was Glaube ist, muß verstanden werden vom Mut zum Sein aus. ... Glaube ist der Zustand des Ergriffenseins von der Macht des Seins-Selbst, die alles transzendiert und an der alles partizipiert. Wer von dieser Macht ergriffen ist, kann sich bejahen, weil er weiß, daß er bejaht ist."89
398
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Und auch Tillich nimmt an, daß die Menschen, bevor sie einen solchen Glauben erfahren, durch einen Zustand der Verzweiflung hindurchgegangen seien, so daß er die ganze Abhandlung mit dem Satz beschließt: "Der Mut zum Sein gründet in dem Gott, der erscheint, wenn Gott in der Angst des Zweifels untergegangen ist."90

399
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Ich nehme an, daß es nicht gegen das Gebot der Wissenschaftlichkeit verstößt, wenn ich die Parallelen, ja oft Sinngleichheiten, zwischen dieser Abhandlung Tillichs und vielen Ausführungen Drewermanns nicht mehr eigens aufliste. Sie scheinen mir auf der Hand zu liegen. Ein Unterschied besteht lediglich in dem Weg, wie beide Denker diese Ergebnisse gewonnen haben. Während Tillich das alles mehr oder weniger frei entwickelt - man findet ganze vier Fußnoten -, zweifellos in Kommunikation mit der Psychologie und dem Existentialismus innerhalb einer protestantischen Denktradition, sieht Drewermann seine Ergebnisse als Resultate einer Betrachtung der jahwistischen Urgeschichte mit den Mitteln der Exegese, Psychoanalyse und der Existenzphilosophie, angeregt durch Sören Kierkegaard. Das heißt, Drewermann beruft sich ausdrücklich auf einen Teil der Heiligen Schrift und will so auch von der Methode her und nicht nur von der Zielsetzung theologisch arbeiten.

400
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Bisher habe ich lediglich gezeigt, daß Tillich über die Angst ähnlich denkt wie Drewermann. Ob sie auch in seiner Konzeption der Erbsünde eine Rolle spielt, wurde nicht erwähnt. Tillich nennt die Angst "eine der treibenden Kräfte, die den Übergang von der Essenz zur Existenz verursachen, wie Kierkegaard in seinem Fragment über die Angst tiefsinnig gezeigt hat"91. Wie wir sehen, beruft sich auch Tillich auf Kierkegaard. "Essenz" und "Existenz" bezeichnen bei Tillich den Zustand der Menschen "vor" und "nach" dem Fall, wie sie von ihrem Wesen her von Gott gemeint waren, und wie sie in ihrer realen Existenz jetzt sind.92 Aber für Tillich ist die Angst nur eine der treibenden Kräfte, während sie für Drewermann der Dreh- und Angelpunkt des ganzen Erklärungsschemas war. Dies ist zu beachten. Trotzdem gestaltet sich die Rolle der Angst, die als Versuchung erlebt werde, ähnlich wie bei Drewermann. Die Menschen erlebten ihre Freiheit als Gefahr und sündigten deshalb.93

401
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Um jedoch nicht vorschnell Drewermann und Tillich in einen Topf zu werfen, muß man genau hinsehen, wovor die Menschen Angst haben.

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"Er [der Mensch] erlebt eine doppelte Angst - die Angst, sich zu verlieren durch Selbstverwirklichung, und die Angst, sich zu verlieren durch Nichtverwirklichung. Er steht vor der Alternative, entweder seine träumende Unschuld zu bewahren, ohne wirkliches Dasein zu erleben, oder seine Unschuld zu verlieren und Erkenntnis, Macht und Schuld dafür einzutauschen. Die Angst dieser Situation wird als Versuchung erlebt. Der Mensch entscheidet sich für die Selbstverwirklichung und beendet damit den Zustand der träumenden Unschuld."94
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Es sieht ganz so aus, als faßte Tillich den Sündenfall als eine notwendige Konsequenz der menschlichen Selbstverwirklichung auf, ähnlich den Gedanken Hegels und Jungs, die Drewermann so vehement zurückwies (siehe oben S. Link). Für Drewermann ist nicht die Selbstverwirklichung als solche sündig, sondern eine falsche Weise der Selbstverwirklichung, die geschieht, wenn die Menschen aus Angst meinen, sich gegen und ohne Gott verwirklichen zu müssen, weil er ihnen als Behinderung erscheint.

404
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Weiterhin ist für Tillich der Fall sowohl ein Akt menschlicher Freiheit als auch ein über die Menschen kommendes Schicksal (Drewermanns Gegensatzpaar von Freiheit und Notwendigkeit?), so daß wegen der "tragischen Universalität der Existenz"95 die Frage auftauche, ob Sünde ontologisch notwendig sei, oder, mit anderen Worten, ob Schöpfung und Fall identisch seien. Für Tillich sind sie zwar logisch unterschieden, aber sie "koinzidieren, insofern es keinen Moment in Raum und Zeit gibt, an dem das Potentielle der ursprünglichen Schöpfung als solches aktuell wird"96. Für Drewermann, so haben wir gesehen, ist Erbsünde auch nicht etwas, das zeitlich fixierbar auftritt in der Weltgeschichte, andererseits verwahrte er sich strikt gegen den Gedanken der metaphysischen Notwendigkeit der Sünde. Wir werden im Punkt B. 2. (Link) und B. 5. (Link) auf die Schwierigkeit, diese beiden Standpunkte zu vereinen, zurückkommen. Eine weitere Gemeinsamkeit mit Drewermann ist, daß auch Tillich den Zustand der Sünde mit dem Begriff der "Entfremdung" zu kennzeichnen sucht.97 Für unsere Gegenüberstellung mag dies genügen.98

405
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Der Vollständigkeit halber sei nun noch Tillichs Entwurf mit den vier Hauptfunktionen der traditionellen Erbsündenlehre, wie ich sie oben dargestellt habe, konfrontiert:

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1) Die Freiheit der Menschen gerate in Angst und Versuchung, und in Sünde, allerdings gibt es keinen Zeitraum "vorher", so daß fraglich ist, ob echte Freiheit vorliegt.

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2) Für 2a), bietet Tillich, soweit ich sehe, keine Erklärung an; er konstatiert einfach den Unheilszustand. 2b) wird dadurch gelöst, daß die Menschen auch aus Schicksal und nicht nur aus Freiheit in die Schuld geraten.

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3) Insoweit die Menschen in ihrer "Existenz", d. h. in ihrem Sein "nach" dem Fall durch das Schicksal geknechtet sind, sind moralische Anstrengung oder auch andere Wege der Selbsterlösung99 fruchtlos.

409
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4) Ein Aufhebung der Knechtschaft kann es nur von Gott her geben.

410
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B. Kritische Rückfragen an Drewermann und positiver Ertrag

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1. Methodische Reflexion

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In der nun folgenden Reflexion soll das Augenmerk vor allem darauf gerichtet werden, was Drewermann durch Psychoanalyse und Philosophie mit dem exegetischen Befund des behandelten Textes macht. Eine spezielle Anfrage an ein Element seiner Exegese wird im Punkt 4.a (siehe Link) zu stellen sein.

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Drewermann meint, durch die psychoanalytische Betrachtung der mythologischen Motive, die der Jahwist verwendet habe, könne er deren menschheitliche Bedeutung feststellen, den exegetischen Eindruck bestätigen, daß die jahwistische Urgeschichte thematisch ein durchgewobenes Ganzes, eine Entwicklungsreihe darstelle, und mit dem Neurosemodell der Psychoanalyse eine Phänomenologie der Sünde zeichnen. Das sei dadurch ermöglicht, daß die jahwistische Urgeschichte und das psychoanalytische Neurosemodell Strukturgleichheiten aufwiesen. Analoges gelte dann wieder von der Existenzphilosophie Sartres und ihrer Deutung des menschlichen Für-Sich-Seins. Es stellt sich die Frage, ob man so Verschiedenes wirklich nebeneinander stellen und vergleichen kann. Zumindest liegen zwei Gefahren nahe: Zum einen die der "Eisegese", daß in die Bibel etwas hineingelesen wird, was dort nicht exegetisch nachzuweisen ist, sondern von den anderen Entwürfen hineinprojiziert wird. Zum anderen kann es sein, daß die Struktur der verschiedenen Vergleichsobjekte als so äußerlich und oberflächlich gefaßt wird, daß die Feststellung einer Strukturgleichheit nicht mehr viel besagt. Beide Vorwürfe werden denn auch Drewermann gemacht. So bescheinigt O. Loretz den »Strukturen des Bösen«:

414
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" ... Die Mythen von J werden im Fahrwasser des A. Augustinus als dogmatische Wahrheiten deklariert, mit Psychoanalyse und Existenzphilosophie aufgefrischt und als Aussagen von J deklariert. Es bleibt dem Verf. zu bescheinigen, daß er dieses Unternehmen mit ungewöhnlicher Ausdauer und Intelligenz bewältigt hat."100
415
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Von Drewermann her ist dazu zu sagen, daß er mehrmals auf den Unterschied zwischen eigentlicher Exegese und der rückschauenden Anwendung außerhalb der Exegese gewonnener Deutungsschemata auf den Text hinweist (vgl. oben Link). Der Exeget L. Ruppert gesteht, seine "Anfangsbefürchtung" einer Eisegese habe sich "als weitgehend unberechtigt"101 herausgestellt. Ja, er schließt seine Rezension sogar mit dem Satz:

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" ... Trotz der erwähnten Mängel und Unvollkommenheiten wird D.'s [Drewermanns] Interpretation der jahwistischen Urgeschichte, ... , der theologischen Aussageabsicht dieser Erzählung besser gerecht als diejenige C. Westermanns in seinem gewiß überragenden Genesiskommentar."102
417
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Den zweiten Vorwurf formuliert J. Scharfenberg mit polemischer Ironie:

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"Ich habe ja nichts dagegen, wenn man die Struktur der Mondscheinsonate mit der einer Schimmelpilzkultur vergleicht und sich darüber erbauliche Gedanken macht, nur wird das dann unter ästhetischen Kategorien erfolgen müssen und nicht mit dem Anspruch auftreten können, Wissenschaft zu sein."103
419
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Scharfenberg wirft Drewermann vor, daß dieser keine "wissenschaftstheoretischen Überlegungen darüber anstellt"104, was die Psychoanalyse leisten könne und die Erklärungskraft der psychoanalytischen Deutungsmodelle, der Metapsychologie, verkenne, da er in ihnen mehr sehe "als jederzeit revidierbare Denkmodelle, die auch sehr stark in die geschichtliche Situation eingebunden sind"105.

420
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Ist das aber so? Drewermann ist sich des Problems jedenfalls voll bewußt und hofft,

421
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"zu verhindern, daß die psa Terminologie in die Gefahr gerät, nicht-empirisch verstanden zu werden, also so, als wenn sie eine in sich feststehende Wahrheit ansprechen und nicht vielmehr bloß Anleitung zur exakten Beobachtung bieten wollte" (SB 2, 243).
422
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Drewermann will Freuds Psychoanalyse nicht als "theoretisch-metapsychologisch ... umfassende Betrachtungsweise hinstellen", sondern ihre "perspektivische Verkürzung hervorheben" (SB 2, 9). Auch bei der konkreten Durchführung weist Drewermann darauf immer wieder hin, so z. B.:

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" ... dabei ist die Metapsychologie Freuds zweifellos nicht die unerläßliche, sondern lediglich eine mögliche Voraussetzung, um den zur Debatte stehenden Sachverhalt theoretisch zu formulieren." (SB 2, 182)
424
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Die Metapsychologie habe für ihn lediglich den Charakter "funktionaler Modelle" (SB 2, 237 und 590). Auch die geschichtliche Relativität bestimmter psychologischer Modelle sieht Drewermann (vgl. seine Bemerkungen zum Ödipuskomplex Link).

425
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Drewermann geht es zweifellos nicht um die metapsychologischen Entwürfe als solche, sondern um die psychische Realität, die sich - soweit sie adäquate Modelle sind - in ihnen ausdrückt. Aus diesem Grund scheint es überhaupt erst möglich, daß er verschiedene psychoanalytische Schulen, die sich in ihrer Metapsychologie ja sogar teilweise widersprechen, nebeneinander und ergänzend verwendet und die so gewonnene Struktur dann mit der jahwistischen Erzählung oder mit philosophischen Entwürfen vergleicht.

426
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Diese Verwendung verschiedener Schulen hingegen kritisiert Scharfenberg auch. Drewermann konstruiere selber Rätsel, die "nun mit Hilfe irgendeines geeigneten Psychologen aufgeklärt" würden, "sei es nun Freud oder aber Jung oder Adler ... oder wer auch immer. Irgendein besonders geeigneter Autor fällt dem Verfasser immer ein ... ."106 An gleicher Stelle sagt Scharfenberg, er könne diese Methode nicht nachvollziehen. Gründe, warum sie falsch sein müsse, gibt er hingegen nicht.

427
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Versteht man die Metapsychologie als Modell in einem bestimmten Sinn, ist es nicht unmöglich, verschiedenen Modellen zur Erklärung des selben Sachverhalts etwas abzugewinnen. Dies scheint Drewermann zu tun. In anderem Zusammenhang bemerkt W. Huth, daß verschiedene Schulen der Tiefenpsychologie verschiedenen Phasen der menschlichen Persönlichkeitsentwicklung zugeordnet werden könnten107, so daß daraus vielleicht auch ein Argument für die Verwendung verschiedener Metapsychologien entwickeln ließe. Daß Drewermann das Verhältnis der psychoanalytischen Methoden zueinander nur im Falle von Freud und Jung (vgl. Link) und nicht bei anderen Autoren erläutert, mag man als Mangel betrachten, doch scheint mir Drewermanns Ansatz im Ganzen nicht unreflektiert zu sein.

428
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So etwa urteilt S. T. Kimborough:

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"Drewermann's work is one of the most important books published in recent years for OT studies and the related fields of theology and pastoral care. The exegetical work is sound and the command of the fields of anthropology, sociology, psychoanalysis and philosophy is excellent."108
430
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Ja, anders als Scharfenberg sieht J. Schwermer in seiner Rezension zu »Strukturen des Bösen« deren Stärke gerade auf der methodischen Seite. Er lobt, "die saubere methodische Trennung [von Exegese, Psychoanalyse, Philosophie und Theologie], die aber durch den einen Untersuchungsgegenstand wieder überbrückt wird"109, wodurch sichergestellt sei, "daß keine unzulässigen Überschritte und Kurzschlüsse stattfinden, sondern daß wirklich ein Dialog zustande kommt"110. Und selbst wenn an einzelnen Beobachtungen Drewermanns etwas geändert werden müßte: " ... das methodische Modell behält seinen Wert."111

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Ganz ähnlich äußert sich S. Wiedenhofer, der feststellt: Drewermanns "Methodenbewußtsein ist der heutigen Normaltheologie ohne Frage um Längen voraus"112.

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Insbesondere ist die Polemik Scharfenbergs gegen Drewermanns Entwürfe auf dem Hintergrund seiner eigenen, älteren Stellungnahme zum Problemkreis Angst und Schuld, Theologie und Tiefenpsychologie113 nicht einsichtig, da Drewermanns Denken viele der dort gemachten Anforderungen erfüllt. Ich werde bei der Besprechung der Angst (vgl. Link) darauf zurückkommen.

433
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Zum Abschluß dieses Punktes will ich versuchen, Drewermanns Vorgehensweise des - wie er es nennt - Strukturvergleichs mit anderen Worten zu beschreiben.

434
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Die Ergebnisse der exegetischen Betrachtung der jahwistischen Urgeschichte sollen durch ein Modell gedeutet werden. Dazu benützt Drewermann in der Hauptsache das in der Psychoanalyse Freuds vorgestellte Modell der Neurose. Da ein solches Modell ein funktionales Erklärungsschema im Sinne der Naturwissenschaften darstellt, bezieht es sich nicht direkt auf die Wirklichkeit als solche, sondern auf eine sie erklärende Theorie. Ich bin nun der Meinung, daß Drewermann auf die Modelle der Psychoanalyse lediglich eine "eingeschränkte inhaltliche Deutung" anwendet,

435
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"welche Modelle als analoge Darstellung der in der Theorie erfaßten Wirklichkeit ansieht, wobei man aber aus dem Modell nicht unmittelbar Folgerungen für die Wirklichkeit ziehen darf, die sich nicht aus der Theorie selbst ergeben"114.
436
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Ein eingeschränkt inhaltlich interpretiertes Modell der Neurose wird bei Drewermann zu einem gleichermaßen eingeschränkt interpretierten Modell für die jahwistische Urgeschichte gemacht. Eine wesentliche Einschränkung besteht dabei darin, daß dieses Modell nur eine Phänomenologie abgebe, d. h. nur die äußere Erscheinungsweise des Prozesses von Gen 2-11 (J), nicht aber dessen eigentlich theologische Bedeutung abbilde. Das hieße, der von Drewermann durchgeführte Vergleich bewegt sich tatsächlich auf sehr hoher Abstraktionsstufe und kann deshalb auch nur dort etwas aussagen. Dabei scheint das beiden verglichenen Wirklichkeiten gemeinsame Element, das den Vergleich ermöglicht, die Angst zu sein. Die Sünde entstehe durch die Angst - "jahwistisch" betrachtet -, die Neurose entstehe durch die Angst - Freudianisch betrachtet. Das Element der Angst bestimmt also wesentlich beide Wirklichkeiten, Sünde und Neurose. Das für die Neurose von der Psychoanalyse erarbeitete Erklärungsmodell wendet Drewermann nun zur Deutung des Phänomens Sünde an, wobei er aber beachtet, daß bestimmte Implikationen des Modells, z. B. die Zwangsläufigkeit oder die Heilbarkeit durch Menschen, nicht übertragen werden dürfen. Dies bestätigt die Bewertung von Drewermanns Modellverständnis als nur eingeschränkt inhaltlich zu deutend. Beachtet man also die eingeschränkte Verwendbarkeit von Modellen, scheint Drewermanns Vorgehen unter zwei Voraussetzungen zulässig zu sein: der Faktor der Angst muß wirklich beiden Phänomenen gemeinsam sein, und es darf auch nicht etwas völlig anderes darunter verstanden werden. Und: die Psychoanalyse muß eine Wissenschaft sein, die tatsächlich ein sinnvolles Axiomensystem besitzt, das durch Modelle nur gedeutet, nicht aber erschöpft wird, und das die wissenschaftstheoretischen Ansprüche an ein solches System erfüllt.115 Die Beantwortung der zweiten Frage bedürfte langwieriger wissenschaftstheoretischer Erörterungen, die hier nicht zu leisten sind. Der ersten Frage werden wir uns später, bei der Behandlung der Angst, zuwenden.

437
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Nachdem also die theoretische Möglichkeit, einen strukturellen Vergleich im Sinne Drewermanns zwischen jahwistischer Urgeschichte und psychoanalytischer Neurosenlehre durchzuführen - mit genannten Einschränkungen -, anerkannt ist, bleibt zu fragen, ob die konkrete Durchführung bei Drewermann überzeugt. Bei unserem Fallbeispiel aus SB 2 habe ich bereits darauf hingewiesen, daß die Zuordnungen der einzelnen Perikopen und Verse aus der Genesis von großer Bedeutung für den Gesamtvergleich sind (siehe Link). Bei der Zuordnung von Gen 3, 1-7 haben wir ferner gesehen, daß dies gerade nicht eindeutig geschehen konnte, sondern nur mit großen Schwierigkeiten und unter - allerdings absichtlicher und begründeter - Vernachlässigung von Elementen, die eine Textstelle eher einer anderen Entwicklungsphase des Kindes zuschreiben würden. So entsteht bei der Zuordnung der Stellen in SB 2 des öfteren der Eindruck, die Psychoanalyse bestätige eine Bemerkung der Exegese des 1. Bandes, die dort nur gemacht wurde, damit sie nun bestätigt werden könne. So etwa, wenn, nachdem bei der Frau in Gen 3, 1-7 der Abwehrmechanismus der Fixierung festgestellt wurde, es dann heißt, diese Fixierung führe "zu dem Eindruck, den wir in der Versuchungsgeschichte gewinnen können, daß die Frau von dem verbotenen Baum nicht mehr loskommt" (SB 2, 163). Ich muß in diesem Punkt Scharfenberg zum Teil zustimmen, wenn er sagt, man könne "sich des Eindrucks einer gewissen Beliebigkeit der Deutungen nicht entziehen. Es fehlt eben das Korrektiv durch die Einfälle des Patienten."116 Mit anderen Worten: die Scherben, die Drewermann zu seinem Tonkrug zusammensetzt (vgl. oben Link und SB 2, 414) müssen wohl manchmal etwas zurecht gefeilt werden, damit sie passen. Auch scheint die Zuordnung mancher "Scherben" deshalb etwas willkürlich, weil sie sehr klein sind, d. h. weil manchmal aus nur wenigen Bibelversen eine ganze Krankheitsgeschichte entwickelt wird (vgl. z. B. besonders kraß SB 2, 476-504, wo ausgehend von Gen 10, 8-12 gleich ein Psychogramm von Alexander dem Großen und Adolf Hitler erstellt wird; oder SB 2, 316-325, deren Ausführungen sich nur auf die zwei Verse Gen 4, 23-24 berufen können). Im Rückblick auf das gewonnene Ganze erscheinen dann allerdings die Zuordnungen durchaus plausibel, so daß der Vergleich mit den Scherben wieder etwas von seiner positiven Überzeugungskraft zurückgewinnt.

438
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Das fehlende "Korrektiv des Patienten" versucht Drewermann durch die Lückenlosigkeit der Deutung, bei der kein Detail offenbleiben darf, zu ersetzen und durch den völkermythologischen Vergleich (vgl. SB 2, 12f.). Zum letzteren werde ich sofort kommen; ersteres ist in zweifacher Hinsicht problematisch: Zum einen, weil Drewermann manchmal bestimmte Details nur erklären kann durch Rückgriff auf andere Entwicklungsphasen als der, der er dann eine Stelle im Gesamten zuordnet. Wir haben oben gesehen, wie er ödipale Momente in Motiven von Gen 3, 1-7 anerkennt, die Stelle aber doch der oralen Stufe zuschreibt. Zum anderen gibt G. M. Martin mit Berufung auf Freud zu bedenken,

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"'daß seine [des Traumdeuters] Aufgabe nicht voll erledigt ist, wenn er eine vollständige Deutung des Traums in Händen hat, die sinnreich, zusammenhängend ist und über alle Elemente des Trauminhalts Auskunft gibt'"117.
440
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Martin weist darauf hin, daß Drewermann selbst eine gewisse Willkür in der tiefenpsychologischen Deutung einräumt, dies aber meist unterschlage.118

441
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J. Schwermer betont allerdings, daß Drewermann eine weitere Möglichkeit hat, und sie auch nützt, das Korrektiv des/der Patienten/Patientin auszugleichen.

442
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"Drewermann benutzt an Stelle der Einfälle, die es hier natürlich nicht gibt, die offenbaren und auf exegetischem Wege bereits erschlossenen Aussageabsichten des Jahwisten ... ."119
443
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In der Tat haben wir gesehen, daß Drewermann in Fällen, in denen mit der Psychoanalyse allein nicht weiterzukommen war, sich auf die bewußte Aussageabsicht des Jahwisten berief und so an sich mehrdeutigen Symbolen einen eindeutigen Sinn abgewinnen konnte. Insofern scheint mir sein Vorgehen nicht wesentlich von dem der üblichen Texthermeneutik abzuweichen, mit der Ausnahme, daß er eben auch die Gefühle, die hinter den Äußerungen stehen, eruieren will. Trotzdem mag man fragen, ob diese Vereindeutigung der Symbole wirklich in jedem Fall überzeugend gelingt.

444
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Mit diesen kritischen Anmerkungen soll nicht gesagt sein, daß Drewermanns psychoanalytische Deutung der jahwistischen Urgeschichte, insbesondere die Feststellung einer inneren Zwangsläufigkeit, hinfällig sei. Aber es ergibt sich auf jeden Fall, daß Drewermann gut daran tut, das so gewonnene Modell lediglich eingeschränkt inhaltlich zu interpretieren, und die Aussageabsicht des Jahwisten zu beachten. Die Denkanstöße und Erkenntnisse, die Drewermann aus der Zuordnung zur Entwicklungsgeschichte des Kindes gewinnt, müssen deshalb nicht über Bord geworfen werden. Doch es handelt sich um Deutungen, die man nicht überbeanspruchen sollte. Drewermann "liefert nicht Beweise im üblichen Sinne, sondern versucht, Wahrscheinlichkeiten plausibel zu machen"120.

445
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Es scheint allerdings noch eine Einschränkung angebracht. Ein wichtiges Detail das ich oben nur kurz erwähnt habe (vgl. Link), ist, daß Drewermann als Ausgangspunkt der psychoanalytischen Deutung der Urgeschichte nicht nur deren Text benützt, sondern die Völkermythen, die er durch die Jungsche Methode der "Amplifikation" als dahinter stehend herausgearbeitet hat (vgl. SB 2, 5f.). D. h. zumindest methodisch ist die Adäquatheit der Zuordnung der Genesis-Perikopen zu einer psychoanalytischen Entwicklungsphase davon abhängig, ob Drewermanns Rückschlüsse vom biblischen Material auf die Mythenmotive zutreffen oder nicht. Zwar müßte die Deutung nicht unbrauchbar werden, wenn diese Bedingung nicht erfüllt wäre, aber ihre Brauchbarkeit wäre dann lediglich ein Glückstreffer und nicht das Ergebnis der von Drewermann angewandten Methode des völkermythologischen Vergleichs. An dieser Stelle sei lediglich auf die Problematik hingewiesen. Eine Beantwortung der Frage, ob genannte Bedingung erfüllt ist, bedürfte erstens einer wissenschaftstheoretischen Erörterung, ob derartige Rückschlüsse auf die Völkermythen überhaupt zulässig sind, und wenn ja, eines eigenständigen Vergleichs der jahwistischen Urgeschichte mit diesen Mythen, um Drewermanns Ergebnis damit zu konfrontieren. Beides kann hier nicht geleistet werden.

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Bleibt ein letztes methodisches Postulat Drewermanns zu erwähnen: die Fähigkeit trotz der Modellrelativität und der teilweisen Kulturabhängigkeit der Psychoanalyse allgemeinmenschliche Aussagen zu begründen. Unter anderem durch diese Voraussetzung sieht sich Drewermann berechtigt, den Vergleich mit den Völkermythen durchzuführen, obwohl er eine direkte literarische Abhängigkeit der jahwistischen Urgeschichte von ihnen explizit ausschließt (vgl. SB 1, LXVIII-LXXI und SB 2, XXXII; XLI-XLIII). Ja gerade so will er das Zeitbedingte in den Mythen vom Archetypischen trennen:

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"Denn diese beiden Bedingungen: Gleichförmigkeit bestimmter Anschauungen und Unabhängigkeit voneinander bzgl. ihrer historischen Entstehung, lassen am ehesten vermuten, daß bei bestimmten Motiven in der Tat menschheitliche Anschauungen vorliegen, die aufgrund ihrer allgemeinen Verbreitung zu dem Schluß zwingen, daß sie in der menschlichen Seele selbst verankert sind." (SB 1, LXVIII)
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Das Problem der allgemeinmenschlichen Bedeutung psychischer Inhalte wird in späteren Veröffentlichungen Drewermanns noch dringlicher, wo er sich stärker auf die Jungsche Archetypenlehre beruft. Es kann aber hier auch nicht behandelt werden. Es sei lediglich darauf hingewiesen, daß es eine sehr problematische Voraussetzung ist. Allerdings fehlt ihr eine gewisse Plausibilität nicht; wenn man so etwas wie eine menschliche Natur annehmen will - was nicht heißt, daß man das auf scholastische Weise müßte - wäre auch zu erwarten, daß es allen Menschen gemeinsame Elemente der Psyche gibt, und diese eventuell durch vergleichende Studien zu eruieren wären. Ob die psychoanalytischen Modelle, die Drewermann heranzieht, das allerdings für sich beanspruchen können, kann hier nicht entschieden werden. Drewermann selbst behauptet das zwar, dürfte es aber auch nicht als völlig geklärt auffassen, wenn er sagt:

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" ... Es ist überhaupt die Frage, wieweit die Psychoanalyse im Sinn des Objektivitätsideals der Neuzeit als Wissenschaft unterzubringen ist; darüber würde ich gerne diskutieren."121
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2. Enthistorisierung der Urgeschichte

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Wir haben oben darauf hingewiesen, daß die traditionelle Erbsündenlehre mit vielen Ergebnissen der modernen Naturwissenschaften oder zumindest mit den dadurch im allgemeinen Weltbild entstandenen Annahmen nicht mehr vereinbar ist. Um dieses Problem zu lösen, faßt Drewermann, aber nicht nur er, das am Anfang der Bibel geschilderte Geschehen nicht historisch auf. Es soll hier gezeigt werden, welche Probleme der traditionellen Lehre damit beseitigt werden, aber auch welche Schwierigkeiten für den Erhalt der wichtigen Funktionen der Erbsündenlehre sich dabei ergeben. Die Frage nach dem Monogenismus werde ich dabei unberücksichtigt lassen, da sie wohl als theologisch geklärt in dem Sinne angesehen werden kann, daß das Wesentliche des Erbsündendogmas erhalten bleiben kann, unabhängig davon, welche Lehre von der Entstehung und Abstammung der Menschen die Naturwissenschaft letztlich vertritt.122

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Gerade genannter Artikel von Rahner/Vorgrimler setzt aber doch eine geschichtliche Entwicklung irgendwann "im Anfang der Menschheitsgeschichte"123 voraus, einen Umschlag, vor dem Menschen und Schöpfung gut, nach dem sie "gefallen" waren. Drewermann hingegen will die jahwistische Urgeschichte so verstanden haben, daß sie typologisch gemeint sei, daß sie das beschreibe, was in allen Menschen zu allen Zeiten immer wieder aufs Neue vor sich gehe. Daß "Adam" und "Eva" DIE Menschen überhaupt seien, bedeute, daß in ihnen typologisch zum Ausdruck komme, was allen Menschen wesentlich, im oben erläuterten Sinn (vgl. Link), sei. "Im eigenen Dasein muß sich bewähren, was die Lehre von der 'Erbsünde' zu sagen hat, - oder sie hat schlechterdings nichts und niemandem etwas zu sagen." (SB 3, LXXIV) Auf diese Weise kann der Anspruch der Erbsündenlehre, alle Menschen (mit zwei Ausnahmen) seit Existenz der Welt zu betreffen, aufrecht erhalten werden, ohne daß dafür vom jetzigen Zustand ätiologisch zurückgeschlossen werden müßte. Das heißt, auf diese Weise kann die Theologie es vermeiden, historische Fakten von ihren Lehrsätzen her entscheiden zu wollen. Sie kann sich auf die theologische Offenbarung beschränken, wobei sie im vorliegenden Fall, nach Drewermann, ja sogar noch Unterstützung durch die Philosophie erhält. In der Tat erscheint es heutigen Menschen, und so auch vielen Gläubigen, wenig plausibel, daß irgendeine Sünde, irgendwann einmal, bei Menschen, die man sich nach der Art primitiver Neandertaler vorstellt, dafür verantwortlich sei, daß nun alle Menschen in einen Kreislauf des Bösen verstrickt sind, dadurch erst sterblich geworden seien und sich auch die Realität der gesamten Schöpfung dadurch ins Negative gewandelt habe.

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Indessen sind so leicht nicht alle Probleme beseitigt, denn die Unplausibilität allein ist sicher kein zwingender Grund, etwas fallen zu lassen, und die Beschränkung der Theologie auf bloße Offenbarung findet dort ihre Grenze, wo zur Wahrheit des Geoffenbarten empirische Sachverhalte logisch notwendig vorausgesetzt werden müssen oder logisch aus ihm folgen. In der Tat sind zwei wesentliche Elemente der Erbsündenlehre schwer zu erklären, wenn man sie enthistorisiert.

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Nach der traditionellen Lehre geraten die Menschen unweigerlich in die erbsündliche Verstrickung, nämlich schon durch die Zeugung, also ohne eigenes Zutun. In Drewermanns Entwurf muß die Freiheit jedes Menschen, der in der erbsündlichen Struktur gefangen ist, diese selbst verschuldet haben. Denn es gibt keine Menschen, die bessere oder privilegierte Ausgangsbedingungen gehabt hätten gegenüber den Späteren. In Drewermanns Entwurf müßten also die Menschen, und zwar jeder und jede jeweils für sich, als gleichzeitig schuldig und doch schuldlos an der sündigen Situation der Welt betrachtet werden, sonst kann entweder die Rolle der menschlichen Freiheit, die in der traditionellen Konzeption an den Anfang zurückverlegt war, nicht aufrecht erhalten werden, oder die nicht selbst verschuldete Verstrickung müßte aufgegeben werden.

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Es zeichnet sich ab, daß, wenn Drewermanns Modell hier eine Lösung zu liefern vermag, sie in der Verhältnisbestimmung von Freiheit und Notwendigkeit liegen muß. Wenn, dann kann nur von dorther sichtbar werden, wie die Menschen unter einer bestimmten Rücksicht frei und unter einer anderen Rücksicht unfrei sind und notwendig in die Sünde verstrickt werden. Wir werden weiter unten überlegen, ob das Problem zufriedenstellend gelöst wird (vgl. Link). Es zeigt sich jedoch schon hier, daß sich das Hauptproblem des dritten Bandes von »Strukturen des Bösen« nur stellt unter der Voraussetzung, die biblische Urgeschichte sei nicht historisch zu verstehen. Insofern wirft Drewermanns Entwurf sicher ein Problem auf, das in anderen ebenfalls enthistorisierenden Entwürfen gern unterschlagen wird.

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Die o. g. Theodizeefunktion 2a (Link), wie es Böses in der Schöpfung geben kann, das nicht von Menschen verursacht wird, scheint mit einer unhistorischen Betrachtungsweise des "Sündenfalls" auch schwer aufrecht zu erhalten, wenn man bei der Annahme bleiben will, daß die Schöpfung von ihrem Ursprung her nur gut war. Auch Drewermann betont, die gottgewollte Ordnung der Schöpfung als rein gute werde in Gen 2 geschildert, und für den Jahwisten liege die Schuld daran, daß es nun anders sei, bei den Menschen. Wie er das so entstehende Problem zu lösen versucht, sei im nächsten Punkt erörtert.

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3. Die reale Existenz des Leids

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Für Drewermann sind die Negativität des Todes und die Widerstände und Widerwärtigkeiten, die die Schöpfung, so wie wir sie vorfinden, den Menschen entgegensetzt, Wirklichkeiten, die erst entstehen durch die Weise, wie wir Menschen uns selbst und unsere Umwelt betrachten (siehe Link). An der empirischen Realität der Schöpfung habe sich nichts durch den "Sündenfall" geändert, die Schöpfung ist sich gleich geblieben. Aber die Menschen haben sich radikal verändert, und - aus der Einheit mit Gott gefallen - ist für sie der Tod zu fürchten und erscheint die Schöpfung als feindlich. Das Gegenbild dazu zeichne der Jahwist in Gen 2, wo er in Bildern darstelle, wie die Menschen die sie umgebende Realität empfinden könnten, wenn sie in der Einheit mit Gott lebten. Drewermanns diesbezügliche Ausführungen in SB 1, 335-389 sind sehr ansprechend, und F. E. Wilms meint in seiner Rezension:

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"Die beeindruckende Auslegung von Gen 3, nach der der Tod nicht als physisches Sterben über den Menschen verhängt wird, sondern als Kennzeichnung des Lebens fern von Gott ... , führt in vieler Hinsicht weiter ... ."124
460
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Diese Deutung kommt sicher auch dem modernen Weltbild entgegen, in dem weder Platz ist für ein physisches Paradies mit unsterblichen und krankheitsfreien Menschen noch für die Vorstellung, daß dies alles durch eine Sünde, und sei es auch durch eine fundamentale Grundhaltung der Sünde, revidiert werden könne. Drewermann führt jedoch auch ein exegetisches Argument für seine Sichtweise an: den Spruch Gottes in Gen 8, 21-22. Er bedeute, daß nun "die alte Strafeinheit und Schicksalsgemeinschaft von Acker und Mensch ... aufgelöst" (SB 1, 226) werde, daß Gott "die Welt dem Tun des Menschen entzogen und ihr eine ... Eigengesetzlichkeit gegeben hat" (ebd.), so daß das böse Treiben der Menschen sie nicht mehr in die Katastrophe stürzen könne. Wenn also die Schicksalsgemeinschaft von Welt und Menschen aufgelöst sei, brauche man exegetisch auch nicht anzunehmen, daß es eine Zeit gegeben habe, in der die Welt empirisch anders aussah, in dem Sinn, daß sie frei von Leid und Tod gewesen sei. Die Natur ohne Gott, also "nach" dem Sündenfall "ermöglicht zwar das Dasein, aber ohne es zu wollen; im Rahmen der Natur bleibt der Mensch immer überflüssig, ungerechtfertigt und haltlos" (SB 3, LV), das Paradies hingegen sei "ein rein theologischer Begriff ... , der sich einzig und allein auf die Art bezieht, wie der Mensch vor Gott steht" (SB 3, 153). Der Jahwist meine damit "eine Seinsweise, zu welcher der Mensch von Gott seiner ganzen Natur nach bestimmt ist und die hier und jetzt bestehen könnte und müßte" (SB 3, 155), wenn es nicht menschliche Schuld verhindern würde.

461
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Das klingt alles sehr schön und plausibel. Auch wenn der Jahwist und andere biblische Autoren das Paradies durchaus als historisch verstanden haben sollten, was Drewermann verneint, könnte man es als sinnvolle neuzeitliche Adaption verstehen. Aber: ist es realistisch? Sicherlich besteht ein großer Unterschied darin, wie Menschen ihren Tod und das Leid, das ihnen widerfährt, annehmen können. Es macht alles aus, ob jemand das ihm oder ihr zustoßende Leid im Glauben erträgt oder ob es zu Verzweiflung und Resignation führt. Und auch ob man den Tod fürchtet oder im Glauben erwarten kann, macht einen immensen, ja eigentlich alles entscheidenden Unterschied. Soweit kann ich Drewermann zustimmen. Doch besteht in den jeweils positiven Haltungen schon das Paradies? Es ist nicht zu leugnen, daß auch gläubige Menschen echt leiden, wenn ihnen Krankheiten oder Katastrophen zustoßen. Und es gibt Fälle von Leid und Katastrophen, die eindeutig nicht auf menschliches Verschulden zurückgeführt werden können. Das alte Modell der Erbsünde bot dafür eine, wenn auch inzwischen unglaubwürdige Antwort an; Drewermann scheint mir hier die Antwort schuldig zu bleiben, ja mit großem Ernst die Frage aufzuwerfen, ob denn Gott an all den Katastrophen, für die wir keine menschlichen Verursacher festmachen können, schuld sei. Ich werde darauf zurückkommen (vgl. unten Link).

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Auf jeden Fall müßte Drewermann, um konsequent zu sein, alles Reden vom "zurückfinden" (SB 3, LXXIV), oder "(wieder-)entdecken" (SB 3, 575) des Paradieses unterlassen. Das "Wieder" gehört nicht nur eingeklammert, sondern gestrichen, wenn das Paradies etwas ist, das (historisch) nie existiert hat.

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4. Die Rolle der Angst

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Die Angst ist der Schlüsselbegriff für Drewermanns Deutung der Erbsünde. Durch sie wird der strukturelle Vergleich von exegetischem Ergebnis und psychoanalytischem Neurosemodell erst möglich, und die Bestimmung der Angst als notwendig zur menschlichen Freiheit gehörig erlaubt es Drewermann seiner Meinung nach, die Momente der Notwendigkeit und der Freiheit in seinem Modell der Erbsünde zusammenzudenken. In den folgenden beiden Unterpunkten soll es um die Fragen gehen, ob Drewermanns exegetische Feststellung der Angst als Auslöser der typischen, der Ur-Sünde, befriedigen kann; ob, wie es Drewermann aus dem Werk Kierkegaards übernimmt, zum menschlichen Dasein wirklich notwendig Angst gehört, und wenn ja in welchem Sinn. Schließlich soll noch einmal verdeutlicht werden, wie Drewermann die "Beruhigung" der Angst im Glauben versteht.

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a) Angst als Anlaß zur Ursünde - exegetische Rückfrage

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Niemand zieht in Zweifel, daß für den Jahwisten die Menschen, nachdem sie gesündigt haben, in Angst oder Furcht125 geraten, denn so steht es ja deutlich in Gen 3, 10. Gegen Drewermanns Deutung von Gen 3, 1-7, daß die Angst vor der Sünde komme, sie die Ursache der Hybris sei, die schließlich zur Sünde führe, werden einige Stimmen laut. Davon stehe nichts im Text, es werde in die Bibel hineingelesen. So fragt etwa Walter Kasper: "Wie verhalten sich Sünde und Angst? Ist die Sünde eine zwanghaft neurotische Reaktion auf die Angst, oder ist nicht eher die Angst eine Folge der Sünde als frei gewählter Abkehr von Gott?"126 Und mit dieser Formulierung hält er die Frage auch schon im zweiten Sinn für beantwortet. Eine nähere exegetische Auseinandersetzung mit der Position Drewermanns fehlt. Und auch der Verweis auf »Tiefenpsychologie und keine Exegese«127 bringt nicht die gewünschte exegetische Auseinandersetzung mit der Auslegung von Gen 3. Auf der anderen Seite hebt gerade F. J. Stendebach in seiner durchaus nicht unkritischen kurzen Rezension von »Strukturen des Bösen« die Deutung von Gen 3 als "großartig" hervor:

467
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"Dieser Kritik im einzelnen ist die feinsinnige Interpretation etwa von Gen 3 entgegenzuhalten, die mit viel Einfühlungsvermögen dem Text entlanggeht und beispielsweise zu der großartigen Aussage kommt, daß Gen 3, 2 f 'ein angstbesetzter Versuch, sich die Hände zu binden, die das Böse tun könnten', sei daß die Angst an die Stelle des Vertrauens getreten ist."128
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Stendebach gibt uns hier auch gleich die Stichworte, die wir benötigen, um Drewermanns Exegese weiter zu untersuchen. Es geht in der Tat um sein Einfühlungsvermögen, genauer um die Methode des Einfühlens (s. o. Link) und um die Bedeutung, die Drewermann der Übertreibung des göttlichen Gebots durch die Frau in Gen 3, 3 beimißt. Die Begründung, aber auch Einschränkung der Objektivierbarkeit dieser Methode durch Drewermann haben wir bereits gesehen. Nun soll seine Argumentation noch einmal genauer betrachtet werden.

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Grundvoraussetzung ist, daß es bei der Exegese nicht nur auf das wörtlich im Text Stehende ankomme, sondern auch auf die dadurch indirekt ausgedrückten Emotionen. Dies scheint grundsätzlich eine sinnvolle, ja notwendige Forderung an die Exegese zu sein, versucht sie doch "das Problem jeder Begegnung mit einer Person und auch mit einem Text von persönlichem Gehalt"129 zu lösen. Sudbrack stellt weiter fest:

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"Wie Drewermann mit diesem hermeneutischen Grundsatz umgeht, darüber kann und muß man diskutieren. Daß dieser Grundsatz aber gerade für die Begegnung mit der Bibel maßgebend ist, dem sollte die exegetische Wissenschaft zustimmen."130
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In der Tat wird ja die Bedeutung etwa vieler Taten Gottes oder Jesu in der Bibel erst verständlich auf dem emotionalen Hintergrund, auf dem sie geschehen. Die Schuldvergebung gewinnt ihre Größe und Unbegreiflichkeit gerade erst in Gegenüberstellung mit dem menschlichen Haß und der menschlichen Bosheit. Erkennen wir also Drewermanns methodisches Postulat an und fragen, wie die Durchführung für unsere relevante Stelle Gen 3, 1-7 aussieht.

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Im Wesentlichen sind es zwei Argumente, mit denen Drewermann zu begründen versucht, daß die Frau Angst hat, bevor sie Gottes Gebot übertritt. Das eine ist die Verschärfung dieses Gebots durch die Frau selbst, die Drewermann als Abwehrmechanismus gedeutet hat, welcher in der psychoanalytischen Theorie auf Angst zurückzuführen ist. Wenn wir das psychoanalytische Erklärungsschema so akzeptieren, stellt sich noch immer die exegetische Frage, ob es sinnvoll sei, den wenigen Wörtern "und daran dürft ihr nicht rühren" (Gen 3, 3) solch gewaltige Bedeutung aufzuerlegen. Denn auf ihrer Deutung beruht die ganze Erklärung Drewermanns dafür, wie die Menschen in die Sünde geraten seien. Hier kommt Drewermanns zweites Argument ins Spiel: die Lückenlosigkeit, so daß sich "alle Indizien ... verstehen lassen" (SB 1, 53). Denn durch das Postulat der Angst wird nicht nur die Übertreibung des Gebots verständlich, sondern auch, warum die Argumentation der Schlange, Gott sei eifersüchtig und schwach, Erfolg haben kann (vgl. SB 1, 65 und oben Link). Dieses leicht zu übersehende Detail scheint mir von großer Argumentationskraft zu sein. Es fragt sich nämlich in der Tat, "wieso eigentlich die Unterstellung der Schlange glaubwürdig ist" (SB 1, 67) für eine Frau, die im "Paradies", also in ungetrübter Einheit mit Gott lebt.

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"Daß die Schlange bei der Frau Erfolg hat, setzt ja voraus, daß der Frau bereits vorher, nicht erst jetzt, sondern zuvor schon die 'Güte Gottes' unglaubwürdig geworden ist, daß sie in Gott nicht mehr den guten Gott sehen konnte ... , sondern Bedrohung und Feindschaft empfand ... ." (SB 1, 67)
474
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Es ist darauf zu achten, daß es sich in diesem Fall nicht um die Lückenlosigkeit der Deutung mythischer Symbole, die für Drewermann nach Art eines Traumes gedeutet werden müßten, handelt, sondern um die lückenlose Verständlichkeit eines äußeren Ablaufs, der ohne die Annahme bestimmter dahinter stehender Gefühle der Akteurin so nicht erklärbar wäre. Das bedeutet, daß die einschränkende Kritik G. M. Martins am Kriterium der Lückenlosigkeit (vgl. o. Link) hier nicht trifft. Es bliebe allerdings zu überlegen, ob Angst das einzige Gefühl ist, das man der Frau unterstellen kann, damit ihre Handlungsweise verständlich wird. Es scheint so zu sein, denn eine bloße Begierde nach den Früchten des Baumes könnte wiederum die Verschärfung des Gebotes nicht erklären. Das heißt: wenn wirklich alle Elemente der Perikope verständlich werden sollen, ohne daß man eines vernachlässigt oder ausschließt, ist Drewermanns Annahme der Angst auf seiten der Frau zu akzeptieren. Sieht man den Zusammenhang der Gesamtstelle, so ist auch Drewermanns Ablehnung von Deutungen der Gebotsverschärfung als bloßem kindlichem Übereifer der Frau (vgl. SB 1, 58f.) oder als redaktionelle Nachholung eines Elements von Gottes Gebot (vgl. SB 1, 60) überzeugend.

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Wenn wir die exegetische Vorgangsweise Drewermanns hier nocheinmal kurz beschreiben, stellt sie sich so dar: Drewermann schließt vom äußeren Verhalten der Frau, das der Jahwist beschreibt, auf ihre Gefühlslage, die der Jahwist nicht ausdrücklich beschreibt. Ein Rückschluß von Beobachtbarem auf nicht Beobachtbares liegt vor. Ein solcher Rückschluß kann naturgemäß keine unwiderlegbaren Ergebnisse im Sinne notwendiger Voraussetzungen liefern. Je mehr einzelne Handlungsweisen sich auf diese Weise aber erklären lassen, desto plausibler wird die so erschlossene Erklärung für sie. Es werden also für die Handlungsweisen hinreichende Gründe oder Bedingungen erschlossen. Diese können, solange keine die selben Handlungen besser erklärenden Gründe vorliegen, als adäquate Deutung verstanden werden. Diese Vorgehensweise entspricht nicht nur unserem alltäglichen Vorgehen in zwischenmenschlichen Begegnungen, sondern in etwa auch der Methodik der Naturwissenschaften, die ebenfalls von beobachtbaren Vorgängen und der kumulativen Beobachtung der gleichen Verhaltensweisen induktiv zurückschließen auf hinreichende Bedingungen dafür und dann Gesetze formulieren. Diese werden dadurch geprüft, daß aus den erschlossenen Gesetzmäßigkeiten deduktiv Prognosen abgeleitet werden, und im Versuch festgestellt wird, ob diese korrekt waren. Diesen letzten Schritt kann natürlich Drewermanns einfühlende Exegese nicht mehr machen, da erstens Drewermann keine Gesetze aufstellen will, noch er etwas prognostizieren kann. Insofern hinkt mein Vergleich. Doch Drewermann führt einen Rückschluß auf hinreichende Bedingungen von etwas Beobachtbarem durch und erklärt von diesen Bedingungen aus das vom Jahwisten Beschriebene in einem Plausibilitätsargument, das zumindest gewisse Ähnlichkeit mit der Überprüfungsmethode der Naturwissenschaften hat, insofern die Unerklärbarkeit einer Verhaltensweise der Frau als Falsifizierung der erschlossenen Gründe gelten müßte. Es läßt sich also sagen, daß Drewermanns "Methode des Einfühlens" im wesentlichen so vorgeht, wie es das naturwissenschaftliche Denken im allgemeinen tut. Ihr kommt also, wie es O. Muck für das naturwissenschaftliche Vorgehen feststellt, "wesentlich hypothetischer Charakter zu, weil nicht ausgeschlossen ist, daß auch andere Zusammenhänge dieselben Folgerungen ... abzuleiten gestatten"131. Durch den Versuch, ob das Prognostizierte eintreffe, bzw. in unserem Fall m. E. durch die Feststellung der Lückenlosigkeit, "ist eine interpersonale empirische Überprüfung grundsätzlich möglich - aber nicht der Wahrheit der Theorie, sondern der Brauchbarkeit zur Beschreibung von Vorgängen"132. Mit anderen Worten: Drewermanns Ableitung der Angst als Grund der Sünde in Gen 3, 1-7 ist nicht die einzig mögliche Deutung, sie muß, da sie keine notwendige Bedingung für das Verhalten der Frau angibt, nicht wahr sein. Da sie aber eine hinreichende Begründung gibt, ist sie brauchbar, das Geschehen in Gen 3 zu beschreiben und zu deuten. Diese Einschränkung einer Ableitung von nicht wörtlich im Text stehenden Emotionen muß jeden solchen Versuch betreffen, nicht nur den Drewermanns, da er methodisch bedingt ist. Daraus folgt: wollte man diese methodische Unsicherheit ausschalten, müßte man überhaupt auf die Berücksichtigung von nicht im Text stehenden Hintergründen verzichten. Dies ist aber, wie wir oben festgestellt haben, nicht zielführend, um einen biblischen Text zu verstehen. Unter Berücksichtigung der Eigenart einer hinreichende Gründe bietenden Erklärung kann und muß Drewermanns Deutung daher akzeptiert werden. Eine Deutung, die seine widerlegen wollte, müßte die durch seine These erklärten Momente der jahwistischen Erzählung genau so gut oder besser erklären können, um so eine andere hinreichende Erklärung zu liefern. Welcher von beiden man dann den Vorzug gibt, wäre noch eine Frage ihrer Brauchbarkeit innerhalb des gesamten Systems von Exegese und Theologie.

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Von daher ergibt sich jedoch noch eine Frage an Drewermanns Deutung. Selbst, wenn man akzeptiert, daß das Motiv der Angst in Gen 3, 3 wirklich zum Ausdruck kommt, ist das nur eine Stelle innerhalb der Bibel, und es müßte gefragt werden, ob auch an anderen Stellen die Angst als wesentlicher Anlaß zur Sünde gekennzeichnet wird, oder ob dies ein Einzelfall ist. Drewermann wendet sich dieser Frage nicht zu, da er seine Untersuchung ja bewußt auf die jahwistische Urgeschichte beschränkt hat. Es ist jedoch anzunehmen, daß er auf die besondere Bedeutung der Urgeschichte (vgl. oben Link) innerhalb der Bibel und auf die seiner Meinung nach einmalige Erfassung der Sünde durch den Jahwisten verweisen würde, nicht nur um diese Vernachlässigung zu rechtfertigen, sondern auch um der jahwistischen Sicht, nach der die Angst vor der Sünde komme, gegenüber anderen alttestamentlichen Sichtweisen den Vorzug zu geben. Trotzdem wird man wohl mit Berufung auf seine eigenen methodischen Einschränkungen darauf hinweisen können, daß die Angst durchaus nicht der einzige Anlaß zur Sünde sein muß, sondern als ein wichtiger neben anderen verstanden werden könnte.133

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b) Angst als notwendiger Aspekt der Freiheit

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Für die philosophische Deutung der Dynamik der Sünde und für die theologische Betonung, daß diese letztlich aus der menschlichen Freiheit entspringt, braucht Drewermann die Auffassung, die Angst sei notwendig mit der menschlichen Freiheit gegeben. Dies versteht er als eine geniale Intuition Kierkegaards und übernimmt es mehr oder weniger mit Berufung auf ihn. Dazu merkt F. Furger an:

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"Die Aussagen dieser Schriften134 müssen als wesentlich partiell und bewußt einseitig verstanden werden; als solche geben sie, wenn nicht eine irreale Übersteigerung, so doch zumindest den Zustand existentieller Krankheit wieder und dürfen deshalb von Kierkegaard her nicht als anthropologischer Normalzustand oder gar als Wesensaussage verstanden werden - eine Relativierung, die bei Drewermann wohl zu wenig berücksichtigt wird."135
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Einen Teil dieses Einwands beantwortet Drewermann schon im Voraus, wenn er sagt:

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"Die innere Erfahrung Kierkegaards ... wird in ihrem Wahrheitsgehalt nicht geschmälert, wenn wir zugeben, daß Kierkegaard zu ihr unter den deutlich 'ödipalen' Konflikten betreffs der Heirat mit R. Olsen gelangt ist; denn Kierkegaard wäre nicht das Genie, das er ist, wenn er in seinen persönlichen Problemstellungen nicht zugleich Grundlegendes über die Problematik der menschlichen Existenz schlechthin erkannt hätte. ... Was Kierkegaard in seiner eigenen ... (neurotisch geprägten) Angst erlebte, stellt eine religiöse Erfahrung von allgemeiner Gültigkeit dar ... ." (SB 3, 507)
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Allerdings begründet Drewermann diese Behauptung nicht, er stellt sie lediglich auf. Da hier nicht der Platz für eine weitgehende philosophiegeschichtliche Erörterung des Problems ist, kann nur im Vergleich mit anderen Autoren festgestellt werden, ob sie der Rolle der Angst bei Kierkegaard eine ähnliche Bedeutung beimessen wie Drewermann und Kierkegaards Auffassung als zutreffend akzeptieren. Wir haben bereits gesehen, daß wir dies für den protestantischen Theologen P. Tillich bejahen können (siehe oben Link).

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R. Guardini sieht zwar wie Furger, daß Kierkegaards »Die Krankheit zum Tode« in einem "dialektischen Verhältnis" zu »Philosophische Brocken« stehe, was zu einer "wechselseitigen Interpretation"136 auffordere. Dennoch sagt er von Ersterer: "Die Schrift scheint mir der eigentliche Schlüssel zu Kierkegaards Schaffen zu sein."137 In der darauf folgenden Darstellung des Kierkegaardschen Werkes gibt es zahlreiche Übereinstimmungen mit Drewermann, auf die hier nicht eigens eingegangen werden soll. H. U. v. Balthasar, dessen Bewertung der Angst sicher in vielen Dingen der Drewermanns entgegengesetzt ist, stimmt mit ihm doch darin überein, daß die menschliche Fähigkeit, die eigene Kontingenz und die der Schöpfung zu erkennen, der "Grund der Angst"138 sei. Denn:

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"Die ontologische Differenz gibt dem weltlichen Sein einen abstrakt-gespenstischen Zug, der sich im Geist, sofern er erkennend in der Mitte der Differenz steht, nicht anders ausdrücken kann denn als Angst."139
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Im Folgenden überlegt Balthasar, ob diese Angst schon die erste, von Gott geschaffene Natur betreffe, oder erst die gefallene.140 Er diskutiert ausführlich Kierkegaards Begründung der Ansgt und hält sie für zu vordergründig, da sie das Verhältnis zu Gott fast vergesse.141 Berücksichtige man dies, so müsse man sagen, "daß Kierkegaard zwar den Punkt ... [des] Entspringens [der Angst] richtig erkannt"142 habe, aber nicht "die Leere des Nichts"143 als solche sei Grund der Angst, "sondern die Leere, die dort aufgähnt, wo die Nähe Gottes und seine Konkretheit sich in eine Ferne und Entfremdung"144 verwandelt habe. Dies scheint sehr dem exegetischen Befund Drewermanns zu entsprechen, daß erst die Verzerrung des Gottesbildes durch die Schlange die Angst hervorbringt. Allerdings ist einzuräumen, daß Drewermann im 3. Band der »Strukturen des Bösen« auf diese wichtige Feinheit kaum mehr eingeht, sondern Kierkegaards Begründung für die Angst voll übernimmt, und so ein wichtiges Element seines eigenen exegetischen Befundes vernachlässigt. Balthasar sieht, wie der Jahwist in Drewermanns Deutung, die Angst aufkommen in einem Stadium zwischen ungetrübter Einheit mit Gott und gefallenem Dasein, so daß man die "Angst als eine Entfremdung vom wirklichen Ursprung ansehen darf, noch bevor der eigentliche Sündenfall stattfand"145 (vgl. hierzu Link). D. h. v. Balthasar stimmt zwar mit Drewermann darin überein, daß die existentielle Angst vor dem Sündenfall auftritt, er weist aber ausdrücklich zurück, daß es eine "kreatürliche Angst"146 gebe, die mit der Erschaffung der menschlichen Freiheit gegeben sei. Allerdings wird bei Balthasar nicht deutlich, wie denn dann die Menschen in diese Angst hineingeraten. Der Hinweis, daß Gott den Menschen die Freiheit lassen mußte, sich von ihm zu entfernen, und daß das Verbotene "durch sein Verbotensein selbst seine Macht über den Menschen erhält"147 scheint mir dafür nicht hinreichend, da nicht deutlich wird, warum denn ein Verbot die Menschen so anzuziehen vermag. Eben das wollte Drewermann gerade durch das Motiv der Angst - mit doch gewichtigen Argumenten - verständlich machen (vgl. Link; SB 1, 59 und Link).

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Daß zur menschlichen Freiheit notwendig Angst gehöre, wird aber doch von vielen anerkannt. Interessant ist in diesem Zusammenhang, daß einige Autoren sogar weiter gehen als Drewermann. Dieser steht ja auf dem Standpunkt, daß sich so etwas wie eine allgemeine Daseinsangst nur philosophisch, nicht aber psychologisch begründen lasse, und zwar aus methodischen Gründen, weil die Psychoanalyse als Naturwissenschaft immer nur Konfliktsituationen aufzeigen könne, in die die Menschen mit mehr oder weniger großer Wahrscheinlichkeit gerieten, nicht aber eine wirkliche Notwendigkeit wie die Philosophie. Auf dem Hintergrund des oben über die naturwissenschaftliche Erklärungsweise Gesagten kann man das nur bestätigen. Trotzdem wird auch in der Psychoanalyse eine Existenzangst angenommen, deren Gegenkraft das Vertrauen sei.148 Durch die Gegenkraft werde die Angst aufgewogen, gewissermaßen neutralisiert. Doch: "Mit Hilfe dieser Gegenkräfte löst sich die Angst ... nie ganz auf. Es bleibt ein Rest."149 Hier sieht Kutter die Möglichkeit einer Grenzüberschreitung von Psychoanalyse und Philosophie und referiert Kierkegaards Ausführungen zur Daseinsangst auf gleiche Weise wie Drewermann.150 Wir sehen also, daß in diesem Punkte Drewermann nichts Neues sagt, ja er sich auf viele andere berufen kann.

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In diesem Zusammenhang sei noch einmal auf einen Artikel J. Scharfenbergs151 hingewiesen. Darin stellt Scharfenberg, nachdem er sich von einigen Versuchen einer zu einfachen "undifferenzierten Vermengung von psychologischen Erkenntnissen und theologischer Reflexion"152 distanziert hat, vor, wie er sich eine fruchtbare Zusammenarbeit der beiden Disziplinen denkt. Dabei ist überaus frappierend, in wie vielen Punkten er mit Drewermann einig ist, vor allem, wenn man seine ablehnende Rezension von »Strukturen des Bösen« bedenkt, die allerdings den 3. Band noch nicht berücksichtigen konnte. Die wichtigsten Thesen seien hier kurz zusammengefaßt:

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Nach Kierkegaard gehe die der Freiheit notwendig zugehörige Angst der Sünde voraus, die Psychologie könne aber die Sünde, da sie der Freiheit entspringe, nicht erklären, dafür aber beschreiben, wie sie entstehen kann.153 Der Zusammenhang von Angst und Schuld könne für Kierkegaard nicht psychologisch-wissenschaftlich dargestellt werden, das bleibe der Theologie vorbehalten.154 Schon nach Freud müsse die Angst "als eine menschliche Grundgegebenheit angesehen werden, als ein Existenzial [sic]"155. Für Kierkegaard stelle die Angst vor die Alternative Glaube oder Verzweiflung. Das, was psychoanalytisch Neurose heiße, sei eine dritte Alternative, so daß sich Freuds und Kierkegaards Angstverständnis ergänzten.156 Die Neurose

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"muß als der mißglückte Versuch angesehen werden, sich mit dem Existential der Angst auseinanderzusetzen. Damit ist die Unmöglichkeit des Bemühens erwiesen, Angst entweder psychotherapeutisch oder seelsorglich beseitigen zu wollen. Die Aufgabe muß umgekehrt gerade darin gesehen werden, Hilfen zu geben, um der Angst standzuhalten."157
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Mit diesen, Drewermanns Programm schon vorwegnehmenden, Sätzen wollen wir uns der nächsten Frage zuwenden, wie Drewermann die "Beruhigung" der Angst versteht. Scharfenberg setzt sich ausdrücklich von Konzeptionen ab, die meinen, das Chrsitentum befreie von Angst, hebe die Angst auf.158 Will aber Drewermann die Angst nicht doch aufheben? Faßt er sie wirklich als Existential auf, das immer bestehen bleibt, oder vergißt er das zwischendurch? Drewermann spricht davon, daß die Menschen von ihrer Angst "im Vertrauen auf Gott erlöst" (SB 3, XIII) werden, von der "Überwindung der menschlichen Angst"159, von einem Menschen, der "aus dem Feld der Angst heraustritt und zum Glauben an Gott gelangt"160. Die "Angst prinzipiell überwunden zu haben und in jedem Einzelmenschen immer wieder von neuem zu überwinden, ist das Verdienst und die Aufgabe des Christentums" (SB 3, 533). Solche Formulierungen mögen Anlaß sein, Drewermanns Konzeption der "Beruhigung der Angst" mißzuverstehen und abzulehnen. So fragt etwa J. B. Metz in deutlicher Polemik gegen Drewermann, allerdings ohne ihn zu nennen:

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"War Israel etwa glücklich mit seinem Gott? War Jesus glücklich mit seinem Vater? Macht Religion glücklich? Macht sie 'reif'? Schenkt sie Identität? Heimat, Geborgenheit, Frieden mit uns selbst? Beruhigt sie die Angst?"161
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Andererseits gibt Drewermann eindeutig zu verstehen, daß für ihn die Angst unaufhebbar ist, daß sie bleibt: Es "bedarf ... einer Erfahrung, in der die Angst ... zwar nicht beseitigt - denn das ist unmöglich -, wohl aber überwunden wird" (SB 3, XLI). "Ein Mensch ohne Angst wäre kein Mensch mehr." (SB 3, LXXIX) Die Angst sei "mit dem subjektiven Reflex der Freiheit identisch"162, es gehe darum, "aus[zu]halten, was es an Angst in uns gibt, und es überwinden [zu] lernen im Vertrauen"163.

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Man könnte die Aufreihung von Zitaten fortsetzen. Es soll aber nun versucht werden, herauszufinden, was Drewermann meint, wenn die Angst zwar nicht beseitigt, aber dennoch überwunden werden soll. Zunächst möchte ich darauf hinweisen, daß man sicher zwei Arten von Angst bei Drewermann unterscheiden muß, was er selbst nicht genau tut. Die eine Art von Angst ist die Existenzangst oder Daseinsangst, die nicht beseitigt werden kann. Es ist lediglich möglich, sie im Vertrauen auf Gott auszuhalten. In dieser Bedeutung sind Glaube und Angst nicht in dem Sinn Alternative, als ob das eine das andere ausschließe, sondern so, daß, wenn Menschen zum Glauben gefunden haben, das daraus entspringende Vertrauen so im Vordergrund steht, daß sie die Existenzangst darin ertragen können. In diesem Sinn ist für Christinnen und Christen Jesus Erlöser und Vorbild zugleich, denn die Angst sei überwunden, "weil Jesus sie in Gethsemane ... durchgetragen hat im Vertrauen auf Gott"164. Er litt wohl Angst, aber aufgrund seines Vertrauens "verlor [er] auch in der letzten Angst und Not niemals seine Menschlichkeit"165. So habe Jesus "dadurch, daß er die Todesangst bestand, ohne das Vertrauen zum Vater aufzugeben, dieses Angstsyndrom aufgebrochen zum Urvertrauen auf Gottes Güte"166.

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Die zweite Art von Angst ist nicht notwendig und universell und sie kann auch beseitigt werden: dies ist die Angst vor Gott, in die sich die Daseinsangst verkehrt, wenn sie nicht in Gott beruhigt wird.

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" ... Die Sünde ist in der j Urgeschichte ein Gefängnis, das die Menschen sich selbst gebaut haben, um sich gegen Gott zu schützen, und aus dessen Gefangenschaft sie nur Gott selbst erlösen kann, denn die Gefühle der Angst und der Schuld, die diese Schutzmauern nötig machen, können vom Menschen selbst nicht überwunden werden." (SB 2, 588)
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Die Schlange in Gen 3 wandelt durch ihre List die menschliche Daseinsangst um in die Angst vor Gott, indem sie sein Bild pervertiert (vgl. oben Link). Diese Angst vor Gott kann von Gott her, und nur von Gott her, beseitigt werden, indem er durch seine Offenbarung das Gottesbild wieder korrigiert. Angst und Glaube in diesem Sinn sind also echte Alternativen, die einander gegenseitig ausschließen. Hierzu später ausführlicher (siehe u. Link).

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Kurz gesagt: Wenn die Angst vor Gott, die in die Sünde führt, durch Vertrauen auf Gott ersetzt wird, dann können die Menschen ihre Daseinsangst in diesem Vertrauen, das der Glaube schenkt, ertragen, gerade ohne sie zu verleugnen oder zu verdrängen.

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Die Daseinsangst gehört also notwendig zur menschlichen Freiheit. Die Sünde folgt aber nach Drewermann nicht notwendig aus dieser Angst - oder doch? Wir müssen uns nun noch einmal kritisch dem Hauptproblem von »Strukturen des Bösen« und seiner Lösung durch Drewermann zuwenden.

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5. Das Verhältnis von Notwendigkeit und Freiheit

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Auch hier sind Formulierungen Drewermanns oft in großer Spannung zueinander, so daß nicht klar ist, welcher Art die Notwendigkeit zur Sünde, so sie denn besteht, ist.

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Einerseits gilt: " ... J will die psychische Gegensatzproblematik [der notwendigen Vermischung von Gut und Böse] gerade nicht metaphysizieren, sondern theologisch verständlich machen und als nicht-notwendig, wenngleich ubiquitär hinstellen." (SB 2, 32f.)
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Andererseits: "Zunächst kann kein Zweifel sein, daß J tatsächlich eine allgemeine Aussage über den Menschen machen will ... insofern beschreibt J eine Notwendigkeitsstruktur ... ." (SB 2, 589)
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Wie will Drewermann beides vereinen, und gelingt es ihm?

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a) Kant und methodischer Determinismus

505
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Wie wir gesehen haben (vgl. oben Link), ist ein sehr wichtiger Beitrag zur Lösung dieser Frage in der Philosophie Immanuel Kants gelegen. Da er die Naturwissenschaften dem Bereich der Erscheinungen, die Freiheit dem Bereich der Postulate der praktischen Vernunft zuordnet, läßt sich in seiner Theorie erklären, warum etwas von der Naturwissenschaft her als notwendig, von der Theologie her als frei angesehen werden kann. Die Notwendigkeitsstruktur der Sünde soll "lediglich als die kausale Außenseite einer ursprünglicheren Setzung in Freiheit ... zwar nicht als bloßer Schein, wohl aber - im Sinne I. Kants als 'Erscheinung'" (SB 3, XXIIf.) verstanden werden. Denn "Kausalität ist für Kant nicht eine ontologische, sondern eine streng erkenntnistheoretische Kategorie" (SB 3, 13).

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Es erheben sich allerdings zwei Einwände: Drewermann selbst meint, die strikte Trennung zwischen Ansichsein und Erscheinung bei Kant sei ein Dualismus, den man ablehnen müsse (vgl. SB 3, 15 und oben Link). Gleichzeitig will er jedoch die Behauptung Kants, Freiheit und Notwendigkeit könnten auf verschiedenen Betrachtungsebenen nebeneinander bestehen, beibehalten. Wie das gehen soll, wird aus seinen Ausführungen nicht ganz deutlich. Auch stellt sich die Frage, worin der im Zitat aus SB 3, XXIII implizierte Unterschied zwischen "bloßem Schein" und "Erscheinung im Sinne I. Kants" bestehen soll. Die philosophische Auseinandersetzung mit dem Denken Kants hatte einen wesentlichen Ansatzpunkt gerade darin, daß sie Kants Beschränkung der Erkenntnis auf die Erscheinung als eine Beschränkung auf den bloßen Schein auffaßte, bzw. daß zumindest innerhalb des Kantischen Systems nicht nachweisbar ist, ob etwas für eine Erscheinung Gültiges bloßer Schein ist oder reale Geltung beanspruchen kann.167 Die Beschäftigung mit Kant scheint in diesem Punkt nicht schlüssig und zufriedenstellend zu sein. Entweder muß die Notwendigkeit, die konstatiert wurde, Erscheinung im Kantschen Sinn sein, und damit wird zumindest prinzipiell unentscheidbar, ob sie mehr als bloßer Schein ist; oder sie ist eben nicht nur Erscheinung, sondern etwas Reales in der Wirklichkeit, etwas Reales im metaphysischen Sinn. Das will Drewermann aber ausschließen, weil es der Aussageabsicht des Jahwisten widerspricht und letztlich Gott die Schuld an der dann bestehenden Notwendigkeit zur Sünde geben würde. Dies wäre der Standpunkt Hegels. Andererseits soll die Notwendigkeitsstruktur der Sünde etwas sein, was das menschliche Handeln tatsächlich, wirklich bestimmt. Sie hat also einen ganz konkreten Effekt in der Realität. Wie läßt sich das vereinen?

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Eine zweite, der Kantischen Relativierung der Erfahrungswissenschaften nahestehende, Einschränkung ist, die sich zeigende Notwendigkeitsstruktur als durch den methodischen Determinismus der Psychoanalyse bedingt zu sehen. Dies entspräche auch den Einschränkungen, die wir oben von der Wissenschaftstheorie her für naturwissenschaftliche Aussagen geltend gemacht haben. Diese Einschränkung betont Drewermann besonders in SB 2, 590-593. Die sich für den 3. Band stellende Aufgabe sei, "wie sich der Begriff der Notwendigkeit (im Sinne der Naturwissenschaften) mit dem Begriff der Freiheit vereinbaren läßt" (SB 2, 592; Hervorhebung von mir). Die Psychoanalyse klammere die Freiheit methodisch aus (vgl. ebd.) und aus diesem Grund zeige sie eine Notwendigkeitsstruktur. Dies scheint im Einklang mit dem oben über die Erklärungsweise der Naturwissenschaften Gesagten. Wieder stellt sich dann aber die Frage, warum Drewermann überhaupt so viel mit dem Begriff der Notwendigkeit operiert, wenn es sich um keine wirkliche, sondern nur um eine methodisch bedingte Notwendigkeit handelte, die man jederzeit als nicht bestehend erweisen könnte, wenn man nur die Methode wechselte. Und wieder ist zu sagen, daß diese Notwendigkeit sich für Drewermann ganz real auswirkt, denn sie soll gerade erklären, was in der traditionellen Erbsündenlehre die "Vererbung" erklärte: warum alle Menschen von der Erbsünde betroffen sind.

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Im Folgenden will ich eine Interpretation von Freiheit und Notwendigkeit vorlegen, die Drewermanns Anliegen gerecht zu werden sucht, indem sie eine real effektive Notwendigkeit mit einer real bestehenden Freiheit verbinden will. Damit können nicht alle diesbezüglichen Probleme gelöst werden, aber die aufgezeigten Widersprüche werden dadurch meiner Meinung nach vermieden.

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b) Objektive und subjektive Notwendigkeit

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Führen wir uns noch einmal kurz Drewermanns Lösungsversuch vor Augen, mit dem er zeigen will, daß der Prozeß der Verstrickung in die Sünde, der mit scheinbarer Notwendigkeit abläuft, letztlich durch die menschliche Freiheit verursacht ist.

511
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Diese Verursachung durch die Freiheit ist für ihn erst im Rückblick aus dem Glauben zu erkennen. Bevor ich zum Glauben kam, schien es mir notwendig, in meiner Angst mich Gott zu verschließen; nachdem ich zum Glauben fand, kann ich erkennen: " ... ich konnte gar nicht anders; und doch kann ich ja anders und sehe es als meine Schuld an, nie anders gekonnt zu haben." (SB 3, 550) Wenn die Notwendigkeit aber erst rückblickend als nicht mehr bestehend entlarvt wird, und gleichzeitig eingesehen wird, daß man damals doch nicht anders konnte, ist offenbar der Zeitunterschied ein wesentlicher Faktor. Jetzt, für die Gläubigen, ist die Notwendigkeit aufgehoben, damals, als sie noch ungläubig waren, bestand sie, wirklich! Es scheint sich etwas der Aussage von Röm 6, 16-22 ganz Ähnliches anzubahnen, wo die Menschen als Sklaven entweder der Sünde oder der Glaubensgerechtigkeit gesehen werden, und dies in zeitlicher Aufeinanderfolge. Insofern müssen Notwendigkeit und Freiheit gar nicht nebeneinander bestehen, sondern nacheinander.

512
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Wenn es allerdings so einfach wäre, müßte man sich fragen, wozu Drewermann den ganzen 3. Band der »Strukturen des Bösen« geschrieben hat. Und, man müßte sich fragen, wieso dann Schuld besteht; denn es wäre ja unnötig, sich schuldig zu fühlen für etwas, was absolut notwendig war. Um dieses Problem zu lösen, will ich die Unterscheidung von subjektiver und objektiver Freiheit bzw. Notwendigkeit einführen: "objektiv" sei dabei etwas im metaphysischen Sinne tatsächlich Gegebenes und in diesem Sinne Objektives, das eine eigene Wirklichkeit darstellt; "subjektiv" etwas nicht metaphysisch Bestehendes, sondern ein von mir subjektiv so Gesehenes und deshalb nur für mich Bestehendes. Subjektive Freiheit wäre damit die Meinung, frei zu sein; besteht gleichzeitig objektive Unfreiheit, handelt es sich um eine irrige Meinung: ich meine frei zu handeln, in Wirklichkeit bin ich jedoch fremdbestimmt oder durch psychische Vorgänge in meiner Freiheit eingeschränkt. Subjektive Notwendigkeit bei objektiv bestehender Freiheit wäre demnach die irrige Meinung, irgend etwas könne nicht anders sein, die irrige Annahme, es gebe keine Alternative, obwohl es eben doch eine gibt. Das Interessante ist hierbei, daß eine solche bloß subjektive Notwendigkeit, die objektiv nicht besteht, für das sie annehmende Subjekt eine reale Notwendigkeit begründet. Denn wenn ich keine Alternative sehe, muß ich wirklich notwendig das tun, was mir notwendig erscheint. Diese Notwendigkeit ist also tatsächlich bloßer Schein, aber von einer Eigenart, daß für eine Person, die diesem Schein erliegt, die Notwendigkeit wirklich besteht.

513
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Versuchen wir das auf Drewermanns Erbsündenverständnis anzuwenden: wenn die Notwendigkeit zur Sünde als nur subjektive aufgefaßt wird, so besteht sie in Wirklichkeit nicht, ist bloßer Schein, besteht gleichzeitig aber subjektiv real, und zwingt mich wirklich, weil ich eine Alternative und damit eine Wahlmöglichkeit überhaupt nicht sehen kann. Zwar kann ich im Nachhinein den Schein durchschauen, indem mir der Glaube die objektiv bestehende Freiheit zeigt und dadurch die subjektiv bestehende Notwendigkeit aufhebt, aber ich kann doch nie ausschließen, ob die Blindheit gegenüber der an sich ja bestehenden Alternative, die ich nun rückblickend im Glauben erkenne, nicht doch zumindest zum Teil selbstverschuldet war. Unter diesen Voraussetzungen läßt sich in der Tat sagen:

514
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"Das psychologisch Notwendige gibt sich als das theologisch Nicht-Notwendige und Falsche zu erkennen, freilich erst vom Standpunkt eines Vertrauens aus, das im Status der Angst selbst gar nicht vollziehbar zu sein schien." (SB 3, 502f.)
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Allerdings würde es dann wohl passender sein, zu sagen " ... gar nicht vollziehbar war"! Denn trotz der objektiven Nicht-Notwendigkeit ist die psychologische Notwendigkeit für die, die ihr unterliegen, real und ausweglos. Damit wäre der Befreiungs- und Bekehrungsprozeß aus der Verstrickung in die Sünde funktional analog dem Heilungsprozeß der Neurose, wie Drewermann ihn in Anlehnung an Freud auf SB 3, XXII beschreibt. Es ließe sich dann sagen:

516
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"Damit der Kranke [Sünder] aus den Zwängen der Neurose [Sünde] zu sich selbst findet, muß er zunächst sich selbst, seine Freiheit, seine geistige Entscheidung in den psychosomatisch oder psychoneurotisch imponierenden [sündigen] Symptomen wiederfinden; dann erst, wenn er die Schuld an seiner Krankheit [Sünde] trotz aller Angst zu sehen gelernt hat, beginnt der Weg der Heilung." (SB 3, XXII; Einfügungen in [] meine Parallelisierung)
517
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Es wurde also geklärt, wie eine scheinbare Notwendigkeit für die, die diesem Schein erliegen, eine reale Notwendigkeit sein kann, und doch keine objektive Notwendigkeit ist.

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Aber: die Erbsündenlehre will ja gerade erklären, wie die Notwendigkeit zustande kommt. Wenn sie, wie bei Drewermanns Entwurf, bei jedem Menschen aus seiner persönlichen angstgetriebenen Freiheit entstehen muß, so ist noch immer nicht geklärt, wie die Menschen in die Notwendigkeitsstruktur hineingeraten. Beim Modell der Neurose wird zwar im Heilungsprozeß, wie gerade gesehen, eine Mitwirkung der Freiheit rückblickend aufgedeckt, aber erst, nachdem "die rein kausale, auf äußere und zumeist vergangene Faktoren gerichtete Betrachtungsweise" (SB 3, XXII) abgeschlossen ist. Eine neurotische Person ist zunächst das Opfer ihrer Erziehung, Umwelt, etc., und sie wird das nicht erst durch eine freie Entscheidung, sondern gerade bevor sie irgendeine geistige Reife und Freiheit besitzt. Dies ist auch bei der Erbsünde so nach dem traditionellen Modell und auch nach dem Entwurf Schoonenbergs. Anders müßte es bei der Sünde nach Drewermann sein. In sie geraten die Menschen erst hinein, nachdem sie bewußt sind, mit Freiheit ausgestattet; das hat Drewermann immer wieder als Aussageabsicht des Jahwisten betont und gegen andere Entwürfe verteidigt (vgl. oben Link). Wie er das aber aufrecht erhalten will, scheint ungeklärt, ja unmöglich.

519
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Da er eine zeitliche Betrachtung des "Falls" ausdrücklich ausschließt, legt sich die Vermutung nahe, daß für ihn, wie für Tillich, Schöpfung und "Fall" zwar logisch unterschieden seien, aber raum-zeitlich zusammenfallen. Der Grund für den "Fall" könnte dann zwar die metaphysisch real bestehende Freiheit sein, aber der Fall müßte doch "vorab zu jeder konkreten empirischen Existenzweise des Einzelnen jenseits der Bestimmungen von Raum und Zeit" (SB 3, 16) gedacht werden, was Drewermann ausdrücklich ablehnt. Die Freiheit, die subjektiv nicht bestünde, wäre in der Tat keine Freiheit mehr, weil sie "jeden Menschen schuldig macht (statt ihm selbst die Wahl über Gut und Böse zu ermöglichen)" (ebd.).168

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Und so halte ich zwar Drewermanns »Strukturen des Bösen« für eine geniale Darstellung der Verstrickung in der Sünde mit ihren Mechanismen, sowie einen überaus vielversprechenden Hinweis, wie die Befreiung daraus aussehen könnte - mit anderen Worten also: für eine Phänomenologie der Folgen der Erbsünde und der Erlösung davon -, glaube aber, daß er die ätiologische Frage, wie es denn zum Zustand der Erbsünde zuallererst komme, nicht befriedigend beantworten kann. Seine Kritik an der Existenzphilosophie muß somit auf ihn selbst zurückgewendet werden: auch Drewermanns Entwurf setzt im Grunde erst "an der Stelle ein, wo die Menschen bereits von dem Baum der Erkenntnis gegessen haben (Gn 3, 7)" (SB 3, 427). Ganz ähnlich äußert sich H.-J. Lauter, der feststellt, Drewermanns Versuch einer Neuinterpretation der Erbsündenlehre könne der kritischen Nachprüfung nicht standhalten.169 So urteilt auch S. Wiedenhofer, der »Strukturen des Bösen« für einen der "beiden wichtigsten Beiträge zur Erbsündentheologie der Gegenwart"170 hält: "Was sie [die Neuinterpretation Drewermanns] aber m. E. nicht leistet, ist die Lösung des systematisch-theologischen Grundproblems der Erbsündenlehre"171, nämlich Schuldhaftigkeit und Universalität zu vereinen.

521
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Dies ist allerdings kein vernichtendes Urteil über Drewermanns Erbsündentheologie, denn mir und auch Wiedenhofer ist überhaupt kein Entwurf bekannt, der das Entstehen der erbsündlichen Verstrickung plausibel erklären könnte. Es werden zwar Antworten angeboten, doch sie - allen voran die traditionelle Ansicht - können erst recht nicht befriedigen. "Dieses Urteil [über Drewermanns Entwurf] ist auch auf die anderen systematisch-theologischen Versuche der Auflösung des erbsündentheologischen Grundproblems auszudehnen ... ."172 Es scheint, als müßten sich die Erbsündenmodelle tatsächlich auf den Zustand nach Gen 3, 7 beschränken, und die Entstehung dieses Zustands aus der menschlichen Freiheit lediglich postulieren. Vielleicht könnte man auch hier sagen:

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"Das geschieht zurecht und kann auch der j Urgeschichte zufolge nicht anders sein, denn tatsächlich werden auch für J die Menschen erst in Gn 3, 7 zu dem, was sie de facto sind." (SB 3, 427)
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Doch mir scheint Drewermanns Ableitung einer subjektiven Notwendigkeit, die aus der Angst der objektiven Freiheit entspringt, durchaus einiges abzugewinnen. Es ist schon fast eine philosophische Allerweltsweisheit, daß die Freiheit kontingenter Wesen immer eine relative und eingeschränkte Freiheit sein muß. Kierkegaards und Drewermanns Analyse würde diese Erkenntnis erweitern und vertiefen. Denn die Einschränkung der Freiheit bestünde dann nicht einfach darin, daß die menschliche Freiheit deshalb relativ sei, weil Menschen keine unbegrenzten Wahlmöglichkeiten haben oder nicht allmächtig sind wie Gott, sondern: wenn zutrifft, daß ein kontingentes Seiendes, das sich seiner Kontingenz bewußt ist, subjektiv notwendig durch die Angst vor der Selbstverfehlung in eine Zwangsstruktur der Sünde gerät, ist die Relativität der menschlichen Freiheit so aufzufassen, daß mit ihr von vorneherein auch Unfreiheit mitgegeben ist. Die Analysen in »Strukturen des Bösen« könnten dann als Beschreibung dessen verstanden werden, was Relativität der menschlichen Freiheit überhaupt besagt, wie sie sich im Leben auswirkt. Andereresits scheint mir das dem Anliegen Drewermanns nicht ganz gerecht zu werden, denn die Schuldfrage wäre in solch einem Verständis sicher nicht an die Menschen zu richten. Eine eindeutige Antwort, ob diese Gedanken mit denen Drewermanns zu vereinen sind, ist schwierig, da seine Ausführungen, wie gesehen, Ungereimtheiten aufweisen. In diesem Zusammenhang sei jedoch darauf hingewiesen, daß Drewermann bereits im exegetischen Teil darauf hinweist, daß der Zusammenhang der Schuld, durch dessen Hervorkehren sich die Menschen der Urgeschichte entlasten wollen (vgl. Gen 3, 12f.) tatsächlich bestehe (vgl. SB 1, 84) und Gott ihn auch anerkennt, indem er alle Beteiligten in umgekehrter Reihenfolge bestraft (vgl. Gen 3, 14-19), daß aber für Gott dieser Vorgang ein "Nachgehen in der Schuld" (SB 1, 85) sei, für die Menschen hingegen ein (vermeintliches) "Abgehen vom Unschuldigen zum Schuldigen" (ebd.). Das heißt, daß sich die Schwierigkeit, die Schuld festzumachen, bereits exegetisch ergeben hat, und ein Problem ist, das der Bibeltext selbst aufwirft und nicht erst eine gewisse Deutung dieses Textes.

524
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Das bei Drewermann etwas unklare Verhältnis zwischen subjektiver Notwendigkeit und objektiver Freiheit, gibt auch Anlaß zu manchen Mißverständnissen, je nachdem, welchen Aspekt Drewermann gerade betont. Wird der Aspekt der Notwendigkeit betont, richtet sich das Augenmerk seines Erbsündenmodells auf das, was in der Tradition durch die Vererbung erklärt wurde, die unweigerliche, nicht durch persönliche Entscheidung der Einzelnen bedingte, Verstrickung in die Sünde. Seine Kritiker werfen ihm dann gerne vor, die Sünde durch Angst zu ersetzen, und die Menschen von allem Bösen freizusprechen. Wer dies tut, "verkennt Drewermanns Angstanalyse"173 allerdings. In der Tat meint er: " ... man muß von Sünde sprechen, um Theologie treiben zu können, und man muß von Gott sprechen, um von Sünde sprechen zu können." (SB 3, 578)

525
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Umgekehrt, wenn es Drewermann um die theologische Betrachtung der Gottferne aufgrund menschlicher Freiheit geht, betont er das freie Geschehen der Sünde, und in manchen Äußerungen wird dann schwer verständlich, wie ein Psychoanalytiker menschliches Fehlverhalten als schuldhaft verstehen kann, ohne eine psychische Unfreiheit überhaupt zu erwägen. So etwa bei der Beurteilung des Familienvaters während der Nazizeit, wo Drewermann feststellt, seine Schuld liege vorab in seinem Selbstentwurf als bloßer Familienvater, aber nicht weiterfragt, ob der Mann denn überhaupt Gelegenheit hatte, sich einigermaßen frei selbst zu entwerfen (vgl. oben Link). Hier schiene mir der Schoonenbergsche Begriff des "Situiert-Seins" einen wesentlichen Beitrag zu liefern. Drewermanns und Schoonenbergs Modelle müßten sich meiner Auffassung nach nicht ausschließen, sondern könnten einander ergänzen und so mehr leisten als jedes für sich. In diesem Zusammenhang könnte man auch darauf hinweisen, daß Drewermann Schoonenberg Recht gibt, "wenn er auf die soziale und geschichtliche Vermitteltheit der Sünde hinweist" (SB 3, 364), diese aber in Drewermanns eigenem Entwurf eher zu kurz kommt. Gerade hier schiene mir eine Ergänzung angebracht.

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Die verschiedene Akzentuierung von Notwendigkeit und Freiheit ist bei Drewermann allerdings nicht willkürlich, sondern durch die - man könnte sagen pädagogische oder pastorale - Situation bedingt. Es hat keinen Sinn, denen, die gefangen sind, zu sagen, daß das ein Irrtum sei; ich muß sie zu dem Vertrauen führen, daß sie es selbst als Irrtum erkennen können. Dies steht für Drewermann im Vordergrund, inzwischen so sehr, daß er sich in einem Punkt revidiert hat: er meint nun tatsächlich, auf den Begriff der Sünde verzichten zu können, nicht allerdings auf den damit bezeichneten Inhalt. In einer Stellungnahme zum "Drewermann-Symposion" in München, die mir als Tonaufzeichnung vorliegt174, stellt Drewermann fest:

527
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"Schon vor 50 Jahren sagte der protestantische Theologe Paul Tillich, daß das Wort 'Sünde' sich eigentlich nicht mehr retten lasse. Ich glaube, er hat Recht. Denn die Meisten assoziieren mit dem Begriff 'Sünde' ein Feld von kleinlichen moralischen Verstößen, die ... . nicht über ihr ganzes Leben auf Heil oder Unheil in Zeit und Ewigkeit entscheiden könnten."
528
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Dagegen macht er geltend, daß die Bibel von "DER Sünde" in der Einzahl spreche, und sie verstehe als eine "Macht, die im Stande ist, das gesamte menschliche Dasein zu verformen"175. Es zeigt sich also, daß er den Begriff "Sünde", wie er heute verstanden werde, gerade deshalb ablehnt, weil er seinen biblischen Gehalt retten will. Man muß diesem Sprachgebrauch nicht folgen, sollte daraus aber Drewermann nicht den Vorwurf machen, er leugne die Realität der Sünde.

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Die Sünde ist für Drewermann gerade etwas, das die Menschen unfrei macht, wie für den Jahwisten und für Paulus, das sie aber nur unfrei machen kann, weil und indem die Menschen sich von Gott abgekehrt haben. Die Daseinsangst kann nach Kierkegaard entweder in Gott beruhigt werden, oder sie führt in die Sünde. Der Jahwist behauptet, nach Drewermann, sie führt in die Sünde, weil und wenn sie durch die Verzerrung des Gottesbildes in eine Angst vor Gott verwandelt worden ist. Dies geschehe für alle Menschen mit subjektiver Notwendigkeit, da sie in ihrer Angst keine andere Möglichkeit sehen, jedoch in objektiver Freiheit, da keine objektive Notwendigkeit bestehe. Hier, haben wir gesehen, liegt ein Schwachpunkt in Drewermanns Argumentation.

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Eines jedoch wird in diesem Modell gut verständlich, auf das normalerweise nicht geachtet wird beim Entwurf von Erbsündenmodellen. Auch Drewermann geht darauf nicht ein, doch es läßt sich aus seinem Entwurf ableiten. Der christlichen Dogmatik zufolge waren Jesus von Nazareth und durch ihn auch seine Mutter frei von Sünde, und auch von der Erbsünde.176 Ein sinnvolles Modell müßte das ermöglichen. Das traditionelle Verständnis tut dies, indem es bei Jesus eine menschliche Zeugung ausschließt, bei Maria dies als trotz der Zeugung durch die Gnade bewirkt postuliert, ohne das irgendwie erklären zu können. Im Entwurf Schoonenbergs ist es schwer zu erklären, da doch auch diese beiden Menschen in die Situation der Sünde hineingeboren wurden. Eventuell ergäbe sich ein Ausweg dahingehend, daß sie durch diese Situation zwar existentiell, aber doch nicht existential bestimmt wurden (vgl. oben Link). Allerdings, wie dies zu denken sei, wird nicht klar. In Drewermanns Entwurf dagegen scheint die Antwort relativ leicht zu sein: Jesus war der Mensch, dessen Gottvertrauen immer größer war als seine Daseinsangst. Diese gehört notwendig zum Menschsein and damit auch zur Menschheit Christi; daß sie sich aber in Gottesangst verkehrt, war nur eine subjektive Notwendigkeit, und diese müßte eben für Jesus und Maria ausgeschlossen werden. Ihnen gelang es aufgrund der Hilfe des Heiligen Geistes in ihrem gesamten Leben, die Angst im Vertrauen auf Gott durchzustehen und sie zu beruhigen. In diesem Punkt bietet Drewermanns Sichtweise eine klare und einleuchtende Lösung.

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c) Erbsünde und Einzelsünde

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Es soll nun auf dem Hintergrund des Erörterten kurz über das Verhältnis von Erbsünde und Einzelsünde nachgedacht werden. Oft werden nämlich beide nur nebeneinander gestellt: das Böse, das die Menschen unfrei und ohne (subjektive) Schuld täten, gehöre zur Erbsünde, das, welches sie in freier und bewußter Entscheidung vollbrächten, sei persönliche Sünde, wo man dann zwischen habitueller und aktueller, läßlicher und Todsünde unterscheiden könne.

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Dies ist aber so nicht haltbar. Schon für die traditionelle Erbsündenlehre war eine Folge der Erbsünde die Konkupiszenz, die zu weiteren Sünden führe; für die katholische Lehre zwar nicht so, daß diese weiteren Sünden unweigerlich aus ihr folgten, aber doch so, daß es die göttliche Gnade brauchte, um sie vermeiden zu können. Nimmt man ernst, daß die Menschen, die in der Zwangsstruktur der Sünde gefangen sind, also von der Erbsünde betroffen sind, wirklich unfrei sind, nicht aus eigener Kraft das Gute tun können (vgl. Anti-Pelagianismus-Funktion der Erbsündenlehre oben Link), so muß der Zusammenhang von Erbsünde und Einzelsünde noch enger gesehen werden. Insbesondere auf dem Hintergrund des Neuen Testaments, wo die Menschen wesentlich als Sünderinnen und Sünder aus Nicht-Wissen gesehen werden, wird das deutlich. R. Schwager stellt als Erklärung der Vergebungsbereitschaft Christi seine Identifikation mit den Sündern und Sünderinnen fest und betont:

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"Im fürbittenden Gebet für seine [Jesu] Feinde während des Leidens findet sich ausdrücklich die Begründung ' ... denn sie wissen nicht, was sie tun' (Lk 23,34). ... Die mangelnde persönliche Verantwortung gab er gerade als Grund an, weshalb er für seine Widersacher eintrat. Er stellte seine Verfolger dem himmlischen Vater als solche vor, die wegen ihres Nicht-Wissens keine echte Verantwortung für ihr Tun haben. Ihr Handeln entsprang nicht wacher eigener Entscheidung, sondern es fiel ihnen so zu, daß sie dabei mehr Opfer als Täter waren."177
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Obwohl sich Schwagers Erklärung dieser Unfreiheit der Menschen von Drewermanns unterscheidet, bestehen doch große Ähnlichkeiten darin, daß beide eine Gegenfinalität von dem, was die Menschen wollen und dem, was sie tatsächlich tun, annehmen, das heißt einen Widerspruch zwischen Bewußtem und Unbewußtem178, und beide kommen deshalb auch zum Ergebnis einer erheblichen Einschränkung, bzw. Aufhebung der menschlichen Freiheit in der Sünde. Schwager bringt dies zwar nicht ausdrücklich mit der Erbsündenlehre in Verbindung, er scheint mir das jedoch nicht auszuschließen, sondern eher zu implizieren.

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Auf diesem Hintergrund ist wohl zu beachten, daß die Unterscheidung zwischen persönlicher Sünde und Erbsünde einen nur theoretischen Wert hat, insofern zwei extreme theoretische Möglichkeiten des menschlichen in Schuld Geratens gegenübergestellt werden: das völlig freie und das völlig unfreie. In der Realität dürfte jedoch keines in dieser Reinform vorfindbar sein, denn völlige (relative) Freiheit dürften wir in unserem Handeln kaum jemals haben, und völlig unfrei auch selten sein.

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6. Die Theodizeefrage

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In den vorangegangenen fünf Kapiteln haben wir einige Kritikpunkte an Drewermanns Deutung der Erbsündenlehre dargestellt, die es erforderlich machen, sich noch in einem eigenen Punkt dem Theodizeeproblem zuzuwenden. In Punkt 2. haben wir gesehen (vgl. o. Link), daß Drewermanns Modell leidverursachende Katastrophen und Krankheiten in der Welt als Naturgegebenheiten der Schöpfung von Anfang an annehmen muß, in Punkt 3. (vgl. o. Link) kritisiert, daß seine Interpretation, nur die menschliche Wahrnehmung der Wirklichkeit habe sich geändert, nicht befriedigen kann. In Punkt 4. (vgl. Link) haben wir Drewermann zugestimmt, daß die Angst notwendig zur menschlichen Freiheit gehöre. Aber auch hier läßt sich fragen: muß das so sein? Und schließlich stellten wir eine subjektive Notwendigkeit zur Sünde fest, die scheinbar alle Menschen betrifft.

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Die Probleme, die die Enthistorisierung der Urgeschichte aufwirft, sind nicht auf Drewermann beschränkt und vor allem können auch die Antworten der traditionellen Erbsündenlehre nicht befriedigen. Wäre das Theodizeeproblem durch die christliche Erbsündenlehre wirklich gelöst, wenn man annehmen könnte, daß aufgrund der Sünde eines Menschenpaares am Beginn der Welt alle Menschen nun von Leid betroffen sind? Ich denke doch, daß wir das schwerlich mit unserem Gerechtigkeitsverständnis vereinbaren könnten. Die Probleme, die durch die Annahme der Angst als metaphysisch notwendig und durch die psychologisch/subjektiv notwendige Verstrickung in die Sünde aufgeworfen werden, sind hingegen direkte Folgen aus Drewermanns Entwurf. Wir wollen uns deshalb ihrer Problematik unter dem Gesichtspunkt der Theodizee zuwenden.

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Die Frage, warum denn Gott freie Menschen geschaffen habe, wenn er doch gewußt haben mußte, daß sie so viel Böses tun würden, wird verschärft, wenn man noch hinzunimmt: er hat sie auch noch mit einer Freiheit geschaffen, die mit Angst verbunden ist. Indes ist dies nur eine scheinbare Verschärfung, wenn Drewermanns These zutrifft, Angst sei notwendig, und zwar objektiv, metaphysisch notwendig, mit der Freiheit eines kontingenten Wesens gegeben. Wir wollen diese Voraussetzung in Anlehnung an die o. g. zustimmenden anderen Autoren akzeptieren. Zwar ließe sich noch geltend machen, daß Angst vielleicht ein zu starker Ausdruck sei, und man besser von der Unsicherheit der Menschen sprechen solle, die sich notwendig aus ihrer Freiheit und ihrer Kontingenz, sowie ihrer Fähigkeit, beides zu erkennen, ergebe. Dem mag man terminologisch zustimmen, ich sehe allerdings nicht, daß es der Sache nach sehr viel ändert. Man müßte dann eben von einer Daseinsunsicherheit sprechen, die durch Unsicherheit im Gottesbild in Angst vor dem Dasein und vor Gott umschlage. Die Folgen wären die gleichen.

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Wenn jedoch diese Angst oder Unsicherheit notwendig mit der menschlichen Freiheit gegeben ist, bedeutet das, die Schwierigkeit, die dadurch entsteht, ist nicht größer als die, die aus der Auffassung folgt, daß Gott den Menschen überhaupt ihren freien Willen läßt, obwohl sie so viel Böses tun. Eine Theodizee, eine "Entlastung" Gottes, scheint möglich zu sein, wenn es gelingt, philosophisch aufzuzeigen, daß die Erschaffung von Wesen zum Zwecke, sie zu lieben und von ihnen geliebt zu werden, nur möglich ist, wenn diese Wesen frei sind. Dies kann hier nicht geschehen, doch dieser Fingerzeig in eine Richtung mag genügen.179

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Drewermann betont, daß die Notwendigkeitsstruktur der Sünde Gott nicht angelastet werden könne, weil sie eben objektiv und vor Gott gar nicht bestehe, sondern nur durch die menschliche Freiheit bedingt als subjektive Notwendigkeit. Man muß aber noch weiter fragen: hat nicht Gott auch die menschliche Psyche geschaffen, und fällt es dann nicht doch auf ihn zurück, wenn diese Psyche mit subjektiver Notwendigkeit in die Sünde gerät? Denn wir haben ja gesehen, daß eine subjektive Notwendigkeit für die Person, die ihr unterliegt, höchst real und effektiv ist und in der Wirkung einer objektiven gleichkommt. H.-J. Lauter meint mit Berufung - allerdings ohne Quellenangabe - auf W. Kasper denn auch zu Drewermanns Entwurf: "Wenn an der Kurve einer Autobahnbrücke alle Autos abstürzen, liegt offenbar ein Konstruktionsfehler vor. Damit fiele die Verantwortung für die Erbsünde auf den Schöpfer zurück."180 So stellt sich die Theodizeefrage: wie ist dies damit vereinbar, daß Gott gut und allmächtig ist? Oder anders gesagt: kann Drewermanns Modell akzeptiert werden, wenn es doch Gott zum Schuldigen zu machen scheint? "Die Schöpfung einer erlösungsbedürftigen Welt ist mit der Güte Gottes schwerlich kompatibel."181 Doch gerade das scheint Drewermanns Entwurf zu implizieren.

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In der Tat denkt Drewermann seinen Ansatz konsequent weiter und kommt zur Überzeugung:

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"De facto ist es schlechterdings ... unausweichlich, daß ... immer wieder Lebenssituationen für den einzelnen eintreten, die seine moralischen und charakterlichen Fähigkeiten bei weitem übersteigen. ... Diese Form des Tragischen ist ein Teil der Schöpfung selbst, und sie ist zutiefst eine Tragik des Schöpfers. ... Das Christentum, statt in einer schlechten, weil heuchlerischen, Theodizee die Fragen des Hiob zu verdrängen ... , sollte jedoch gerade um der Erlösung des Menschen willen anerkennen, daß es Schicksalsfügungen und Schicksalsschläge gibt, an denen Menschen unausweichlich scheitern müssen. Statt Gott von dieser Form des Tragischen im Innersten der Schöpfung reinzuwaschen, sollte es vielmehr ... zu einer unmittelbaren Ehrfurcht vor dem menschlichen Leid zurückfinden."182
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Muß Drewermanns Vorstellung von Schöpfung und Erbsünde also zurückgewiesen werden, weil sie letztlich doch auf einen Schuldspruch Gottes hinausläuft?

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So einfach ist die Lösung deshalb nicht, weil sich das Theodizeeproblem als äußerst hartnäckig erwiesen hat, so daß O. Marquard in seinem Beitrag zur Überzeugung gelangt: " ... Es ist nötig, das Theodizeeproblem zu stellen. Einstweilen sehe ich keinen Weg, mit ihm fertig zu werden."183 Mit anderen Worten: nicht nur bei Drewermanns Erbsündenmodell stellt sich dieses Problem, sondern es stellt sich überhaupt, unabhängig davon, welches Erbsündenmodell oder welche Theologie im Gesamten man vertritt. Denn die Tatsache unverschuldeten Leids ist nicht zu leugnen. So haben wir gesehen, daß das traditionelle Erbsündenmodell zwar auf drei Theodizeefragen eine Antwort geben will (vgl. oben Link). Wir mußten aber feststellen, daß es das nicht befriedigend kann, weil seine Antworten heute nicht mehr akzeptabel sind. Drewermann geht nun in gewissem Sinn einen umgekehrten Weg: er läßt die Fragen an die Gerechtigkeit Gottes offen und versucht, ohne sie zu "verdrängen", einen Weg zu sehen, wie wir Menschen mit diesem Leben, in dem wir uns in die Sünde und das Böse verstrickt vorfinden, umgehen können. In dieser Sichtweise bekommt Drewermann Unterstützung von unerwarteter Seite. So meint J. B. Metz:

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"Die Theologie ... kann die Theodizeefrage nicht 'lösen'. Ihre Aufgabe besteht vielmehr darin, sie als Rückfrage an Gott zu formulieren und den Begriff einer zeitlich gespannten Erwartung auszuarbeiten, daß, wenn überhaupt, Gott selbst sich an seinem Tag angesichts dieser Leidensgeschichte 'rechtfertige'."184
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Metz wirft der Augustinischen Erbsündentheologie vor, sie habe die Frage nach dem nicht von Menschen verursachten Leid tabuisiert und Erlösung nur auf die menschliche Sünde, nicht aber auf dieses Leid bezogen.185 Außerdem habe die Auffassung, alles Böse sei durch menschliche Schuld verursacht, die Menschen überfordert, und heute erlebten wir eine Gegenreaktion, indem man die Menschen überhaupt von allem Bösen freisprechen wolle. Wiederum in deutlicher Anspielung an Drewermann formuliert er:

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"Nicht von ungefähr hat die neue (postmoderne) Mythenfreudigkeit gerade im Christentum selbst Konjunktur. Die heute grassierende Remythisierung der Botschaft empfiehlt sich mit ihren Unschuldsträumen und Unschuldsvermutungen über den Menschen, mit ihrer ethischen Suspension des Glaubens. Sie wäre zu begreifen als Reaktion auf eine kirchliche Verkündigung, die extrem moralisiert erscheint, die jeweils nur paränetische Fragen an das Verhalten der Menschen, aber keine eschatologischen Rückfragen an Gott kennt ... ."186
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Mit dem letzten Satz, in dem Metz die Ursache der Drewermannschen Betonung der menschlichen Unfreiheit und der Zurückstufung der Moral angibt, hat er sicher Recht. Und insoweit gibt er auch der Kritik Drewermanns an der kirchlichen Verkündigung Recht. Inwieweit diese Gegenreaktion allerdings zu weit geht, darüber läßt sich streiten. Drewermanns "Suspension des Ethischen durch das Religiöse"187 will ja nicht behaupten, man müsse die Ethik abschaffen, oder Ethik habe mit dem Glauben nichts zu tun. Aber, sie ist für Drewermann eine "bloße Funktion des Religiösen" (SB 3, LXXI = PM 1, 114), und als Psychotherapeut weiß Drewermann, daß die Wirkung eines moralischen Gebots oftmals gerade die sein kann, die Einhaltung des Gebots zu verunmöglichen. Er meint mit Berufung auf Röm 5-8 und Gal 3, daß Menschen

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"überhaupt nicht moralisch sein ... können, wenn die Moral dazu dienen soll, dem eigenen Leben eine Berechtigung zu verleihen, diese außerordentliche Entdeckung des Paulus bedeutet nichts mehr als die Aufhebung der Moral zugunsten des Glaubens"188.
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Es zeigt sich damit, daß Drewermanns "Aufhebung der Moral" nicht anders gemeint sein kann als die Paulinische Theologie von der "Aufhebung des Gesetzes" (vgl. Eph 2, 15). Daß Drewermann hierbei etwas einseitig und pointiert verfährt, kann man ruhig zugestehen, verweist doch Metz, seine eigenen Ausführungen rechtfertigend, auf Kierkegaard und zitiert ihn mit den Worten:

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"'Wer nun das 'Korrektiv' abgeben soll, der muß genau und gründlich die schwachen Seiten des Bestehenden studieren - und dann einseitig das Gegenteil zur Geltung bringen: tüchtig einseitig.'"189
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Dies mag stimmen, soweit es darum geht, das Eigentliche der Kritik deutlich zu machen und zu betonen. Andererseits kann man sich auch fragen, ob beide, Drewermann wie Metz, nicht besser daran täten, die Gemeinsamkeiten ihrer Positionen, die sich hier deutlich zeigen, zu suchen und dort, wo es möglich ist, vereint nach Lösungen zu suchen. Ich werde auf Drewermanns Folgerungen für die kirchliche Moral und Verkündigung später (vgl. u. Link) noch einmal eingehen. Die hier gemachten Bemerkungen hätten ihren systematischen Ort eigentlich dort, jedoch haben wir bei Metz gesehen, daß Theodizeeproblematik und Moralverständnis durchaus sich gegenseitig bedingen, und dies mag diesen Einschub rechtfertigen.

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Kommen wir aber nocheinmal auf die Theodizeefrage zurück. Wenn es Aufgabe der Theologie ist, diese Frage an Gott zu richten und Drewermanns Theologie das tut, so besteht immer noch die Frage, wie sie es tut. Drewermann bezieht sich dabei häufig auf die Gestalt des Hiob als einer biblischen Gewähr dafür, daß man die Theodizeefrage nicht einfach klären könne, sondern sie in ihrer Spannung stehen lassen solle. Er ist, wie wir gesehen haben, der Meinung, daß die empirische Natur nicht anthropozentrisch geordnet sei, daß es einen Anthropozentrismus lediglich theologisch oder im Glauben gebe, und daß deshalb die Natur als solche auch nicht von der Schöpfung her als den Menschen freundlicher als anderen Lebensformen gesehen werden könne. Die Natur sei den Menschen gegenüber gleichgültig (vgl. SB 3, LVf., 520f.). Auch hier ist Drewermanns Position keine Ausnahme. C. F. Geyer konstatiert:

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"Richtig ist ... , daß man überall dort, wo man an Theodizeeprozessen interessiert war, dem biblischen Hiob mit Unverständnis begegnete. Das nimmt nicht Wunder bei einem Text, der die 'Dissonanzen der Welt' bewußt werden läßt, ohne sie im Blick auf eine 'Welt um des Menschen willen' zu verklären. Der Gott, der Hiob in der Theophanie Rede und Antwort steht, bringt ja als Einwand gegen die Anklage Hiobs vor, seine Schöpfung sei gerade keine anthropozentrische, um des Menschen willen ins Dasein gerufene."190
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Nach all dem kann man wohl sagen, daß Drewermanns Erbsündenmodell die Theodizeefrage im aller Dringlichkeit aufwirft, ja sie ausweitet von der äußeren Natur auf die innere, psychische Natur der Menschen, dies jedoch nicht als Argument gegen dieses Modell gebraucht werden kann, jedenfalls solange nicht, als nicht ein anderes Erbsündenmodell die entstehenden Probleme überzeugender löst als dieses.

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C. Grunderkenntnisse

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Im Teil B haben wir Drewermanns Erbsündentheologie vor allem auf ihre Schwächen untersucht und eine ganze Reihe gefunden. Insbesondere das nicht gelöste Problem der Vereinbarkeit von Freiheit und Notwendigkeit und die dringlich aufgeworfene Theodizeefrage geben zu denken. In diesem Teil C sollen nun die meiner Meinung nach auf jeden Fall fetszuhaltenden wichtigen Erkenntnisse aus Drewermanns Entwurf zur Sprache kommen. Dabei ist zu beachten, daß es sich bei ihnen um Dinge handelt, die auch Drewermann selbst als zentral für seine Theologie sieht. Ich bin der Meinung, daß man diese Folgerungen Drewermanns sogar anerkennen kann, wenn man all die kritischen Anfragen, die wir an seinen Entwurf gestellt haben, negativ beantworten würde, und sie somit bleibend gültig sind.

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1. Die Verstrickung der Menschen - interpretative Funktion der Erbsündenlehre

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Schon bei der Besprechung der traditionellen Erbsündenlehre (vgl. oben Link) haben wir gesehen, daß der Anlaß, sie aufzustellen, und daher auch eine ihrer Hauptfunktionen, die Auseinandersetzung mit dem Pelagianismus war. Sie diente der Theologie, zu betonen, daß die Menschen durch die Sünde in Unfreiheit gehalten werden, und daß sie sich aus dieser Unfreiheit nicht selbst herausarbeiten können, sondern nur Gottes Gnade das vollbringt. Diese Anti-Pelagianismus-Funktion der Erbsündenlehre bedeutete, daß man wohl aufgrund der Ursünde das Menschengeschlecht als schuldig ansehen, nicht aber daß man einzelnen Menschen die Verantwortung für alle ihre Taten aufbürden konnte. Dies ist nach J. Werbick "die spezifische Leistung der Erbsündenlehre. Sie beharrt nämlich auf der Schuldfrage und verbietet zugleich jede Schuldzuweisung."191

562
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Dies ist nun genau das, was Drewermann diagnostische oder interpretative Funktion der Erbsündenlehre nennt: sie stellt die Diagnose, daß die Menschen in Sünde verstrickt sind. Für die so Verstrickten gilt, daß sie durch diese Verstrickung in Unfreiheit gehalten werden, eine Schuldzuweisung ist also fehl am Platze. "Es kommt vielmehr darauf an, die Unfähigkeit des Menschen zum Guten innerlich zu verstehen, ... die Erbsündenlehre interpretativ und nicht appellativ zum menschlichen Dasein in Beziehung zu setzen."192 Der Sinn der Erbsündenlehre besteht dann gerade nicht darin, alle Menschen schuldig zu sprechen und ihnen für diese Schuld womöglich noch Sühneleistungen und Opfer aufzuerlegen, sondern darin, die Schuld, in die Menschen verstrickt sind, gnädiger zu sehen.

563
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"Der scheinbare Optimismus einer ethischen Betrachtung des Bösen verkehrt sich in Wahrheit zu Menschenfeindlichkeit und Menschenverachtung. Die scheinbare Aussichtslosigkeit der religiösen Diagnose aber, die Lehre von der 'Erbsünde', ... denkt letztlich zweifellos gnädiger, mitleidiger und würdiger vom Menschen." (SB 3, LXXXIIIf. = PM 1, 126)
564
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Drewermann macht nun der kirchlichen Praxis den Vorwurf, daß sie ihre eigene wichtige Lehre vergessen habe und faktisch in einen versteckten Pelagianismus zurückgefallen sei. Durch die Etablierung als Volksreligion und die Praxis der Kindertaufe sei das, was Folge des Glaubens sein könnte, Erlösung aus der Verstrickung, das was als Gnadengeschenk am Ende des Prozesses des zum Glauben Kommens stehe, zu einer moralischen Forderung geworden. Da die Menschen, schon ehe sie denken können, Christinnen und Christen genannt werden, und die Taufe von der Erbsünde erlöst, habe die Theologie vergessen, daß die Menschen diesen Prozeß erst subjektiv nachvollziehen müßten und fordere von ihnen, was sie nicht dürfe.

565
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"Indem man den Glauben in der Weise der Volksreligion gewissermaßen zu inflationären Bedingungen handelt, sind die Menschen innerlich ja durchaus nicht anders geworden; nach wie vor sind sie denselben Ängsten ausgeliefert wie jedermann; die bloße Tatsache, dem Christentum anzugehören, ist solange existentiell und psychologisch unwirksam, als diese Ängste nicht in der Tiefe vom Glauben her beruhigt worden sind. So richtig es ist, daß der Glaube an sich von der Notwendigkeit der Schuld ... erlöst, so wenig ist damit doch schon darüber gesagt, inwieweit jemand für sich selbst den Standpunkt des Glaubens gesetzt hat. Gerade indem diese Frage bei der Aufnahme ins Christentum jetzt aber keiner eigentlichen Bewährung mehr unterzogen wird, mutet es grotesk an, wenn gleichwohl innerhalb der kirchlichen Ordnung Gebote und Gesetze aufgestellt werden, die im Grunde nur als Folgerungen des Glaubens sinnvoll und möglich sind, die aber nun den Charakter rein sittlicher Forderungen erhalten."193
566
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Die katholische Kirche müsse ihre eigene Lehre der Erbsünde wieder selber ernst nehmen, und die Unfähigkeit der Menschen zum Guten akzeptieren, solange diese nicht durch den persönlichen, existentiell vollzogenen Glauben aufgehoben sei. Ich denke, Drewermann könnte sich hier durchaus auf die traditionelle Unterscheidung der Gültigkeit und der Wirksamkeit eines Sakraments berufen, so daß die von der Erbsünde erlösende Wirkung der Taufe durchaus nicht als Automatismus gedacht werden kann, sondern vom persönlichen Nachvollzug des Glaubens abhängt. In der Tat ist den meisten Gläubigen die Erbsündenlehre wohl als Glaubenssatz geläufig. Seine Relevanz für das alltägliche Leben, seine interpretative Funktion, die wohl viele unnötigen Schuldgefühle abbauen und berechtigte Schulderkenntnis zu verarbeiten helfen könnte, ist weithin unbekannt. Im Gegenteil wird er sogar oft dahingehend mißverstanden, daß er unnötige Schuldgefühle hervorruft. Hier stellt sich tatsächlich die Frage, ob es sinnvoll ist, dafür den Begriff "Erb-Sünde" beizubehalten. Ich würde jedoch dafür plädieren, zumindest den Wortteil "Sünde" zu lassen, da sonst nicht zu sehen ist, wie die biblischen Erkenntnisse über die menschliche Verstrickung und die dogmatischen Ausdeutungen davon mit der menschlichen Erfahrung der Unfreiheit im Bösen zusammengebracht werden können. Das Sprechen von der "Vererbung" dieser Sünde trägt allerdings tatsächlich mehr zur Verschleierung als zur Erschließung des Gemeinten bei. Diese Einschätzung trifft sich mit den Ausführungen R. Schwagers, der betont:

567
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"Ist die globale Kritik an der Lehre von der Sünde unhaltbar, so gibt es dennoch eine berechtigte Frage bezüglich einer bestimmten Art von der Sünde zu reden. Diese Kritik ist auch keineswegs neu, sondern findet sich ihren wesentlichen Zügen nach bereits in den biblischen Schriften. Jesus hat die Kasuistik der Pharisäer abgelehnt ... . In Entsprechung dazu deckte Paulus auf, wie durch die Gesetzespredigt gegen die Sünde diese nur noch vergrößert wurde. Die Rede von der Sünde ist biblisch gesehen zwar notwendig, aber es kommt entscheidend darauf an, wie von ihr geredet wird."194
568
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Schwager meint, man müsse in Anlehnung an die Predigt Jesu so von der Sünde reden, daß durch ihre Radikalisierung eine gegenseitige Schuldzuweisung der Menschen nicht mehr möglich sei, da jeder und jede gleich schuldig seien.

569
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"Die radikale neutestamentliche Sündenlehre führt gerade nicht zu einem Prozeß des dauernden Richtens, sondern verunmöglicht es, daß Menschen einander im Innersten mit Recht verurteilen."195
570
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Mir scheint dies alles sehr der "interpretativen Funktion" der Erbsündenlehre, wie Drewermann sie sieht, zu entsprechen. Der Unterschied liegt wohl vornehmlich in der Terminologie, vor allem seitdem Drewermann den Begriff "Sünde", nicht den Inhalt, überhaupt streichen will. Welche Redeweise zielführender ist, ist eine Frage der Praxis und, man darf wohl auch annehmen, der jeweiligen pastoralen Situation.

571
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Eine weitere Übereinstimmung zwischen Schwager und Drewermann besteht darin, daß sie die Unmöglichkeit der Schuldzuweisung auch damit begründen, daß den Menschen ihre eigenen Antriebe oft unbewußt sind. Bei Drewermann wird dies psychoanalytisch begründet, Schwager tut dies vom Denken René Girards her, der die Psychoanalyse stark kritisiert.196 Beide kommen aber darin überein, "daß die Menschen auch sich selber nicht in Wahrheit durchschauen und folglich auch sich nicht selber vor Gott rechtfertigen können"197 - und man sollte wohl im Sinne Drewermanns und im Interesse der Menschen hinzufügen - "auch nicht verurteilen können"!

572
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Schwager weicht jedoch von Drewermann dadurch ab, daß er selbst die Gläubigen noch immer in die Sünde verstrickt sieht; und zwar, nicht nur die nominell durch die Taufe Gläubigen, die den Glauben (noch) nicht persönlich nachvollzogen haben, sondern auch Gläubige vom Format des Heiligen Paulus. Denn Schwager ist, anders als Drewermann der Überzeugung: "Die Beschreibung des gespaltenen Menschen (Röm 7, 14-25) ist ... auf die Gläubigen zu beziehen."198 Die exegetische Frage, die mir bei Schwager überzeugend gelöst scheint, muß uns hier nicht beschäftigen. In der theologischen Problemstellung sehe ich allerdings eine Vereinbarkeit beider Positionen. Da man "Bekehrung" oder "Glauben lernen" als einen lebenslangen Prozeß verstehen muß, scheint es nicht ausgeschlossen, daß auch wirklich überzeugte Christinnen und Christen noch der Unfreiheit in der Sünde unterliegen, daß aber andererseits gegen Ende dieses Prozesses eine Befreiung durch den dann ganz entfalteten Glauben eintritt. Dies würde die Kritik Drewermanns an der kirchlichen Praxis eher noch verschärfen, andererseits müßte man ihm vorwerfen, daß er einen zu strengen Maßstab dafür ansetzt, was wirklich "Glaube" sei. Man kann nicht allen Menschen, die noch nicht die letzte Tiefe des Glaubens erreicht haben, diese Haltung überhaupt absprechen. Mit anderen Worten: der Übergang vom Unglauben zum Glauben darf nicht wie ein Quantensprung betrachtet werden, weder in einer magischen Sakramentsvorstellung, wie das vielleicht in der kirchlichen Praxis noch immer der Fall ist, noch in einem naiven Existentialismus, der den langen Bekehrungsprozeß unterschlägt.

573
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Eine interessante Aufgabe, die hier nicht mehr geleistet werden soll, wäre es sicher, zu untersuchen, ob Schwagers Modell einer "biblisch-theologischen Psychologie" - ich nenne es jetzt einmal so -, die er in Anlehnung an Röm 8 entwickelt199, und Drewermanns psychoanalytische Analysen der unvermeidlichen Verstrickung in Schuld200 als zwei komplementäre Modelle des selben Sachverhaltes - das eine im Sinne einer theologischen Ontologie, das andere die empirisch feststellbaren Folgen beschreibend - gesehen werden können, oder nicht.

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2. Die Alternative des Gottesbildes

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Drewermann hofft selbst "mit dieser Arbeit auch einen Beitrag zu der Diskussion um das theologische Gottesbild" (SB 2, 623) zu leisten. Er meint damit die Anforderung an die Theologie, in Abgrenzung von Hegel oder Jung, Gott als radikal von den Menschen und der Schöpfung verschiedene, absolute und freie Person zu verstehen (vgl. SB 3, XLIX-LIII). Mir scheint aber ein anderer Beitrag zum Gottesbild, den sein Werk liefert, wichtiger zu sein, insofern er im Bewußtsein vieler Menschen nicht vorhanden ist. Ich spreche von der Alternative des Gottesbildes, die uns exemplarisch in Gen 3, 1-7 und in Drewermanns Auslegung dieser Stelle vor Augen geführt wird (vgl. dazu oben Link).

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Ist Gott der grausame Despot, der einen prächtigen Garten schafft, die Menschen dort hineinsetzt und ihnen dann verbietet, zuzulangen und zu genießen (vgl. SB 1, 56), wie die Schlange suggeriert? Ist er der Geber alles Guten, der es für die Menschen will, oder der Vorenthalter, der es neidet? Natürlich gibt es keine christlichen Theologen oder Theologinnen, die mit der Antwort zögern würden: natürlich trifft immer das positive Bild zu. Dennoch ist zu fragen, ob denn dieses Bild wirklich in der Verkündigung so gemalt wird, und vor allem wie tief überzeugt wir Gläubigen davon in den tieferen Schichten, man könnte auch sagen, in unserem Unbewußten, sind.

577
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In der Versuchungsgeschichte hat sich auch gezeigt, wie die Schlange die Menschen zur Auflehnung gegen Gott verleitet. Es geschieht durch die Verzeichung seines Bildes in eine Richtung, daß die Menschen Angst vor ihm bekommen, "daß er nicht mehr als eine Hilfe gegen die Angst erscheint, sondern vielmehr als deren Quelle und Ursache in Erscheinung tritt" (SB 1, 62). Die Alternative des Gottesbildes ist also zwischen Gönner und Neider, Angstberuhiger und Angstmacher. Daß diese Alternative nicht nur pädagogische Alternative für die Kindererziehung, sondern für eine Pädagogik oder "Anthropogogik" des Glaubens überhaupt ist, sollte klar sein. Sie zeigt sich auch in der Entwicklung des Gottesbildes innerhalb der Bibel. Zwar wird immer wieder die Tugend der "Gottesfurcht" beschworen, gleichzeitig ist aber das "Fürchte dich nicht!" geradezu eine Einleitungsformel von Gottes Auftreten. Man darf wohl ohne größere exegetische Kunstgriffe annehmen, daß zwischen rechter Gottesfurcht und Angst vor Gott ein Unterschied besteht, wodurch allerdings die Vokabel der Gottesfurcht noch nicht unproblematisch wird. Umso bemerkenswerter ist, daß das Motiv der Gottesfurcht im Neuen Testament eine wesentlich geringere Rolle spielt. Die Konkordanz zur Einheitsübersetzung weist unter dem Stichwort "Furcht" im Neuen Testament nur 8 Stellen auf, an denen dieses Wort mit Bezug auf Gott positiv gebraucht wird.201 Dabei ist auch zu beachten, daß in Hebr 12, 18-29 die Gottesfurcht des Neuen Bundes der des Alten gegenübergestellt und gerade davon abgehoben wird. Man könnte also im Hebräerbrief nicht nur von einer Transformation der AT Opfervorstellungen202, sondern auch von einer Transformation der Gottesfurchtvorstellung sprechen. Daß beides zusammen hängt, ist ja nicht überraschend. Andererseits finden sich im Neuen Testament gewichtige Stellen, die darauf insistieren, daß die, die an Jesus glauben, sich gerade nicht (mehr) vor Gott fürchten müssen.203 Diese Stellen dürfen ohne weiteres als zentraler und wichtiger für das Gesamt der neutestamentlichen Theologie angesehen werden. Besonders in der Verkündigung Jesu selbst zeigt sich eine wichtige Wandlung des Gottesbildes gegenüber früheren Vorstellungen. R. Schwager stellt dies so dar:

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"Jesus rief zur Feindesliebe auf und begründete diese hohe Forderung mit dem Hinweis, daß auch Gott seine Sonne über Gute und Böse aufgehen und über Gerechte und Ungerechte regnen läßt (Mt 5,43-47). Die Zumutung Jesu an die Menschen, ihre Widersacher zu lieben, entsprang seiner Überzeugung, daß Gott selber seinen Feinden, den Sündern, gütig begegnet. Das im Alten Testament so wichtige Thema vom Zorn und der Rache Gottes fiel in seiner Botschaft zunächst weg. Wie er selber Jahwe als Abba erfahren hat, so verkündigte er ihn als gütigen Vater, der den Sündern verzeiht."204
579
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Eben dieses von Jesus verkündete Gottesbild treibt ihn in den Konflikt mit den religiösen Führern seiner Zeit, führt zu seiner Hinrichtung und schließlich durch seine Auferweckung durch den Vater, zur Bestätigung und nochmaligen Überbietung dieses Gottesbildes, wie Schwager im weiteren Verlauf seines Werks darstellt.205 Ganz ähnlich sieht Drewermann den zentralen Streitpunkt Jesu mit seinen Gegnern im Gottesbild. In einer Predigt zum Gleichnis des "Verlorenen Sohnes" sagt er:

580
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"Sein [Jesu] ganzes Anliegen war es, daß von Gott, den er seinen Vater nannte, nur gütig, nur verständnisvoll und nur mit einem weiten Herzen gesprochen würde, ohne Schranken, ohne Grenzen. Doch eben das bedeutet einen Skandal bei denjenigen, die keinen Sabbat auslassen, in den Synagogen und im Tempel Gott zu dienen ... . Sie, die im Leben Unangefochtenen ... haben ein Interesse, das Band des Verständnisses zu zerschneiden, denn Gott verlangt Bedingungen für seine Liebe. Dies wissen sie und wollen sie, sonst macht es ihnen angst [sic]."206
581
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Den Verlauf dieses Streites mit seinen verschiedenen "Akten" macht Schwagers Analyse in aller Komplexität sicher deutlicher als Drewermanns eher einlinige Argumentation. Hier kam es mir nur darauf an, zu zeigen, daß der Anlaß zur Auseinandersetzung mit dem religiösen Establishment gerade das von Jesus vertretene Gottesbild war, in dessen Zentrum ein Gott stand, der eben gerade bedingungslos liebt, ohne Vorleistung vergibt, und selbst Sein Tag, der Sabbat, ist für die Menschen da (vgl. Mk 2, 27). Dies entspricht ganz dem Gottesbild des Gebers und Gönners, das Drewermann als Gegenbild zu dem der Schlange zeichnete, und dem des vergebenden Vaters.

582
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Auf dem Hintergrund des Schicksals Jesu, seines Leidens und Sterbens, seiner Kenosis und Aufforderung zur Selbsthingabe und der Interpretation seines Todes als Opfer, stellt sich jedoch die Frage nach dem Gottesbild noch einmal neu; man könnte sagen von der Erlösungslehre her. Eine oft vertretene Opfertheologie wirft noch einmal die Frage auf: geht es Gott nicht doch eher darum, daß wir verzichten, dem Beispiel seines Sohnes in Selbsthingabe folgend? Drewermann ist sicher einer der schärfsten Kritiker einer solchen Opfertheologie:

583
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"Was für ein Moloch von Gott braucht denn solche 'Sühnopfer'?"207
584
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"Kann die Menschheit nur erlöst werden, indem ein unendlich beleidigter und zürnender Gott durch das stellvertretende Opfer seines Sohnes am Holz des Kreuzes versöhnt wird, so kann der Einzelne einer solchen Befreiung von der 'Sündenstrafe' nur teilhaftig werden, indem er selber das Leiden Christi in seinem Leben realisiert ... ."208
585
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Wenn die Theologie in dieser Haltung verhaftet bleibe, ziehe "sie sich unvermeidlich von seiten der Psychoanalyse den Vorwurf zu, nichts weiter zu sein als ein verfeierlichter und religiös übermalter Abkömmling des Ödipuskomplexes"209.
586
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Zurecht stellt J. Sudbrack fest, daß diese Deutung höchst einseitig ist und theologiegeschichtlich so kraß kaum vertreten wurde.210 Er gibt jedoch zu bedenken, daß man Drewermanns Polemik erst richtig würdigen könne, "wenn man die Rolle kennt, die diese gebrandmarkte 'Opferhaltung'"211 in der Psychoanalyse der Kleriker212 spielt, von der zu sagen ist, daß sie nicht nur Menschen betrifft, die im kirchenrechtlichen Sinn Kleriker oder Ordensleute sind, sondern auch andere Gläubige, und der "'in vielen prinzipiellen Feststellungen ... trotz aller Verzerrungen und teils bösartiger Unterstellungen tendenziell' recht"213 gegeben werden müsse. Gerade hier geht es uns ja nicht um das auf theologisch-dogmatischem Höchststand stehende Gottesbild, sondern um problematische Verzerrungen desselben in der Verkündigung. R. Schwager, der grundsätzlich die Redeweise vom Kreuzesopfer Christi für unaufgebbar hält und sie neu begründen und verteidigen will, merkt deshalb an:

587
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"Die grundsätzliche Problematik der Selbstzerstörung innerhalb der christlichen Spiritualität zeigt jedoch, daß wir das Verhalten Jesu in seinem bitteren Geschick sehr genau zu beachten haben, damit nicht im Namen der Frömmigkeit amoralische Elemente einfließen."214
588
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Schwager kommt dann auch zu dem Schluß:

589
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"Mit dem Wirken dieses Geistes215 ist ein Wille zur Selbstvernichtung völlig unvereinbar. Wenn Christus sich in diesem Geist hingegeben hat, dann darf sein Opfer in keiner Weise als (indirekte) Selbstvernichtung verstanden werden."216
590
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Drewermann: "An keiner Stelle findet man Christus in der Nähe zu Masochismus, Qual und Gewalt."217
591
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Auf diesem Hintergrund komme ich noch einmal auf J. B. Metz' polemische Frage zurück, ob denn der Glaube glücklich mache und Jesus mit seinem Vater glücklich gewesen sei.218 Wenn man unter "Glück" nicht ein gedankenloses Vor-sich-hin-Freuen versteht, sondern ein reifes in Einklang Stehen mit sich selbst und Gott, das dann sowohl die Daseinsangst als auch die Angst vor den Bosheiten der Menschen zu erdulden, ja sogar zu vergeben vermag, muß man das wohl bejahen. Es wäre doch schwer mit der christlichen Botschaft zu vereinbaren, daß derjenige, der gekommen ist, damit die Menschen Leben in Fülle haben (vgl. Joh 10, 10) wollte, daß dieses Leben aus Unglück und Mühsal besteht und auch sein Leben nur daraus bestanden hätte. Daß es aus oft harten Entscheidungen und "Opfern" in recht verstandenem Sinn bestehen kann, ist damit überhaupt nicht ausgeschlossen, auch für Drewermann nicht. Ist doch für ihn der Aufruf zur Nachfolge ein Aufruf, zu begreifen,

592
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"was für eine Entscheidung auf Leben und Tod bis in unser Dasein hineinlangt, in der Tat als Kraft, zwischen Heil und Unheil zu richten"219.
593
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"Es gibt Wahrheiten, für die es sich lohnt, einzustehen. Das kann man lernen von Jesus von Nazareth. Unter diesem Aspekt sind auch Opfer sinnvoll, aber es sind Leiden, die einem höheren Glück dienen und die sich lohnen, eingegangen zu werden."220
594
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Jesus habe so eine Wahrheit bis zum Tod durchgetragen, nämlich die Wahrheit der vergebungsbereiten Liebe Gottes. Wir haben das bereits gesehen.

595
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"Wenn ich Selbstfindung sage, meine ich keineswegs ein subjektiv gelungenes und zu Ende gekommenes Dasein. Aber den Versuch, ein solches zu leben, niemals aufzugeben, das halte ich für ein wesentliches Stück Glauben."221
596
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"Das Leid hat Sinn, wenn es nötig scheint, um für möglichst viele Menschen ein höheres Glück zu erreichen. Das ist die Bedingung. Wir wollen ja nicht das Leid ... ."222
597
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Deshalb verlangt Drewermann von der kirchlichen Lehre und Praxis, "erlösendes Leid und neurotisches Leid"223 voneinander zu trennen, und damit zwischen sinnvollem und sinnlosem Leid zu unterscheiden. Das sinnhafte Leiden wäre damit nicht im Gegensatz zu dem, was Drewermann "glücklich sein" nennt.224

598
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Noch Eines scheint mir bemerkenswert. Die Schlange der Versuchungsgeschichte zeichnet zuerst das Gottesbild eines lebensverneinenden und vorenthaltenden Gottes, um dann die Frau zur Auflehnung gegen diesen Gott zu verführen, weil er ja eigentlich nur schwach und neidisch sei. Betrachtet man die abendländische Geistesgeschichte, kann man feststellen, daß einige Denker die Existenz Gottes geleugnet haben aus ganz ähnlichen Gründen, weil Gott den Menschen die Freiheit, die Selbstverwirklichung oder ähnliches vorenthalte. Diese Denker haben also durchaus den zweiten Teil der Versuchung durch die Schlange ausgeführt, indem sie die Menschen zur Ablehnung Gottes aufriefen im Namen ihres eigenen - wirklichen oder vermeintlichen - Rechtes. Wer aber, so möchte ich fragen, hat den ersten Teil der Versuchung, die Verzeichnung des Gottesbildes besorgt? Es ist doch so, daß dies die kirchliche Verkündigung und das davon beeinflußte Verhalten der Gläubigen bewerkstelligt hat.225 Wenn dies der Vergangenheit angehörte, wäre es allerdings schon sehr erfreulich. Die Tatsache, daß es in der Versuchungsgeschichte die Schlange ist, die ein Gottesbild zeichnet, das auch heute noch immer vielfach von den kirchlich bestellten Verkündern der Frohbotschaft gezeichnet wird, sollte für sich sprechen.

599
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3. Ansatz der Erlösung: Begleitung statt Verurteilung

600
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Der Inhalt dieses letzten Kapitels ergibt sich eigentlich aus den beiden vorherigen von selbst. Wenn die Erbsündenlehre nicht dazu dient, Schuld zuzuweisen, sondern Unfreiheit wahrzunehmen, und das christliche Gottesbild einem Gott des Gebens und des Vergebens entsprechen soll, so folgt daraus eine bestimmte Praxis für Verkündigung und Seelsorge. Dabei ist die Begründung für diese Praxis nicht ein säkularer Humanismus, sondern ein theologischer Humanismus, man könnte sagen, die vorrangige Option Gottes für die Menschen, und zwar gerade für die Menschen in ihrem Leid und ihrer Gottferne. Und Gottes Vorgehen dabei ist nicht zunächst, den Menschen klar zu machen, daß sie selbst schuld sind an dieser Entfernung zu ihm, sondern, sie zurück zu holen. Drewermann meint sehr pointiert:

601
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"Jedem Menschen, der leidet, ist Gott näher als all denen, die wissen, wieso Menschen schuldhaft leiden. Und bei jedem, der versucht, einen Menschen zu verstehen, ist mehr von Jesus wirklich als bei denen, die von außen sagen, wie das Leben auszusehen habe."226
602
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Es käme darauf an, daß der christliche Grundsatz, sich des Richtens zu enthalten, sich nicht darauf beschränkt, daß man in Dogmatikvorlesungen zu hören bekommt, wir könnten natürlich über das letzte Heil oder Unheil eines Menschen nichts aussagen, wir dürften auf Gottes universalen Heilswillen hoffen - so wichtig das ist. Doch der praktische Umgang mit denen, die in Situationen stehen, die man von der Moral her als schuldhaft bezeichnen muß, muß dieses Nicht-Urteilen nach außen hin sichtbar und erfahrbar machen, sonst scheint es mir zu einer hohlen Floskel zu werden. Wenn gerade ein wesentliches Kennzeichen des Lebens Jesu sein Umgang mit - teils öffentlichen - Sünderinnen und Sündern war, kann dann Jesusnachfolge bedeuten, heute solche Menschen auszugrenzen und sie - zumindest immanent und natürlich nicht auf das letzte Heil bezogen - zu verurteilen?227

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Ich glaube, gerade auch hier zeigt sich in der Wandlung des Gottesbildes vom AT zum NT eine Aufforderung zum Wandel der Pädagogik: während der Gott der Genesis trotz der Güte, die auch der Jahwist als sein wesentliches Kennzeichen sehen will228, ein Gott ist, der den Menschen Angst machende Fragen stellt (vgl. Gen 3, 11; 4, 9;) und sie hart bestraft, also ein zwar gerechter aber pädagogisch ungeschickt strenger Gott ist, ist der Gott Christi der Vater des verlorenen Sohnes, der nicht fragt, der das Schuldbekenntnis seines Sohnes nicht einmal bis zu Ende anhört229 und der seine Sonne über Allen aufgehen läßt. Er ist der Gott, der in Jesus Christus die Menschen begleitet, bei ihnen bleibt, trotz aller Ablehnung und allen Hasses, der aber nie zwingt. Für das Leben derer, die an diesen Christus glauben, bedeutet das:

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"Das einzige, was wir tun sollten, ist, den andern zu begleiten, dahin, wohin er selbst gehen möchte, um nach Hause zu kommen. ... Nicht weil wir es besser wüßten für ihn, aber weil wir gemeinsam mit vier Augen besser sehen als er allein mit angstverwirrten zwei Augen."230
605
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Für Drewermann ist dabei wichtig zu beachten, und mir scheint zurecht, "daß Jesus Menschen ... eigens fragt, was sie selber wollen"231, d. h. selbst seine Begleitung und Heilung nicht übergestülpt oder aufgedrängt ist, sondern daß sie voraussetzt, daß die Menschen zuerst selber ihre Bedürftigkeit erkennen und Hilfe suchen. Dies setzt allerdings voraus, daß man den Menschen zutraut, daß sie unter bestimmten Voraussetzungen, wohl in einem langen Prozeß, dazu fähig werden, zu erkennen, was ihnen zum Heil dient. Man könnte dies das Vertrauen in die letztliche Gutheit der Schöpfung nennen, die auch durch die Erbsünde nicht aufgehboben, sondern nur verdunkelt ist.

606
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Man muß Drewermann nicht zustimmen darin, daß die Angst immer vor der Sünde kommt, auch nicht darin, daß sie der einzige Anlaß zur Sünde sei. Und man darf wohl gegen Vereinseitigungen bei ihm, die er selbst zugesteht232, die ebenfalls von ihm selbst gemachten Einschränkungen der Geltung von »Strukturen des Bösen« anführen, die er später zu wenig bedenkt. Doch es scheint mir unleugbar, daß die Angst ein und durchaus ein wichtiger Anlaß zur Entfernung von Gott ist. Will man die Angst vor Gott wegnehmen und die Angst vor dem Dasein in Gott beruhigen, so scheint mir Drewermanns Aufforderung, auf Anklage und Schuldzuweisung zu verzichten, und stattdessen begleitend, durch zwischenmenschliche Annahme die göttliche Annahme aller Menschen verdeutlichend, zu beruhigen, unverzichtbar. Dabei ist natürlich zu beachten, daß man auch auf falsche Weise "beruhigen" kann, wie es die Schlange in Gen 3, 4-5 tut (vgl. oben Link). Sie will beruhigen, indem sie etwas Endliches, sich selbst, an die Stelle Gottes setzt und sein Negativbild nicht in ein positives transponiert, sondern ihn weiter verzeichnet: nicht nur als bedrohlich, sondern auch noch als schwach. Eine rechte "Beruhigung" kann daher nur in einer gegenteiligen Verkündigung bestehen, die Gott als groß und gut zu zeichnen vermag, als liebend statt furchtbar, als großzügig statt mißgünstig. Dann gilt:

607
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"Nur wer nicht anklagt, beruhigt; nur wer beruhigt, versteht; und nur wer versteht, mildert das Böse." (SB 3, 584)
608
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Literaturverzeichnis

609
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Einige Rezensionen haben im Original keinen eigenen Titel. Diesen habe ich einen Titel beigegeben und mit * gekennzeichnet.

610
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Coreth, E. / Lotz, J. B. (Hg.): Atheismus kritisch betrachtet. München 1971.

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Coreth, E. / Schöndorf, H.: Philosophie des 17. und 18. Jahrhunderts. (Grundkurs Philosophie 8). (Urban-Taschenbücher; Bd. 352). Stuttgart 1983.

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De Mello, Anthony: Der springende Punkt. Wach werden und glücklich sein. (Englisch: Awareness. A de Mello Spirituality Conference in his own words). Übers. v. I. Johna. Freiburg 1991.

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Denzinger, H. / Schönmetzer, A. (Hg.): Enchiridion symbolorum, definitionum et declarationum de rebus fidei et morum. Freiburg 361976.

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Denzinger, H.: Kompendium der Glaubensbekenntnisse und kirchlichen Lehrentscheidungen. Verbessert, erweitert, ins Deutsche übertragen und unter Mitarbeit von Helmut Hoping herausgegeben von Peter Hünermann. Freiburg 371991.

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Die Bibel. Altes und Neues Testament. Einheitsübersetzung. Freiburg 1980.

632
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Drewermann, Eugen: "An ihren Früchten sollt ihr sie erkennen". Antwort auf Rudolf Peschs und Gerhard Lohfinks "Tiefenpsychologie und keine Exegese". Olten 41990.

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-: Angst. In: Neues Handbuch theologischer Grundbegriffe. Erweiterte Neuausgabe. Hg. Peter Eicher. München 1991, Bd 1, 17-31

634
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-: Besprechung zu »Strukturen des Bösen«.* In: Psyche 35 (1981), 974f.

635
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-: Das Markusevangelium. Bilder von Erlösung. Bd 1, Olten 71991.

636
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Bd. 2, Olten 41991.

637
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-: Interview des ORF, gesendet im Programm Ö 1 am 4. 3. 92 in der Sendung "Salzburger Nachtstudio". Eine Tonaufzeichnung liegt mir vor.

638
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-: Interview des Schweizerischen Rundfunks, DRS, zu seinem Buch »Kleriker«, 1989, wiederholt im Oktober 1991. Eine Tonaufzeichnung liegt mir vor.

639
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-: Kleriker. Psychogramm eines Ideals. Olten 81990.

640
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-: Laie/Klerus, B. Psychologisch-kritisch. In: Neues Handbuch theologischer Grundbegriffe. Erweiterte Neuausgabe. Hg. Peter Eicher. München 1991, Bd 3, 188-206.

641
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-: Leben, das dem Tod entwächst. Predigten zur Passions- und Osterzeit. Hg. B. Marz. Düsseldorf 11991.

642
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-: Psychoanalyse und Moraltheologie. Bd. 1: Angst und Schuld. Mainz 91990.

643
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Bd. 2: Wege und Umwege der Liebe. Mainz 71990.

644
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Bd. 3: An den Grenzen des Lebens. Mainz 1984.

645
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-: Psychologie und Theologie. In: Neues Handbuch theologischer Grundbegriffe. Erweiterte Neuausgabe. Hg. Peter Eicher. München 1991, Bd 4, 312-330.

646
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-: Strukturen des Bösen. Bd. I: Die jahwistische Urgeschichte in exegetischer Sicht. Sonderausgabe Paderborn 1988. Textidentisch mit 61987. Erste Auflage 1977.

647
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Bd. II: Die jahwistische Urgeschichte in psychoanalytischer Sicht. Sonderausgabe Paderborn 1988. Textidentisch mit 51985. Erste Auflage 1977.

648
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Bd. III: Die jahwistische Urgeschichte in philosophischer Sicht. Sonderausgabe Paderborn 1988. Textidentisch mit 51986. Erste Auflage 1978.

649
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-: Sünde. In: Neues Handbuch theologischer Grundbegriffe. Erweiterte Neuausgabe. Hg. Peter Eicher. München 1991, Bd 5., 86-93.

650
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-: Tiefenpsychologie und Exegese. Bd. I: Die Wahrheit der Formen Traum, Mythos, Märchen, Sage und Legende. Olten 1984. Sonderausgabe 31992.

651
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Bd. II: Die Wahrheit der Werke und Worte. Wunder, Vision, Weissagung, Apokalypse, Geschichte, Gleichnis. Olten 1985, Sonderausgabe 31992.

652
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-: Wort des Heils - Wort der Heilung. Von der befreienden Kraft des Glaubens. Gespräche und Interviews. Hg. Bernd Marz. Band I: Düsseldorf 1988, 61991. Band II: Düsseldorf 1989 31990. Band III: Düsseldorf 11989.

653
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Eicher, Peter (Hg.): Neues Handbuch theologischer Grundbegriffe. Erweiterte Neuausgabe. München 1991.

654
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Eichinger, Werner: Heute noch von "Erbsünde" reden? In: Diakonia 12 (1981), 161-169.

655
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Erikson, E. H.: Childhood and Society. New York 1950; 1963. Dtsch.: Kindheit und Gesellschaft. Übers. M. v. Eckardt-Jaffé. Stuttgart 21965.

656
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Fehrenbacher, Gregor: Drewermann verstehen. Eine kritische Hinführung. Olten 1991.

657
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Feiner, J. / Löhner, M. (Hg.): Mysterium Salutis. Grundriß heilsgeschichtlicher Dogmatik. Bd. II: Die Heilsgeschichte vor Christus. Einsiedeln 1967.

658
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Freud, Anna: Das Ich und die Abwehrmechanismen. (1936) München o. J. (Kindler Taschenbuch Bd. 2001).

659
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Freud, Sigmund: Der Mann Moses und die monotheistische Religion. In: Gesammelte Werke. 17 Bände nebst einem Registerband. London 1950; Frankfurt a. M. 31968, 101-246.

660
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-: Die Traumdeutung. In: Gesammelte Werke. 17 Bände nebst einem Registerband. London 1940, Bd. 2 und 3 11942, 1-642.

661
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Furger, Franz: Psychoanalyse und christliche Ethik. Zur Auseinandersetzung mit Eugen Drewermann aus moraltheologischer Sicht. In: Görres, Albert / Kasper, Walter (Hg.): Tiefenpsychologische Deutung des Glaubens? Anfragen an Eugen Drewermann. (Quaestiones Disputatae 113). Freiburg 1988, 67-80.

662
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Geyer, Carl-Friedrich: Das Theodizeeproblem - ein historischer und systematischer Überblick. In: Oelmüller, W. (Hg.): Theodizee - Gott vor Gericht? München 1990, 9-32.

663
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-: Scheiternder Gott oder Gott der Scheiternden? Eine aktuelle Neuerscheinung zur Theodizee in der Diskussion. In: Orientierung 54 (30. 11. 1990), 243-245.

664
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Girard, René: Violence and the Sacred. Transl. by Patrick Gregory. Baltimore and London 1979, 6th printing 1989.

665
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Görres, Albert / Kasper, Walter (Hg.): Tiefenpsychologische Deutung des Glaubens? Anfragen an Eugen Drewermann. (Quaestiones Disputatae 113). Freiburg 1988.

666
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Guardini, Romano: Vom Sinn der Schwermut. (Topos Taschenbücher 130). Mainz 11983.

667
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Haag, E.: Rezension zu »Strukturen des Bösen«.* In: Trierer Theologische Zeitschrift 90 (1981), 74.

668
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Hälbig, K. W.: Rezension zu »Strukturen des Bösen«.* In: Theologie und Philosophie 57 (1982), 568-571.

669
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Hartung, Marianne: Angst und Schuld in Tiefenpsychologie und Theologie. (Urban Taschenbücher Bd. 647: T-Reihe). Stuttgart 1979.

670
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Hillenbrand, K. (Hg.): Priester heute. Anfragen, Aufgaben, Anregungen. Würzburg 21991.

671
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Hoch, Dorothee: Urwahrheiten in den Urgeschichten. In: Reformiertes Forum Nr. 35, 31.8.1990, 9-11.

672
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Hoping, Helmut: Freiheit im Widerspruch. Eine Untersuchung zur Erbsündenlehre im Ausgang von Immanuel Kant. (ITS 30). Innsbruck 1990.

673
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Huth, Werner: Das Ich und der Glaube im Licht der Schicksalsanalyse Lipot Szondis. In: Stimmen der Zeit 191 (1973), 318-326.

674
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Ignatius von Loyola: Geistliche Übungen. Übertragung und Erklärung von Adolf Haas. Mit einem Vorwort von Karl Rahner. Freiburg 1967, 81988.

675
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Jung, Carl Gustav: Vom Werden der Persönlichkeit. In: Gesammelte Werke. Olten und Freiburg. Band XVII, 1972.

676
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Kasper, Walter: Tiefenpsychologische Umdeutung des Christentums? In: Görres, Albert / Kasper, Walter (Hg.): Tiefenpsychologische Deutung des Glaubens? Anfragen an Eugen Drewermann. (Quaestiones Disputatae 113). Freiburg 1988, 9-25.

677
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Kern, Walter: Jesus - Mitte der Kirche. Innsbruck 1979.

678
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Kierkegaard, Sören: Der Begriff Angst. Eine simple psychologisch-hinweisende Erörterung in Richtung des dogmatischen Problems der Erbsünde. Von Vigilius Haufniensis. Kopenhagen 1844. In: Werke in 5 Bänden. In neuer Übetragung und mit Kommentar versehen von L. Richter. Bd I: Hamburg 1960 (rk 71).

679
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-: Die Krankheit zum Tode. Eine christliche psychologische Entwicklung zur Erbauung und Erweckung, von Anti-Climacus. Kopenhagen 1849. In: Werke in 5 Bänden. In neuer Übetragung und mit Kommentar versehen von L. Richter. Bd IV: Hamburg 1962 (rk 113).

680
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Kimborogh, S. T. Jr.: Rezension zu »Strukturen des Bösen«.* In: Journal of Biblical Literature 101 (1982), 423-427.

681
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Klein, M.: Das Seelenleben des Kleinkindes und andere Beiträge zur Psychoanalyse. Hg. A. Thorner. Stuttgart 1962. Daraus insbesondere:

682
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-: Die Trauer und ihre Beziehung zu manisch-depressiven Zuständen, 72-100.

683
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-: Über das Seelenleben des Kleinkindes, 146-176.

684
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Kutter, Peter: Angst, Schicksal oder Schuld? Betrachtungen eines Psychoanalytikers. In: Wege zum Menschen 29 (1977), 154-167.

685
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Läpple, Volker / Scharfenberg, Joachim (Hg.): Psychotherapie und Seelsorge. Darmstadt 1977.

686
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Lauer, Werner: Schuld, das komplexe Phänomen. Ein Vergleich zwischen schicksals- und daseinsanalytischem Schuldverständnis im Lichte christlicher Ethik. Kevelaer 1972.

687
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Lauter, Hermann-Josef: Theologische Anmerkungen zum Werk Eugen Drewermanns. (Kölner Beiträge - Neue Folge Heft 13. Hg. Presseamt des Erzbistums Köln). Köln 1988.

688
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Lohfink, Gerhard / Pesch, Rudolf: Tiefenpsychologie und keine Exegese. Eine Auseinandersetzung mit Eugen Drewermann. (Stuttgarter Bibelstudien 129). Stuttgart, 21988.

689
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Loretz, Oswald: Rezension zu »Strukturen des Bösen«.* In: Ugarit-Forschungen. Internationales Jahrbuch für die Altertumskunde Syrien-Palästinas. Hg. Bergerhof, K. / Dietrich, M. / Loretz, O. Bd. 12. Kevelaer 1980, 476-477.

690
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Marquard, Odo: Schwierigkeiten beim Ja-Sagen. In: Oelmüller, W. (Hg.): Theodizee - Gott vor Gericht? München 1990, 87-102.

691
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Martin, Gerhard Marcel: Eugen Drewermanns "Strukturen des Bösen" als Ausgangspunkt eines umstrittenen theologischen Denkweges. In: Theologische Literaturzeitung 115 (1990), 321-332.

692
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Metz, Johann Baptist: Theologie als Theodizee? In: Oelmüller, W. (Hg.): Theodizee - Gott vor Gericht? München 1990, 103-118.

693
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Muck, Otto: Methodologie und Metaphysik. In: Coreth, E. / Muck, O. / Schasching, J.: Aufgaben der Philosophie. Hg. E. Coreth. (Philosophie und Grenzwissenschaften IX/2). Innsbruck 1958, 101-157.

694
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-: Philosophische Gotteslehre. (Leitfaden Theologie 7). Düsseldorf 11983, 21990.

695
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-: Sprachlogische Aspekte religiös-weltanschaulichen Dialogs. In: Zeitschrift für katholische Theologie 97 (1975), 41-55.

696
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-: Wissenschaftstheorie. In: Sacramentum mundi. Theologisches Lexikon für die Praxis. Bd. IV. Freiburg 1969, Sp. 1394-1402.

697
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-: Zum Problem der existentiellen Interpretation. In: Zeitschrift für katholische Theologie 91 (1969), 274-288.

698
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Muños, A. S.: Rezension zu »Strukturen des Bösen«.* In: Archivo Teológico Granadino 40 (1977), 265-266.

699
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Oelmüller, W. (Hg.): Theodizee - Gott vor Gericht? München 1990.

700
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Rahner, K. / Vorgrimler, H.: Kleines Konzilskompendium. Sämtliche Texte des Zweiten Vatikanums mit Einführungen und ausführlichem Sachregister. (Herderbücherei Bd. 270). Freiburg 201987.

701
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-: Kleines Theologisches Wörterbuch. (Herderbücherei Bd. 557). Freiburg 151985.

702
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Rahner, Karl: Grundkurs des Glaubens. Einführung in den Begriff des Christentums. Freiburg 3. Auflage der Sonderausgabe 1984.

703
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Renaldi, G.: Rezension zu »Strukturen des Bösen«.* In: Bibbia e Oriente 20 (1978), 234-235.

704
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Riemann, F.: Grundformen der Angst. Eine tiefenpsychologische Studie über die Ängste des Menschen und ihre Überwindung. München 1961.

705
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Ruppert, Lothar: Rezension zu »Strukturen des Bösen«, Bd. 1.* In: Biblische Zeitschrift 23 (1979), 116-120.

706
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Sartre, J. P.: Bei geschlossenen Türen. In: Ders.: Gesammelte Dramen. Reinbeck 1969, 67-98.

707
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Scharbert, Josef: Rezension zu »Strukturen des Bösen«.* In: Theologisch-praktische Quartalsschrift 125 (1977), 306-308.

708
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Scharfenberg, Joachim: Das Problem der Angst im Grenzgebiet von Theologie und Psychologie. In: Wege zum Menschen 20 (1968), 314-324.

709
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-: ... und die Bibel hat doch recht - diesmal psychologisch? Zu Eugen Drewermanns Konzept der Sünde als "Neurose vor Gott". In: Wege zum Menschen 31 (1979), 297-302.

710
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Scheffczyk, L. (Hg.): Erlösung und Emanzipation. (Quaestiones disputatae 61). Freiburg 1973.

711
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Schepers, Gerhard: Schöpfung und allgemeine Sündigkeit. Die Auffassung Paul Tillichs im Kontext der heutigen Diskussion. Essen 1974.

712
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Schoonenberg, Piet: Der Mensch in der Sünde. In: Feiner, J. / Löhner, M. (Hg.): Mysterium Salutis. Grundriß heilsgeschichtlicher Dogmatik. Bd. II: Die Heilsgeschichte vor Christus. Einsiedeln 1967, 845-941.

713
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-: Theologie der Sünde. Ein theologischer Versuch. Einsiedeln 1966.

714
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Schupp, Franz: Schöpfung und Sünde. Von der Verheißung einer wahren und gerechten Welt, vom Versagen der Menschen und vom Widerstand gegen die Zerstörung. Düsseldorf 11990.

715
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Schwager, Raymund: Jesus im Heilsdrama. Entwurf einer biblischen Erlösungslehre. (ITS 29). Innsbruck 1990.

716
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-: Theologie des Heiligen Geistes. Gekürztes Vorlesungsmanuskript, geeignet zur Prüfungsvorbereitung. Innsbruck 1991.

717
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Schwermer, Josef: Strukturen des Bösen. Zum gleichnamigen Werk von Eugen Drewermann. In: Archiv für Religionspsychologie 14 (1980), 246-253.

718
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Stekel, W.: Die Sprache des Traumes. Eine Darstellung der Symbolik und Deutung des Traumes in ihren Beziehungen zur kranken und gesunden Seele für Ärzte und Psychologen. München 31927.

719
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Stendebach, Franz Josef: Rezension zu »Strukturen des Bösen«, Bd. 1.* In: Bibel und Kirche, 33 (1978), 70f.

720
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Sudbrack, Josef: Ein Brückenschlag zum Anliegen Drewermanns. In: Geist und Leben 65 (1992), 46-56.

721
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-: Eugen Drewermann ... um die Menschlichkeit des Christentums. Würzburg 1992.

722
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-: Im Gespräch mit Eugen Drewermann. In: Geist und Leben 62 (1989), 325-348.

723
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Thielicke, Helmut: Theologische Dimensionen der Angst. In: Bitter, Wilhelm (Hg.): Angst und Schuld in theologischer und psychotherapeutischer Sicht. Stuttgart 41967, 23-38.

724
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Tillich, Paul: Der Einfluß der Psychotherapie auf die Theologie. In: Gesamelte Werke Bd. VIII. Stuttgart 1970, 325-335.

725
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-: Der Mut zum Sein. In: Sein und Sinn. Zwei Schriften zur Ontologie. Gesamelte Werke Band XI. Stuttgart, 11969, 21976, 13-139.

726
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-: Seelsorge und Psychotherapie. In: Gesamelte Werke Bd. VIII., Stuttgart 1970, 316-324.

727
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-: Systematische Theologie Bd. II. Stuttgart 11958.

728
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Wahl, Heribert: Pastoralpsychologie - eine Grunddimension praktischer Theologie. In: Münchener Theologische Zeitschrift 39/1 (1988), 23-46.

729
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Wandruszka, Mario: Was weiß die Sprache von der Angst? In: Bitter, Wilhelm (Hg.): Angst und Schuld in theologischer und psychotherapeutischer Sicht. Stuttgart 41967, 14-22.

730
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Weimar, Peter: Rezension zu »Strukturen des Bösen«.* In: Theologische Revue 78 (1982), 282-284.

731
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Werbick, Jürgen: Schulderfahrung und Bußsakrament. Mainz 1985.

732
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Westermann, C.: Genesis 1-11. Biblischer Kommentar, AT I 1. Neukirchen 1974.

733
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Weß, Paul: Befreit von Angst und Einsamkeit. Der Glaube in der Gemeinde. Köln 1973.

734
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Wiedenhofer, Siegfried: Zum gegenwärtigen Stand der Erbsündentheologie. In: Theologische Revue 83 (1987), 353-370.

735
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Wilms, Franz Elmar: Die "jahwistische Urgeschichte" - Bilder vom Anfang der Menschheit und der Psychogenese jedes Einzelnen? In: Lebendiges Zeugnis 34 (1979) Heft 3, 71-86.

736
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737
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738
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1 Drewermann, Eugen: Strukturen des Bösen. Bd. I: Die jahwistische Urgeschichte in exegetischer Sicht. Sonderausgabe Paderborn 1988. Textidentisch mit 61987. Erste Auflage 1977. Bd. II: Die jahwistische Urgeschichte in psychoanalytischer Sicht. Sonderausgabe Paderborn 1988. Textidentisch mit 51985. Erste Auflage 1977. Bd. III: Die jahwistische Urgeschichte in philosophischer Sicht. Sonderausgabe Paderborn 1988. Textidentisch mit 51986. Erste Auflage 1978.

739
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2 Sudbrack, Josef: Im Gespräch mit Eugen Drewermann. In: Geist und Leben 62 (1989), 325-348, hier 325.

740
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3 Wiedenhofer, Siegfried: Zum gegenwärtigen Stand der Erbsündentheologie. In: Theologische Revue 83 (1987), 353-370, hier 355.

741
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4 Drewermann, Eugen: Wort des Heils - Wort der Heilung. Von der befreienden Kraft des Glaubens. Gespräche und Interviews. Hg. Bernd Marz. Band II: Düsseldorf 1989 31990, 177.

742
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5 Zum Begriff der "positiv kritischen Interpretation" vgl. Muck, Otto: Zum Problem der existentiellen Interpretation. In: Zeitschrift für katholische Theologie 91 (1969), 274-288, besonders 276-278 und ders.: Sprachlogische Aspekte religiös-weltanschaulichen Dialogs. In: Zeitschrift für katholische Theologie 97 (1975), 41-55, besonders 43f, sowie ders.: Philosophische Gotteslehre. (Leitfaden Theologie 7). Düsseldorf 1983, 21990, 90. Danach legt eine positive Interpretation "den Nachdruck auf die Entfaltung und eventuell auch Ergänzung der Anliegen und Gründe, die in der betreffenden Auffassung wirksam sind und die vielleicht in einer unzulänglichen Weise ausgedrückt worden waren. Die Aufmerksamkeit wird auf das Anliegen des Partners und auf das als begründet Akzeptierbare gelenkt. Erst durch eine solche Interpretation wird man dem Partner eher gerecht und kann aus der Auseinandersetzung mit ihm lernen. Freilich darf ... diese eingeschränkte Interpretation noch nicht als unter jeder Rücksicht angemessen angesehen werden - sie wird sich daher mit der negativen Interpretation zu einer kritisch-positiven verbinden müssen, will man einem Verwischen von Unterschieden vorbauen." (Philosophische Gotteslehre, 90.) Es scheint hier für die Wissenschaft fruchtbar gemacht zu sein, was Ignatius von Loyola für die zwischenmenschliche Kommunikation in geistlichen Dingen für notwendig erachtete, nämlich "daß jeder gute Christ mehr dazu bereit sein muß, die Aussage des Nächsten für glaubwürdig zu halten, als sie zu verurteilen." (Geistliche Übungen Nr. 22, zitiert nach Ignatius von Loyola: Geistliche Übungen. Übertragung und Erklärung von Adolf Haas. Mit einem Vorwort von Karl Rahner. Freiburg 1967, 81988, 25.) Darauf beruft sich auch J. Sudbrack: Im Gespräch mit Eugen Drewermann. In: Geist und Leben 62 (1989), 325-348, bes. 325.

743
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6 Psychoanalyse und Moraltheologie. Bd. 1: Angst und Schuld. Mainz 91990. Bd. 2: Wege und Umwege der Liebe. Mainz 71990. Bd. 3: An den Grenzen des Lebens. Mainz 1984.

744
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7 Wort des Heils - Wort der Heilung. Von der befreienden Kraft des Glaubens. Gespräche und Interviews. Hg.: Bernd Marz. Band I: Düsseldorf 1988, 61991. Band II: Düsseldorf 1989 31990. Band III: Düsseldorf 11989.

745
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8 Tiefenpsychologie und Exegese, Bd. I: Die Wahrheit der Formen Traum, Mythos, Märchen, Sage und Legende. Olten 1984. Sonderausgabe 31992. Bd. II: Die Wahrheit der Werke und Worte. Wunder, Vision, Weissagung, Apokalypse, Geschichte, Gleichnis. Olten 1985, Sonderausgabe 31992.

746
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9 Leben, das dem Tod entwächst. Predigten zur Passions- und Osterzeit. Hg. B. Marz. Düsseldorf 11991.

747
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10 Drewermann zitiert nach folgender Ausgabe: Bernanos, G.: Tagebuch eines Landpfarrers. Übersetzt von J. Hegner, Köln 1961. Vgl. Literaturhinweise bei SB 1, LXIII.

748
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11 Vgl. etwa PM 1.

749
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12 Drewermann zitiert hier aus: Freud, Sigmund: Der Mann Moses und die monotheistische Religion. GW XVI. London 1950; Frankfurt a. M. 31968, 101-246, hier 241. Vgl. dazu Literaturangaben in SB 1, LX.

750
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13 Für eine Zusammenfassung durch Drewermann selbst vgl. SB 1, LIV und Drewermann, Eugen: Besprechung zu »Strukturen des Bösen«. In: Psyche 35 (1981), 974f, sowie ders.: Sünde. In: Neues Handbuch theologischer Grundbegriffe. Erweiterte Neuausgabe. Hg. Peter Eicher. München 1991, Bd 5, 86-93

751
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14 Diese 4 Verse rechnet Drewermann in der ursprünglichen Ausarbeitung zum Jahwisten, gesteht aber in der Vorrede zur 2. Auflage zu, daß dies literarkritisch "wahrscheinlich falsch" (SB, 1 LXXXIX) sei. Trotzdem macht er geltend, daß sie "thematisch" (SB 1, XC) sehr wohl zum Jahwisten gehörten, und sieht das als Bestätigung seiner psychoanalytischen Auslegungsmethode.

752
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15 Zur Einteilung vgl. die jeweiligen Kapitel über die Literarkritik: SB 1, 200, 240, 263, 267, 289f, sowie Fehrenbacher, Gregor: Drewermann verstehen. Eine kritische Hinführung. Olten 1991, 235 Anm. 3, der einige Details von SB 1, 200 übergeht.

753
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16 Für diese Deutung des hebräischen und griechischen Denkens beruft sich Drewermann im besonderen auf: Arenhoevel, D.: Ur-Geschichte. Genesis 1-11. (Kleiner Kommentar, AT 1). Stuttgart 1970. Und Boman, T.: Das hebräische Denken im Vergleich mit dem griechischen. Göttingen 11952; 51968. Vgl. Literaturangaben SB 1, 325.

754
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17 Ich will mich in dieser Arbeit im Wesentlichen auf Drewermanns Ausführungen in SB beschränken, da sie für meine Zielsetzung genügen. Nur in einigen Fällen werde ich auf seine exegetischen Entwürfe in TE eingehen.

755
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18 TE 2, 784.

756
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19 Drewermann, Eugen: "An ihren Früchten sollt ihr sie erkennen". Antwort auf Rudolf Peschs und Gerhard Lohfinks "Tiefenpsychologie und keine Exegese". Olten 1988, 41990, 35f.

757
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20 Vgl. z. B. Ignatius von Loyola: Geistliche Übungen. Nr. 191-192, 194, 198-199, bei Ignatius von Loyola: Geistliche Übungen. Übertragung und Erklärung von Adolf Haas. Mit einem Vorwort von Karl Rahner. Freiburg 1967, 81988, 68f. Und De Mello, Anthony: Meditieren mit Leib und Seele. Neue Wege zur Gotteserfahrung. (Englisch: Sadhana. A way to God). Übers. v. M. Kämpchen. Kevelaer 1984, 41989, 102-105.

758
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21 Zum gesamten Abschnitt vgl. SB 1, 53-78.

759
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22 Bibelzitate sind, wenn nicht anders vermerkt, aus: Die Bibel. Altes und Neues Testament. Einheitsübersetzung. Freiburg 1980.

760
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23 Fehrenbacher, Gregor: Drewermann verstehen. Eine kritische Hinführung. Olten 1991, 236 Anm 32 schlägt korrigierend zu SB 1, 59 vor, es müsse Sigmund Freud heißen. Es ist jedoch anzunehmen, daß Drewermann auf das in SB 2, 638 angeführte Werk Anna Freuds »Das Ich und die Abwehrmechanismen« anspielt. Vgl. auch sein Bezug auf das Werk in SB 2, 159.

761
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24 Vgl.: Kapitel II. 3. in TE 1: "Mit dem Traum, nicht mit dem Wort ist zu beginnen" (TE 1, Inhalt und 92), sowie die langen Ausführungen hierüber in den Kapiteln II. 3. und II. 4. ebd.

762
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25 WH 1, 176. Vgl. auch: WH 2, 107-110; 119; 139-141; WH 3, 38-40; 55-60.

763
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26 Fehrenbacher, Gregor: Drewermann verstehen. Eine kritische Hinführung. Olten 1991, 154. Die mitzitierten Fußnoten finden sich bei Fehrenbacher auf S. 254 und verweisen auf: 193: TE 1, 97; 195: TE 1, 27; 196: TE 1, 19.

764
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27 TE 1, 27.

765
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28 Vgl.: WH 2, 177f.

766
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29 Diese Aussage bezieht sich an genannter Stelle auf die Deutung gemäß der menschlichen Phylogenese, auf die ich nicht eingehe, da sie mir zu spekulativ ist und zur theologischen Durchdringung der Erbsündenlehre nichts beizutragen scheint. Sinngemäß läßt sich die Aussage jedoch auch auf die Anwendung des Neurosenmodells übertragen.

767
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30 Drewermann zitiert hier: Erikson, E. H.: Childhood and Society. New York 1950; 1963. Dtsch.: Kindheit und Gesellschaft. Übers. M. v. Eckardt-Jaffé. Stuttgart 21965, 73. Vgl. Literaturverzeichnis SB 2, 637.

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31 Drewermann zitiert: Freud, Sigmund: Die Traumdeutung. In: Gesammelte Werke. 17 Bände nebst einem Registerband. London 1940, Bd. 2/3 11942, 1-642, hier 359. Vgl. Literaturangabe bei SB 2, 638.

769
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32 Stekel, W.: Die Sprache des Traumes. Eine Darstellung der Symbolik und Deutung des Traumes in ihren Beziehungen zur kranken und gesunden Seele für Ärzte und Psychologen. München 31927. Vgl. dort besonders, 58. Vgl. Literaturangaben SB 2, 646.

770
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33 Die anakoluthische Formulierung findet sich so bei Drewermann.

771
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34 Drewermann zitiert hier Jung, Carl Gustav: Vom Werden der Persönlichkeit. In: Gesammelte Werke. Olten und Freiburg. Band XVII 1972, 189-211, hier 209. Vgl. Literaturangabe in SB 2, 641 und 643.

772
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35 Drewermann bezieht sich auf: Freud, Anna: Das Ich und die Abwehrmechanismen. (1936) München o. J. (Kindler Taschenbuch Bd. 2001). Vgl. Literaturangabe SB 2, 638.

773
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36 Abraham, K.: Versuch einer Entwicklungsgeschichte der Libido aufgrund der Psychoanalyse seelischer Störungen. In: Ders.: Psychoanalytische Studien zur Charakterbildung und andere Schriften. Hg. J. Cremerius. Frankfurt a. M. 1969, 113-183. Vgl. Literaturangabe SB 2, 636.

774
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37 Klein, M.: Über das Seelenleben des Kleinkindes. In: Dies.: Das Seelenleben des Kleinkindes und andere Beiträge zur Psychoanalyse. Hg. A. Thorner. Stuttgart 1962, 146-176. Und dies.: Die Trauer und ihre Beziehung zu manisch-depressiven Zuständen. In: Op. cit., 72-100. Vgl. Literaturangabe SB 2, 644.

775
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38 Drewermann zitiert hier zweitgenanntes Werk von M. Klein, 73.

776
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39 Es ist dabei zu beachten, daß zwar Gen 2 psychoanalytisch als der Lebensabschnitt gedeutet wurde, in dem die Schizoidie entstehe, daß aber diese Neuroseform als einzige in der jahwistischen Urgeschichte nicht auftauche, da der Jahwist diese Phase nur zur Darstellung des Positiven benütze und nicht negativ enden lasse (vgl. SB 3, 485f.). Andere einschränkende Klärungen, die auf bewußte Vernachlässigungen in der Auflistung hinweisen, finden sich bei SB 2, 546.

777
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40 Drewermann bezieht sich besonders auf folgende Werke: Riemann, F.: Grundformen der Angst. Eine tiefenpsychologische Studie über die Ängste des Menschen und ihre Überwindung. München 1961. Vgl. Literaturangabe SB 2, 645. Und Bilz, R.: Paläanthropologie. Der neue Mensch in der Sicht einer Verhaltensforschung. 1. Band Frankfurt 1971. Vgl. Literaturangabe SB 2, 634.

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41 Es wäre zu überlegen, ob nicht Hoping, Helmut: Freiheit im Widerspruch. Eine Untersuchung zur Erbsündenlehre im Ausgang von Immanuel Kant. (ITS 30). Innsbruck 1990 versucht einen solchen oder ähnlichen Weg zu gehen, und ob und inwieweit dieser plausibel ist. Das kann jedoch in dieser Arbeit nicht gleistet werden.

779
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42 Unter "Gnosis" versteht Drewermann im Wesentlichen ein System, für das "die psychische Realität selbst eine metaphysische Bedeutung erlangt" (SB 3, 128). Dazu komme es, wenn innerpsychische Gegensätze in die Metaphysik verlagert würden (vgl. SB 2, 32), was entweder in die "Verunendlichung der Psychologie" (SB 3, 577) oder die "Verunendlichung der Schöpfung" (ebd.) führe. Der Gegenstandpunkt sei, "Gott und den Menschen einander als verschiedene Personen und verschiedene Freiheiten gegenüberzustellen" (ebd.). Für eine Zusammenfassung von Drewermanns Verwendung von "Gnosis", siehe: Fehrenbacher, Gregor: Drewermann verstehen. Eine kritische Hinführung. Olten 1991, 134-141. Für eine Zurückweisung der Gnosisvorwürfe an Drewermann siehe: Sudbrack, Josef: Eugen Drewermann ... um die Menschlichkeit des Christentums. Würzburg 1992, 15-24.

780
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43 Drewermann zitiert hier: Sartre, J. P.: Bei geschlossenen Türen. In: Ders.: Gesammelte Dramen. Reinbeck 1969, 67-98, hier 97. Vgl. Literaturangabe SB 3, 594.

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44 Drewermann zitiert hier: Kierkegaard, Sören: Der Begriff Angst. Eine simple psychologisch-hinweisende Erörterung in Richtung des dogmatischen Problems der Erbsünde. Von Vigilius Haufniensis. Kopenhagen 1844. In: Werke in 5 Bänden. In neuer Übertragung und mit Kommentar versehen von L. Richter. Bd I: Hamburg 1960 (rk 71), 47. Vgl. Literaturangabe SB 3, 595.

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45 Beachte auch hier die in Anmerkung 39 gemachte Einschränkung.

783
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46 Ganz ähnlich, mit Berufung auf den Römerbrief: Schwager, Raymund: Theologie des Heiligen Geistes. Gekürztes Vorlesungsmanuskript, geeignet zur Prüfungsvorbereitung. Innsbruck 1991, 16: Es kann "die eigentliche Macht der Sünde erst dann erkannt werden, wenn ihre Herrschaft grundsätzlich gebrochen ist. Vorher blendet sie die Menschen und bewirkt, daß diese ihre Versklavung gar nicht sehen."

784
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47 Im Original steht hier statt "Sünde" "Mythologie". Ich nehme aber an, daß meine Umänderung nicht gegen den Sinn der Aussage Drewermanns gerichtet ist, da für ihn das Gefangensein in der Mythologie dem Unfrei-Sein in der Sünde sehr ähnlich ist (vgl. SB 3, XXXI-XL).

785
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48 PM 1, 57.

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49 PM 1, 111-127.

787
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50 Schoonenberg, Piet: Der Mensch in der Sünde. In: J. Feiner / M. Löhner (Hg.): Mysterium Salutis. Grundriß heilsgeschichtlicher Dogmatik. Bd. II: Die Heilsgeschichte vor Christus. Einsiedeln 1967, 845-941, hier besonders 906-927. Ab jetzt zitiert als "Schoonenberg" mit Seitenangabe. Weitere Zusammenfassungen finden sich bei: Baumann, Urs: Erbsünde? Ihr traditionelles Verständnis in der Krise heutiger Theologie. (Ökumenische Forschungen. Hg. H. Küng und J. Ratzinger. II. Soteriologische Abteilung Bd. II). Freiburg 1970, 24-90. Schepers, Gerhard: Schöpfung und allgemeine Sündigkeit. Die Auffassung Paul Tillichs im Kontext der heutigen Diskussion. Essen 1974, 185-203. Schupp, Franz: Schöpfung und Sünde. Von der Verheißung einer wahren und gerechten Welt, vom Versagen der Menschen und vom Widerstand gegen die Zerstörung. Düsseldorf 11990, 374-388.

788
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51 Denzinger, H. / Schönmetzer, A. (Hg.): Enchiridion symbolorum, definitionum et declarationum de rebus fidei et morum. Freiburg 361976. Die Nummern bis 3997 sind identisch mit: Denzinger, H.: Kompendium der Glaubensbekenntnisse und kirchlichen Lehrentscheidungen. Verbessert, erweitert, ins Deutsche übertragen und unter Mitarbeit von Helmut Hoping herausgegeben von Peter Hünermann. Freiburg 371991. Abgekürzt: DH.

789
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52 Vgl. Schoonenberg, 910-913.

790
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53 Vgl. Schoonenberg, 913f.

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54 Schoonenberg nennt auf den S. 916-922 insbesondere: DS: 222-231; 267f.; 371f.; 398f.; 403; 728; 780; 858; 926; 1001; 1002; 1012; 1073; 1511-1516; 1521; 1946-1949; 2319; 2739; 3891; 3897. Für eine Übersicht vgl. auch DH Seite 1529f.

792
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55 Vgl. Vatikanum II: In: Rahner, K. / Vorgrimler, H.: Kleines Konzilskompendium. Sämtliche Texte des Zweiten Vatikanums mit Einführungen und ausführlichem Sachregister. (Herderbücherei Bd. 270). Freiburg i. Br. 201987: Dekret über die Missionstätigkeit der Kirche, Kap. 7, 607-653, hier 615f. Erklärung über das Verhältnis der Kirche zu den nichtchristlichen Religionen, Kap. 1, 355-359, hier 355. Pastoralkonstitution über die Kirche in der Welt von heute, Kap. 22, 449-552, hier 470.

793
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56 Zum Folgenden vgl. besonders Schoonenberg, 886-898 und 928-938, sowie ders.: Theologie der Sünde. Ein theologischer Versuch. Einsiedeln 1966.

794
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57 Vgl. Schoonenberg, 928.

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58 Vgl. Schoonenberg, 890f.

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59 Schoonenberg, 894.

797
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60 Schoonenberg, 894.

798
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61 Ebd.

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62 Schoonenberg, 895.

800
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63 Vgl. Schoonenberg, 896.

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64 Schoonenberg, 928.

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65 Vgl. Schoonenberg, 929.

803
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66 Schoonenberg, 930.

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67 Schoonenberg, 930f.

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68 Schoonenberg, 931.

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69 Vgl. Schoonenberg, 935.

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70 Schoonenberg, 930f.

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71 Tillich, Paul: Der Mut zum Sein, In: Sein und Sinn. Zwei Schriften zur Ontologie. Gesammelte Werke Band XI. Stuttgart, 11969, 21976, 13-139. Im Folgenden zitiert als "Mut".

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72 Mut, 33.

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73 Mut, 35.

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74 Vgl. Mut, 37.

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75 Vgl. Mut, 38-49.

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76 Mut, 56.

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77 Mut, 70.

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78 Mut, 70.

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79 Mut, 71.

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80 Vgl. Mut, 71.

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81 Vgl. Mut, 73-88.

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82 Vgl. Mut, 89-116.

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83 Mut, 117.

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84 Mut, 117.

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85 Vgl. Mut, 118-120.

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86 Vgl. Mut, 120-122.

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87 Mut, 122.

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88 Mut, 123.

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89 Mut, 128.

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90 Mut, 139.

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91 Tillich, Paul: Systematische Theologie. Bd. II. Stuttgart 11958, 41. Ab jetzt "SysTheol".

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92 Vgl. SysTheol, 36f.

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93 Vgl. SysTheol, 42.

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94 SysTheol, 42.

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95 SysTheol, 51.

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96 SysTheol, 51.

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97 Vgl. SysTheol, 52-68.

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98 Es schiene mir höchst lohnenswert, die kritische Würdigung, die Schepers, Gerhard: Schöpfung und allgemeine Sündigkeit. Die Auffassung Paul Tillichs im Kontext der heutigen Diskussion. Essen 1974 der Auffassung Tillichs angedeihen läßt, daraufhin zu überprüfen, welche Aussagen auch auf Drewermanns Entwurf zutreffen, und welche nicht. Von beiden Arten scheint es mir eine Reihe zu geben. Wichtige Punkte dort auf den Seiten: 99, 102f., 107-114, 201-233. Hier muß leider dieser kurze Verweis genügen.

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99 Vgl. hierzu SysTheol, 87-95.

837
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100 Loretz, Oswald: Rezension zu »Strukturen des Bösen«. In: Ugarit-Forschungen. Internationales Jahrbuch für die Altertumskunde Syrien-Palästinas. Hg. Bergerhof, K. / Dietrich, M. / Loretz, O. Bd. 12. Kevelaer 1980, 476-477, hier 477.

838
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101 Ruppert, Lothar: Rezension zu »Strukturen des Bösen«, Bd. 1. In: Biblische Zeitschrift 23 (1979), 116-120, hier 117.

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102 Ebd., 120. Die erwähnten Mängel beziehen sich eher auf exegetische Details und können deshalb hier unerwähnt bleiben. Methodisch merkt Ruppert an, daß die Motivgeschichte nach der Traditions- und Literarkritik hätte durchgeführt werden sollen; in diesem Punkt wirft er Drewermann Eisegese vor. Er vermißt eine syntaktisch-stilistische Analyse und macht geltend, daß der Jahwist zwar gesamtmenschliche Aussagen im Sinne Drewermanns machen wollte, die agierenden Personen aber historisch verstanden habe.

840
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103 Scharfenberg, Joachim: ... und die Bibel hat doch recht - diesmal psychologisch? Zu Eugen Drewermanns Konzept der Sünde als "Neurose vor Gott". In: Wege zum Menschen 31 (1979), 297-302, hier 302. Zu diesem Artikel ist zu beachten, daß er sich nur auf die ersten beiden Bände von SB bezieht.

841
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104 Ebd., 301.

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105 Ebd.

843
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106 Scharfenberg, Joachim: ... und die Bibel hat doch recht - diesmal psychologisch? Zu Eugen Drewermanns Konzept der Sünde als "Neurose vor Gott". In: Wege zum Menschen 31 (1979), 297-302, hier 300.

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107 Vgl.: Huth, Werner: Das Ich und der Glaube im Licht der Schicksalsanalyse Lipot Szondis. In: Stimmen der Zeit 191 (1973), 318-326, besonders 325 und dort Anm. 14.

845
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108 Kimborough, S. T. Jr.: Rezension zu »Strukturen des Bösen«. In: Journal of Biblical Literature 101 (1982), 423-427, hier 423.

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109 Schwermer, Josef: Strukturen des Bösen. Zum gleichnamigen Werk von Eugen Drewermann. In: Archiv für Religionspsychologie 14 (1980), 246-253, hier 247. Die Rezension berücksichtigt zwar alle drei Bände von SB, legt aber den Schwerpunkt auf die Bewertung von Band 2.

847
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110 Ebd.

848
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111 Ebd.

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112 Wiedenhofer, Siegfried: Zum gegenwärtigen Stand der Erbsündentheologie. In: Theologische Revue 83 (1987), 353-370, hier 357.

850
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113 Scharfenberg, Joachim: Das Problem der Angst im Grenzgebiet von Theologie und Psychologie. In: Wege zum Menschen 20 (1968), 314-324.

851
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114 Muck, Otto: Wissenschaftstheorie. In: Sacramentum mundi. Theologisches Lexikon für die Praxis. Bd. IV. Freiburg 1969, Sp. 1394-1402, hier 1400. "Welche" ist hier Relativpronomen.

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115 Vgl. hierzu: Muck, Otto: Wissenschaftstheorie. In: Sacramentum mundi. Theologisches Lexikon für die Praxis. Bd. IV. Freiburg 1969, Sp. 1394-1402, besonders 1395-1400. Zur Rechtfertigung aber auch Einschränkung der Aussagekraft naturwissenschaftlicher Theorien (am Beispiel der Physik), vgl. auch ders.: Methodologie und Metaphysik. In: Coreth, E. / Muck, O. / Schasching, J.: Aufgaben der Philosophie. Hg. E. Coreth. (Philosophie und Grenzwissenschaften IX/2). Innsbruck 1958, 101-157, besonders 119-126..

853
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116 Scharfenberg, Joachim: ... und die Bibel hat doch recht - diesmal psychologisch? Zu Eugen Drewermanns Konzept der Sünde als "Neurose vor Gott". In: Wege zum Menschen 31 (1979), 297-302, hier 300.

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117 Martin, Gerhard Marcel: Eugen Drewermanns "Strukturen des Bösen" als Ausgangspunkt eines umstrittenen theologischen Denkweges. In: Theologische Literaturzeitung 115 (1990), 321-332, hier 332, Anm. 17, wo er aus Sigmund Freud: GW II/III, London 1942, 528 zitiert.

855
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118 Vgl. ebd., Anm. 18. Dort verweist Martin auf TE 1, 221, wo Drewermann schreibt, daß sich "in einem Punkt ... eine gewisse 'Willkür' nicht vermeiden läßt, ja sogar verlangt werden muß, und das ist der Faktor der prinzipiellen Unvollendbarkeit der Erfahrungsmaterials, der in der Tat einen erheblichen Freiheitsspielraum in der Interpretation eröffnet" (TE 1, 221). Dies gilt ausdrücklich auch von »Strukturen des Bösen«: "Das hier aufgeführte Material [aus den Mythen der Völker] ist prinzipiell unvollendbar ... ." (SB 2, XLIV)

856
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119 Schwermer, Josef: Strukturen des Bösen. Zum gleichnamigen Werk von Eugen Drewermann. In: Archiv für Religionspsychologie 14 (1980), 246-253, hier 249.

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120 Schwermer, Josef: Strukturen des Bösen. Zum gleichnamigen Werk von Eugen Drewermann. In: Archiv für Religionspsychologie 14 (1980), 246-253, hier 249.

858
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121 WH 1, 154.

859
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122 Vgl. hierzu: Monogenismus. In: Rahner, K. / Vorgrimler, H.: Kleines Theologisches Wörterbuch. (Herderbücherei Bd. 557). Freiburg i. Br.: 151985, 282f. Etwas skeptischer ist Schoonenberg, 936-938.

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123 Monogenismus. In: Rahner, K. / Vorgrimler, H.: a.a.O., 282.

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124 Wilms, Franz Elmar: Die "jahwistische Urgeschichte" - Bilder vom Anfang der Menschheit und der Psychogenese jedes Einzelnen? In: Lebendiges Zeugnis 34 (1979) Heft 3, 71-86, hier 84. Ähnlich äußert sich: Stendebach, Franz Josef: Rezension zu »Strukturen des Bösen«, Bd. 1. In: Bibel und Kirche, 33 (1978), 70f, hier 70, der Drewermanns Deutung des Todes als "zu begrüßen" bezeichnet.

862
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125 Die oftmals gebrauchte Unterscheidung von Angst und Furcht kann hier vernachlässigt werden, zumal sie auch dem deutschen Alltagssprachgebrauch nicht entspricht, wie M. Wandruszka feststellt. Wandruszka, Mario: Was weiß die Sprache von der Angst? In: Bitter, Wilhelm (Hg.): Angst und Schuld in theologischer und psychotherapeutischer Sicht. Stuttgart 41967, 14-22, bes. 14. Es geht uns um das Phänomen, das Drewermann in seinen Ausführungen beschreibt.

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126 Kasper, Walter: Tiefenpsychologische Umdeutung des Christentums? In: Görres, Albert / Kasper, Walter (Hg.): Tiefenpsychologische Deutung des Glaubens? Anfragen an Eugen Drewermann. (Quaestiones Disputatae 113). Freiburg 1988, 9-25, hier 11.

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127 Lohfink, Gerhard / Pesch, Rudolf: Tiefenpsychologie und keine Exegese. Eine Auseinandersetzung mit Eugen Drewermann. (Stuttgarter Bibelstudien 129). Stuttgart, 21988. Kasper verweist auf S. 36.

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128 Stendebach, Franz Josef: Rezension zu »Strukturen des Bösen«, Bd. 1. In: Bibel und Kirche, 33 (1978), 70f, hier 70. Das Zitat stammt aus SB 1, 60.

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129 Sudbrack, Josef: Eugen Drewermann ... um die Menschlichkeit des Christentums. Würzburg 1992, 27.

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130 Ebd., 31.

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131 Muck, Otto: Philosophische Gotteslehre. (Leitfaden Theologie 7). Düsseldorf 11983, 21990, 144. Zur Erläuterung der Unterscheidung von notwendigen und hinreichenden Gründen vgl. ebd., 143-145.

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132 Ebd., 144.

870
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133 So sieht etwa R. Affemann viele Symptome der Sünde wie Drewermann, für ihn aber ist die Angst nur eine Ursache dafür unter vielen. Vgl. Affemann, Rudolf: Sünde und Erlösung in tiefenpsychologischer Sicht. In: Erlösung und Emanzipation. Hg. L. Scheffczyk. (Quaestiones disputatae 61). Freiburg 1973, 15-29. Andererseits ist zu beachten, daß Drewermann ja gerade meint, die Daseinsangst, sei tiefenpsychologisch nicht voll zu erfassen, sondern nur daseinsanalytisch. Von der Spiritualität herkommend liegt A. de Mello eher auf der Linie Drewermanns. Er stellt kategorisch fest: "Es gibt nur eines auf der Welt, was von Übel ist, nämlich Angst. ... Jedenfalls gibt es kein einziges Übel auf der Welt, das sich nicht auf Angst zurückführen ließe, kein einziges." De Mello, Anthony: Der springende Punkt. Wach werden und glücklich sein. (Englisch: Awareness. A de Mello Spirituality Conference in his own words). Übers. v. I. Johna. Freiburg 1991, 67.

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134 Damit sind Kierkegaards Schriften: »Furcht und Zittern«, »Die Krankheit zum Tode« und »Der Begriff der Angst«, auf die sich Drewermann vornehmlich stütze, gemeint.

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135 Furger, Franz: Psychoanalyse und christliche Ethik. Zur Auseinandersetzung mit Eugen Drewermann aus moraltheologischer Sicht. In: Görres, Albert / Kasper, Walter (Hg.): Tiefenpsychologische Deutung des Glaubens? Anfragen an Eugen Drewermann. (Quaestiones Disputatae 113). Freiburg 1988, 67-80, hier 70f.

873
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136 Guardini, Romano: Der Ausgangspunkt der Denkbewegung Sören Kierkegaards. In: Vom Sinn der Schwermut. (Topos Taschenbücher 130). Mainz 11983, 59-107, hier 65.

874
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137 Ebd.

875
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138 Balthasar, Hans Urs von: Der Christ und die Angst. (Christ heute - zweite Reihe - drittes Bändchen). Einsiedeln 1951, 51976, 75.

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139 Ebd., 78f.

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140 Vgl. ebd., 80.

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141 Vgl. ebd., 83.

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142 Ebd, 85.

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143 Ebd.

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144 Ebd.

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145 Ebd.

883
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146 Ebd., 86.

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147 Ebd.

885
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148 Vgl. Kutter, Peter: Angst, Schicksal oder Schuld? Betrachtungen eines Psychoanalytikers. In: Wege zum Menschen 29 (1977), 154-167, besonders 162.

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149 Ebd., 163.

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150 Vgl. ebd., 163f.

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151 Scharfenberg, Joachim: Das Problem der Angst im Grenzgebiet von Theologie und Psychologie. In: Wege zum Menschen 20 (1968), 314-324.

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152 Ebd., 316.

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153 Vgl. ebd., 316f.

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154 Vgl. ebd., 317.

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155 Ebd., 321.

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156 Es ist zu beachten, daß hier ein leichter Unterschied zwischen Scharfenberg und Drewermann liegt, da letzterer ja, wie gesehen (vgl. S. Link), die Neurosenlehre Freuds mit den Formen der Verzweiflung nach Kierkegaard parallelisiert und damit auch identifiziert, und somit keine dritte Möglichkeit offen läßt. Trotzdem gelangen beide, Drewermann und Scharfenberg, zum gleichen Ergebnis, was die Aufgabe der Seelsorge im Hinblick auf die Angst sei.

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157 Ebd., 322.

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158 Vgl. ebd., 315.

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159 TE 1, 12.

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160 TE 1, 227.

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161 Metz, Johann Baptist: Theologie als Theodizee? In: Oelmüller, W. (Hg.): Theodizee - Gott vor Gericht? München 1990, 103-118, hier 115.

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162 Drewermann, Eugen: Sünde. In: Neues Handbuch theologischer Grundbegriffe. Erweiterte Neuausgabe. Hg. Peter Eicher. München 1991, Bd 5, 86-93, hier 89.

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163 WH 1, 73.

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164 Sudbrack, Josef: Eugen Drewermann ... um die Menschlichkeit des Christentums. Würzburg 1992, 63. Siehe dort Verweisstellen auf Drewermann.

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165 Ebd.

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166 Ebd., 64. Vgl. auch WH 2, 135f.

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167 Vgl. hierzu: Coreth, E. / Schöndorf, H.: Philosophie des 17. und 18. Jahrhunderts. (Grundkurs Philosophie 8). (Urban-Taschenbücher; Bd. 352). Stuttgart 1983, 128-130. Und Coreth, E. / Ehlen, P. / Schmidt, J.: Philosophie des 19. Jahrhunderts. (Grundkurs Philosophie 9). (Urban-Taschenbücher; Bd. 353). Stuttgart 1984, 9-14.

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168 An dieser Stelle sei ganz vorsichtig angefragt, ob sich nicht eine ähnliche Spannung bei K. Rahner abzeichnet, wenn er einerseits zur "transzendentalen Freiheit" feststellt, daß sie raum-zeitlich vermittelt sein müsse, denn "eine Freiheit, die nicht welthaft in Erscheinung treten könnte, wäre gewiß keine Freiheit, die uns besonders interessiert" (47). Andererseits bleibe "die reflektierende Freiheit sich selbst immer notwendig verborgen" (47) deshalb könne man auch die Frage nicht beantworten, "ob man ein konkretes empirisches Einzeldatum in der Geschichte ... der Menschheit als Produkt ... dieser ursprünglichen Freiheit interpretieren kann oder ob man im einzelnen Fall das Gegenteil tun muß" (48). Vgl.: Rahner, Karl: Grundkurs des Glaubens. Einführung in den Begriff des Christentums. Freiburg, 3. Auflage der Sonderausgabe 1984. Vgl. zum Thema der Freiheit die Seiten 46-48.

906
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169 Vgl.: Lauter, Hermann-Josef: Theologische Anmerkungen zum Werk Eugen Drewermanns. (Kölner Beiträge - Neue Folge Heft 13. Hg. Presseamt des Erzbistums Köln). Köln 1988, 24.

907
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170 Wiedenhofer, Siegfried: Zum gegenwärtigen Stand der Erbsündentheologie. In: Theologische Revue 83 (1987), 353-370, hier 355.

908
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171 Ebd., 367.

909
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172 Ebd.

910
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173 Sudbrack, Josef: Eugen Drewermann ... um die Menschlichkeit des Christentums. Würzburg 1992, 58.

911
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174 Gesendet im Programm Ö 1 am 4. 3. 92 in der Sendung "Salzburger Nachtstudio". Vgl. auch WH 2, 144.

912
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175 Ebd. Vgl. gleichermaßen Schoonenberg, 886 und oben S. Link.

913
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176 Vgl. DH 293, 301, 554 mit Bezug auf Jesus; DH 2803 für Maria; vgl. ebenso DH Seite 1546 und 1549.

914
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177 Schwager, Raymund: Jesus im Heilsdrama. Entwurf einer biblischen Erlösungslehre. (ITS 29). Innsbruck 1990, 218. Ebd. in Fußnote 26 verweist er auf unterstützende Aussagen in Joh 16, 3; Apg 3, 17; Röm 10, 2.

915
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178 Vgl. ebd. 152f. und SB 1, 160.

916
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179 Vgl. hierzu: Brantschen, Johannes B.: Gott und das Böse. Aktuelle theologische Erwägungen zu einer zeitlosen religiösen Frage. In: Herder Korrespondenz, 33 (1979), 43-49, besonders 47f.

917
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180 Lauter, Hermann-Josef: Theologische Anmerkungen zum Werk Eugen Drewermanns. (Kölner Beiträge - Neue Folge Heft 13. Hg. Presseamt des Erzbistums Köln). Köln 1988, 24.

918
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181 Marquard, Odo: Schwierigkeiten beim Ja-Sagen. In: Oelmüller, W. (Hg.): Theodizee - Gott vor Gericht? München 1990, 87-102, hier 98.

919
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182 PM 1, 76f.

920
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183 Marquard, Odo: Schwierigkeiten beim Ja-Sagen. In: Oelmüller, W. (Hg.): Theodizee - Gott vor Gericht? München 1990, 87-102, hier 100.

921
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184 Metz, Johann Baptist: Theologie als Theodizee? In: Oelmüller, W. (Hg.): Theodizee - Gott vor Gericht? München 1990, 103-118, hier 104f.

922
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185 Vgl. ebd., 109f.

923
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186 Ebd., 110.

924
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187 PM 1, 98.

925
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188 PM 1, 98. Verweise auf Paulus: PM 1, 97.

926
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189 Metz, a.a.O., 111. Er zitiert aus: Kierkegaard, S.: Pap. X 1 A 640 (=Tagebücher), dt. von H. Gerdes, Bd. III, Düsseldorf-Köln 1968, 275.

927
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190 Geyer, Carl-Friedrich: Das Theodizeeproblem - ein historischer und systematischer Überblick. In: Oelmüller, W. (Hg.): Theodizee - Gott vor Gericht? München 1990, 9-32, hier 28.

928
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191 Werbick, Jürgen: Schulderfahrung und Bußsakrament. Mainz, 1985, 80f. Zitiert nach: Wiedenhofer, Siegfried: Zum gegenwärtigen Stand der Erbsündentheologie. In: Theologische Revue 83 (1987), 353-370, hier 363.

929
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192 PM 1, 57.

930
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193 PM 1, 63f.

931
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194 Schwager, Raymund: Theologie des Heiligen Geistes. Gekürztes Vorlesungsmanuskript, geeignet zur Prüfungsvorbereitung. Innsbruck 1991, 25f.

932
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195 Ebd., 26.

933
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196 Vgl. etwa Girard, René: Violence and the Sacred. Transl. by Patrick Gregory. Baltimore and London 1979, 6th printing 1989, 169-222.

934
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197 Schwager, a.a.O., 26.

935
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198 Schwager, a.a.O., 21. Drewermann versteht diese Passage als Darstellung, wie sich Paulus "vor der Begegnung mit Christus fühlte". Leben, 62.

936
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199 Vgl. Schwager, a.a.O., 21-24.

937
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200 Vgl. z. B. PM 2, 38-76.

938
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201 Schierse, Franz Josef: Konkordanz zur Einheitsübersetzung der Bibel. Düsseldorf, 21986, 416f. nennt: Lk 23, 40; Röm, 11, 20; Phil 2, 12; Hebr 10, 31; 12, 18-29; Offb 11, 18; 14, 7; 15, 4.

939
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202 Vgl.: Schwager, Raymund: Jesus im Heilsdrama. Entwurf einer biblischen Erlösungslehre. (ITS 29). Innsbruck 1990, 232-242.

940
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203 Hier sind besonders hervorzuheben: Röm 8, 15.31-39; 1 Joh, 16b-21.

941
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204 Schwager, Raymund: Jesus im Heilsdrama. Entwurf einer biblischen Erlösungslehre. (ITS 29). Innsbruck 1990, 53f. Vgl. auch ebd. Anm. 60.

942
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205 Vgl. besonders Schwager, a.a.O., 174.

943
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206 Leben, 94.

944
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207 Drewermann, Eugen: Das Markusevangelium. Bilder von Erlösung. Bd 1, Olten 71991, 65 Anm. 35.

945
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208 Ebd., 65f.

946
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209 Ebd., 67.

947
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210 Vgl. Sudbrack, Josef: Eugen Drewermann ... um die Menschlichkeit des Christentums. Würzburg 1992, 48. Allerdings zitiert er a.a. O. obige Sätze von Drewermann sehr frei, ohne dies kenntlich zu machen, und erwähnt auch nicht die in den Anmerkungen 35 und 36 bei Drewermann gegebenen Verweise auf positive Deutungsansätze des Leidens Christi in der gegenwärtigen Theologie.

948
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211 Ebd., 48f.

949
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212 Vgl. Drewermann, Eugen: Kleriker. Psychogramm eines Ideals. Olten 81990.

950
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213 Ebd., 96. Sudbrack zitiert G. Greshake in: Hillenbrand, K. (Hg.): Priester heute. Anfragen, Aufgaben, Anregungen. Würzburg 21991, 12.

951
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214 Schwager, Raymund: Jesus im Heilsdrama. Entwurf einer biblischen Erlösungslehre. (ITS 29). Innsbruck 1990, 221.

952
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215 Gemeint ist "der Geist der Freiheit", der "Liebe", "der Freude, des Friedens, der Langmut und der Sanftmut", der uns zu Söhnen und Töchtern Gottes macht, und der Jesu Handeln ganz bestimmte; Schwager verweist auf: 2 Kor 3, 17; 1 Kor 13; Gal 5, 22f. und Röm 8, 15.

953
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216 Schwager, a.a.O., 236.

954
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217 Leben, 146.

955
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218 Vgl. oben S. Link und Metz, Johann Baptist: Theologie als Theodizee? In: Oelmüller, W. (Hg.): Theodizee - Gott vor Gericht? München 1990, 103-118, hier 115.

956
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219 Leben, 163.

957
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220 Drewermann, Eugen in einem Interview des Schweizerischen Rundfunks, DRS, zu seinem Buch »Kleriker«, 1989, wiederholt im Oktober 1991. Eine Tonaufzeichnung liegt mir vor. Vgl. auch WH 3, 74-77.

958
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221 WH 2, 136.

959
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222 WH 3, 77.

960
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223 WH 3, 76.

961
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224 Wiederum scheint mir die Spiritualität A. de Mellos große Ähnlichkeiten mit Drewermanns Theologie aufzuweisen, was u. a. daran liegen mag, daß auch de Mello psychotherapeutisch tätig war. Das ganze Buch De Mello, Anthony: Der springende Punkt. Wach werden und glücklich sein. (Englisch: Awareness. A de Mello Spirituality Conference in his own words). Übers. v. I. Johna. Freiburg 1991 könnte zu einem tiefgehenden Verständnis von "glücklich sein" auch im Sinne Drewermanns beitragen. Vgl. besonders auch zum Thema Leiden und Selbstverleugnung die Seiten: 60-67; 111-114; 148.

962
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225 Vgl. hierzu z. B. Büchele, Herwig: Die Gottesverneinung im Namen des Menschen: Sartre und Camus. In: Coreth, E. / Lotz, J. B. (Hg.): Atheismus kritisch betrachtet. München 1971, 89-114, besonders, 99f.

963
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226 WH 1, 163.

964
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227 Vgl. hierzu auch: Kern, Walter: Jesus - Mitte der Kirche. Innsbruck 1979, 83-93. Die dort auf S. 88f. gemachten Einschränkungen wären zu diskutieren.

965
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228 Vgl. den Schutz der Menschen Gen 3, 21; 4, 15f. und besonders 8, 21: "Ich will die Erde wegen des Menschen nicht noch einmal verfluchen; denn das Trachten des Menschen ist böse von Jugend an." Hervorhebung von mir; beachte dazu Drewermanns Auslegung S. Link und SB 1, 206.

966
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229 Vgl. Lk 15,18f. und 15,21f. und Drewermann, Leben, 96.

967
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230 WH 1, 165.

968
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231 WH 1, 102. Er verweist dort für ein Beispiel auf Mk 10, 46-52.

969
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232 Vgl. WH 1, 144: "... Vermutlich ist meine Perspektive [auf die Kirche] in gewissem Maße einseitig ...."

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